Hallo verehrte Captain-Huk-Leser,
nun wieder ein Sachverständigenkosten-Urteil. Dieses Mal aus Frankfurt am Main. Beklagte ist wieder einmal die HUK-Coburg Allgemeine Versicherungs AG. Diese meinte, aus dem grundlegenden Urteil des BGH vom 23.1.2007 – VI ZR 67/06 – Argumente für eine Markterforschung für Sachverständige durch den Geschädigten vor Beauftragung eines Kfz-Sachverständigen herleiten zu können, obwohl der BGH entschieden hat, dass der Geschädigte zu einer Markterforschung nicht verpflichtet ist. Der erkennende Amtsrichter der 30. Zivilabteilung versteht sein Handwerk. Er hat mit zutreffender Begründung zu den Argumenten der HUK-Coburg Stellung genommen. Immer wieder reitet die HUK-Coburg auf dieser sinnlosen, durch nichts gerechtfertigten Argumentation herum. Wann lernt die HUK-Coburg endlich? Lest aber selbst und gebt Eure Kommentare ab.
Viele Grüße
Willi Wacker
Amtsgericht Frankfurt am Main Verkündet am: 08.05.2012
Aktenzeichen 30 C 628/12-45
U r t e i l
Im Namen des Volkes
Im Rechtsstreit
Kfz-Sachverständiger
– Kläger-
gegen
HUK-Coburg Allgemeine Versicherungs AG, vertreten durch den Vorstand Stefan Gronbach, W.-Th.-Roemheld-Straße 28, 55130 Mainz,
– Beklagte –
hat das Amtsgericht Frankfurt am Main, Abt. 30
durch Richter am Amtsgericht …
im schriftlichen Verfahren gemäß § 495 a ZPO
und Schriftsatznachlass zum 02.05.2012 für Recht erkannt:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 241,61 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 29.05.2011 zuzüglich vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 39,00 € zu zahlen.
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
Auf die Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 313a Abs.1 ZPO verzichtet.
Die Klage ist begründet.
Der Kläger hat gegenüber der Beklagten aus abgetretenem Recht des Herrn … einen Anspruch auf Zahlung der restlichen Sachverständigenkosten aus §§ 7 Abs. 1, 17 Abs. 1 und 2, 18 Abs.1 StVG, § 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 und S. 4 VVG i.V.m. § 1 PflVG.
Vorprozessual war die Haftung der Beklagten dem Grunde nach von Anfang an unstreitig, die Beklagte hat an den Kläger auch bereits einen Teilbetrag der Sachverständigenkosten in Höhe von 351,00 € gezahlt und die geltend gemachte Restforderungen allein ihrer Höhe wegen angegriffen.
Es liegt mithin eine Fallgestaltung vor, in welcher der Forderungseinzug durch den Kläger als Nebenleistung zum Berufs- oder Tätigkeitsbild des Klägers gehört und auch bei Annahme einer Rechtsdienstleistung im Sinne des § 2 Abs. 1 RDG jedenfalls gemäß § 5 Abs. 1 RDG grundsätzlich erlaubt ist (vgl. BGH, Urteil vom 31.01. 2012, Az.: VI ZR 143/11).
Entgegen der Ansicht der Beklagten war der Zedent nicht gehalten, vor der Beauftragung des Sachverständigen … zunächst zwei bis drei Angebote anderer Sachverständiger einzuholen. Diese Ansicht steht im klaren Widerspruch zur ständigen Rechtsprechung, wonach ein Geschädigter gerade keine Marktforschung betreiben muss.
Soweit die Beklagte auf das Urteil des BGH vom 23.01.2007 (Az.: VI ZR 67/06 = BGH DS 2007, 144 ) abstellt, wonach der Zedent das Risiko der Beauftragung eines zu teuren Sachverständigen trage müsse, wenn er vor dessen Beauftragung nicht zwei bis drei Angebote einhole, hält das Gericht diesen Verweis vorliegend für nicht einschlägig.
Diese Rechtsfolge würde nur dann eintreten, wenn den Zedenten ein sogenanntes „Auswahlverschulden“ bei der Beauftragung des Sachverständigen … treffen würde.
