Hier ein weiteres Urteil des Amtsgericht Hamburg-St. Georg vom 15.05.2012 (922 C 3/12), mit dem die KRAVAG Versicherung zur Zahlung weiterer Mietwagenkosten in Höhe von 220,07 € zzgl. Zinsen sowie vorgerichtlicher RA-Kosten verurteilt wurde. Das Gericht lehnt die Fraunhofer Tabelle ab und schätzt auf der Basis der Schwacke-Liste. Um Bedenken gegen diese Schätzungsgrundlage Rechnung zu tragen, nimmt das Gericht von den ermittelten Werten einen Abzug von 20 % vor.
Aus den Entscheidungsgründen:
Die Klage ist zulässig und teilweise begründet.
I. Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Erstattung restlicher Mietwagenkosten in Höhe von 220,07 € und Rechtsanwaltskosten in Höhe von 46,41 € aus dem Verkehrsunfall vom xx.xx.2010 gemäß § 7 StVG, §§ 823 Abs. 1, 249 BGB, § 115 VVG.
1. Die Einstandspflicht der Beklagten als gegnerische Haftpflichtversicherung für die Folgen des Verkehrsunfalls ist zwischen den Parteien dem Grunde nach unstreitig.
2. Die klagende Partei ist aufgrund einer wirksamen Abtretung aktivlegitimiert, insbesondere liegt in der Geltendmachung der Mietwagenkosten kein Verstoß gegen das RDG (BGH, Urteil vom 31.01.2012).
3. Erstattungsfähig sind gemäß § 249 BGB Mietwagenkosten, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten durfte. Er ist nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, im Rahmen des ihm zumutbaren von mehreren möglichen den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen. Das bedeutet für den Bereich der Mietwagenkosten, dass er von mehreren auf dem örtlich relevanten Markt erhältlichen Tarifen für die Anmietung eines vergleichbaren Ersatzfahrzeuges grundsätzlich nur den günstigsten Mietpreis verlangen kann (vergl. nur BGH, Urteil vom 14.10.2008, NZV 2009, 24). Erkundigt er sich nicht nach Vergleichsangeboten, obwohl ihm dies – wie hier – möglich und zumutbar gewesen wäre, kann er nicht belegen, dass er den günstigsten Weg der Schadensbehebung gewählt hat. Dann ist der „erforderliche Aufwand“ im Rahmen der Schadensschätzung gemäß § 287 ZPO zu ermitteln, wobei der Tatrichter zur Schätzung des „Normaltarifs“ für Mietwagenkosten auf Listen und Tabellen zurückgreifen darf.
In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass sowohl eine Schadensschätzung auf der Grundlage der „Schwacke-Liste Automietpreisspiegel“ als auch auf der Grundlage des „Frauenhofer Marktpreisspiegels“ zulässig ist. Es wird sogar zum Teil vertreten, dass eine Kombination beider Listen nicht zu beanstanden sei.
Keine ausreichende Grundlage zur Schadensschätzung liefern hingegen die von der Beklagten vorgelegten Angebote von 2 lokal ansässigen Firmen. Die eingeholten Angebote bilden keine ausreichend repräsentative Grundlage, um über das arithmetische Mittel den marktüblichen Preis schätzen zu können. Denn allein drei Firmen bilden den Markt nicht ausreichend ab. Außerdem handelt es sich um drei große, bundesweit vertretene Unternehmen, wodurch kleine und mittelständische Mietwagenunternehmen nicht berücksichtigt werden. Der Rückgriff auf bereits vorhandene Listen erscheint daher unerlässlich. Allerdings begegnen beiden Listen auch durchgreifende Bedenken.
Eine Schätzung aufgrund des Frauenhofer Mietpreisspiegels kommt nach Auffassung der zuständigen Abteilung nicht in Betracht. Gegen diese Liste spricht, dass lediglich sechs bundesweit vertretene Unternehmen berücksichtigt werden. Die Erhebungen beziehen sich größtenteils auf die im Internet erhältlichen Preise. Bei der Preisermittlung legt die Liste eine Vorbuchzeit von einer Woche zugrunde. Dies ist gerade im Falle der Beschädigung aufgrund eines Verkehrsunfalls nicht der typische Fall, da die Unfallgeschädigten häufig auf eine Ersatzanmietung bereits am Unfalltage angewiesen sind. Es liegt nahe, dass die Berücksichtigung einer Vorbuchzeit einen Preisnachlass nach sich zieht, den der Unfallgeschädigte in der Regel nicht in Anspruch nehmen kann. Gegen die Liste spricht weiterhin, dass lediglich ein- bis zweistellige Postleizahlengebiete erfasst werden und damit eine Betrachtung des regionalen Marktes kaum möglich ist. Die Liste enthält keine Erhebungen zu den typischerweise anfallenden und von den Unternehmen abgerechneten Nebenkosten (Haftungsreduzierung, Fahrerregelungen, Zustellung, Abholung, Winterreifen etc.), so dass die angegebene Preisegestaltung nicht der typischen Anmietsituation entspricht.
