Mit Urteil vom 29.09.2009 (416 C 4982/09) hat das AG Dortmund die beteiligte Versicherung zur Zahlung weiterer Mietwagenkosten in Höhe von 317,87 € zzgl. Zinsen sowie vorgerichtlicher RA-Kosten verurteilt. Das Gericht wendet die Schwacke-Liste an und lehnt die Anwendung der Fraunhofer Tabelle ab.
Aus den Entscheidungsgründen:
Die Klage ist zulässig und teilweise begründet.
Der Kläger ist insbesondere aktivlegitimiert. Die unstreitig zunächst erfolgte Abtretung des Erstattungs-anspruches an die Firma X ist nach der von der Beklagtenseite vorgelegten Abtretungserklärung (Bl. 34 d.A.) unwirksam, da die Abtretung nicht hinreichend bestimmt ist. Auf dem betreffenden Formular sind die abzutretenden Ansprüche – trotz hierfür vorgesehener Felder zum Ankreuzen – überhaupt nicht durch Ankreuzen kenntlich gemacht worden, so dass nicht ersichtlich ist, ob der Anspruch auf Erstattung von Mietwagenkosten überhaupt abgetreten werden sollte. Mangels wirksamer Abtretung ist der Kläger Forderungsinhaber geblieben und kann die Forderung dementsprechend gerichtlich geltend machen.
Der Kläger hat einen weitergehenden Ersatzanspruch in Höhe von 317,87 € gegen die Beklagte aus §§ 7 Abs. 1 StVG, 115 Abs. 1 VVG.
Die Haftung hieraus ist dem Grunde nach unstreitig. Unstreitig ist insbesondere, dass die Beklagte grundsätzlich zu 100 % haftet.
Der Höhe nach besteht eine Ersatzpflicht allerdings in Höhe von nur 317,87 €, weil nur diese Summe gemäß § 249 Abs. II BGB neben dem bereits regulierten Betrag von 422,45 € zur Schadensbeseitigung erforderlich war.
Gemäß § 249 Abs. II BGB kann der Geschädigte den zur Wiederherstellung des Zustandes vor Schädigung erforderlichen Geldbetrag verlangen. Kann der Geschädigte wegen des schädigenden Ereignisses die Sache nicht nutzen, hat er Anspruch auf Ersatz der Kosten für die Anmietung einer gleichwertigen Sache (vgl. Palandt/Heinrichs, 67. Aufl., RdNr. 29). Dementsprechend kann der Geschädigte auch Ersatz von Mietwagenkosten verlangen. Hier kann er grundsätzlich nur die Kosten eines Normaltarifes verlangen. Die Inanspruchnahme eines teureren Unfallersatztarifes ist dagegen nur unter besonderen Voraussetzungen möglich.
Dabei kann das Gericht im Rahmen der ihm gemäß 287 ZPO eingeräumten Schätzungsmöglichkeit die Höhe der erforderlichen Kosten durch Schätzung ermitteln.
Vorliegend geht das Gericht davon aus, dass ein Unfallersatztarif in Rechnung gestellt wurde, weil der vorliegend angesetzte Tarif höher ist als der grundsätzlich übliche Normaltarif. Der Normaltarif, wie er sich aus der Schwacke-Liste 2008 ergibt, liegt bei 641,09 €, während die hier in Rechnung gestellte Summe 848,68 € betrug und damit 32 % höher lag als der Normaltarif.
Der Kläger kann von der Beklagten die Erstattung dieses Tarifs nicht in voller Höhe verlangen, weil keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich sind, dass ihm ein Normaltarif nicht zugänglich gewesen wäre und weil bei der dem Gericht möglichen Schadensschätzung sich lediglich ein erstattungsfähiger Betrag von insgesamt 740,32 € ergibt.
Die Inanspruchnahme eines Unfalltarifes ist nämlich nur dann zur Schadensbeseitigung erforderlich und damit ersatzfähig, wenn dem Geschädigten ein Normaltarif nicht zugänglich war oder wenn die Besonderheiten des Unfallersatztarifes einen gegenüber dem Normaltarif höheren Preis aus betriebswirtschaftlicher Sicht rechtfertigen, weil sie auf Leistungen des Vermieters beruhen, die durch die besondere Unfallsituation veran-lasst und deshalb zur Schadensbehebung erforderlich sind.
