Die Kölner Gerichte bleiben ihrer Linie treu: mit Urteil vom 12.09.2012 hat das AG Köln die Württembergische Versicherung zur Zahlung weiterer Mietwagenkosten in Höhe von 283,42 € zzgl. Zinsen auf der Basis der Schwacke-Liste verurteilt. Die Fraunhofer Tabelle sowie der Verweis auf Internetangebote werden abgelehnt. Allerdings liegt das Gericht wegen der Zurückweisung vorgerichtlicher RA-Kosten neben der Sache.
Aus den Entscheidungsgründen:
Die Klage ist lediglich teilweise begründet.
Die Klägerin hat einen Anspruch auf Ersatz weiterer Mietwagenkosten in tenorierter Höhe. Sie ist hinsichtlich der Mietwagenkosten aktivlegitimiert. Die dem Geschädigten zustehenden Ansprüche hat dieser wirksam an die Klägerin abgetreten.
Mietwagenkosten gehören grundsätzlich zum Herstellungsaufwand, den ein Schädiger oder dessen Haftpflichtversicherung gemäß § 249 BGB dem Geschädigten nach einem Unfall zu ersetzen hat. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes sind als erforderlicher Aufwand nur diejenigen Mietwagen kosten anzusehen, die ein verständiger, wirtschaftlich vernünftig denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten durfte.
Der Geschädigte ist dabei ebenso wie bei anderen Kosten der Wiederherstellung und ebenso wie in anderen Fällen, in denen er die Schadensbeseitigung selbst in die Hand nimmt, nach dem aus dem Grundsatz der Erforderlichkeit hergeleiteten Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren von mehreren möglichen den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen. Das bedeutet für den Bereich der Mietwagenkosten, dass er von mehreren auf dem örtlichen relevanten Markt – nicht nur für Unfallgeschädigte – erhältlichen Tarifen für die Anmietung eines vergleichbaren Ersatzfahrzeugs (innerhalb eines gewissen Rahmens) grundsätzlich nur den günstigeren Mietpreis ersetzt verlangen kann; es ist also vom Normaltarif auszugehen.
Für die Ermittlung des Normaltarifs sieht das Gericht den Schwacke-Mietpreisspiegei als geeignete Schätzgrundlage an. Hiervon geht offensichtlich auch der BGH aus, der u.a. in den Entscheidungen vom 19.4.2005, 18.3.2008, vom 24.6.2008 und vom 14.10.2008 und 17.5.2011 die Heranziehung der Schwacke- Liste nicht beanstandet.
Bei der Bildung der Moduswerte hat sich der Schwacke- Auto- Mietpreisspiegel an den tatsächlichen Marktverhältnissen orientiert. Die Schwacke- Organisation tritt als neutrale Sachverständigenorganisation auf. Sie verzichtet bei der Datensammlung bewusst auf unzuverlässige und nicht reproduzierbare telefonische Erhebungen und auf Internetrecherche und wertet schriftliche Preislisten aus, die für jeden frei zugänglich sind. Schwacke hat allein im Jahr 2010 Informationen von 7.697 Vermietstationen ausgewertet. Bei 5.481 Anbietern und Preisinformationen wurden zusätzliche Überprüfungen durch Doppelmeldungen und Internetrecherche vorgenommen. Für das Jahr 2011 gilt ähnliches.
Die Beklagte hätte demgegenüber konkret darlegen müssen, dass die befragten Mietwagenunternehmen völlig aus dem üblichen Preisrahmen herausfallen. Denn die Eignung von Listen oder Tabellen, die bei der Schadensschätzung Verwendung finden können, bedarf nur dann der Aufklärung, wenn mit konkreten Tatsachen aufgezeigt wird, dass geltend gemachte Mängel sich auf den zu entscheidenden Fall auswirken (LG Köln, Urteil vom 19.11.2008, Az: 9 S 171/07). Dies ist hier nicht der Fall.
Der allgemeine Verweis auf die Fraunhofer-Studie und die dort aufgeführten Tarife reicht nicht aus. Zudem bestehen für das Gericht erhebliche Zweifel an der Fraunhofer- Studie.
