Mit Urteil vom 28.12.2009 (3 C 397/09) hat das Amtsgericht Arnberg die Generali Versicherung AG zur Zahlung weiterer Mietwagenkosten in Höhe von 393,23 € zzgl. Zinsen sowie vorgerichtlicher RA-Kosten verurteilt. Das Gericht wendet die Schwacke-Liste an und lehnt die Fraunhofer Tabelle ab.
Aus den Entscheidungsgründen:
Die Klage ist nur teilweise begründet.
Die Klägerin kann von der Beklagten Ersatz weiterer Mietwagenkosten gem. §§7, 17 StVG, § 3 PflVersG i.V.m. §§ 249, 251 Abs. 2, 398 BGB in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang verlangen.
Nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB kann der Geschädigte als erforderlichen Herstellungsaufwand nur den Ersatz der Mietwagenkosten verlangen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in seiner Lage für zweckmäßig und notwendig halten darf. Er ist dabei ebenso wie in anderen Fällen, in denen er die Schadensbeseitigung selbst in die Hand nimmt, nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren von mehreren möglichen den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen. Der Geschädigte verstößt allerdings nicht stets gegen seine Pflicht zur Schadensgeringhaltung, wenn er ein Kraftfahrzeug zu einem Unfallersatztarif anmietet, der gegenüber einem Normaltarif teurer ist. Ein höherer Tarif kann gerechtfertigt sein, soweit Besonderheiten mit Rücksicht auf die Unfallsituation einen gegenüber dem „Normaltarif höheren Preis rechtfertigen, da sie auf Leistungen des Vermieters beruhen, die durch die besondere Unfallsituation veranlasst und infolge dessen zur Schadensbehebung nach § 249 BGB erforderlich sind (BGH, Urt. v. 14.02.2006, VI ZR 32/05 – VersR 2006, 564).
Inwieweit dies der Fall ist, hat grundsätzlich der bei der Schadensabrechnung nach § 287 ZPO besonders freigestellte Tatrichter zu schätzen. Dabei ist er nicht genötigt, die Kalkulationsgrundlagen des konkreten Anbieters im Einzelnen betriebswirtschaftlich nachzuvollziehen. Vielmehr kommt es darauf an, ob etwaige Mehrleistungen und Risiken bei der Vermietung an Unfallgeschädigte generell einen erhöhten Tarif- unter Umständen auch durch einen pauschalen Aufschlag auf den „Normaltarif“ rechtfertigen (BGH, aaO.).
War der Unfallersatztarif mit Rücksicht auf die Unfallsituation nicht im geltend gemachten Umfang zur Herstellung „erforderlich“, kann der Geschädigte im Hinblick auf die gebotene subjektbezogene Schadensbetrachtung den übersteigenden Betrag nur ersetzt verlangen, wenn ihm ein günstigerer Normaltarif nicht ohne weiteres zugänglich war. Hierfür hat der Geschädigte darzulegen und erforderlichenfalls zu beweisen, dass ihm unter Berücksichtigung seiner individuellen Kenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie der gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten unter zumutbaren Anstrengungen auf dem in seiner Lage zeitlich und örtlich relevanten Markt – zumindest auf Nachfrage – kein wesentlich günstigerer Tarif zugänglich war (BGH, Urt. v. 25.10.2005, VI ZR 9/05 – NJW 2006, 360).
Unter Zugrundelegung dieser vom Bundesgerichtshof entwickelten Grundsätze, denen sich das Gericht anschließt, kann die Klägerin noch den ausgeurteilten Betrag erstattet verlangen.
Dabei hat sich das Gericht bezogen auf den konkreten Fall von folgenden Überlegungen leiten lassen:
1.
Das Gericht ermittelt die „erforderlichen“ Mietwagenkosten in ständiger Rechtsprechung, die mit der Rechtsprechung der zuständigen Berufungskammer übereinstimmt (vgl. LG Arnsberg, I – 5 S 70/09), auf Grundlage des „Schwacke Mietpreisspiegels“.
