Hallo verehrte Captain-Huk-Leser,
nachfolgend gebe ich Euch eine Entscheidung des AG Halle an der Saale zum Thema Sachverständigenkosten aus abgetretenem Recht bekannt. Bekanntlich ändert sich der Charakter des Schadensersatzanspruchs mit der Abtretung an den Sachverständigen nicht. Lediglich die Person des Gläubigers wird ausgewechselt. Anstelle des Geschädigten tritt der Sachverständige. Die Bestimmungen der Abtretungsvereinbarungen, die der VI. Zivilsenat des BGH zur Abtretung der Schadensersatzansprüche an Mitwagenkosten aufgestellt hat, gelten sinngemäß auch für Abtretungen der Sachverständigenkosten. Insbesondere auch die Regeln, die der BGH im Urteil vom 11.9.2012 – VI ZR 297/11 – aufgestellt hat, gelten für den Sachverständigen entsprechend. Folgerichtig hat das angerufene Gericht zunächst die Aktivlegitimation des Sachverständigen an Hand der Rechtsprechung angenommen und sodann den Schadensersatzanspruch geprüft und dabei Bezug genommen auf das Grundsatzurteil des BGH VI ZR 67/06 bezüglich der Sachverständigenkosten. Hinsichtlich der Nebenkosten nimmt die erkennende Richterin auch Bezug auf die Rechtsprechung des für Werkvertrag zuständigen X. Zivilsenates und das Urteil X ZR 80/05 und verneint damit – zu Recht – die neuere Rechtsprechung des LG Saarbrücken zu den Nebenkosten. Lest aber selbst und gebt Eure Meinungen ab.
Viele Grüße und eine schöne Woche.
Willi Wacker
Amtsgericht Halle (Saale)
Geschäfts-Nr.:
99 C 343/11
Im Namen des Volkes
Urteil
In dem Rechtsstreit
des Herrn …
Kläger
gegen
HUK-Coburg Haftpflicht Unterstützungskasse kraftfahrender Beamter Deutschlands a.G. in Coburg Schadenaußenstelle Halle, vertr. d. d. VV. Stohmayr, Merseburger Straße 46, 06110 Halle
Beklagte
hat das Amtsgericht Halle (Saale) im Verfahren gem. § 495 a ZPO am 30.10.2012 durch die Richterin am Amtsgericht …
für Recht erkannt:
1.) Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 133,37 € zuzüglich 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz hieraus seit 09.02.2010 zu zahlen.
2.) Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 6,00 € vorgerichtliche Mahnkosten zuzüglich 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz hieraus seit 29.12.2010 zu zahlen.
3.) Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
4.) Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Von der Darstellung des
Tatbestandes
wird gemäß § 313 a Abs. 1 ZPO abgesehen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist begründet.
Der Kläger hat gegen die Beklagte Anspruch auf Schadenersatz in der zuerkannten Höhe aus abgetretenem Recht (§ 7 Abs.1, StVG, § 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG, §§ 249, 398 BGB).
Der Kläger ist aktiv legitimiert, denn die Abtretungserklärung vom 01.09.2011/ 05.09.2011 ist hinreichend bestimmt im Sinne der Rechtsprechung des BGH vom 07.06.2011 (Az. VI ZR 260/10,). Aus der Abtretungserklärung ergibt sich eindeutig, dass nur der Anspruch auf Bezahlung der Gutachterkosten und nicht alle Ansprüche aus dem Verkehrsunfallereignis abgetreten werden sollten. Dies hat auch das Landgericht Halle mit Urteil vom 09.03.2012 (Az. 2 S 289/11, zuvor AG Halle (Saale), Az. 93 C 3741/10), dem den vorliegenden Abtretungserklärungen vom 27.12.2007 bzw. 01.09.2011/ 05.09.2011 identische Abtretungserklärungen zugrunde lagen, so bewertet.
Davon, dass die Einziehung der Forderung für die Erstattung des Gutachtens eine Tätigkeit darstellt, die unter das Rechtsdienstleistungsgesetz fällt, ist auch nicht auszugehen. Das Landgericht Halle hat mit den Urteilen vom 09.03.2012 (Az. 2 S 289/11) und vom 13.04.2012 (Az.: 2 S 15/12, zuvor AG Halle (Saale), Az. 91 C 645/11) unter Berücksichtigung der vom BGH getroffenen Entscheidung zur Abtretung von Mietwagenkosten für ein Ersatzfahrzeug im Falle eines Verkehrsunfalls (Urteil vom 31.01.2012, Az. VI ZR 143/11,) ausgeführt:
„Diese Rechtsprechung kann wegen der vergleichbaren Interessenlage der Beteiligten auf den vorliegenden Sachverhalt übertragen werden. Weil auch im vorliegenden Fall die Haftung dem Grunde nach unstreitig ist und nur die Höhe der Forderung seitens der Beklagten angegriffen wurde, liegt eine Fallgestaltung vor, in der die Einziehung der Forderung als Nebenleistung zum Berufs- und Tätigkeitsbild eines Kfz-Sachverständigen gehört (vgl. BGH, a.a.O., Rn. 15) und nicht gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz verstößt.“
Diese Rechtsauffassung teilt das erkennende Gericht nach eigener Sachprüfung vollständig.
