AG Halle (Saale) verurteilt DEVK-Vers.-AG und deren VN als Gesamtschuldner zur Zahlung der gekürzten Sachverständigenkosten aus abgetretenem Recht mit Urteil vom 11.10.2012 – 93 C 466/12 -.

Hallo verehrte Captain-Huk-Leser,

nachfolgend gebe ich Euch zum beginnenden Wochenende  ein Urteil aus Halle an der Saale zu Thema SV-Kosten bekannt.  Dieses Mal war es die DEVK-Versicherung, die meinte, dass sie die Sachverständigenkosten einfach kürzen könnte. Der Schadensersatzanspruch des Geschädigten auf Erstattung der Sachverständigenkosten war durch Abtretungsvereinbarung zwischen Geschädigtem und Sachverständigen an diesen abgetreten worden, so dass der klagende Sachverständige jetzt Forderungsinhaber des Schadensersatzanspruchs des Geschädigten gegen den Schädiger bzw. dessen Haftpflichtversicherer wurde.  Zuständig für diesen Rechtsstreit war der Amtsrichter der 93. Zivilabteilung des AG Halle an der Saale. Dem konnten die Anwälte der Versicherung allerdings nichts vormachen.  Er besitzt den  vollen (Rechts)Durchblick. Lest aber selbst und gebt Eure Meinungen bekannt.

Viele Grüße
Willi Wacker

Amtsgericht Halle (Saale)                           Verkündet am: 11.10.2012

Geschäfts-Nr.:
93 C 466/12

Im Namen des Volkes
Urteil
In dem Rechtsstreit

Kfz-Sachverständiger

Kläger

gegen

1. Firma DEVK Allgemeine Versicherungs AG vertr.d. d. Vorsitzenden des Vorstandes Friedrich W. Gieseler, Juri-Gagarin-Ring 149, 99084 Erfurt

2. Herrn …

Beklagte

hat das Amtsgericht Halle (Saale) auf die mündliche Verhandlung vom 27.09.2012 durch den Richter am Amtsgericht …

für Recht erkannt:

1.) Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 825,80 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 9. September 2011 zu bezahlen.

2.) Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, den Kläger von einer Gebührenforderung der Rechtsanwälte … in Höhe von 101,40 € freizustellen.

3.) Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

4.) Die Beklagten tragen die Kosten des Rechtsstreits.

5.) Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagten können die Vollstreckung, auch zu einem Teilbetrag, durch Sicherheitsleistung in Höhe 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

und beschlossen:

Der Streitwert wird auf 825,00 € festgesetzt.

Tatbestand:

Der Kläger, ein Kfz-Sachverständiger, verlangt aus abgetretenem Recht restlichen Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall.

… erlitt einen Verkehrsunfall, bei welchem sein PKW Mercedes, amtliches Kennzeichen … , beschädigt wurde. Die Beklagten sind für die dem … entstandenen Schäden dem Grunde nach zu 100 % eintrittspflichtig.

… beauftragte den Kläger, ein Gutachten über die an seinem Fahrzeug entstandenen Schäden zu erstatten. Der Kläger erstellte dieses Gutachten und stellte … unter dem 19. August 2008 hierfür 723,67 € in Rechnung. Wegen der Einzelheiten wird auf die Rechnung Bl. 28 d. A. Für eine Nachbegutachtung stellte der Kläger unter dem 2. September 2008 dem … weitere 102,13 € in Rechung. Wegen der Einzelheiten wird auf die Rechnung Bl. 29 d. A. verwiesen. … trat seinen Anspruch gegen die Beklagte auf Erstattung der Sachverständigenkosten aus den Rechungen vom 19. August 2008 und vom 2. September 2008 durch Verträge vom 2. September 2008 an den Kläger ab. Wegen der Einzelheiten wird auf die Vereinbarungen Bl. 34 und 35 d. A. verwiesen. Die Beklagte zu 1. lehnte die Bezahlung der Gutachterrechungen jedoch ab, sodass der Kläger diese nun mit der vorliegenden Klage geltend macht. Zudem verlangt der Kläger Mahnkosten und Freistellung von vorgerichtlichen Anwaltskosten.

