Hallo verehrte Captain-Huk-Leser,
hier stelle ich Euch das aktuelle Sachverständigenkostenurteil aus Nürnberg vor. Wie so oft hatte das erkennende Gericht über gekürzte Sachverständigenkosten zu entscheiden. Anders als das immer wieder von der HUK-Coburg vorgelegte Urteil des AG Halle vom 19.12.2011 – 104 C 2173/11 – hat hier das AG Nürnberg zutreffend die restlichen Sachverständigenkosten auch im Abtretungsfall an § 249 BGB gemessen. Dabei hat die erkennende Amtsrichterin auch zu Recht festgestellt, dass das Gesprächsergebnis BVSK-HUK keine taugliche Schätzgrundlage ist. Gleiches gilt für das Nachfolgemodell Honorartableau 2012. Da die dort festgestellten Werte auf dem Gesprächsergebnis fußen, ist auch das Honorartableau keine geeignete Schätzgrundlage. Dabei hat das Gericht sogar ausdrücklich betont, dass die Preise aufgrund des Gesprächsergebnisses und / oder des Honorartableaus 2012 auf Sonderkonditionen beruhen und damit kein marktgerechter Preis ist. Auch die Bestimmungen des JVEG (Justizvergütungs- und Entschädigungsgesetzes) können nicht direkt, aber auch nicht analog herangezogen werden (vgl. Wortmann VersR 1989, 1404 ff). Auch die von der HUK immer wieder beanstandeten Nebenkosten wurden zuerkannt. Lest selbst.
Viele Grüße
Willi Wacker
Amtsgericht Nürnberg
Az.: 18 C 4786/12
IM NAMEN DES VOLKES
In dem Rechtsstreit
Kfz-Sachverständiger
– Kläger-
gegen
HUK24 AG, vertreten durch d. Vorstand Detlef Frank u.a., Willi-Hussong-Straße 2, 96440 Coburg
– Beklagte –
wegen Schadensersatz
erlässt das Amtsgericht Nürnberg durch die Richterin am Amtsgericht … am 04.09.2012 auf Grund des Sachstands vom 04.09.2012 ohne mündliche Verhandlung gemäß § 495a ZPO folgendes
Endurteil
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 202,85 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 06.06.2012 zu bezahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 202,85 € festgesetzt.
(abgekürzt nach § 313a Abs. 1 ZPO)
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist teilweise begründet.
Der Kläger hat einen Anspruch aus abgetretenem Recht auf Bezahlung der restlichen Sachverständigenkosten gemäß §§ 823, 249, 398 BGB, § 7 StVG iVm. §§ 115 VVG, 1. PflVG in Höhe von noch 202,85 EUR.
Gegenstand der Klage sind restliche Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfallereignis in Nürnberg, für dessen Folge die Beklagte zu 100 % eintrittspflichtig ist. Der Kläger erstellte im Auftrag des Geschädigten … ein Schadensgutachten und stellte diesem einen Betrag in Höhe von 690,85 EUR brutto in Rechnung steifte. Der Sachverständige kalkulierte den Reparaturschaden am Fahrzeug auf 3.886,68 € brutto. Die Beklagte zahlte auf das Sachverständigenhonorar einen Betrag iHv 488,00 EUR.
1. Aktiviegitimation
Der Kläger ist aktivlegitimiert.
Der Geschädigte hat seinen Schadensersatzanspruch auf Erstattung der Gutachtenskosten mit Erklärung vom 09.05.2012 an den Kläger abgetreten.
Die Abtretung ist wirksam zustande gekommen. Die Abtretungserklärung trägt die Unterschrift des Geschädigten. In der Vorlage des Abtretungsformulars an den Geschädigten ist ein mündliches Angebot des Klägers auf Abtretung der Mietwagenkosten zu sehen. Dieses Angebot hat der Geschädigte durch seine Unterschrift angenommen. Damit war die Abtretung vereinbart.
Die Abtretung ist hinreichend bestimmt, da sie ausdrücklich den Schadensersatzanspruch auf Erstattung der Sachverständigenkosten zum Gegenstand hat. Auch eine Teilzahlung steht der Wirksamkeit der Abtretung nicht entgegen. Es ist nämlich die Forderung, die Gegenstand der Abtretung ist, klar und eindeutig bezeichnet. Soweit die Abtretung sich auf den durch Erfüllung erloschenen Teil der Rechnung bezieht, läuft die Erklärung lediglich ins Leere und führt nicht zu einer Unwirksamkeit der Abtretung.