Trifft den Geschädigten hingegen kein Auswahlverschulden bei Beauftragung des konkreten Sachverständigen, sind die Kosten der Einholung des Sachverständigengutachtens dann „erforderlicher“ Aufwand zur Wiederherstellung des beschädigten Pkw im Sinne des § 249 Absatz 2 Satz 1 BGB (vgl. LG Frankfurt am Main, Urteil vom 12.10.2010, Az.: 2/1 S 183/10).
Ein solches Auswahlverschulden des unfallgeschädigten Zedenten ist vorliegend nicht ersichtlich.
Die Beklagte hat weder dargelegt, geschweige denn nachgewiesen, weshalb der Zedent hätte wissen müssen, dass das Gutachten des von ihm beauftragten Sachverständigen teurer ausfallen wird, als die Gutachten anderer Sachverständiger.
Zum einen war dem Zedenten nicht zuzumuten, „Marktforschung“ zu betreiben und in jedem Fall mehrere Kostenvoranschläge von Sachverständigen einzuholen (vgl. zu Mietwagenkosten: BGH, Urteil vom 07.05.1996, Az.: VI ZR 138/95), zum anderen dürfte ein Preisvergleich ohne vorherige Begutachtung des Fahrzeugs durch mehrere Sachverständige auch nur schwer möglich sein.
Es ist gerichtsbekannt, dass fast sämtliche Kfz-Sachverständige ein in Relation zur Schadenshöhe berechnetes Sachverständigenhonorar verlangen.
Ein derart bestimmtes Honorar kann grundsätzlich als erforderlicher Herstellungsaufwand im Sinne des § 249 Abs. 2 BGB erstattet verlangt werden (vgl. BGH, Urteil vom 23.01.2007, Az.: VI ZR 67/06).
Wenn das Sachverständigenhonorar aber üblicherweise in Relation zur Schadenshöhe berechnet wird, kann im Wege der telefonischen Voraberkundigung bei zwei bis drei Sachverständigen kein belastbares Ergebnis erzielt werden, da die Schadenshöhe ja erst nach der Erstellung des Gutachtens feststeht.
Das Gericht unterstellt hierbei jedenfalls (mangels anderslautenden Vortrags der insoweit darlegungs- und beweispflichtigen Beklagten), dass der Zedent aufgrund seiner subjektiven Erkenntnismöglichkeiten nicht wissen konnte, dass die voraussichtlichen Reparaturkosten an seinem Fahrzeug 1.696,06 € und der Wiederbeschaffungswert 3.100,00 € betragen werden.
Ohne diese Kenntnis kann er aber nicht vorab die Honorare mehrerer Sachverständiger abfragen und vergleichen.
Die telefonische Vorabinformation durch zwei bis drei andere Sachverständige über das voraussichtliche Sachverständigenhonorar ohne vorherige Begutachtung des unfallbeschädigten Fahrzeugs wäre mithin nicht als seriös, sondern eher als „Spöken-kiekerei“ zu bezeichnen.
So lange für den Zedenten nicht erkennbar ist, dass der Sachverständige sein Honorar geradezu willkürlich festsetzt, Preis und Leistung in einem auffälligen Missverhältnis zueinander stehen oder dem Zedenten selbst ein Auswahlverschulden zur Last fällt, kann er vom Schädiger daher den Ausgleich gezahlter Aufwendungen bzw. Freistellung hiervon verlangen (vgl. hierzu: Grunsky, Zur Ersatzfähigkeit unangemessen hoher Sachverständigenkosten, NZV 2000, Seite 4, 5; Roß, a. a. O., Seite 322).
Als unterlegene Partei hat die Beklagte die Kosten des Rechtsstreits zu tragen (§ 91 ZPO); der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr.11, 713 ZPO.
Die Berufung wird gemäß § 511 ZPO nicht zugelassen, da die Sache keine grundsätzliche Bedeutung hat und auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung keine weiteren Entscheidungen des Berufungsgerichts erfordert.
