Das AG Nürnberg verurteilt HUK-Coburg zur Erstattung des restlichen Sachverständigenhonorars (31 C 7076/09 vom 11.02.2010)

Mit Entscheidung vom 11.02.2010 (31 C 7076/09) wurde die HUK-Coburg Haftpflicht-Unterstützungs-Kasse kraftf. Beamter Deutschlands VVaG durch das Amtsgericht Nürnberg dazu verurteilt, weitere Sachverständigenkosten an den Geschädigten zu bezahlen.

Aus den Gründen:

ENDURTEIL

I. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 177,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit 5.10.2009 zu bezahlen.

II. Die Beklagte wird weiter verurteilt, an die Klägerin 27,07 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 5.10.2009 zu bezahlen.

III. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

IV. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

V. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 177,00 EUR festgesetzt.

Tatbestand

Von der Darstellung des Tatbestandes wurde gemäß § 313 a ZPO abgesehen.

Entscheidunqsgründe

I.

Die zulässige Klage ist in der Hauptsache begründet.

Die Klägerin hat einen Anspruch auf Bezahlung der restlichen Sachverständigenkosten gemäß §§ 823, 249 BGB, 7, 18 StVG i.V.m. § 115 WG in Höhe von noch 177,00 EUR.

Gegenstand der Klage sind restliche Schadensersatzansprüche aus einem Unfallereignis vom 24.6.2009, für dessen Folge die Beklagte zu 100 % eintrittspflichtig ist. Die Klägerin ließ ein Schadensgutachten durch den Sachverständigen … erstellen, wofür dieser einen Betrag in Höhe von 553,11 EUR in Rechnung stellte. Der Sachverständige kalkulierte den Nettoreparaturschaden auf 1.832,15 EUR, den Wiederbeschaffungswert auf 2.200,00 EUR und den Restwert auf 500,00 EUR. Die Beklagte bezahlte auf das Sachverständigenhonorar an die Klägerin einen Betrag von 376,11 EUR.

Es kann dahinstehen, ob die Klägerin das Sachverständigenhonorar bereits an den Sachverständigen … gezahlt hat. Ein etwaiger Freistellungsanspruch gegenüber der Beklagten hat sich jedenfalls durch die ernsthafte und endgültige Verweigerung der Beklagten zur Leistung von Schadensersatz insoweit in einen Zahlungsanspruch umgewandelt (vgl. BGH NJW 2004, 1868) .

Die Beklagte hat der Klägerin auch den Differenzbetrag in Höhe von 177,00 EUR zu erstatten.  Dabei geht  das Gericht davon aus, dass die Kosten für ein Sachverständigengutachten grundsätzlich gemäß § 249 BGB erstattungsfähig sind. Da es sich hier um die Verpflichtung der Beklagten zur Leistung von Schadensersatz handelt, kommt es maßgeblich auf die Frage an,  ob die geltend gemachten Kosten zur Wiederherstellung erforderlich im Sinne des § 249 BGB sind. Auf ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht nach §  315 BGB kommt es hingegen nicht an. Nach den schadensrechtlichen Grundsätzen hat der Schädiger den Geschädigten die Kosten für ein Sachverständigengutachten auch dann zu erstatten, wenn seine Kosten übersetzt  sind (vgl.  Palandt, § 249 Rn. 40 m.w.N.). Dabei ist  zu berücksichtigen,  dass der vom Geschädigten hinzugezogene Sachverständige nicht Erfüllungsgehilfe des Geschädigten  ist. Der Geschädigte ist grundsätzlich auch nicht verpflichtet den ihm zugänglichen Markt zu erforschen, um einen möglichst preisgünstigen Sachverständigen ausfindig zu machen.  Auch ist er nicht gehalten, vor Beauftragung eines Schadensgutachters mehrere Kostenvoranschläge von Sachverständigen einzuholen. Im vorliegenden Falle fehlen auch jegliche Anhaltspunkte für ein Auswahlverschulden oder eine offenkundige Erkennbarkeit  der Unrichtigkeit  der Rechnung. Der Sachverständige … hat bei einem Wiederbeschaffungsaufwand von 1.700,00  EUR und Nettoreparaturkosten von 1.832,15 EUR ein Grundhonorar von 310,00 EUR sowie diverse Auslagen- und Kostenpositionen in Rechnung gestellt. Diese Beträge erscheinen nicht unangemessen überhöht. Insbesondere musste die Klägerin insoweit keine Preisvergleiche anstellen oder gar den günstigsten Sachverständigen vor Auftragserteilung ermitteln. Das Risiko eines überteuerten Gutachtens tragen der Schädiger und dessen Versicherung, jedoch nicht der Geschädigte. Auch auf die Gesprächsergebnisse des Beruf sverbandes der freiberuflichen und unabhängigen Sachverständigen oder aber auf die BVSK-Honorarbefragung 2005/2006 muss sich die Klägerin als Geschädigte nicht verweisen lassen. Angesichts der streitgegenständlichen Rechnung musste die Klägerin, von der nicht anzunehmen ist, dass sie über gesonderte Kenntnisse über durchschnittliche Sachverständigenhonorare verfügt, keine Zweifel an der Richtigkeit der gestellten Rechnung anbringen.

