Mit Entscheidung vom 19.06.2012 ( 52 C 8078/11) wurde die HUK Coburg Versicherung durch das Amtsgericht Düsseldorf zur Erstattung restlicher Schadenskosten aus einem Unfallschaden verurteilt. Es handelte sich um die Kosten der markengebundenen Fachwerkstatt bei fiktiver Abrechnung sowie um die Sachverständigenkosten. Dem Verweis der HUK auf nicht markengebundene Werkstätten wurde hierbei nicht entsprochen.
Ein gut begründetes Urteil des Düsseldorfer Amtsrichters, das sich u.a. auch kritisch mit der derzeitigen BGH-Rechtsprechung zur fiktiven Abrechnung auseinandersetzt. Die Argumentation des Gerichts ist erfreulich lebensnah und trifft damit voll ins Schwarze.
Das Urteil wurde erstritten und eingesandt durch die Kanzlei Schriewer in Düsseldorf.
Hier noch einige Erläuterungen des Einsenders:
Nach Klageeinreichung über den vollen Schaden hat die HUK Teilzahlungen erbracht, bis auf einen Rest von 759,50 EUR. Das Vergleichsangebot der HUK über 380,00 EUR wurde am 26.09.2011 angenommen mit Übersendung der vollständigen ordnungsgemäßen Kostenrechnung.
Am 10.10. lag jedoch noch keine Zahlung vor. Daraufhin wurde gemahnt. Am 14.10. wurde der Vergleichsbetrag zuzüglich reduzierter Kosten gezahlt. Am 26.10. wurde der HUK mitgeteilt, dass offensichtlich kein Interesse an dem Vergleich besteht und das Verfahren rechtshängig gemacht wird.
Nachdem die HUK daraufhin nicht reagiert hatte, wurde das Verfahren am 10.11.2011 rechtshängig.
52 C 8078/11 verkündet am 19.06.2012
Amtsgericht Düsseldorf
IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
In dem Rechtsstreit
des Herrn … ,
Klägers und Widerbeklagten,
gegen
1. Herrn … ,
Beklagten,
2. die HUK-Coburg
Haftpflicht-Unterstützungs-Kasse Kraftfahrender Beamter Deutschlands a.G., Bahnhofsplatz 1, 96450 Coburg,
Beklagte und Widerklägerin,
hat das Amtsgericht Düsseldorf
auf die mündliche Verhandlung vom 17.04.2012
durch den Richter am Amtsgericht …
für Recht erkannt:
Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 3.618,10 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 25.6.2011 abzüglich am 27.7.2011 geleisteter 1.500 €, am 1.8.2011 geleisteter 1.358,60 € und am 14.10.2011 geleisteter 380 € zu zahlen.
Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
Die Widerklage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagten als Gesamtschuldner zu 90 % und die Beklagte zu 2) darüber hinaus zu 10 %.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des beizutreibenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Streitwert: – 3.623,10 bis zum 15.1.2012
. – 4.056,52 € vom 16.1.2012 bis zum 17.5.2012
. – 812,92 € ab dem 18.5.2012
Tatbestand:
Der Kläger macht restlichen Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall geltend, der sich am 15.5.2011 in Düsseldorf ereignet hat. Der Beklagte zu 1) fuhr mit seinem bei der Beklagten zu 2) versicherten Fahrzeug bei Rotlicht in eine Kreuzung eine, wo es dann zur Kollision mit einem Mercedes-Taxi des Klägers kam. Der Kläger ließ den dadurch entstandenen Schaden an seinem Fahrzeug begutachten. In diesem Gutachten wurden unter Zugrundelegung der Kosten einer markengebunden Werkstatt erforderliche Reparaturkosten in Höhe von 3.125,30 € kalkuliert.
Der Kläger meldetet diese Reparaturkosten sowie Gutachterkosten in Höhe von 467,80 € und eine Kostenpauschale von 30 € bei der Beklagten zu 2) an. Die Beklagte ließ darauf die Höhe der Reparaturkosten überprüfen und verwies mit Schreiben vom 14.7.2011 an den Kläger auf günstigere Reparaturmöglichkeiten bei zwei nicht markengebunden Werkstätten. Es seien daher nur Reparaturkosten in Höhe von 2.365,80 € erforderlich. Unter Berufung hierauf erbrachte die Beklagte Zahlungen über 1.500 € und 1.358,60 € an den Kläger. Bezüglich der Differenz zum vom Kläger eingeforderten Betrag kam es zu Vergleichsverhandlungen der Parteien, in deren Verlauf die Beklagte weitere 380 € zahlte.