Vorliegend ist nicht ansatzweise vorgetragen worden, dass dem Kunden der Klägerin ein Normaltarif nicht zugänglich gewesen wäre. Entgegen der Auffassung des Beklagten handelt es sich bei diesem Aspekt auch nicht um eine Frage des Verstoßes gegen eine Schadensminderungspflicht, sondern vielmehr um eine besondere Anspruchsvoraussetzung für die Geltendmachung eines gegenüber dem Normaltarif erhöhten Unfallersatztarifs (vgl. BGH, Urteil v. 14.10.2008, Az. VI ZR 308/07). Der Kläger hat in seiner persönlichen Anhörung zwar angegeben, dass er zwecks Transports von Renovierungsmaterialien im Rahmen eines bald anstehenden Umzugs mobil sein musste. Dass dies aber dazu führen sollte, dass der Kläger nicht telefonisch zumindest Vergleichsangebote einholen bzw. durch die Fa. X einholen lassen konnte, ist nicht ersichtlich.
Allerdings geht das Gericht davon aus, dass auf Grund der Unfallsituation ein gegenüber dem Normaltarif erhöhter Preis gerechtfertigt ist, weil dieser auf Leistungen des Vermieters beruht, die durch die besondere Unfallsituation veranlasst sind. Vorliegend sind die Mietkosten durch die Mietwagenfirma jedenfalls vorfinanziert worden. In diesem Zusammenhang hat der Kläger auch angegeben, dass er den Mietwagen unter der Voraussetzung angemietet hat, dass ihm persönlich hieraus keine weiteren Kosten entstehen würden. Soweit die Beklagte behauptet, dass sie bei rechtzeitiger Informierung selbst die Kosten vorfinanziert hätte, um eine Anmietung zum sog. „Selbstzahler-Tarif“ zu ermöglichen, kann sie auch hiermit nicht gehört werden. Einem unfallgeschädigten Kunden ist es nicht zuzumuten, erst auf die sicherlich zunächst erfolgende Prüfung der Versicherungsgesellschaft zu warten, wenn er auf ein Fahrzeug angewiesen ist und überhaupt noch nicht absehbar ist, ob die gegnerische Versicherung eine volle Einstandspflicht anerkennen wird. Dass der Kläger vorliegend auf ein Fahrzeug angewiesen war, hat er in seiner persönlichen Anhörung glaubhaft dargelegt.
Das Mietwagenunternehmen war auch einem grundsätzlich höherem Risiko ausgesetzt als bei normalen Anmietungen, weil es ohne Absicherung durch Vorkasse seitens des Kunden diesem den Wagen zur Verfügung gestellt hat, wobei unsicher war, ob es die hierfür entstehenden Kosten von der Beklagten erstattet bekommen würde. Es handelt sich hierbei um ein typisches Risiko bei Verkehrsunfällen, in denen häufig die Haftung sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach streitig gestellt wird. Wenngleich eine Streitigkeit über die Haftung dem Grunde nach nicht bestand, bestanden dennoch Differenzen über die Frage der Angemessenheit der Mietkosten. Hierin liegt ein Risiko, was sich für die Klägerin auch gerade in dem jetzt geführten Rechtsstreit verwirklicht hat und insoweit eine grundsätzliche Erhöhung der Preise im Unfallersatzgeschäft als gerechtfertigt erscheinen lässt.
In diesem Zusammenhang kann die Beklagte auch nicht damit gehört werden, dass ein besonderer Verwaltungsaufwand nur deshalb entstehe, weil sie sich gegen überhöhte Forderungen verwahre; würde ein Mietwagenunternehmen übliche Kosten verlangen, würde mangels Verweigerungshaltung der Beklagten auch kein erhöhter Verwaitungsaufwand anfallen. Wenngleich das Mietwagenunternehmen im vorliegenden Fall einen auch gegenüber dem Schwacke-Tarif erhöhten Tarif berechnet hat, ist gerichtsbekannt, dass die Beklagte auch Zahlungen nach dem Schwacke-Tarif ablehnt, wenngleich die Geeignetheit der Schwackeliste als Schätzgrundlage der gefestigten Rechtsprechung diverser Gerichte, insbesondere auch des Landgerichts Dortmund (vgl. zuletzt Urteil v. 12.03.2009, Az. 4 S 130/08), entspricht. Selbst wenn das Mietwagenunternehmen also einen nach hiesiger Rechtsprechung gerechtfertigten Tarif verlangt hätte, hätte die Beklagte hiergegen Widerspruch erhoben, so dass erhöhte Verwaltungskosten in jedem Fall entstanden wären.