Insgesamt bestehen auch nach Ansicht des Gerichts keine Bedenken gegen die Angemessenheit der vorliegenden Berechnungshöhe.

Auch die geltend gemachten Nebenkostenpositionen waren zu erstatten. Weder die pauschalen Fahrtkosten in Höhe von 32,00 EUR, noch die Kosten für die Lichtbilder oder die Schreibgebühren und die Kopierkosten erscheinen unangemessen hoch. Dass diese Kostenpositionen tatsächlich angefallen sind, besteitet die Beklagte nicht. Das Gericht weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass nach seiner Ansicht es nicht darauf ankommt, in welcher Höhe diese Kosten bei der günstigsten Betrachtungsweise zu beziffern wären. Es geht hier bei der Frage, ob diese Kosten vom Schädiger zu erstatten sind, allein darum, ob der Geschädigte vernünftigerweise Zweifel an der Richtigkeit der Rechnung hätte haben müssen. Dies wird jedoch selbst dann nicht der Fall sein, wenn die Kosten im Einzelfall überhöht sind. Denn ein durchschnittlicher Geschädigter wird kaum Einblicke oder Erfahrungswerte in die Preisgestaltung und -Kalkulation eines Sachverständigen haben. Im Übrigen ist es nach Auffassung des Gerichts einem Geschädigten nicht zumutbar,  die Kosten eines ihm in Auftrag gegebenen Sachverständigengutachtens auch nur teilweise nicht zu begleichen und es insoweit auf einen Rechtsstreits mit dem Sachverständigen ankommen zu lassen. Dies dürfte allenfalls bei eklatant überhöhten Sachverständigenhonoraren im Einzelfall in Betracht kommen. Ein solcher Fall liegt hier jedoch nicht vor.

Der Zinsanspruch beruht auf §§ 288, 291 BGB. Zinsen können jedoch aus dem Hauptsachebetrag erst ab Rechtshängigkeit geltend gemacht werden, da ein früherer Verzugseintritt von der Klägerin nicht dargelegt wurde. Als weitere Schadensersatzposition hat die Beklagte auch die nicht anrechenbaren außergerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 27,07 EUR zu erstatten.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 1. Alternative ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.