Der Kläger ist der Ansicht, dass ihm ein Anspruch in vollständiger Höhe der vom vorgerichtlich tätigen Gutachter festgestellten Reparaturkosten zustehe, da er nicht auf möglicherweise geringere Kosten einer nicht markengebundenen Werkstatt verwiesen werden könne, zumal die Qualität dort vorzunehmender Arbeiten nicht gewährleistet sei und es sich um Sonderkonditionen zugunsten der Beklagten handele, die anderen Kunden nicht frei zugänglich seien.
Der Kläger hat zunächst Klage in vollständiger Höhe der zuvor bei der Beklagten zu 2) angemeldeten Kosten eingereicht. In Höhe der zwischenzeitlich von der Beklagten geleisteten Zahlungen haben die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt.
Der Kläger beantragt,
die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger 3.618,10 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 25.6.2011 abzüglich am 27.7.2011 geleisteter 1.500 €, am 1.8.2011 geleisteter 1.358,60 € und am 14.10.2011 geleisteter 380 € zu zahlen.
Die Beklagten beantragen,
die Klage abzuweisen.
Widerklagend beantragt die Beklagte zu 2),
den Kläger zu verurteilen, an sie 433,42 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 19.12.2011 zu zahlen.
Der Kläger beantragt,
die Widerklage abzuweisen.
Die Beklagten sind der Auffassung, dass allein die geringeren Reparaturkosten nach Maßgabe der Kalkulationen der beiden von der Beklagten zu 2) benannten Fachwerkstätten maßgeblich seien, da es sich insoweit um gleichwertige Reparaturen in fachlich einwandfrei und mit Originalersatzteilen arbeitenden Werkstätten handele.
Der Kläger habe sich hierauf verweisen zu lassen und könne nicht die höheren Ansätze einer Markenwerkstatt in Ansatz bringen, zumal das Fahrzeug schon älter sei und Vorschäden aufgewiesen habe, deren Behebung durch ein Markenwerkstatt nicht nachgewiesen sei.
Mit der Widerklage macht die Beklagte zu 2) die im Rahmen der Vergleichsverhandlungen gezahlten 380 € sowie hierauf anteilig erstatte Rechtsverfolgungskosten geltend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivortrags wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zum weit überwiegenden Teil begründet.
Dem Kläger steht aus dem Unfallereignis gegen die Beklagten gemäß der §§7, 17 StVG i.V.m. § 115 VVG ein Anspruch auf vollständigen Ersatz der in dem von ihm eingeholten Gutachten kalkulierten Reparaturkosten in Höhe von 3.125,20 € zu.
Entgegen der Auffassung der Beklagten kann der Kläger auch bei fiktiver Abrechnung nicht auf die Kosten einer nicht markengebundenen Werkstatt verwiesen werden.
Die Haftung der Beklagten dem Grunde nach steht nicht im Streit.
Der Höhe nach kann der Geschädigte im Rahmen des § 249 Abs. 2 BGB den zur Wiederherstellung des vor dem Unfall bestehenden Zustandes erforderlichen Geldbetrag beanspruchen. Was erforderlich ist, richtet sich danach, wie sich ein verständiger, wirtschaftlich denkender Fahrzeugeigentümer in der Lage des Geschädigten verhalten hätte (BGH vom 23.2.2010 VI ZR 91/09).
Hierbei darf der Geschädigte grundsätzlich seiner Berechnung auch die üblichen Verrechnungssätze eine markengebundenen Fachwerkstatt zugrundelegen (BGH a.a.O.)
Soweit in der Rechtsprechung aber vertreten wird, dass etwas anderes zu gelten habe, wenn der Schädiger darlegt und beweist, dass eine günstigere Reparaturmöglichkeit in einer mühelos und ohne weiteres zugänglichen freien Werkstatt besteht, die vom Qualitätsstandard der Reparatur in einer markengebundenen Werkstatt entspricht und der Geschädigte sich dann auf eine derartige Möglichketi verweisen lassen müssen, vermag sich das erkennende Gericht dieser Auffassung nicht anzuschließen.
Zwar ist nicht zu bestreiten, dass eine solche gleichwertige Reparatur den eigentlichen Sachschaden vollständig beheben kann. Die genannte Rechtsprechung fokussiert sich aber alleine auf diesen Aspekt und übersieht dabei die selbst gesetzte Prämisse, dass auch nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten eines wirtschaftlich denkenden Fahrzeugeigentümers in der Lage des Geschädigten zu beurteilen ist, ob sich der geforderte Betrag als erforderlich im Sinne des § 249 BGB darstellt.
