Mit Urteil vom 06.11.2009 (2h C 331/09) hat das AG Ludwighafen die Aachen Münchener Versicherung AG zur Zahlung weiterer Mietwagenkosten in Höhe von 795,26 € zzgl. Zinsen verurteilt. Das Gericht wendet die Schwacke-Liste an, die Fraunhofer Tabelle wird abgelehnt.
Aus den Entscheidungsgründen:
Die Klage ist begründet.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Ersatz der Mietwagenkosten in Höhe von 795,26 € gemäß §§ 7 Abs. 1 StVG, 246 Abs, 2 S. 1 BGB, 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VVG. Unerheblich ist, dass die Klägerin die Mietwagenkosten noch nicht beglichen hat. Die Klägerin kann gemäß § 249 Abs. 2 S. 1 BGB den zur Herstellung erforderlichen Geldbetrag verlangen und muss sich nicht auf einen Freistellungsanspruch gegenüber der Autovermietung verweisen lassen. Denn die während der Reparatur des eigenen Fahrzeugs entstehenden Mietwagenkosten für ein Ersatzfahrzeug sind dem erforderlichen Herstellungsaufwand im Sinns des § 249 Abs. 2 S, 1 BGB zuzurechnen. Nach dieser Vorschrift kann der Geschädigte abweichend von § 249 Abs. 1 BGB anstelle der Herstellung durch den Schädiger den zur Herstellung erforderlichen Geldbetrag verlangen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Geschädigte die Mietwagenrechnung bereits beglichen hat. Denn der Schaden der Klägerin liegt in der Eingehung einer Verbindlichkeit, die sie mit Anmietung des Ersatzfahrzeugs begründete. Der Schaden ist somit bereits zu diesem Zeitpunkt entstanden (so auch; LG Zwickau v. 24.06.2003, NVZ 2003, S. 585; AG Freiburg v. 28.07.2006, NZV 2007, S. 312). Selbst wenn man der Klägerin lediglich einen Freistellungsanspruch zubilligen wollte, würde im vorliegenden Fall nichts anderes gelten. Denn die Beklagte hat jegliche Ersatzleistung ernsthaft und endgültig verweigert, so dass sich der Freistellungsanspruch nach § 250 S. 2 BGB in einen Zahlungsanspruch umgewandelt hat (vgl. BGH v. 13.01.2004 – AZ XI ZR 355/02).
1. Aktivlegitimation
Die Klägerin ist aktivlegitimiert. Soweit die Beklagte behauptet, die Klägerin habe ihre Ansprüche gegen die Mietwagenfirma abgetreten und sei deshalb nicht berechtigt, die Mietwagenkosten geltend zu machen, ist sie für diese Behauptung beweispflichtig. Beweis für ihre Behauptung hat die Beklagte jedoch nicht angeboten, so dass sie insoweit beweisfällig geblieben ist.
2. Erforderlichkeit des Unfallersatztarifs
Vorab ist festzustellen, dass die Klägerin berechtigt war, einen Mietwagen in Anspruch zu nehmen. Lediglich bei geringem Fahrbedarf, der bei ea. 20 km am Tag anzunehmen ist (vgl. Palandt, 65. Aufl., § 249, Rn. 31), kann die Klägerin auf öffentliche Verkehrsmittel verwiesen werden. Im vorliegenden Fall legte die Klägerin jedoch ca. 40 km täglich mit dem Mietwagen zurück, so dass die Inanspruchnahme eines Mietwagens gerechtfertigt war.
Der Geschädigte kann vorm Schädiger bzw. dessen Haftpflichtversicherer nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB als erforderlichen Herstellungsaufwand den Ersatz derjenigen Mietwagenkosten verlangen, die ein verständiger, wirtschaftlich vernünftig denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten darf. Der Geschädigte ist dabei ebenso wie bei anderen Kosten der Wiederherstellung und ebenso wie in anderen Fällen, in denen er die Schadensbeseitigung selbst vornimmt, nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren, von mehreren möglichen den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen. Das bedeutet für den Bereich der Mietwagenkosten, dass er von mehreren auf dem örtlich relevanten Markt – nicht nur für Unfallgeschädigte – erhältlichen Tarifen für die Anmietung eines vergleichbaren Ersatzfahrzeugs grundsätzlich nur den günstigeren Mietpreis ersetzt verlangen kann (BGH v. 14.02.2006 – AZ: VI ZR 126/05; BGH v. 11.03.2008 • AZ: VI ZR 164/07). Ausgangspunkt für die Betrachtung bildet der am Markt übliche Normaltarif. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist es zulässig, zu dessen Bestimmung in Ausübung tatrichterlichen Ermessens gemäß § 287 ZPO auf das gewichtete Mttel (sog. Modus) des „Schwacke Automietpreisspiegels“ (im folgenden Schwacke Liste) im Postleitzahlengebiet des Orts der Anmietung des Metwagens zurückzugreifen (BGH v. 11.03.2008 – AZ: VI ZR 164/07).