…und sie lernen es nicht! Obwohl der VI. Zivilsenat des BGH in dem Urteil vom 23.1.2007 – VI ZR 67/06 – ausgeführt hat, dass der Geschädigte zu einer „Erforschung des ihm zugänglichen Markts“ grundsätzlich nicht verpflichtet ist (siehe BGH VI ZR 67/06 Rn. 17!), meint die Coburger Versicherung mit dem blank geputzten Schild, dass das Unfallopfer vor Beauftragung eines bestimmten Sachverständigen erst noch bis zu drei Kostenvoranschläge bei anderen Sachverständigen einholen müsste. Sie meint dies aus einer Schadensgeringhaltungspflicht herleiten zu können, vergisst dabei aber, dass der Sachverständige erst am Ende seiner Gutachtertätigkeit seine Kosten wegen der Relation zur Schadenshöhe (bestätigt in BGH X 122/05 und BGH VI ZR 67/06) angeben kann. Daher sind Kostenvoranschläge schon gar nicht möglich. Mit dieser, wie WW im Vorspann meiner Meinung nach zu Recht meint, unsinnigen Argumentartion soll offenbar so getan werden, als ob es das BGH-Urteil vom 23.1.2007 gar nicht gegeben hätte. Bei einer positiven Entscheidung würde man dann hausieren gehen. Aber der Richter in Frankfurt hat der HUK-Coburg mal wieder gezeigt, dass der BGH doch entscheidend ist. Die Argumentation der HUK ist dahin verbracht worden, wohin sie gehört, nämlich auf den Müll der Rechtsansichten. Insgesamt finde ich, dass das Urteil Sterne verdient hat.
Zitat: …und sie lernen es nicht!…“
Besser: sie wollen es nicht lernen oder sie dürfen es nicht?
nur das huksche gesetz gilt und sonst nix. glauben die! lol
Zitat Brandtner:
…meint die Coburger Versicherung mit dem blank geputzten Schild, dass das Unfallopfer vor Beauftragung eines bestimmten Sachverständigen erst noch bis zu drei Kostenvoranschläge bei anderen Sachverständigen einholen müsste.
Wäre auch einmal interessant zu erfahren, ob sich diese, dann ergebenden Kostennoten (Anfahrt/Kalkulation/Rg-stellung…etc.) auch von der Vs getragen wird, denn dies würde dann auch zur Diskussion stehen, aber wohl vom den (Schild)trägern abgebügelt werden.
Frägt sich nur, mit welchen Argumenten?
Hi Buschtrommler,
wäre in der Tat interessant zu erfahren, ob bei bis zu drei KV der einzelnen SVs, die ihre KVs berechnen, die HUK-Coburg diese Kosten der sinnlosen markterforschung auch erstattet. Ich glaube nicht. Und genau da widerspricht sich die HUK-Coburg. Einerseits sollen die Kosten der drei Kostenvoranschläge nicht erforderlich i.S.d. § 249 BGB sein, andererseits soll der geschädigte aber verpflichtet sein, bis zu drei Kostenvoranschläge einzuholen. Blanker Unsinn. Genau so blank wie das Schild in der Werbung.
Am besten der Geschädigte zahlt die Kostenvoranschläge selbst!! Soweit kommt es noch. Denkste!!
BGH gilt. Es braucht keine Markterforschung betrieben zu werden, auch wenn HUK-Coburg anderer (falscher) Ansicht ist. Basta!!
Hallo Bernhardt Brandtner
hallo Buschtrommler,
mit der Forderung der HUK-Coburg nach drei Kostenvoranschlägen als Maßnahme der Schadensgeringhaltungspflicht zeigt die HUK-Coburg doch ihre eigene unbsichere Linie. Wie soll ein Unfallopfer drei Kostenvoranschläge beibringen, wenn die Sachverständigen diese nicht erbringen können. Bekanntlich kann der Sachverständige seine Kosten erst am Ende seiner Begutachtung angeben. Wie soll er das dann am Beginn tun? Soll er etwa in die Glaskugel schauen? Derartige Scharlatanerei kann selbst von der HUK-Coburg nicht gefordert werden.