Ein wirtschaftlich denkender Mensch wird aber nicht nur ein Interesse an einer ggleichwertig hohen Reparaturleistung aufweisen, sondern auch ein schützenwertes Interesse daran, dass ihm durch die Schadensbehebung in einer freien Werkstatt kein wie auch immer gearteter wirtschaftlicher Wertverlust entsteht.
Diesbezüglich darf nach Auffassung des erkennenden Gerichts nicht außer Acht gelassen werden, dass landläufig Reparaturen in einer Markenwerkstatt eine höhere Qualität zugemessen wird als Reparaturen in freien Werkstätten. Diese höhere Wertschätzung mag objektiv nicht einmal gerechtfertigt sein, sie ist aber weiterhin weit verbreitet. Dies kann aber zu wirtschaftlichen Wertverlusten führen. Ein Unfallschaden in Höhe der notwendigen Reparaturkosten bezüglich des klägerischen Taxis wäre bei einem Weiterverkauf offenbarungspflichtig. Der Geschädigte hat also ein nachvollziehbares Interesse daran, im Falle eines Weiterverkaufs eine Behebung des offenbarungspflichtigen Schadens in hoher Qualität etwaigen Interessenten nachweisen zu können. Hierbei kann dann ein Interessent aufgrund der genannten landläufigen Auffassung dem Nachweis einer Reparatur durch eine freie Werkstatt mehr Misstrauen entgegenbringen als dem einer Markenwerkstatt, was dazu führen kann, dass der Geschädigte das Fahrzeug nur schwieriger oder zu einem geringeren Preis abzusetzen vermag.
Ein wirtschaftlich denkender Fahrzeugeigentümer an Stelle des Geschädigten wird diesen Gesichtspunkt mit berücksichtigen und sich daher möglicherweise sogar dann für eine Reparatur in einer Markenwerkstatt entscheiden, um sich diesen Vorteil zu erhalten, selbst wenn er für sich selbst nicht die Auffassung von einer höheren Wertigkeit von Reparaturen in einer Markenwerkstatt teilt. Der wirtschaftlich denkende Fahrzeugeigentümer wird diesen Gesichtspunkt auch dann einbeziehen, wenn ein Weiterverkauf derzeit nicht beabsichtigt und auch nicht absehbar ist, solange er ihn nicht ausschließen kann. Daher hat auch das Alter und die Laufleistung keine Bedeutung, es sei denn das Fahrzeug wäre bereits völlig wertlos gewesen. Ebenso unbeachtlich ist, ob vorherige Schäden bereits durch ein Markenwerkstatt behoben worden sind oder nicht, da es allein um die Frage der Verhinderung eines Wertverlustes durch den fraglichen und gegebenenfalls offenbarungspflichtigen Unfallschaden geht.
Diese wirtschaftlichen Überlegungen eines Fahrzeugeigentümers lässt die gegenteilige Rechtsprechung völlig außer Betracht.
Neben den Reparaturkosten steht dem Kläger auch ein Anspruch auf Erstattung der Gutachterkosten in Höhe von 487,40 € und ein Kostenpauschale zu, die aber nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Gerichts nur 25 € beträgt. Es ergibt sich ein Gesamtschadensersatzanspruch in Höhe von 3.618,10 € abzüglich der zwischenzeitlich erhaltenen Zahlungen der Beklagten zu 2). Der Zinsanspruch ist gemäß der §§ 286, 288 BGB gerechtfertigt, die Beklagten befinden sich in Verzug.
Die Widerklage ist unbegründet.
Aus den genannten Gründen war auch die von der Beklagten zu 2) geleistete Teilzahlung in Höhe von 380 € auf den Schadensersatzanspruch des Klägers anzurechnen und stellt damit ebenso wenig eine Überzahlung dar, wie der hierauf entfallende Anteil der vorgerichtlich ausgeglichenen Rechtsverfolgungskosten.
Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 91, 91 a, 92 Abs. 2, 100 Abs. 4, 709 ZPO.