Auch der Einwand der Beklagten, es bestünde kein besonderer Vorhalteaufwand, ist nicht überzeugend. Schon der Umstand, dass bei Anmietung eines Ersatzfahrzeugs nach einem Unfall angesichts der ungewissen Reparaturdauer nicht feststeht, wie lange die Mietzeit dauern wird, legt nach der allgemeinen Lebenserfahrung den Rückschluss nahe, dass vor diesem Hintergrund ein Mietwagenuntemehmen mehr Fahrzeuge vorhalten muss als nötig wäre, wenn es ausschließlich Anmietungen mit fester Laufzeit vornähme. In letzterem Fall nämlich besteht für das Mietwagenunternehmen viel größere Planungssicherheit, so dass es mit einem eng begrenzten Fahrzeugbestand auskommen kann. Bei Tätigwerden im Unfallersatzgeschäft ist dies aber gerade nicht der Fall, weil immer damit gerechnet werden muss, dass hierfür vermietete Fahrzeuge später zurückgegeben werden als geplant, so dass dann andere, weitere Fahrzeuge für die Vermietung zur Verfügung stehen müssen.
Es ist entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten in diesem Zusammenhang auch zu berücksichtigen, dass der bei der Schadensberechnung nach § 287 ZPO besonders freigestellte Tatrichter für die Prüfung der betriebswirtschaftlichen Rechtfertigung eines Unfallersatztarifes die Kalkulation der konkreten Unternehmen in jedem Fall nicht nachvollziehen muss; vielmehr kann sich seine Prüfung darauf beschränken, ob spezifische Leistungen bei der Vermietung an Unfallgeschädigte allgemein einen Aufschlag rechtfertigen (vgl. BGH, Urteil v. 09.10.2007, VI ZR 27/07; LG Dortmund, Urteil v. 14.06.2007, AZ: 4 S 165/06).
Hinzu kommt, dass ein pauschaler Aufschlag der vorgenannten Art unabhängig davon, in welchem Umfang im konkreten Fall unfallbedingte Zusatzleistungen des Autovermieters in Anspruch genommen wurden, allein praktikabel ist, um die Schadensabwicklung zu vereinheitlichen und zu erleichtern (s. LG Dortmund, a. a. O.). In diesem Zusammenhang hält das erkennende Gericht in Übereinstimmung mit der ständigen Rechtsprechung des Landgerichts Dortmund einen pauschalen Aufschlag von 20 % für angemessen.
Das Gericht legt seiner Schätzung in Übereinstimmung mit der ständigen Rechtsprechung des Landgerichts Dortmund (vgl. Urteil v. 03.07.2008, Az. 4 S 29/08 betr. Tauglichkeit der Schwacke-Liste 2007; zuletzt noch LG Dortmund, Urteil v. 12.03.2009, Az. 4 S 130/08) die Schwacke- Liste 2008 als Schätzgrundlage zu Grunde. Diese Liste wird trotz der allgemein gehaltenen Angriffe der Beklagtenseite, insbesondere auch unter Berücksichtigung der Fraunhofer Liste, als geeignete Schätzgrundlage angesehen. Der Tatrichter muss Einwendungen gegen die Schätzgrundlage nur nachgehen, wenn an konkreten Tatsachen aufgezeigt wird, dass die geltend gemachten Mängel der betreffenden Schätzgrundlage sich auf den zu entscheidenden Fall auswirken (vgl. BGH, Urteil v. 11.03.2008, Az. VI ZR 164/07 und Urteil v. 14.10.2008, Az. VI ZR 308/07). Vorliegend sind keine solchen konkreten Tatsachen vorgetragen worden, vielmehr ist die an der Schwacke-Liste 2008 geübte Kritik der Beklagtenseite allgemeiner Natur.
Allerdings folgt das Gericht der Kritik der Beklagtenseite, sofern es den in der Schwacke-Liste ausgewiesenen Modus anbelangt. Das Gericht hält diesen angesichts der bekannten Erhebungsweise für eine nicht hinreichend repräsentative Schätzgrundlage, weil die Gefahr besteht, dass auch bei nur vereinzelter Nennung von hohen Preisen diese als maßgeblicher Preis in den Modus eingestellt werden. Vor diesem Hintergrund legt das Gericht seiner Schätzung das arithmetische Mittel zu Grunde.