Gegen die Schwacke-Liste spricht, dass die Datenerhebung nicht anonym erfolgt. Die Liste enthält ferner Teuerungsraten, die sich mit der allgemeinen Teuerungsrate nicht erklären lassen. Die zuständige Abteilung dieses Amtsgerichts ist der Ansicht, dass den Bedenken gegen die Schwacke-Liste mit einem 20%igen Abschlag begegnet werden kann. Durch diesen Abschlag werden vorhandene Defizite der Schwacke-Liste angemessen ausgeglichen.
Maßgeblich für die Bestimmung des erstattungsfähigen Ersatzbetrages nach der Schwacke-Liste ist die Fahrzeugklasse des verunfallten Wagens sowie die Werte des arithmetischen Mittels für die angemietete Zeit abzüglich ersparter Eigenaufwendungen. Als Nebenkosten sind sowohl die Kosten der Haftungsreduzierung, der Winterreifen (im Winterhalbjahr) und der Anhängerkupplung erstattungsfähig (siehe zur Begründung zuletzt OLG Celle, Urteil vom 29.02.2012, 14 U 49/11, zitiert nach juris).
Bei dem verunfallten Wagen handelt es sich unstreitig um ein Fahrzeug der Wagenkasse 6. Maßgeblich ist der Postleitzahlenbereich 474xx. Die Anmietdauer betrug 6 Tage. Soweit die Beklagte eine Anmietnotwendigkeit für 6 Tage bestreitet, wertet das Gericht dieses Bestreiten als „ins Blaue hinein“, zumal die Beklagte die Mietwagen kosten für 6 Tage bereits vorprozessual gezahlt hat, ohne die Dauer der Anmietung anzuzweifeln. Da ihr ein Schadensgutachten vorliegt, wäre es auch möglich gewesen, konkrete Einwendungen gegen die Reparaturdauer geltend zu machen.
Aus vorstehenden Erwägungen ergibt sich folgende Berechnung:
Fahrzeugklasse des Unfallwagens: 6
Mietdauer in Tagen: 6
Tarif nach Schwacke (arithmetisches Mittel) 533,93 €
(Wochenpauschale günstiger als 2 x 3Tage)
Zuschläge: Haftungsreduzierung 150,84 €
(2 x 3 Tage)
Winterreifen 70,26 €
(11,71 € pro Tag)
Anhängerkupplung 63,12 €
(10,52 € pro Tag)
Zwischensumme 818,15 €
Abschlag iHv 20 %: 163,63 € 654,52 €
Abzüglich 10 % ersparte Eigenleistungen: 65,45 589,07 €
Erstattungsfähiger Betrag 589,07 €
Abzüglich bereits gezahlter 369,00 €
Ergebnis 220,07 €
4. Die Klägerin hat gemäß § 249 BGB einen Anspruch auf Erstattung der für die vorgerichtliche Einschaltung eines Rechtsanwaltes entstandenen Kosten. Erstattungsfähig ist eine 1,3 Geschäftsgebühr gemäß Nr. 2300 VV RVG zuzüglich einer Auslagenpauschale gemäß Nr. 7002 VV und Mehrwertsteuer nach einem Gegenstandswert von 220,07 €. Dies entspricht 46,41 €.
5. Der Zinsanspruch der Klägerin ergibt sich aus §§ 286, 288 BGB.
II. Die prozessualen Nebenentscheidungen ergeben sich aus §§ 92, 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.
Soweit das AG HH-St. Georg.
KRAVAG und das Frauenhofer Institut:
Mir liegt ein Schreiben der KRAVAG an einen Geschädigten vor. Darin lautet es:
Sehr geehrte …..,
ein Schadenfall ist für jeden unangenehm. Gern helfen wir Ihnen in dieser Situation. ….
Marktübliche Mietpreise im freien Vermietgeschäft hat z.B. das Frauenhofer Institut in seinem Marktpreisspiegel Mietwagen Deutschland festgestellt. …
Wie diese „Hilfe“ bei Frauenhofer ausgeht, kann man dem obigen Urteil entnehmen.