Bezüglich des für erledigt erklärten Teils tragen ebenfalls die Beklagten die Verfahrenskosten, da sie durch die Zahlungen der Beklagten zu 2) ihre Einstandspflicht insoweit nach Verzugseintritt eingestanden haben. Aus den vorgenannten Gründen bestand insoweit auch Anlass zur Klageerhebung, weshalb es schon nicht darauf ankommt, ob der Kläger die Erledigung durch Zahlung zeitnah mitgeteilt hat. Dies hat der Kläger allerdings getan, da die Erledigungserklärung vom 26.10.2011 ausweislich des Eingangstempels am 26.10.2011 bei Gericht eingegangen ist. Da die Zustellung der Klageschrift erst nach Eingang des Gerichtskostenvorschusses im November 2011 veranlasst worden ist, ist hierbei wohl die gleichzeitige Übersendung der Erledigungserklärung durch das Gericht versehentlich unterlassen worden, ebenso wie diese Erledigungserklärung im Termin versehentlich übersehen worden ist. Jedenfalls aber befanden sich die Beklagten in Verzug, weshalb auch Anlass dazu bestand, in der Klageschrift die vollständige Schadenshöhe aufzunehmen.
Urteilsliste “Fiktive Abrechnung u. SV-Honorar” zum Download >>>>>
Hallo Hans Dampf,
ein schönes Urteil aus Düsseldorf. Erfreulich ist, dass der erkennende Amtsrichter der 52. Zivilabteilung des AG Düsseldorf sich weder durch die BGH-Rechtsprechung zur fiktiven Schadensabrechnung aus dem VW und BMW-Urteil sowie aus den Schriftsätzen der HUK-Anwälte hat unsicher machen lassen, sondern die Beurteilung strikt nach schadensersatzrechtlichen Gesichtspunkten der Erforderlichkeit i.S.d. § 249 BGB vorgenommen hat. Eine konsequente Entscheidung, die Mut zum Nachahmen macht. Hut ab Herr Amtsrichter.
Mit freundlichen Grüßen
Willi Wacker
Endlich ein kleiner Lichtschimmer! Hoffentlich schlägt das Wellen und geht nicht so unter wie die AG Berlin-Entscheide.
Vielen Dank für die Veröffentlichung.
Bravo!
erst Kerpen,nun Düsseldorf.
Jeder Geschädigte darf selbst seinen Oldtimerporsche in der Porsche-Vertragswerkstatt reparieren lassen und die konkret berechneten Reparaturkosten vom Schadensersatzschuldner ersetzt verlangen,weil diese Kosten den erforderlichen Betrag i.S.v. §249 BGB indizieren.
Und das soll anders sein,nur weil er sich alternativ für die fiktive Abrechnung entschieden,also lediglich von einem,ihm gesetzlich eingeräumten Wahlrecht gebrauch gemacht hat?
Naklar,bei fiktiver Abrechnung verdient der Geschädigte ja auch,denn er darf das ganze schöne Geld,selbst die darin enthaltenen Sozialabgabenanteile der Lohnkosten nun für sich behalten und es nach seinem Belieben verprassen,anstatt es bei der Werkstatt für eine Reparatur zu bezahlen.
Solcher Unsinn wird tagtäglich verbreitet und sollte Schmerzensgeldansprüche auslösen bei denen,die das lesen müssen.
Die BGH-Urteile sind falsch!
Nur die bestehende Möglichkeit einer gleichwertigen und billigeren Reparatur berechtigt nicht zur Kürzung fiktiver Reparaturkosten,denn der Geschädigte wäre bei tatsächlicher Reparaturdurchführung in keiner Beziehung verpflichtet,die gleichwertige Billigwerkstatt zu beauftragen,sondern er ist selbstverständlich berechtigt,den Reparaturauftrag einer teuren Markenwerkstatt zu erteilen.
Solche Amtsrichter braucht das Land.
Solche Urteile braucht die HUK. Bravo!
Vor 2 1/2 Jahren ging der ganze Zirkus erst richtig los. VI ZR 53/09 war der Anfang einer Kette von jämmerlichen Fehlentscheidungen des BGH zur fiktiven Abrechnung. Der § 249 BGB wurde schlichtweg missachtet. Analog der Mietwagen Rechtsprechung.
Lest mal die Kommentare bei Captain HUK zu dem damaligen VW-Urteil. Da wurde teilweise schon konkret prophezeit, was inzwischen zur bitteren Realität bei vielen Instanzgerichten geworden ist.
http://www.captain-huk.de/?page_id=3289
http://www.captain-huk.de/?page_id=3472
Düsseldorfer, Berliner und auch noch einige andere Richter haben sich jedoch nicht von der Karlsruher Truppe aufs Glatteis führen lassen. Gehirn eingeschaltet und im Rahmen des § 249 BGB korrekt entschieden. Respekt.