Das Fraunhofer Institut hat mit der nicht belegten Begründung, dass der Anmietzeitraum nur in äußerst seltenen Fällen Einfluss auf den Preis habe, einen Anmietzeitpunkt gewählt, der nicht zwischen Donnerstag 14 Uhr und Montag 9 Uhr lag. Evtl. Ferieneinflüsse, Sondertarife u.a. wurden nicht berücksichtigt und flössen auch nicht in Durchschnittspreise ein. Es wurde außerdem jeweils ein etwa eine Woche in der Zukunft liegender Anmietzeitpunkt ausgewählt, was durchgreifende Bedenken an der die Besonderheiten eines Falles wie des vorliegenden erfassenden Repräsentativität der in der Studie abgebildeten Werte begründet. Denn gerade die Notwendigkeit der kurzfristigen Verfügbarkeit kennzeichnet aber in einer erheblichen Anzahl von Fällen die Situation der Anmietung eines Ersatzfahrzeuges, welches an Stelle des infolge des Unfalls fahruntauglichen Fahrzeugs benötigt wird (OLG Köln, Urteil vom 8.11.2011, Az: 1-15 U 54/11). Die Erhebung auf Internetbasis, die 88% der Daten ausmacht, umfasste 1602 Anmietstationen, die auf nur sechs verschiedene, überregionale Anbieter entfallen. Mittelständige Anbieter wurden hierbei überhaupt nicht mit einbezogen. Auch bei den telefonischen Befragungen entfielen 58% auf diese sechs Anbieter. Dass hierdurch der relevante örtliche Markt abgebildet wird, erscheint sehr zweifelhaft. Hinzu kommt, dass bei der Recherche durch Fraunhofer eine Preissuchmaschine angewandt wurde, ohne dass hierüber informiert wurde. In welcher Art die Preise im Internet gesucht wurden, ist nicht ersichtlich. Internetangebote stellen auch im Übrigen nach Ansicht des Gerichts keine geeignete Vergleichsgrundlage dar. Abgesehen von dem Umstand, dass nicht jedes Mitglied der Bevölkerung über einen Computer und Internetzugang verfügt, setzt die Internetanmietung regelmäßig eine Vorabreservierung voraus und ist insoweit nicht mit einer Vorort-Anmietung vergleichbar. Auch ist bei Internetangeboten die Anmietzeit von Anfang an befristet. Ferner werden für das zu mietende Fahrzeug fast immer nur Beispielfahrzeuge angegeben; eine Zusicherung für ein bestimmtes Fahrzeugmodell wird nicht abgegeben. Die Postleitzahlengebiete sind außerdem derart groß gewählt, dass ein Vergleich mit den kleineren Gebieten der Schwacke-Liste kaum möglich ist. Da ein Geschädigter grundsätzlich eine Anmietung in Wohnort- oder Werkstattnähe vornimmt, können weiter entfernte Mietwagenanbieter in einem groß gewählten Gebiet die Preise erheblich verzerren.
Die genannten Bedenken sprechen auch gegen die telefonische Erhebung des Fraunhofer Instituts. Hier sind die PLZ-Gebiete zudem derart groß gewählt, dass ein Vergleich nicht möglich ist.
Auch das vorgelegte Angebot der Firma Avis ist nicht ausreichend. Dieses betrifft schon einen anderen Zeitraum als den, für den der Geschädigte ein Mietfahrzeug in Anspruch genommen hat. Die pauschale Behauptung der Beklagten, dass dieses auch für den betroffenen Zeitraum in 2011 gültig gewesen wäre, wurde in keiner Weise näher ausgeführt oder durch Belege gestützt. Es ist allgemein bekannt, dass Mietwagenkosten zu bestimmten Zeiten aufgrund erhöhter Nachfrage (Urlaub, Messe etc.) erheblich voneinander abweichen können. Weshalb gerade das von der Beklagten eingereichten Angebot für Juli 2012 den gleichen Tarif ausweisen soll wie im Anmietzeitraum, ist nicht ersichtlich. Es ist auch nicht zwangsläufig so, dass die Mietwa-genpreise sich mit der Zeit steigern, wie das Gericht bei eigenen Recherchen im Internet feststellen konnte. Zum Teil lagen Preise aus einem späteren Zeitraum weit über den von Versicherungen in ihren Screenshots genannten Preisen, zum Teil aber auch darunter. Das Beweisangebot, der Preis von Juli 2012 sei mit dem im Anmietzeitraum identisch, erfolgte offensichtlich völlig ins Blaue hinein; eine Beweiserhebung hierzu würde einen Ausforschungsbeweis darstellen.
Ferner ist die Mietzeit von vorneherein festgelegt, was bei der Anmietung eines Mietfahrzeugs während der Reparatur eines Unfallwagens problematisch sein dürfte.
