Ein – wahres – Weihnachtsmärchen: Mitten in der als Fraunhofer-Festung bekannten Hansestadt Hamburg gibt es eine Abteilung am AG Hamburg St.-Georg, vergleichbar mit dem gallischen Dorf Kleinbonum. Die Richterin ist dem, was in diesem Forum schon so häufig gefordert worden ist, gefolgt: Wenn sich bereits die Juristen darüber völlig uneins sind, welche der Listen die Vorzugswürdige ist, ist einem Geschädigten, der sich bei der Anmietung auf Kosten einläßt, die von einer dieser Listen abgedeckt sind, jedenfalls dieser Betrag zu erstatten. Warum sollte ein geschädigter Laie eigentlich mehr wissen müssen, als sämtliche Juristen?
Mit Urteil vom 13.06.2012 (917 C 288/11) hat das Amtsgericht Hamburg-St. Georg die KRAVAG-Versicherung zur Zahlung weiterer Mietwagenkosten in Höhe von 656,00 € zzgl. Zinsen sowie vorgerichtlicher RA-Kosten verurteilt. Das Gericht setzt die Schwacke-Liste bei der Prüfung der Notwendigkeit der Kosten zugrunde, die Fraunhofer Tabelle wird abgelehnt. Hut ab vor soviel Courage, Frau Richterin!
Aus den Entscheidungsgründen:
Die zulässige Klage ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet, im Übrigen ist sie unbegründet und daher abzuweisen gewesen.
I.
Die Klägerin kann weitere Mietwagenkosten in Höhe des tenorierten Betrages von der Beklagten wegen des Verkehrsunfallereignisses vom 22.2.2011 in Heidelberg gemäß den §§ 115 VVG, 249 BGB verlangen.
Dem Grunde nach ist die hundertprozentige Haftung der Beklagten unstreitig.
1.
Die Klägerin ist aktivlegitimiert. Soweit die Beklagte die Aktivlegitimation bestreitet, ist dieses Bestreiten angesichts des Inhalts der Anlage K3 unsubstanziiert. Die Anlage K3 ist von der Geschädigten, der Zeugin X, sowie einem Mitarbeiter der Klägerin unterschrieben worden. Die Wirksamkeit der Abtretung begegnet auch im Hinblick auf die neuere Rechtsprechung des BGH (siehe Urteil vom 7.6.2011 –VI ZR 260/10-) keinen Bedenken, weil lediglich die Mietwagenkosten abtreten worden sind, so dass die Abtretung hinreichend bestimmt ist. Angesichts der der Abtretungsurkunde gem. § 416 ZPO zukommenden Beweiskraft hätte die Beklagte qualifiziert bestreiten müssen.
2.
Der Klägerin stehen Mietwagenkosten für 11 Tage auf Basis der Schwackeliste 2010 zuzüglich einer 11-tägigen Vollkaskoversicherung des Fahrzeuges zu.
Einen Fahrbedarf, der die Anmietung eines Ersatzfahrzeuges rechtfertigt, hat die Klägerin hinreichend konkret dargelegt, indem sie behauptet hat, innerhalb von 13 Tagen habe sie 557 Kilometer zurückgelegt, was durchschnittlich 42,85 Kilometern pro Tag entspricht. Dieser Wert liegt deutlich oberhalb der Grenze von 20 Kilometern und ist zudem von der Klägerin mit der Anlage K8 untermauert worden. Hiergegen hat sich die Beklagte in der Folgezeit auch nicht mehr gewendet.
Der Zeitraum, für den die Klägerin Erstattung von Mietwagen kosten verlangen kann, ist nicht auf 5 Werktage zu reduzieren, weil das Sachverständigengutachten diesen Zeitraum als erforderliche Reparaturdauer annimmt. Vielmehr ergibt sich aus der als Anlage B2 eingereichten Rechnung, dass das Auto für einen längeren Zeitraum in Reparatur gewesen ist. Da die Beklagte als im schädigenden Lager stehend das Werkstattrisiko trägt, ist zumindest der Zeitraum, der sich aus der Reparaturrechnung ergibt, nämlich 11 Tage, erstattungsfähig. Aus der Rechnung ist unschwer zu ersehen, dass das Fahrzeug bereits am 1.3. eingebracht worden war und bis am 11.3.2011 fertig gestellt war, dies ergibt den 11-Tageszeitraum.
3.
Auch der Höhe nach sind die Mietwagenkosten nach § 249 BGB auf Basis der Schwackemietpreisliste 2010 und der dortigen Fahrzeugkategorie 4 erstattungsfähig.
Das Gericht hält die in der Schwackeliste 2010 ausgewiesenen Mietwagenpreise für den erforderlichen Aufwand, den der Geschädigte ersetzt verlangen kann. Hätte sich im vorliegenden Fall nämlich die Geschädigte bei einem Rechtsanwalt oder Automobilclub erkundigt, wäre sie durch einen sachkundigen Berater darauf hingewiesen worden, dass es eine einheitliche Rechtsprechung hinsichtlich der als Mietwagenkosten zuzubilligenden Beträge nicht gibt. Zwar wird im Oberlandesgerichtsbezirk Hamburg das Fraunhofer Modell bevorzugt, jedoch ist in anderen Regionen durchaus auch die Anwendung des Schwacke-Mietpreisspiegels als vorzugswürdig anerkannt. Wenn schon keine Einigkeit unter den Juristen herrscht, und auch der Bundesgerichtshof die Schwackeliste grundsätzlich durchaus für eine geeignete Schätzgrundlage hält, kann derjenige, der zu Preisen anmietet, die dem Schwacke-Mietpreisspiegel entsprechen, jedenfalls nicht von einem überhöhten Preis ausgehen, und sich dadurch zu weitergehenden Erkundigungen veranlasst sehen.