2. Schadensersatz
Gemäß § 249 BGB hat die Beklagte den Geldbetrag zu ersetzen, der zur Herstellung des Zustandes erforderlich ist, der ohne das schädigende Ereignis bestehen würde. Hierzu zählen grundsätzlich auch die Kosten eines Sachverständigengutachtens, sofern die Begutachtung erforderlich und zweckmäßig war, vgl. Palandt, BGB, 69. A., § 249 Rn.58. Dies ist bei einem Sachschaden in Höhe von 3.886,68 € der Fall.
Es kann vorliegend dahingestellt bleiben, ob die Honorarvereinbarung auf der Rückseite des vom Geschädigten unterzeichneten Auftrags zur Gutachtenerstellung vom 09.05.2012 wirksam zustande gekommen ist. Denn ohne wirksame Honorarvereinbarung gilt gemäß § 632 Abs. 2 BGB die übliche Vergütung als vereinbart. Diese übliche Vergütung kann gemäß § 287 ZPO anhand der BVSK-Befragung 2010/2011 ermittelt werden, welche eine taugliche Schätzgrundlage darstellt. Das Gesprächsergebnis BVSK – HUK, Honorartableau 2012 ist zur Ermittlung des ortsüblichen Honorars hingegen nicht geeignet. Aus der Bereitschaft einer Versicherung bestimmte Pauschalhonorare zu zahlen, lassen sich keine Rückschlüsse auf die Ortsüblichkeit eines Honorars ziehen. Wenn sich die Mehrzahl der Sachverständigen den Preisvorsteilungen der Versicherungen beugt, mag sich langfristig ein verändertes übliches preisgünstigeres Honorar entwickeln, das dann auch Niederschlag in den Befragungen finden müsste. Solange aber die Sachverständigen nur bei einigen Versicherungen zu Sonderkonditionen abrechnen und ansonsten die Honorarberechnung wie bislang beibehalten, kann nicht festgestellt werden, dass der Sonderkonditionspreis dem üblichen, angemessenen Preis entspricht, vgl. LG Nürnberg-Fürth, Urteil vom 29.02.2012, Az. 8 S 2791/11. Auch das JVEG kann nicht herangezogen werden, da das JVEG einen anderen Regelungsinhalt hat und nicht auf privatgutachterliche Tätigkeiten übertragbar ist. Eine Anwendung des JVEG würde praktisch zu einer vom Gesetzgeber nicht beabsichtigten Honorarverordnung für Sachverständige führen.
Damit ist die übliche Vergütung anhand des arithmetischen Mittels des sog. HB V Korridors der BVSK-Befragung 2010/2011 zu ermitteln, vgl. LG Nürnberg-Fürth, Urteil vom 29.02.2012, Az. 8 S 2791/11. Danach beträgt das arithmetische Mittel des Grundhonorars 442 €. Der Kläger berechnet lediglich 440 €. Auch mit den Nebenkosten liegt der Kläger insgesamt im arithmetischen Mittel des HB V Korridors.
Nach den Ausführungen der BVSK-Befragung 2010/2011 gilt diese für Schadengutachten, die auf der Grundlage einer DAT- oder Audatex-Kalkulation gefertigt wurden. Das Schadensgutachten des Klägers erfüllt diese Anforderungen. Unerheblich ist hingegen, ob der Kläger öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger ist.
Hinsichtlich der Nebenkosten waren diese Positionen zum Grundhonorar hinzuzusetzen, da auch die BVSK-Befragung diese Positionen ausdrücklich gesondert aufführt.
Soweit die Beklagte einwendet, dass die tatsächlichen Fotokosten bzw. Kopierkosten geringer seien, verkennt sie, dass zu den reinen Materialkosten auch noch der Anschaffungs- und Unterhaltungsaufwand sowie ggfs. Arbeitsaufwand zu berücksichtigen ist.
Wieviele Lichtbilder zur Schadensdokumentation erforderlich sind, ist nicht geregelt und liegt im Ermessen des Sachverständigen. Die Fertigung von 20 Lichtbildern ist bei dem gegebenen Schaden jedenfalls nicht unangemessen.
Die Erstellung von 2 Ausfertigungen des Gutachtens ist erforderlich. Das Originalgutachten erhält idR die gegnerische Haftpflichtversicherung. Die geschädigte Partei benötigt ebenfalls mindestens ein Exemplar. Ein weiteres Exemplar ist für die Handakte des Sachverständigen.
Selbstverständlich können auch Portokosten und Telefonkosten entsprechend der BVSK-Befragung abgerechnet werden.
Kosten für einen Vorabbericht bzw. Büromaterial hat die Klagepartei überhaupt nicht in Rechnung gestellt. Die Ausführungen der beklagten Partei zu einem Vorabbericht/Büromaterial sind daher nicht nachvollziehbar und gehen ins Leere.