Nachdem zwischen den Prozessparteien ein (abgetretener) Schadenersatzanspruch des Unfallgeschädigten streitgegenständlich ist, ist Prüfungsmaßstab, ob die Sachverständigenkosten zum erforderlichen Herstellungsaufwand gemäß § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB gehören, also Kosten darstellen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten als zweckmäßig und angemessen zur Schadensbehebung ansehen durfte (vgl. BGHZ 115, 364, 369; 160, 377; 162, 161, 165). Der Geschädigte ist hierbei grundsätzlich nicht zu einer Erforschung des ihm zugänglichen Marktes verpflichtet, um einen für den Schädiger und dessen Haftpflichtversicherer möglichst preisgünstigen Sachverständigen ausfindig zu machen. Zwar verbleibt damit für ihn das Risiko, dass er ohne nähere Erkundigungen einen Sachverständigen beauftragt, der sich später im Prozess als zu teuer erweist (vgl. BGH, Urteil vom 23.01.2007, Az. VI ZR 67/06, NJW 2007, 1450 = DS 2007, 144; BGHZ, 163, 362, 367 f.). So lange jedoch für den Geschädigten als Laien nicht erkennbar ist, dass der Sachverständige sein Honorar geradezu willkürlich festsetzt, Preis und Leistung in einem auffälligen Missverhältnis zueinander stehen oder dem Geschädigten selbst ein Auswahlverschulden zur Last fällt (OLG Naumburg, Urteil vom 20.01.2006, Az. 4 U 49/05,), kann der Geschädigte vom Schädiger den vollständigen Ausgleich seiner dem Sachverständigen gezahlten Aufwendungen verlangen. Damit schuldet der Schädiger dem Geschädigten den unter Berücksichtigung der individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten des Geschädigten objektiv zur Schadensbehebung erforderlichen Herstellungsaufwand (LG Saarbrücken, Urteil vom 10.02.2012, Az. 13 S 109/10, zitiert nach juris). Der Sachverständige kann hierbei in werkvertraglich zulässiger Weise neben dem „Grundhonorar“ für die eigentliche Sachverständigentätigkeit „Nebenkosten“ auch nach ihrem konkreten Anfall berechnen (BGH, Urteil vom 04.04.2006, Az. X ZR 80/05, NZV 2007, 182 ff.).
Nachdem ein Auswahlverschulden des Geschädigten bei der Beauftragung des Klägers weder vorgetragen, noch im Hinblick auf das Verhältnis zwischen Schadenshöhe und Gutachterkosten sonst ersichtlich geworden ist, kann sich die Beklagte auf eine Überhöhung der Sachverständigenkosten auch nicht berufen (vgl. OLG Naumburg, a.a.O.). Die mit 480,91 € brutto abgerechneten Gutachterkosten liegen unter Berücksichtigung der unstrittigen Schadenspositionen (1.444,86 € Nettoreparaturkosten + 150,00 € Wertminderung + 195,00 € Nutzungsausfall = 1.789,86 €) mit 26,87 % derselben auch im Bereich des vereinbarten Honorarbetrages von 8 % bis 30 % der Schadenshöhe, so dass es einer konkreten Prüfung der einzelnen Rechnungspositionen im konkreten Einzelfall nicht bedarf.
Unter Berücksichtigung der von der Beklagten und dem Geschädigten auf den Rechnungsbetrag bereits unstrittig erbrachten Zahlungen ist dem Kläger daher die Klagehauptforderung zuzuerkennen.
Nachdem der Kläger zudem die Zahlungserinnerung vom 28.01.2018 sowie die Mahnungen vom 12.02.2008 und 22.02.2008 belegt und die Beklagte weitere Mahnungen vom 26.03.2008 und 23.04.2008 vorgetragen hat, ist gemäß §§ 286 Abs. 1, 249 BGB auch der Anspruch auf Zahlung vorgerichtlicher Mahnkosten in Höhe von insgesamt 6,00 € begründet.
Die Zahlung von Verzugszinsen, die der Kläger mit der Anspruchsbegründung auf die Hauptforderung ab 09.02.2010 und auf die Mahnkosten ab Zustellung des Mahnbescheides (28.12.2010) begehrt, ist gemäß §§ 286 Abs. 1, 288 Abs.1, 187 Abs. 1 BGB geschuldet.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.