Soweit die Beklagte meint, die Klägerin habe in Heidelberg günstiger anmieten können, hat sie hierzu nicht, wie es nach § 254 BGB erforderlich gewesen wäre, hinreichend konkret vorgetragen. Die von ihr angestellten Internetrecherchen datieren vom 15.2.2012 und haben mit dem Unfalltag am 22.2.2011 nichts zu tun. Auch wenn es sich nicht um Internetangebote gehandelt haben sollte, sondern die jeweilige Homepage des Anbieters aufgerufen worden ist, bedeutet dies nicht, dass ein derartiges Fahrzeug auch zum dem Termin, als die Anmietung tatsächlich stattgefunden hat, zur Verfügung gestanden hätte. Darüber hinaus ist auch nicht vorgetragen, dass und weshalb die Geschädigte gerade Angebote bei den von der Beklagten genannten Anbietern hätte einholen sollen oder eingeholt hätte.
Die Klägerin kann -aus abgetretenem Recht- Erstattung auf Basis der Kategorie 4 des Mietpreisspiegels nach Schwacke 2010 verlangen. Hierdurch ist zum einen die Eigenersparnis abgegolten, wie auch dem Umstand Rechnung getragen, dass das Fahrzeug der Klägerin im Zeitpunkt des Verkehrsunfalls schon 9 Jahre alt gewesen ist. Unstreitig ist es so, dass das verunfallte Fahrzeug der Geschädigten der Klasse 6 zuzuordnen ist, so dass bei der hier vorgenommenen um 2 Klassen reduzierten Abrechnung keine weiteren Abzüge vorzunehmen sind. Die entsprechenden Einwände der Beklagten beziehen sich ersichtlich auf die vorprozessual erstellte Rechnung, die aber gar nicht mehr Grundlage des Klägervortrages ist, dieser hat die Berechnung umgestellt auf die Schwacke-Preisliste 2010 und dort die Kategorie 4 angesetzt.
Ferner ist für den Zeitraum von 11 Tagen eine Vollkaskoversicherung zu erstatten. Die Rechtsprechung billigt den Abschluss einer Vollkaskoversicherung schon deshalb, weil Mietwagen in der Regel neu und hochwertig sind, so dass das Haftungsrisiko für den Mieter ohne eine derartige Versicherung hoch ist.
II.
Abzuweisen war die Klage insoweit, als die Klägerin für zwei weitere Tage Mietwagenkosten erstattet verlangt. Insoweit ist erneut auf die Anlage B1 Bezug zu nehmen, hieraus ergibt sich ein Zeitraum vom 1.3. bis 11.3.2011 als Reparaturzeitraum. Soweit die Klägerin darüber hinaus behauptet, die Geschädigte hätte 13 Tage auf ihr Fahrzeug verzichten müssen, lässt sich das mit der Reparaturrechnung nicht begründen. Dass darüber hinaus zwei weitere Tage erforderlich gewesen wären, in denen der Klägerin das Fahrzeug nicht zur Verfügung gestanden hat, lässt sich ihrem Vorbringen nicht hinreichend konkret entnehmen, so dass ein weiterer Anspruch für weitere 2 Tage der Klägerin nicht zugesprochen werden kann. Dies gilt entsprechend für die anteiligen Kosten für die Vollkaskoversicherung.
Sämtlich in Abzug zu bringen waren die geltend gemachten Kosten für die Ausstattung des Ersatzfahrzeuges mit einem Navigationsgerät. Nach den eigenen Behauptungen der Klägerin besaß das verunfallte Fahrzeug ein mobiles Navigationsgerät. Dass dies beim Unfall beschädigt worden wäre, ist weder vorgetragen, noch sonst ersichtlich. Dementsprechend liegt nichts näher, als dass die Klägerin ihr mobiles Gerät, das gerade zum Einsatz auch in anderen Fahrzeugen taugt, aus dem verunfallten Fahrzeug entnimmt und in das angemietete Ersatzfahrzeug einbringt, weil die Klägerin hierdurch mit minimalem Aufwand erhebliche Kosten von 130 EURO hätte ersparen können.
III.
Der Höhe nach errechnet sich ausgehend von der Berechnung in der Klageschrift Folgendes: Von dem geltend gemachten Betrag von 995,80 EURO sind insgesamt 339,80 € abzuziehen. Letztgenannter Betrag setzt sich wie folgt zusammen: zweimal 82,90 EURO an Mietwagenkosten, ferner 44,00 EURO (2mal 22,00 EURO) als verringerte Vollkaskokosten sowie die Kosten für das Navigationsgerät insgesamt in Höhe von 130,00 EURO.
Rechtsanwaltskosten stehen der Klägerin unter Verzugsaspekten zu, auf die Mahnung der Klägerin selbst hat die Beklagte ablehnend reagiert. Da durch die Einschaltung eines Rechtsanwalts ein erhöhter „Druck“ auf den Schuldner ausgeübt wird, ist der Gläubiger, hier die Klägerin, grundsätzlich berechtigt, vor klagweiser Geltendmachung einen Rechtsanwalt einzuschalten, um den Schuldner -hier die Beklagte- doch noch zu einer vorgerichtlichen Zahlung zu veranlassen.
Zinsen kann die Klägerin gemäß den §§ 286 l, 288 I BGB seit dem tenorierten Termin verlangen.
IV.
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 92 II Nr. 1, 708 Nr.11, 711 ZPO.
Prima Urteil zu Weihnachten!