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8 Antworten zu Das AG Nürnberg verurteilt HUK-Coburg zur Erstattung des restlichen Sachverständigenhonorars (31 C 7076/09 vom 11.02.2010)

  1. Willi Wacker sagt:

    Hallo Hans Dampf,
    bei dem obigen Endurteil der Amtsrichterin der 31. Zivilabteilung handelt es sich um ein mustergültiges Urteil, an dem aber auch gar nichts auszusetzen ist. Der Amtsrichterin ein dickes Lob. So muss ein Urteil aussehen.
    Mit freundlichen Grüßen
    Willi Wacker

  2. Jurastudentin sagt:

    Hi Hans Dampf,
    Bei der Entscheidung des AG Nürnberg handelt es sich um ein mustergültig abgefasstes Urteil. Das Gericht stellt mit Hinblick auf die herrschende Rechtsprechung fest, dass nach schadensrechtlichen Grundsätzen der Schädiger auch dann die Kosten eines Sachverständigengutachtens zu erstatten hat, wenn die Sachverständigenkosten überhöht sein sollten (vgl. BGH DS 2007,144 m. Anm. Wortmann). Der Geschädigte ist nämlich nicht verpflichtet, vor der Beauftragung des Sachverständigen eine Art Marktforschung zu betreiben, um einen möglichst preiswerten Sachverständigen ausfindig zu machen (vgl. BGH NJW 1992, 302; BGHZ 155,1; BGH DS 2005, 383; BGH DS 2006, 193). Die Amtsrichterin des AG Nürnberg hat dabei auch zu Recht festgestellt, dass das Risiko eines überteuerten Gutachtens der Schädiger und dessen Versicherer trägt. Dabei kann sich das AG Nürnberg auf das OLG Naumburg ( DS 2006, 283) beziehen. Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass der VI. Zivilsenat des BGH in seinem Sachverständigenkosten-Urteil vom 23.1.2007 (DS 2007, 144) festgestellt hat, dass ohne nähere Erkundigungen auf dem Sachverständigenmarkt der Geschädigte das Risiko trägt, einen Sachverständigen beauftragt zu haben, der sich später als zu teuer erweisen sollte ( BGH Urt. vom 23.1.2007 – VI ZR 67/06 – Rdnr. 17).

    Der Schädiger und dessen Haftpflichtversicherer tragen grundsätzlich das Kosten- und Prognoserisiko. Teuerungen, Schadensausweitungen und Erhöhungen der Mehrwertsteuer während der Reparaturphase gegen zu Lasten des Schädigers. Mithin liegt es auch im Kostenrisikobereich des Schädigers, wenn der Geschädigte, weil er zur Erforschung des Sachverständigenmarktes nicht verpflichtet ist, einen Sachverständigen beauftragt, der sich möglicherweise später im Schadensersatzprozess als zu teuer erweisen sollte. Der Geschädigte hat Anspruch auf Erstattung der Kosten des Schadensgutachtens, denn diese Kosten gehören zu den mit dem Unfallschaden unmittelbar verbundenen und gem. § 249 Abs. 1 BGB auszugleichenden Vermögensnachteilen, soweit die Begutachtung zur Geltendmachung des Schadensersatzes erforderlich und zweckmäßig ist (vgl. BGH DS 2005, 108; BGH NJW-RR 1989, 953, 956). Die Sachverständigenkosten können aber auch zu dem gem § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB erforderlichen Herstellungsaufwand gehören, wenn eine vorherige Begutachtung zur tatsächlichen Durchführung der Wiederherstellung erforderlich und zweckmäßig ist (vgl. BGH NJW 1974, 34; BGH NJW 1985, 1845 L; BGH DS 2005, 108). Wahrt der Geschädigte den Rahmen des zur Wiederherstellung Erforderlichen, ist weder der Schädiger oder sein Versicherer noch das Gericht im Schadensersatzprozess berechtigt, eine Preiskontrolle durchzuführen, was auch für die Höhe der Sachverständigenkosten gilt (vgl. BGH NJW 2004, 3326; BGH DS 2007, 144 m.w.N.).

    Entgegen dem Wortlaut der Rdnr. 17 des BGH-Urteils vom 23.1.2007 (DS 2007, 144, 145) hat daher die Amtsrichterin des AG Nürnberg zu Recht das Kostenrisiko beim Schädiger angesiedelt. Dieser muss ggfls. auch zu teure Gutachten ausgleichen, kann dann aber möglicherweise im Regress gegen den Sachverständigen vorgehen.