Die Schwacke Liste 2006 ist grundsätzlich eine geeignete Schätzgrundlage (BGH v, 11.03.2008 -AZ VI ZR 164/07). Soweit die Beklagte die Schwacke Liste 2006 nicht für anwendbar hält und der Ansicht ist, dass bei der Erhebung der Daten gravierende Mangel vorgelegen hätten, kann sie hiermit nicht durchdringen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH v. 11.03.2008 – AZ: VI ZR 164/07 BGH v. 24.06.2008 – AZ: VI ZR 234/07) bedarf die Eignung von Listen oder Tabellen, die bei der Schadensschätzung Verwendung finden können, nämlich nur dann der Klärung, wenn mit konkreten Tatsachen aufgezeigt wird, dass sich gehend gemachte Mängel auf den zu entscheidenden Fall ausgewirkt haben. Die Schadenshöhe darf nicht auf der Grundlage falscher oder offenbar unsachlicher Erwägungen festgesetzt werden. Es ist jedoch nicht Aufgabe des Tatrichters, allgemein gehaltenen Angriffen gegen eine Schätzgrundlage nachzugehen.
Die Beklagte hat die Schwacke Liste 2006 im Wesentlichen damit angegriffen, dass sie nicht nach den Regeln der wissenschaftlichen Marktforschung erhoben worden sein soll. Die Angriffe gehen fehl, da kein konkreter Bezug zum vorliegenden Fall hergestellt worden ist. Die Beklagte hat es nach Auffassung des Gerichts versäumt darzulegen, inwieweit steht die der Schwacke Liste zugrunde liegenden (behaupteten) Erhebungsfehler auch tatsächlich auf den zu entscheidenden Fall unter Berücksichtigung der relevanten Anmietzeit und des relevanten Anmietorts auswirken.
Soweit die Beklagte der Schätzung der erforderlichen Mietwagenkosten den „Marktpreisspiegel Mietwagen Deutschland 2008“ des Fraunhofer Instituts zu Grunde legen will, kann das Gericht dem nicht folgen. Die Erhebung des Fraunhofer Instituts ist nach Auffassung des Gerichts nicht geeignet, die Bemessung der Metwagenkosten auf der Grundlage der Schwacke Liste in Frage zu stellen. Denn gegen dia Erhebung des Fraunhofer Instituts bestehen erhebliche Bedenken. Zum einen liegen der Studie des Fraunhofer Instituts überwiegend Internetpreise zugrunde, Internetangebote können als Vergleichsmaßstab jedoch nicht herangezogen werden, da sie nicht die Situation am für den Geschädigten örtlich relevanten Markt widerspiegeln. Bei Internetangeboten handelt es sich um einen Sondermarkt, auf den der Geschädigte nicht verwiesen werden kann, da ihm dieser Markt nicht ohne Weiteres offen steht. Zum anderen ist die Erhebung lediglich in zweistellige Postzahlengebiete gegliedert. Eine Analyse von regionalen Besonderheiten und Preisschwankungen kann hierdurch nicht erfolgen. Des Weiteren Bestehen Bedenken gegen die Neutralität der Erhebung. Insofern ist gerichtsbekannt, dass das Fraunhofer Institut der Versicherungswirtschaft als nahe stehend bezeichnet werden kann.
Sich auf den zu entscheidenden Fall auswirkende Zweifel an der Schätzgrundlage ergeben sich auch nicht aus dem von der Beklagten vorgelegten Internetangebot (Bl. 28 d.A.). Ein einzelnes Internetangabot stellt keine repräsentative Erhebung dar, die geeignet ist, den „Normaltarif“ im streitgegenständlichen Postleitzahlengebiet darzustellen.
Bei der Abrechnung der Mietwagenkosten muss sich der Kläger nicht auf die sich bei mehrtägiger Vermietung ergebenden Reduzierungen nach der Schwacke Liste nach Wochen-, 3-Tages- und Tagespauschalen verweisen lassen. Da bei Mietbeginn die tatsächliche Reparaturzeit des Unfallwagens noch nicht exakt absehbar ist, kann der Unfallgeschädigte keine von vornherein festgelegte Mietzeit vereinbaren, sondern nur tageweise mieten.
Die von der Mietwagenfirma in Rechnung gestellten Kosten für die Vollkaskoversicherung sind gleichfalls erstattungsfähig und nach der Nebenkostentabelle der Schwacke Liste zu berechnen (BGH v. 15.02.2005, NZV 2005, S. 301, 302).