Der „Schwacke-Mietpreisspiegel“ stellt eine geeignete Schätzgrundlage dar. Bereits aus dem Editorial zum Mietpreisspiegel ergibt sich, dass die Erhebung einer repräsentativen, wissenschaftlichen und grundsätzlichen Marktforschung entspricht. Schon beim Mietpreisspiegel 2006 wurden mehr als 8.700 Vermieterstationen befragt, was einer Rate von 12 Meldungen pro Postleitzahlengebiet entspricht und somit repräsentativ ist. Soweit eingewandt wird, dass die Mitteilung der Preise von den Vermieterstationen selbst bzw. ihren Verbänden stamme und keine verdeckte Abfrage erfolgt sei, macht dies den Mietpreisspiegel auf keinen Fall unverwertbar. Es ist nämlich zu berücksichtigen, dass ein Sachverständiger mit denselben Fehlerquellen zu kämpfen hätte, wie bei Erhebung des Mietpreisspiegels. Denn auch er müsste in erster Linie Erhebungen bei Mietwagenunternehmen durchführen und unterläge damit den gleichen Manipulationsmöglichkeiten. Darüber hinaus ist den Mietwagenunternehmen die Erhebungsproblematik spätestens seit Erscheinen des Mietpreisspiegels des Fraunhoferinstituts bekannt. Angesichts der Vielzahl kostenträchtiger Streitigkeiten mit der Versicherungswirtschaft ist in deren Bewusstsein längst angekommen, dass „Mondpreise“ allenfalls zu Problemen bei der späteren Abrechnung führen. Eine Preisreduzierung hat in den Schwacke Mietpreisspiegeln trotzdem nicht stattgefunden. Vor diesem Hintergrund kann nicht pauschal unterstellt werden, dass überhöhte Preise zur Manipulation des Mietpreisspiegels angegeben wurden.
Das Gericht ist auch nicht der Auffassung, dass der Fraunhofer Mietpreisspiegel eine bessere oder aus irgendeinem Grund überlegenere Schätzgrundlage darstellt. Neben weiteren Gesichtspunkten sollen hier nur zwei Aspekte angesprochen werden, die gegen diesen Mietpreisspiegel sprechen: So hat der Bundegerichtshof bereits entschieden, dass ein Geschädigter, der sein Fahrzeug in eine Werkstatt im Erzgebirge bringt (der Rechtstreit nahm seinen Anfang vor dem AG Aue), nicht in den nächstgelegenen „größeren Städten“ mieten muss. Er darf das Angebot in seinem Umfeld annehmen (BGH Urteil vom 9.10.2007, VI ZR 27/07). Dieser Rechtsprechung wird die Beschränkung der Erhebung auf einen zweistelligen Postleitzahlenbereich nicht gerecht. Ferner muss für den hiesigen ländlichen Raum berücksichtigt werden, dass die Erhebung des Fraunhoferinstituts die vermietenden Werkstätten, die hier eine nicht unbeträchtliche Rolle spielen, in die Betrachtung nicht mit einbezieht.
Im Übrigen ist es nicht Sinn und Zweck des § 287 ZPO, eine mathematisch exakte Ermittlung zu ermöglichen. Vielmehr soll die Schätzung „der Wahrheit möglichst nahe kommen“. Solange keine genauere Schätzgrundlage vorhanden ist, bestehen daher gegen die Anwendung des Schwacke-Mietpreisspiegels aus juristischer Sicht keine durchgreifenden Bedenken (so auch OLG Karlsruhe, VersR 2008, 92; LG Bielefeld, NJW 2008, 1601). Selbst wenn das von der Beklagten zitierte Angebot der Firma Avis zum Unfallzeitpunkt verfügbar gewesen sein sollte, kann es vor diesem Hintergrund nicht herangezogen werden. Es ist nämlich nicht zu unterstellen, dass der Geschädigte im Rahmen seiner Erkundigungen den günstigsten Preis erzielt hätte; vielmehr muss insoweit von einem Durchschnittspreis ausgegangen werden, der nach Ansicht des Gerichts durch den Schwacke-Mietpreisspiegel abgebildet wird.
2.
Einen prozentualen Aufschlag auf den Schwacke Mietpreisspiegel hält das Gericht allerdings nicht für gerechtfertigt. Denn die Klägerin hat weder dargelegt noch bewiesen, dass der Geschädigten unter Berücksichtigung ihrer individuellen Fähigkeiten kein wesentlich günstigerer Tarif zugänglich war.