    Noch einen schönen Sonntagabend.
    Jurastudentin

  3. virus sagt:

    Was würde denn auch eine Marktforschung für ein Ergebnis bringen? Dass die DEKRA und die SSH-Stationen als Vertragspartner vieler Versicherer durch Preisabsprachen als Billiganbieter am Markt agieren. Was sagte da nochmal der BGH im sogenannten VW-Urteil VI ZR 53/09 vom 20.10.2009 zur Berücksichtigung von Sonderkonditionen?

  4. Jurastudentin sagt:

    Hi virus,
    es geht hier nicht um Billiganbieter oder DEKRA. Es geht in den zutreffenden Entscheidungsgründen und auch in meinem Kommentar darum, dass die Amtsrichterin zutreffend unter Hinweis auf BGH, u.a. in DS 2007, 144 f, darauf hingewiesen hatte, dass der Geschädigte zu einer Erforschung des Sachverständigenmarktes nicht verpflichtet ist. Sollte eine Verpflichtung zur Markterforschung nämlich bestehen, analog der Mietwagentarife, müßte der Geschädigte aus dem Gesichtspunkt der Wirtschaftlichkeit erklären müssen, warum er genau diesen und nicht den preiswerteren Sachverständigen beauftragt hat. Aber diese Verpflichtung besteht nach herrsch. Rspr. und Lit. für den Sachverständigenmarkt eben nicht. Wenn tatsächlich zwischen Versicherer und Dekra bzw. SSH-Stationen Preisabsprachen bestehen, dann hat auch insoweit das sog. VW-Urteil gute Dienste geleistet, indem es Preise aufgrund Sondervereinbarungen als unzumutbar bezeichnet hat. Also war das VW-Urteil doch nicht so schlecht.
    MfG
    Jurastudentin

  5. Willi Wacker sagt:

    Dieses interessante Urteil ist jetzt auch abgedruckt in der NJW-RR 2010, Seite 947. Das unterstreicht auch die Bedeutung dieses Urteils.

  6. Friedhelm S. sagt:

    Hi Hans Dampf,
    wie schon Jurastudentin auf die Bedeutung des Urteils hingewiesen hatte, hat offenbar auch der juristische Verlag diese Bedeutung gesehen und das Urteil abgedruckt. Es hat zwar lange gedauert bis zur Veröffentlichung in der juristischen Zeitschrift, aber immerhin ist sie erfolgt. Wieder einmal ein Erfolg der Macher von Captain-Huk. Danke.

  7. Frank K. sagt:

    Jurastudentin Sonntag, 14.03.2010 um 20:14

    Hi Hans Dampf,

    Bei der Entscheidung des AG Nürnberg handelt es sich um ein mustergültig abgefasstes Urteil.

    Hallo, verehrte Jurastudentin,

    das ist eine sehr verständliche und mustergültige Kommentierung eines ebenso mustergültigen Urteils. Vielen Dank für Ihren Beitrag, da kann auch so mancher Jurist noch etwas von lernen, was alles sonstige Geschwafel überflüssig macht, wie beispielsweise die umweltverschmutzenden Mammutschriftsätze der HUK-Coburg-Anwälte.- Man nennt sie auch inzwischen „Mietmäuler“ und so präsentieren sie sich auch bei Gericht.

    Herzlichst

    Ihr

    Frank K.

  8. Willi Wacker sagt:

    Hallo Frank K.,
    gerade deshalb ist das Urteil zur Veröffentlichung dem Verlag eingesandt worden. Es ist doch immer besser, wenn das Urteil nicht nur von den Lesern dieses Blogs gelesen wird, sondern auch von Anwälten, wobei sich die NJW-RR nicht speziell an Verkehrsrechtsanwälte wendet, sondern ganz allgemein aus allen zivilrechtlichen Gebieten und Nebengebieten eine Rechtsprechungsübersicht bietet.
    Jurastudentin wußte offenbar, wovon sie schreibt.
    Mit freundlichen Grüßen
    Dein Willi Wacker

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