Fazit: Die Forderung nach drei Kostenvoranschlägen ist einfach Unsinn!! Es ist eine auf Unmöglichkeit bzw. Unvermögen gerichtete Forderung.
Soweit kann im Übrigen auch nicht § 254 BGB gehen, dass von dem Unfallopfer etwas Unmögliches gefordert wird. Der Geschädigte ist nur da zur Geringhaltung des Schadens – nicht der Kosten, denn eine kostengeringhaltungspflicht gibt es nicht – verpflichtet, wenn er die Höhe des Schadens beeinflussen kann. Und genau das kann er bei der Schadensposition „Sachverständigenkosten“ eben nicht. Er als Geschädigter hat keine Einflussnahme auf die Höhe der Sachverständigenkosten.
Im Rahmen der Geltendmachung der Schadensgeringhaltungspflicht ist der Schädiger darlegungs- und beweispflichtig. Beweis, dass Kostenvoranschläge zu anderen Schadenshöhen gelängen, hat die Beklagte noch nicht einmal angeboten, so dass schon von daher ihr Vortrag unerheblich ist und damit nicht gegeignet ist, die Klage zu Fall zu bringen. Prozessual liegt daher auch noch unerhebliches Vorbringen der Anwälte der HUK-Coburg vor. Abgesehen davon, dass der BGH eine Erkundigungspflicht eben verneint hat.
Festzuhalten ist daher, dass das gesamte Vorbringen der HUK-Coburg nicht geeignet ist, die Schadensersatzklage auf Zahlung der restlichen Sachverständigenkosten zu Fall zu bringen. Prozessökonomischer wäre es gewesen, den Klageanspruch sofort anzuerkennen.
Mit freundlichen Grüßen
und einen schönen Sonntag
Willi Wacker
durch den Kläger bzw. dessen Rechtsvertretung wurde eine Erklärung von der HUK-Coburg gefordert, es zukünfig zu unterlassen, Schreiben mit folgendem Inhalt:
„Sachverständigenkosten:
…. Als Schadensersatz können nur die Kosten erstattet verlangt werden, die zur Behebung des Schadens zweckmßig und angemessen sind. Wenn Sie ohne nähere Erkundigungen hierzu einen Sachverständigen beauftragen, verbleibt …
… Für den Fall höherer Honorarforderungen bestehen wir auf eine nachvollziehbare und nachprüfbare Darlegung, dass dem Wirtschaftlichkeitsgebot aus §249 BGB genügt wurde.“
an potentielle Kunden des Sachverständigen zu schicken?
Denn Schreiben, wie aus dem zitierten, hier mit Datum vom 15.06.2012, sind geeignet, Haftpflichtgeschädigte grundsätzlich davon abzuhalten, vom Recht der Beauftragung eines Sachverständigen ihres Vertrauens Gebrauch zu machen. Was bekanntlich auch einen Eingriff in das freie Unternehmertum von unabhängigen Sachverständigen darstellt.
Zudem meine ich, stellen derartige Schriftstücke der HUK-Coburg, da gerade nicht § 249 BGB folgend, eine unzulässige Rechtsberatung dar.
§ 249 Art und Umfang des Schadensersatzes
(1) Wer zum Schadensersatz verpflichtet ist, hat den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre.
(2) Ist wegen Verletzung einer Person oder wegen Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten, so kann der Gläubiger statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen. Bei der Beschädigung einer Sache schließt der nach Satz 1 erforderliche Geldbetrag die Umsatzsteuer nur mit ein, wenn und soweit sie tatsächlich angefallen ist.
Siehe auch: Das Merkmal der Erforderlichkeit im Sinne von § 249 BGB
http://www.captain-huk.de/allgemein/das-merkmal-der-erforderlichkeit-im-sinne-von-249-bgb/
Mein Vorschlag. Unter der Führung von CH ein Konto einzurichten, um mit den „Spenden“ – gut/optimal vorbereitete – Musterprozesse gegen ausgewählte Versicherer zu führen mit dem Ziel, Anspruchsteller und Dienstleister endlich vor deren betrügerischen und Rechte verletzenden Machenschaften nachhaltig schützen zu können.