Außerdem kann ein Bereitstellungsgeld in nicht genannter Höhe erhoben werden, wenn der Mietpreis erst bei Rückgabe bezahlt wird. Die Höhe des Selbstbehalts bei der Vollkaskoversicherung liegt unbestritten bei € 1.050,00; eine Reduzierung würde die Kosten weiter erhöhen und ist bei einigen Fahrzeugen gar nicht möglich. Für die Anmietung ist ein Mindestalter von 21 Jahren erforderlich; bei einer Anmietung von einem Fahrer, der jünger als 25 Jahre ist, fallen weitere, der Höhe nach nicht erkennbare Kosten an. Ferner sind die Kosten für Zusatzleistungen nicht aufgeführt.
Ob eine Zustellung und Abholung möglich ist und die genannten Tarife hierbei auch gelten würden, ist nicht erkennbar. Auch ist nicht sicher, ob ein Mietvertrag wirklich zu den genannten Konditionen zustande kommen würde. Wie sich aus den im Internet abrufbaren allgemeinen Buchungsbedingungen der Fa. Avis unter 1.1. ergibt, führt die Buchung noch nicht zum Abschluss eines Mietvertrags. Ferner werden laut Ziffer 1.1 Bestandteil des Mietvertrags die Mietvertragsbedingungen des jeweiligen lokalen Anbieters, die in dem von der Beklagten vorgelegten Angebot nicht zu erkennen sind.
Zudem handelt es sich um Internetangebote. Hierauf kann ein Geschädigter nach Auffassung des erkennenden Gerichts nicht verwiesen werden. Die Mietzeit ist, wie bereits erläutert, von vorneherein festgelegt, was bei der Reparatur eines Unfallfahrzeugs, bei der die benötigte Zeit nicht immer von vorneherein feststeht, problematisch sein kann. Ferner ist zur Anmietung eine Kreditkarte oder die Stellung einer Barkaution erforderlich. Beides ist dem Geschädigten nach Auffassung des erkennenden Gerichts nicht zuzumuten. Dies liegt bei der Stellung einer Barkaution auf der Hand. Auch kann von einem Geschädigten nicht verlangt werden, dass er in Zeiten hoher Internetkriminalität seine Kreditkartendaten im Internet angibt und sich hierdurch einem Missbrauchsrisiko aussetzt (vgl. hierzu OLG Köln, Urteil vom 18.8.2010, Az: 5 U 44/10). Zudem liegt es gerade bei Unfällen nahe, dass die Geschädigten sich zur Abdeckung etwaiger weiterer, nicht ohne weiteres vorhersehbarer Kosten ein etwa noch nicht ausgeschöpftes Kreditkartenlimit offenhalten wollen und daher zunächst von dem Einsatz ihrer Kreditkarten absehen, wenn ihnen durch ein Mietwagenuntemehmen die Möglichkeit eingeräumt wird, ein Unfallersatzfahrzeug ohne Einsatz ihrer Kreditkarte anzumieten (OLG Köln, Urteil 8.11.2011,Az: 1-15 U 54/11).
Derartige Internetangebote stellen im Übrigen einen Sondermarkt dar, der nicht ohne weiteres mit dem allgemeinen regionalen Mietwagenmarkt vergleichbar ist (LG Bonn, Urteil vom 18.7.2011, Az: 1 0 78/11; Landgericht Mönchengladbach, Urteil vom 6.8.2010, Az: 5 S 111/09).
Dass der Geschädigte hier ohne weiteres günstigere Mietwagen hätte in Anspruch nehmen können, ist nicht ersichtlich.
Anzuwenden ist grundsätzlich der Schwacke Automietpreisspiegel für das Unfalljahr, also der des Jahres 2011.
Unter den gegebenen Umständen (PLZ 470, Gruppe 6, 7 Tage) ergibt sich folgende Abrechnung:
1 x 1 Woche € 812,00
Geltend gemacht sind hier € 792,69. (Berechnung der Klägerseite Mietpreis zzgl. Vollkasko). Da es sich insoweit um eine Teilklage handelt, kann das Gericht nicht über die jeweils begehrten Einzelwerte hinausgehen.
Aufgrund der Anmietung eines klassengleichen Fahrzeugs ist in ständiger Rechtsprechung des erkennenden Gerichts und in Ausübung des dem Gericht zustehenden Ermessens gemäß § 287 ein Abzug für Eigenersparnis von 10% vorzunehmen. Es ergibt sich ein Normaltarif von € 713,42.