3. Nebenforderung
Die Verzinsung der Hauptforderung beruht auf §§ 288, 286 BGB. Die Beklagte hat den Verzugsbeginn nicht bestritten.
Die Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung waren nicht zuzusprechen. Die beklagte Partei hat bestritten, dass die Vertreter der Klagepartei erst nach Verzugseintritt beauftragt worden sind. Dem ist die Klagepartei nicht entgegengetreten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit erging nach §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO,
So das AG Nürnberg. Und jetzt bitte Eure Kommentare.
Einerseits wird BVSK-Listen die rote Karte gezeigt, umgekehrt wiederum irgendwelche arithmetische Mittelwerte ausgekünstelt, die genau solchen Murks als Basis haben…?
So ganz perferkt ist das Urteil nicht…!
Das angesprochene Urteil des AG Nürnberg stellt in den Entscheidungsgründen zutreffend heraus, was in diesem Fall als Sondervereinbarung zu bewerten wäre und die Überleitung ist m.E. geeignet, das Bundeskartellamt erneut mit der Angelegenheit zu befassen, zumal Herr Fuchs vom BVSK das Alles wiederum stillschweigend hinnimmt?
Es kann kein Zweifel daran bestehen, dass mit dieser Vorgehensweise die unabhängigen Sachverständigen eklatant gegenüber den BVSK-Sachverständigen, die sich in vorauseilendem Gehorsam die Gunst der Versicherungswirtschaft nicht verderben wollen, benachteiligt werden.
Denn wo die BVSK-Mitglieder die ihnen angedienten Honorare stillschweigend schlucken und damit bei Gerichten und Rechtsanwälten auch noch damit werben, dass es bei ihnen keine Honorarauseinandersetzungen bzw. Prozesse um das gekürzte Sachverständigenhonorar gibt, werden die tatsächlich unabhängigen Kfz-Sachverständigen in die Ecke der Bösen und Querulanten gestellt, weil sie ja immer wieder solche gerichtlichen Klärungen anstreben.
Unabhängig davon wirft das hier eingestellte Urteil die Frage auf, auf Grund welcher Erkenntnisse denn die angesprochenen Honorarbefragung geeignete Grundlage für eine Schätzung gem. § 287 ZPO sein soll.
Dazu zitiere ich einmal – wenn auch in einem anderen Zusammenhang angeführt – Herrn Prof. Dr. Ernst Wolf :
“ Die auf unkontrollierbare Weise von Privatpersonen erstellten „Listen“ sind den Geschädigten und ihren Rechtsanwälten praktisch unzugänglich. Die Verfasser stehen zumindest teilweise im Dienst von Interessenten, deren Interessen darin bestehen, den Schadenersatz so niedrig wie möglich zu halten.“
Meine Fragen:
Hat je ein Gericht, das als gangbaren Weg eine Schätzung gem. §287 ZPO im Auge hatte, einmal kritisch und dezidiert überhaupt nur ansatzweise hinterfragt, warum eine solche Erhebung geeignet sein soll, für eine Schätzung als ausreichend fundierte Basis herhalten zu können ?
Hat die Bezugnahme der Versicherung auf solche Erhebungen nie bei den Gerichten Zweifel ausgelöst an der erhebungsmethodisch ausreichend qualifizierten Umfrage, zumal sich das Bundeskartellamt ja schon mit dieser Angelegenheit auf der Basis von Sonderkonditionen befassen musste ?
Ist einigen Gerichten überhaupt klar, was sie mit der von den Versicherungen gewünschten Rechnerei bewirken bzw. in welche Position sie sich damit drängen lassen?
Auch hier wurde wieder über die „angemessene“ Höhe der Fotokosten sinniert, obwohl schadenersatzrechtlich überhaupt nicht veranlasst, jedoch wohl absichtlich von den Versicherungsanwälten wider besseren Wissens gezielt provoziert. Also ein Abgleiten mit kleinlicher Rechnerei unter werkvertraglichen Gesichtspunkten.
Ist manchen Gerichten eigentlich klar, das sie in diesen provozierten Rechtsstreitigkeiten dazu missbraucht werden, den Versicherungen dienlich zu sein bei der angestrebtenb Durchsetzung einer „Quasigebührenordnung“ und dass sie damit an dem Ast sägen, auf dem die wenigen noch unabhängigen und qualifizierten Sachverständigen sitzen, die eigentlich gerade von den Gerichten benötigt würden ?
Ich will es zunächst mal dabei bewenden lassen und bin darauf gespannt, wie die Sachverständigen und Rechtsanwälte das sehen. Vielleicht ergeben sich ja Perspektiven, die erkennen lassen, dass zur Wahrung der Unabhängigkeit und der Beseitigung jedweder Manipulationsversuche der Weg dahin neu überdacht werden muss.
K.A.