Der Kläger behauptet, … habe seine Rechnungen trotz Mahnungen nicht bezahlt. An dem Fahrzeug des … hätten sich auch keine unreparierten Vor- bzw. Altschäden befunden. Straubeinschlüsse nach manueller Lackierung und Lackläufer seien unvermeidlich und keine Vorschäden.

Der Kläger beantragt nach einer teilweisen Klagerücknahme hinsichtlich der vorgerichtlichen Anwaltskosten (ursprünglich hat er Freistellung von Kosten in Höhe von 120,67 € gefordert) nunmehr

1. die Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 825,80 € zuzüglich 5 % Zinsen aus einem Betrag von 723,67 € über dem Basiszinssatz nach § 247 Abs. 1 BGB seit dem 9. September 2008 zu zahlen sowie aus einem Betrag von 102,13 € über dem Basiszinssatz nach § 247 Abs. 1 BGB seit dem 23. September 2008 zu zahlen.

2. des weiteren als Nebenforderung die Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 24,00 € für vorgerichtliche Mahnkosten zuzüglich 5 % Zinsen hieraus über dem Basiszinssatz nach § 247 Abs. 1 BGB seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

3. als weitere Nebenforderung die Beklagten zu verurteilen, den Kläger in Höhe von 101,40 € für vorgerichtliche Anwaltskosten zuzüglich 5 % Zinsen hieraus über dem Basiszinssatz nach § 247 Abs. 1 BGB seit dem 6. September 2011 freizustellen.

Die Beklagten beantragen.

die Klage abzuweisen.

Die Beklagten bestreiten mit Nichtwissen, dass … die Rechnungen des Klägers trotz Mahnung nicht bezahlt habe. Im übrigen behaupten die Beklagten, dass die vom Kläger erstellten Gutachten unbrauchbar seien, da ein am Fahrzeug von … vorhandener Vorschaden (Schmutzeinschlüsse und Lackläufer nach Lackierung wegen eines vorherigen Unfallereignisses) nicht berücksichtigt worden sei. Daher seien die Gutachterkosten kein erstattungsfähiger Schaden.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist in der Hauptsache begründet. Anspruchsgrundlage sind die § 7 Abs. 1 StVG, § 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG und § 398 BGB.

Zunächst ist vorsorglich, auch wenn die Beklagten dies ohnehin nicht problematisiert haben, darauf hinzuweisen, dass gegen die Wirksamkeit der Abtretungen keine Bedenken bestehen. Weder liegt ein Verstoß gegen § 3 RDG vor noch sind die Abtretungen zu unbestimmt (vgl. Urteil des Gerichts vom 10. November 2011, Az. 93 C 3741/10, zitiert nach juris, und Urteil des LG Halle vom 9. März 2012, Az. 2 S 289/11, unveröffentlicht).

Der geltend gemachte Schadensersatzanspruch des … besteht in voller Höhe. Die Beklagten können sich nicht darauf berufen, dass das Gutachten unbrauchbar sei. Ob die Beklagten dem Gutachten inhaltlich folgen oder das Gutachten für nicht überzeugend halten, ist unerheblich. Der unfallgeschädigte … war berechtigt, sich einen Sachverständigen seiner Wahl auszusuchen. Die Beklagten müssen dies akzeptieren.

Die Kosten eines Sachverständigengutachtens sind selbst dann zu ersetzen, wenn sich das Gutachten objektiv als ungeeignet herausstellt. Das Risiko des Fehlschlagens der Kostenermittlung muss der Schädiger jedenfalls solange tragen, als den Geschädigten hinsichtlich der sorgfältigen Auswahl und zutreffenden Information des Gutachters kein Verschulden trifft. (OLG Köln, Urteil vom 23. Februar 2012, Az. I-7 U 134/11, 7 U 134/11, zitiert nach juris.) Ein derartiges Verschulden des … hat die Beklagte nicht vorgetragen und bewiesen. Insbesondere hat die Beklagte nicht bewiesen, dass unreparierte Vorschäden (und nur unreparierte Vorschäden können Einfluss auf das Ergebnis des Gutachtens haben) vorlagen. Die „Schmutzeinschlüsse und Lackläufer“ nach Reparatur des Vorschadens sind kein Vorschaden, auf den … den Kläger hätte hinweisen müssen, sondern schlicht eine Eigenschaft des Autos, die der Kläger bei der Begutachtung sehen konnte und seiner Begutachtung zu Grunde legen konnte.