Nicht ersatzfähig sind hingegen die Zustellkosten. Nachdem die Beklagte bestritten hat, dass Zustellkosten im konkreten Fall angefallen sind, hat die Klägerin hierzu nicht weiter vorgetragen. Darüber hinaus erfolgte die Anmietung des Fahrzeugs am Wohnort der Klägerin, nämlich in Ludwigshafen. Es ist also weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass Zustellkosten angefallen sind. Nicht ersatzfähig sind darüber hinaus die Kosten für Winterreifen. Ein Kunde, der im Februar ein Fahrzeug angemietet, darf darauf vertrauen, dass das Fahrzeug mit Winterreifen ausgestattet ist. Zusatzkosten für Winterreifen kann der Autovermieter nicht verlangen und diese sind auch nicht von einem Verkehrsunfallschädiger und dessen Haflpflichtversicherer zu ersetzen (AG Landau v. 03.07.2007 – AZ: 3 C 311/07).
Ein Abzug für ersparte Eigenaufwendungen ist im vorliegenden Fall nicht vorzunehmen. Unstreitig hat die Beklagte mit dem Mietfahrzeug weniger als 1.000 km zurückgelegt. Von einem Abzug wegen Eigenersparnis ist bei einer eher geringen Fahrstrecke (was bei weniger als 1.000 km anzunehmen ist), abzusehen (vgl. OLG Zweibrücken v. 29.06.2005 – AZ: 1 U 9/05).
b.
Das Gericht hält einen pauschalen Aufschlag auf den Normaltarif in Höhe von 20% für angemessen, um die Besonderheiten der Kosten und Risiken des Unfallersatzfahrzeuggeschäfts im Vergleich zur „normalen“ Autovermietung angemessen zu berücksichtigen,
Der Geschädigte verstößt noch nicht allein deshalb gegen seine Pflicht zur Schadensgeringhaltung, weil er ein Fahrzeug zum Unfallersatztarif anmietet, der gegenüber einem Normaltarif teurer ist, soweit die Besonderheiten dieses Tarifs mit Rücksicht auf die Unfallsituation einen gegenüber den Normaltarif höheren Preis rechtfertigen, weil sie auf Leistungen des Vermieters beruhen, die durch die besondere Unfallsituation veranlasst und infolgedessen zur Schadensbehebung nach § 249 BGB erforderlich sind (BGH v. 14.02.2006 – AZ: VI ZR 126/05; BGH v. 24.06.2008 – AZ: VI ZR 234/07). Nach der Rechtsprechung das Bundesgerichtshofs ist bei der Beurteilung der Einhaltung des Wirtschaftlichkeitsgebots bei Inanspruchnahme des Unfallersatztarifs eine generelle Betrachtungsweise geboten und nicht auf den konkreten Einzelfall abzustellen.
Dass aufgrund der Besonderheiten der Unfallsituation in der Regel ein höherer Mietwagenpreis als der Normaltarif zur Schadensbeseitigung im Sinne des § 249 Abs. 2 S. 1 BGB erforderlich ist, steht nicht mehr grundsätzlich in Streit. Diese betriebswirtschaftlich gerechtfertigte Erhöhung kann in Form eines pauschalen Aufschlag auf den Normaltarif erfolgen, dessen Höhe wiederum der bei der Schadensabrechnung besonders freigestellte Tatrichter gemäß § 287 ZPO schätzen kann (BGH v. 14.07.2006 – AZ: VI ZR 126/05; BGH v. 24.06.2008 – AZ: VI ZR 234/07).
Ein solcher pauschaler Aufschlag ist unabhängig davon, in welchem Umfang im konkreten Fall unfallbedingts Zusatzleistungen der Klägerin in Anspruch genommen wurden, erstattungsfähig. Allein eine solche Handhabung erscheint praktikabel und notwendig, um die Schadensabwicklung zu vereinheitlichen und zu erleichtern und um die Besonderheiten der Kosten und Ristken des Unfallersatzfahrzeuggeschäfts im Vergleich zum Normalgeschäft angemessen zu berücksichtigen (OLG Köln v. 02.03.2007 – AZ: 19 U 181/06 unter Punkt 29 f., zitiert nach Juris sowie Vuia, Die Ermittlung des „Normaltarifs“ und des „pauschalen Aufschlags“, NJW 2008, S. 2369,2371; in diese Richtung wohl auch BGH v. 24.06.2008 – AZ: VI ZR 234/07 unter Punkt 16, zitiert nach Juris).
c.
Der erstattungsfähige Aufwand berechnet sich danach wie folgt:
Schwacke Liste 2006, Modus, PLZ-Gebiet 670, Gruppe 5 (Einteilung nach Schwacke Liste, Automietwagenklassen 1/2007), 11 Tage
11 * Tagespreis (87,00 €) 957,00 €
Pauschaler Aufschlag von 20%= 191,40 €
11* Kaskoversicherung (24,00 €)= 264,00 €
Gesamt: 1.412,40 €
abzüglich Zahlung: 600,00 €
offene Restforderung: 812,40 €
Von der offenen Restforderung macht die Klägerin 795,26 6 geltend, die ihr zuzusprechen sind.
Soweit das AG Ludwigshafen.