Das Gericht erachtet die Kosten für Zustellung und Abholung nicht als ersatzfähig, weil solche Kosten in der Rechnung der Fa. X keinerlei Berücksichtigung gefunden haben. Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass Zustellung und Abholung grundsätzlich solche Kosten darstellen, die bei der Fa. X zu den unfallspezifischen Zusatzleistungen gehören, für deren Abgeltung der o.g. pauschale Aufschlag von 20 % gemacht wird.
Allerdings hält das Gericht die Kosten für eine Kaskoversicherung für ersatzfähig. Dass eine solche Versicherung im Leistungsumfang des Mietvertrages enthalten war, ergibt sich bereits aus der Rechnung der Fa. X, wenngleich diese nicht zusätzlich berechnet worden ist. Der Klägervertreter hat insofern plausibel dargelegt, dass die Versicherung im berechneten Gesamttarif enthalten ist. Damit ist die Versicherung dann aber auch preisbildend.
Als maßgeblicher Postleitzahlenbereich wird in Übereinstimmung mit der einschlägigen BGH-Rechtsprechung (vgl. Urteil v. 11.03.2008, Az. VI ZR 164/07) der Ort berücksichtigt, an welchem die Anmietung erfolgt ist, hier der Postleitzahlenbereich 442.
Unter Zugrundelegung der Fahrzeuggruppe 4 und einer Mietdauer von 7 Tagen sowie des Postleitzahlenbereiches 584, in welchem sich der Unfall ereignete, ergibt sich folgende Berechnung:
– Miete (1 Woche = 1 x 496,15 €): 496,15 €
– +20% Aufschlag: + 99,23 €
– zuzüglich Vollkasko (1 Woche = 144,94): + 144,94 €
Gesamtforderung: 740,32 €
Von dem so ermittelten grundsätzlich zur Schadensbeseitigung erforderlichen Betrag von 740,32 € sind die bereits gezahlten 422,45 € abzuziehen, so dass ein Restanspruch von 317,87 € verbleibt.
Ein Verstoß gegen die Schadensminderungsobliegenheit gemäß § 254 BGB, die zu einer Minderung des Anspruches führen könnte, ist nicht ersichtlich. Soweit der Kläger nach seinen Erklärungen in der mündlichen Verhandlung keine Erkundigungen über den Preis eingezogen hat, mag dies einen Verstoß gegen seine grundsätzlich bestehende Erkundigungspflicht darstellen. Dieser ist aber nicht kausal für den eingetretenen Schaden geworden. Denn es ist nicht ersichtlich, dass bei Einholung einer Erkundigung wirklich so billige Angebote, wie von der Beklagten für die Firmen Sixt und Europcar vorgetragen, genannt worden wären. Vielmehr ist davon auszugehen, dass bei einer Erkundigung – die keineswegs den Umfang einer umfassenden Marktforschung annehmen muss – Preise in einem solchen Spannbereich genannt worden wären, wie er sich aus der Schwacke-üste 2008 ergibt, die grundsätzlich den erhältlichen Normaltarif abbildet.
Der Zinsanspruch folgt aus §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. I BGB, weil die Beklagte sich spätestens ab dem 23.01.2009 in Verzug befand, da sie auf die in der zweiten Zahlungsaufforderung gesetzte Zahlungsfrist vom 22.01.2009 nicht reagiert hat.
Der Anspruch auf Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten folgt aus §§ 7 Abs. 1 StVG, 115 VVG, weil die durch Inanspruchnahme eines Anwaltes entstandenen Kosten einen Folgeschaden des Unfalls darstellen.
Die Entscheidung beruht hinsichtlich der Kosten auf §§ 91 Abs. 1, 92 Abs. 1 ZPO, hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.
Die Berufung war nicht gem. § 511 Abs. IV S. 1 zuzulassen, weil die Sache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung oder zur Fortbildung des Rechts eine Entscheidung des Berufungsgerichts erforderlich ist. Die vorliegende Entscheidung entspricht hinsichtlich der grundsätzlichen Rechtsfragen der ständigen Rechtsprechung des Landgerichts Dortmund, an welcher das Landgericht – wie vom Kläger richtigerweise ausgeführt – erst jüngst im Urteil vom 12.03.2009, Az. 4 S 130/08) noch festgehalten hat.
Soweit das AG Dortmund.