Mit Urteil vom 12.09.2012 (109 C 50/12) hat das AG Aachen die AachenMünchener Versicherung zur Zahlung weiterer Mietwagenkosten in Höhe von 263,87 € zzgl. Zinsen sowie vorgerichtlicher RA-Kosten verurteilt. Hier nimmt das Gericht zwar die Anwendbarkeit der Schwacke-Liste an, weil aber Zweifel an der Seriösität der neueren Schwacke-Listen bestehen, wird auf die Liste aus dem Jahr 2003 (!) zurückgegriffen. Einen Inflationsausgleich gibt es dafür jedoch nicht.
Aus den Entscheidungsgründen:
Die zulässige Klage ist lediglich im tenorierten Umfange begründet. Der zugesprochene Betrag ergibt sich aus folgender Berechnung:
Kosten nach der Schwackeliste 2003 925,40 €
abzüglich ersparte Eigenaufwendungen i. H. v. 3 % – 27,76 €
Zwischensumme 997,64 €
abzüglich Teilzahlung – 633,77 €
Ergebnis 263,87 €
Zur Ermittlung der erforderlichen Mietwagenkosten hat sich das Gericht an der Schwackeliste 2003 orientiert.
Bei der Bestimmung der Grundlage für das dem Tatrichter nach § 287 ZPO eingeräumte Schätzungs-ermessen zur Bestimmung des Normaltarifs ist es grundsätzlich möglich, auf die Schwackeliste 2003 oder auf eine neuere Schwackeliste zurückzugreifen (BGH NJW 2009, S. 58 ff.). Jedoch stellen neuere Schwackelisten nach Auffassung des Gerichts keine geeignete Schätzgrundlage dar.
Gerichtsbekannt sind auf der Basis der Erhebungen des Frauenhofer Instituts hinreichend konkrete Tatsachen, dass die in neueren Schwackelisten ausgewiesenen Werte in Zweifel zu ziehen sind. Gegenüber der Schwackeliste 2003 weisen diese neueren Schwackelisten ganz erhebliche Preissteigerungen auf. Diese sind insbesondere mit der Inflationsrate nicht erklärbar. Eine Erklärung kann jedoch in der Erhebungs-methode dieser neueren Schwackelisten durch Umfragen bei Autovermietern liegen, welche nach der Änderung der Rechtsprechung des BGH zum Unfallersatztarif ein Interesse an der Ausweisung höherer Normaltarife hatten (OLG München Urteil vom 25.07.2008, AZ: 10 U 2539/08; OLG Köln Urteil vom 10.10.2008, AZ: 6 U 115/08 sowie LG Aachen vom 13.02.2009, AZ: 5 S 166/08 und vom 15.06.2009, Az. 5 S 13/09). Jedoch ist das Gericht aufgrund dieser Zweifel an den neueren Schwackelisten nicht verpflichtet, durch die Einholung eines Sachverständigengutachtens den richtigen Mietpreis zu ermitteln. Vielmehr kann das Gericht auf eine andere Schätzgrundlage zurück greifen. Eine solche ist die Schwackeliste 2003, welche noch vor der Rechtsprechungsänderung zum Unfallersatztarif erstellt wurde. Trotz des Zeitablauf zwischen der Erhebung für die Schwackeliste 2003 und dem streitgegenständlichen Unfall ist aufgrund der allgemeinen Preisentwicklungen und angesichts der niedrigeren Ergebnisse des Frauenhofer Instituts auch kein pauschaler (Inflations-) Zuschlag vorzunehmen (LG Aachen Urteil vom 13.02.2009 AZ: 5 S 166/09).
Daran ändern auch die von der Beklagten vorgelegten und in die Klageerwiderung eingepflegten Internetangebote der Firmen Europe Car und Sixt nichts. Hierbei handelt es sich lediglich um sogenannten Screenshots. Diese beziehen sich nicht auf das Datum der unfallbedingten Anmietung sondern auf den 21.06.2012. Das Vorbringen der Beklagten, auch zum Unfallzeitpunkt seien diese Beträge verlangt worden, ist völlig unsubstantiiert. Im übrigen sind derartige Screenshots auch als solche nicht geeignet, die vom Gericht als Schätzgrundlage zu Grunde gelegte Schwackeliste 2003 zu entkräften. Vielmehr sind bis zum Vollzug einer Mietwagenbuchung noch weitere Schritte erforderlich. Erfahrungsgemäß ändert sich hier der Preis noch durch verschiedene Optionen (so auch LG Bonn MRW 2011 S. 15 ff.). Entsprechendes gilt für das Internetangebot der Klägerin selbst vom 24.08.2012, also noch länger nach dem Unfall.
Einen Zuschlag für einen besonderen Unfallersatztarif verlangt die Klägerin selbst nicht. Deshalb verblieb es bei der obigen Berechnung nach dem Normaltarif. Auf Fragen wie das Erfordernis einer Kreditkarte kommt es deshalb gar nicht an.
Die sich aus der Schwackeliste, insbesondere für die Gruppe sechs, ergebenden Werte sind zwischen den Parteien unstreitig.