Ein Aufschlag von 20% oder gar 25% ist nicht hinzuzurechnen. Dieser ist schon nicht geltend gemacht. Er wäre aber auch nicht zuzusprechen. Zwar ist die Anmietung noch am auf den Unfall folgenden Tag erfolgt. Ein solcher Aufschlag würde aber voraussetzen, dass die Anmietung eines Fahrzeugs gerade in einer typischen Situation der Unfallersatzanmietung geschieht, da nur dann ein kausaler Zusammenhang zwischen der Anmietung und dem gerade mit Blick auf die Situation der Unfallersatzanmietung typischerweise anfallenden und pauschal kalkulierten Zusatzaufwand besteht (OLG Köln, Urteil vom 14.6.2011, Az: 15 U 9/11). Ein „automatischer“ Aufschlag allein aufgrund einer Anmietung am Unfalltag ist nicht vorzunehmen (OLG Köln, a.a.O.; OLG Köln, Urteil vom 27.7.2011, Az: I-5 U 44/11).
Ein solcher Zusammenhang oder eine Notsituation des Geschädigten ist hier nicht ersichtlich.
Kosten für eine Haftungsbefreiung bei € 500,00 Selbstbeteiligung sind in den Preisen der Schwacke-Liste 2011 bereits enthalten. Auch eine Selbstbeteiligung von € 300,00, die sich aber nicht aus der Abrechnung ergibt, sieht das Gericht im Rahmen einer Schätzung gemäß § 287 ZPO als vergleichbar an.
Hingegen kann die Klägerin nicht die Kosten für die Bereitstellung der Winterreifen ersetzt verlangen. Winterreifen gehören bei einem in den Wintermonaten gemieteten Fahrzeug zur ordnungsgemäßen, vertraglich geschuldeten (vgl. OLG Hamburg, 23.4.2007 – 14 U 34/07, zit. n. juris) und vorgeschriebenen Grundausstattung eines verkehrssicheren Fahrzeugs (vgl. § 2 Abs. 3 a StVO), die der Mieter ohne Weiteres erwarten darf; es ist daher nach Auffassung des Gerichts nicht gerechtfertigt, hierfür gesonderte Kosten in Rechnung zu stellen (vgl. LG Essen, 13.1.2009 – 15 S 265/08; LG Bielefeld, Urteil vom 9.10.2009 – 21 S 27/09, zit. nach juris), auch wenn sie in der Nebenkostentabelle des Schwacke-Automietpreisspiegels aufgeführt sind.
Die Klägerin hat jedoch Anspruch auf Ersatz der Kosten für die Zustellung und Abholung, die nach Schwacke mit jeweils € 23,00 anzusetzen sind. Die ersatzfähigen Kosten sind jedoch durch die tatsächlich angefallenen Kosten von € 21,01 netto bzw. € 25,00 brutto begrenzt. Denn die Schwacke-Liste stellt lediglich eine Schätzgrundlage für die Obergrenze der Kosten dar, sie kann nicht die ersatzfähigen Kosten über den tatsächlich angefallenen Betrag hinaus heraufsetzen. Die Preise aus der Schwacke- Liste bilden insoweit nur die Höchstgrenze; wenn niedrigere Kosten angefallen sind, sind auch nur diese zu ersetzen (vgl. OLG Köln, Urteil vom 2.3.2007, Az: 19 U 181/06).
Auf den Gesamtanspruch von € 738,42 (Normaltarif € 713,42, Zustellung und Abholung € 25,00) wurden bereits € 455,00 gezahlt. Es verbleibt ein Anspruch auf Zahlung weiterer € 283,42.
Der Anspruch auf die zugesprochenen Zinsen ergibt sich aus §§ 286ff BGB.
Ein Anspruch auf Ersatz der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten besteht hingegen nicht. Denn die Einschaltung eines Rechtsanwaltes war nicht erforderlich im Sinne von § 249 BGB. In einfach gelagerten Fällen ist die Einschaltung eines Rechtsanwalts nur dann erforderlich, wenn der Geschädigte geschäftlich ungewandt ist oder die Schadensregulierung verzögert wird (vgl. Palandt, BGB, 62. Auflage, § 249 Rn. 38, 39). Der vorliegende Sachverhalt enthielt weder besondere Schwierigkeiten rechtlicher noch tatsächlicher Art. Eine anwaltliche Hilfe hätte nur bei einem Mangel an geschäftlicher Gewandtheit schadensadäquat sein. Für die Klägerin als Mietwagenunternehmen stellt die Geltendmachung von offenen Forderungen bei Versicherungen eine alltägliche Arbeit dar. Eine Teilregulierung erfolgte kurz nach Geltendmachung; für eine Verzögerung liegen keine Anhaltspunkte vor.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 1, 708 Nr. 11, 713 ZPO.
Eine Berufung war nicht zuzulassen, da die Sache weder grundsätzliche Bedeutung hat, noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert.
Soweit das AG Köln.