Dies ergibt sich nicht allein bereits aus dem Umstand, dass das Fahrzeug noch am gleichen Tage angemietet wurde. Eine Eil- bzw. Notsituation ist insoweit keineswegs indiziert. Vielmehr hätte es der Klägerin oblegen, darzutun, dass es der Geschädigten in der konkreten örtlichen und zeitlichen Situation nicht möglich war, sich nach geringerpreisigen Vergleichsangeboten zu erkundigen. Dabei hat der Geschädigte die Umstände darzulegen, die es dem Tatrichter möglich machen, ggf. eine Unzumutbarkeit der Anmietung eines günstigeren Fahrzeugs festzustellen. Die Vernehmung der Zeugin X hat im Übrigen gezeigt, dass keine Notsituation vorlag. Denn nach ihren eigenen Angaben hätte sie sich zunächst „behelfen“ können und hätte dies vermutlich auch getan, statt die Mietwagenkosten selbst zu übernehmen. Dann war sie aber in keinem Fall so dringend auf ein Ersatzfahrzeug angewiesen, dass sie nicht zunächst Vergleichsangebote hätte einholen können. Dies gilt umso mehr, als sie aufgrund des Aufklärungshinweises der Klägerin in jedem Fall hinsichtlich der Kosten des Mietwagens misstrauisch werden musste und Nachfragen angebracht gewesen wären.
In einem solchen Fall ist die Beanspruchung eines Unfallersatztarifs nicht erforderlich im Sinne des § 249 Abs. 2 BGB. Vielmehr können nur die „üblichen“ Mietwagenkosten erstattet verlangt werden.
3.
Nebenkosten nach der Nebenkostentabelle zum „Schwacke-Mietpreisspiegel“ hält das Gericht nur teilweise für erstattungsfähig.
a.
Zu erstatten ist zunächst der Kostenanteil für die Vollkaskoversicherung. Denn die entsprechenden Mehrkosten sind als adäquate Schadensfolge anzusehen (BGH, Urt. v. 25.10.2005, VI ZR 9/05 – NZV2006, 139).
b.
Auch Zustell- und Abholkosten (LG Arnsberg, a.a.O.; OLG Köln, Urt. v. 02.03.2007, 19 U 181/06 – NZV 2007, 200) sind im Grunde erstattungsfähig, soweit sie angefallen sind und als „erforderlich“ angesehen werden können.
Das ist vorliegend jedoch nicht der Fall. Denn die Zeugin hat angegeben, sie hätte den Mietwagen statt bei der Firma Y genauso gut bei der Klägerin abholen bzw. zur Klägerin hinbringen können. Die Besonderheit besteht darin, dass die Klägerin nach dem Unfall von einem Mitarbeiter der Werkstatt zu ihrer Arbeitsstelle gefahren wurde. Den Mietwagen nahm sie später am Werkstattort entgegen und gab ihn dort auch wieder ab. Sie bediente sich also eines Bekannten, um sich jeweils zum Standort des Mietfahrzeugs bringen zu lassen. Da der Geschädigte zur Schadenminderung verpflichtet ist, muss darauf abgestellt werden, wie sich ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in dieser Situation verhalten hätte. Hätte er von den anfallenden Zustell- / Abholkosten gewusst und wie die geschädigte X die Möglichkeit gehabt, sich zum Standort des Fahrzeugs bringen zu lassen, hätte sich ein verständiger Dritter unmittelbar zur Klägerin bringen lassen. Damit fehlt es an der Erforderlichkeit dieser Kostenposition.
Unstreitig kann nach Gruppe 2 abgerechnet werden, so dass sich unter Anwendung des Schwacke Mietpreisspiegels 2008 folgende erstattungsfähigen Mietwagenkosten (jeweils brutto) ergeben:
Anzahl, | Leistung | Summe |
1 | Wochenpauschale nach Schwacke Gruppe s. o. (mittel) | 455,05 € |
1 | Tagespauschale nach Schwacke Gruppe s. o. (mittel) | 80,53 € |
8 | Tagespauschale Vollkasko Gruppe s. o. (wie abgerechnet) | 152,03 € |
abzüglich Zahlung Beklagte | 294,38 € |
Restbetrag | 393,23 € |
Die Kosten der Haftungsbeschränkung hat das Gericht entsprechend der tatsächlichen Abrechnung der Klägerin angesetzt, da diese noch geringfügig unter den Kosten der Schwacke-Tabelle liegen.
Der Zinsanspruch sowie die vorgerichtlichen Anwaltskosten ergeben sich aus §§ 280 Abs. 1,2, 286, 288 BGB.
Die Anwaltskosten waren jedoch nur netto erstattungsfähig, weil die Klägerin vorsteuerabzugsbe-rechtigt ist.
Soweit das AG Arnsberg.