Ein eventuelles Verschulden des Klägers bei der Begutachtung muss sich … nicht zurechnen lassen. Der Sachverständige ist nicht Erfüllungsgehilfe des Geschädigten (BGH, Urteil vom 29. Oktober 1974, Az. VI ZR 42/73, zitiert nach juris). Der Geschädigte soll sich im Rahmen der Schadensabwicklung nicht mit Dritten auseinandersetzen müssen. Da der Kläger aus abgetretenem Recht des … klagt, stünde selbst ein eventuelles Verschulden des Klägers, das zu einer eventuellen Unbrauchbarkeit des Gutachtens führt, dem streitgegenständlichen Schadensersatzanspruch nicht entgegen.

Soweit die Beklagte mit Nichtwissen bestreitet, dass … die Rechnung nicht bezahlt hat, ist dies unerheblich. Die Beklagte trägt die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die Forderung durch Erfüllung gemäß § 362 BGB erloschen ist. Dieser Darlegungs- und Beweislast ist sie nicht nachgekommen.

Der Zinsanspruch beruht auf §§ 286 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3, 288 Abs. 1 BGB. Ein weiterer Zinsanspruch, insbesondere ein früherer Verzugseintritt, ist nicht ersichtlich.

Der Kläger kann als Verzugsschaden auch gemäß §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3 BGB – mit Schreiben vom 6. September 2011 lehnte die Beklagte eine Zahlung an den Kläger endgültig ab – Freistellung von den der Höhe nach schlüssig vorgetragenen vorgerichtlichen Anwaltskosten verlangen. Bezüglich der Zinsforderung kann der Kläger allerdings keine Freistellung verlangen, weil nicht vorgetragen ist, dass der Rechtsanwalt gegen den Kläger überhaupt eine Zinsforderung geltend macht.

Mahnkosten in Höhe von 24,00 € kann der Kläger jedoch nicht verlangen, da nicht vorgetragen, wie diese entstanden sein sollen und ob sich die Beklagte überhaupt in Verzug befand.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Und jetzt bitte Eure Kommentare.

Urteilsliste “SV-Honorar” zum Download >>>>>

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  1. G. Gladenbach sagt:

    Auch das AG Halle hat klar gesagt, was der SV ist. Der Sachverständige ist nicht Erfüllungsgehilfe des Geschädigten. Mithin können eventuelle Fehler des SV dem Geschädigten nicht angelastet werden.
    Wenn er aber nicht Erfüllungsgehilfe des Geschädigten ist, wessen Erfüllungsgehilfe soll er denn dann sein? Es bleibt doch nur noch der Schädiger. Das scheint auch logisch, denn der Schädiger ist grundsätzlich zur Wiederherstellung des vormaligen Zustandes verpflichtet. Dafür bedient er sich der Werkstatt. Mithin ist die Werkstatt Erfüllungsgehilfe des Schädigers (BGHZ 63, 182). Da zur Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes auch die Feststellung der Schäden gehört, ist auch das Einholen eines Gutachtens zur Wiederherstellung erforderlich (BGH VersR 2007, 560). Mithin ist dann auch der Sachverständige, der im Auftrag des Geschädigten das Gutachten erstellt, Erfüllungsgehilfe des Schädigers, oder? Und damit meine ich, dass Fehler des Gutachters zu Lasten des Schädigers gehen, analog den Überlegungen zur Werkstatt. Dort trägt unstreitig das Werkstattrisiko der Schädiger. Also trägt der Schädiger auch das Prognoserisiko des Gutachters.
    Grüße aus Hessen
    G.Gladenbach

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