Dabei sind auch die von der Klägerin in Ansatz gebrachten Zusatzkosten für die Zustellung/Abholung, für die Winterreifen und für das Navigationsgerät anzusetzen. Es ergibt sich bereits aus der von der Klägerin vorgelegten Rechnung vom 23.12.2011, dass das angemietete Fahrzeug zugestellt bzw. abgeholt wurde, über Winterreifen verfügte und mit einem Navigationsgerät ausgestattet war. Das Gericht sieht angesichts dieser vorgelegten Rechnung auch nach dem Bestreiten der Beklagten mit Nichtwissen keinen Anlass, an diesen Umständen zu zweifeln.
Soweit die Beklagte bestreitet, dass der Unfallgeschädigte auf die Zustellung und Abholung angewiesen war, kann sie damit nicht durchdringen. Vielmehr muss sich ein Unfallgeschädigter, welcher unverschuldet in den Zwang einer Mietwagenanmietung geraten ist, nicht auch noch der Mühe unterziehen, das Fahrzeug an einer Anmietstation abzuholen. Er kann sich dieses Fahrzeug liefern lassen.
Bei einer Anmietung für den Zeitraum 15.12. bis 23.12.2011 ist bereits aus straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften die Ausstattung mit Winterreifen erforderlich. Dabei ist es nicht zu beanstanden, dass durch das Mietwagenunternehmen für diese Ausstattung Mehrkosten geltend gemacht werden, da die Klägerin zutreffend vorträgt, dass durch die Umrüstung ihrer Mietwagenflotte jeweils zum Saisonwechsel Kosten entstehen, welche so weiter gegeben werden. Insoweit folgt also das Gericht der Argumentation der Beklagten unter Verweis auf das OLG Köln nicht. Denn aus dem Umstand, dass ein Mietfahrzeug im Winter mit Winterreifen auszustatten ist, folgt noch nicht, dass dies kostenfrei sein muss. Vielmehr werden vom Fahrzeughersteller Neuwagen stets mit Sommerreifen ausgeliefert. Deshalb entstehen für die Klägerin wie für jeden anderen Kraftfahrer durch die Ausstattung mit Winterreifen Zusatzkosten. Es ist eine rein kalkulatorische und wettbewerbliche Entscheidung, ob diese Kosten auf die Mietwagenpreise des gesamten Jahres umgelegt werden oder nur auf die Monate, in denen mit Winterreifen gefahren werden muss. So oder so müssen diese Kosten von einem Anmieter von Mietwagen getragen werden.
Weiter ist zwischen den Parteien unstreitig, dass das verunfallte Fahrzeug des Geschädigten über ein Navigationssystem verfügt hat. Dann, ist auch das Mietfahrzeug damit auszustatten.
Allerdings hat der Unfallgeschädigte ein Fahrzeug der Kategorie sechs angemietet. Dass hiermit eine klassentiefere Anmietung erfolgt ist, ist nicht vorgetragen. Deshalb war ein Abzug für die ersparten Eigenaufwendungen vorzunehmen, welchen das Gericht in ständiger Rechtsprechung auf 3 % schätzt.
Dahinstehen kann der Streit zwischen den Parteien, inwieweit die Klägerin Provisionszahlungen an ihre Vermittler leistet. Die Klägerin klagt aus abgetretenem Recht des Geschädigten. Wenn die Klägerin die von der Beklagten vorgetragenen Provisionen zahlt und dann an ihre Mietwagenkunden weiter gibt, stellt der so kalkulierte Mietpreis den ersatzfähigen Schaden dar. Im übrigen hat das Gericht den zugesprochenen Betrag nicht nach der Rechnung der Klägerin, sondern nach den generellen Werten der Schwackeliste berechnet.
Zinsen konnten erst ab der von der Beklagten selbst vorgetragenen Leistungsverweigerung am 11.01.2012 zugesprochen werden. Die Klägerin selbst hatte in ihrer E-Mail vom 05.01.2012 noch eine längere Regulierungsfrist gesetzt, so dass der gestellte Zinsantrag ab dem 05.01.2012 verfrüht war.
Anwaltskosten konnten lediglich aus dem zuerkannten Betrag berechnet werden. Die Klägerin selbst hat ihre Anwaltskosten aus dem im Verfahren nicht erläuterten Betrag in Höhe von 670,02 € errechnet. Ersichtlich ist hierbei bereits die Teilzahlung der Beklagten abgezogen gewesen, so dass nunmehr die Anwaltskosten aus dem zugesprochenen Betrag errechnet werden konnten.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 92, 269 ZPO. Die Klägerin hat die Klage teilweise zurückgenommen. Da dies lange vor dem Zeitpunkt geschah, welcher dem Schluss der mündlichen Verhandlung und damit dem Zeitpunkt entspricht, welcher für die Berechnung der anwaltlichen Terminsgebühr maßgeblich ist, war für die Gerichtsgebühren und für die außergerichtlichen Kosten eine unterschiedliche Kostenquote zu ermitteln.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Ziffer 11, 711, 713 ZPO.
Soweit das AG Aachen.