Mit Urteil vom 23.02.2010 (9 U 141/09) hat das OLG Köln in Abänderung des erstinstanzlichen Urteils des LG Bonn (13 O 88/09) die beteiligte Versicherung zur Zahlung weiterer Mietwagenkosten in Höhe von 7.396,62 € zzgl. Zinsen verurteilt. Diesem Anspruch lagen Anmietungen in 13 Fällen zugrunde. Der 9. Senat des OLG Köln legt der Schätzung der Mietwagenkosten die Schwacke-Liste zugrunde und lehnt die Anwendung der Fraunhofer Tabelle ab.
Aus den Entscheidungsgründen:
Die in formeller Hinsicht bedenkenfreie Berufung der Beklagten ist überwiegend nicht begründet.
1. Der Klägerin steht gegen die Beklagte gemäß den §§ 7, 17 StVG, 3 PflVG a.F. (115 VVG n.F.), 398 BGB ein Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von
7.396,62 € zu.
2. Über die Haftung dem Grunde nach besteht kein Streit. Die Klägerin ist auch berechtigt, die abgetretenen Ansprüche im Rahmen der Inkassodienstleistungen gemäß entsprechender Registrierung geltend zu machen. Gegen die Passivlegitimation der Beklagten in allen Fällen bestehen keine Bedenken mehr. Die Beklagte hat die Rüge der mangelnden Passivlegitimation im Hinblick auf die Person des zuständigen Versicherers in den Fällen 1, 4, 9, 10 und 11 nicht mehr aufrechterhalten.
3. Der Geschädigte kann vom Schädiger und dessen Kraftfahrzeughaftpflichtversicherer nach § 249 BGB als erforderlichen Herstellungsaufwand nur den Ersatz derjenigen Mietwagenkosten verlangen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten darf. Der Geschädigte hat sich an dem Wirtschaftlichkeitsgebot zu orientieren. Das bedeutet, dass er von mehreren auf dem örtlich relevanten Markt – nicht nur für Unfallgeschädigte – erhältlichen Tarifen für die Anmietung eines vergleichbaren Ersatzfahrzeugs – innerhalb eines gewissen Rahmens – grundsätzlich nur den günstigeren Mietpreis als objektiv erforderlich ersetzt verlangen kann.
Der Geschädigte verstößt allerdings noch nicht allein deshalb gegen seine Pflicht zur Schadensgeringhaltung, weil er ein Kraftfahrzeug zu einem Unfallersatztarif anmietet, der gegenüber einem Normaltarif teurer ist, soweit die Besonderheiten dieses Tarifs mit Rücksicht auf die Unfallsituation einen gegenüber dem Normaltarif höheren Preis rechtfertigen, weil sie auf Leistungen des Vermieters beruhen, die durch die besondere Unfallsituation veranlasst und infolgedessen zur Schadensbehebung nach § 249 BGB erforderlich sind (grundlegend BGH NJW 2008, 2910 = VersR 2008, 1370; BGH NJW 2009, 58 = VersR 2008, 1706 jeweils mit weiteren Nachweisen).
Der bei der Schadensberechnung nach § 287 ZPO besonders freie Tatrichter muss für die Prüfung der betriebswirtschaftlichen Rechtfertigung eines Unfallersatztarifs die Kalkulation des konkreten Unternehmens nicht in jedem Fall nachvollziehen. Vielmehr kann sich seine Prüfung darauf beschränken, ob spezifische Leistungen bei der Vermietung an Unfallgeschädigte allgemein einen Aufschlag rechtfertigen, wobei unter Umständen ein pauschaler Aufschlag auf den Normaltarif in Betracht kommt. In Ausübung seines Ermessens nach § 287 ZPO kann der Tatrichter den Normaltarif auch auf der Grundlage des gewichteten Mittels des Schwacke-Mietpreisspiegels im Postleitzahlgebiet des Geschädigten ermitteln (vgl. BGH NJW 2009, 58 = VersR 2008, 1706; BGH NJW 2008, 2910 = VersR 2008, 1370; VersR 2009, 801; VersR 2007, 1144; VersR 2007, 1286; siehe auch OLG Köln 19. Senat NZV 2007, 199; 15. Senat, OLGR 2008, 545).). So liegt es hier.
Der Senat sieht wie das Landgericht nach jetziger Lage der Dinge in dem Schwacke – Automietpreisspiegel eine geeignete Schätzgrundlage. Die von der Beklagten vorgebrachten Bedenken an der grundsätzlichen Eignung der Schwackeliste vermag der Senat nicht zu teilen. Dass der Methode des Fraunhofer Instituts der Vorzug zu geben sei (vgl. dazu OLG München r+s 2008, 439; OLG Hamburg r+s 2009, 800; siehe auch Nugel jurisPR-VerkR 1/2009, Anm 3; Richter VersR 2009, 1438; vgl. Zinn, Zum Stand der Mietwagenpreise in Deutschland im Sommer 2007), erschließt sich nicht. Der Senat verkennt hierbei nicht, dass es sich in beiden Fällen um Erhebungen von renommierten Unternehmen handelt.
Der – nicht unbeachtliche – Umstand, dass der Schwacke – Automietpreisliste im Gegensatz zur Fraunhoferliste keine anonymen Befragungen zugrunde liegen, rechtfertigt es nicht, eine andere Schätzgrundlage heranzuziehen. Ein methodisch falscher Ansatz der Schwacke-Ermittlung bei der offenen Befragung ist nicht erkennbar. Das gilt auch für die Methode der telefonischen Befragung und Internetermittlung. Demgegenüber liegt der Vorteil der Schwackeliste in der Berücksichtigung von dreistelligen Postleitzahlgebieten und der breiteren Basis der befragten Unternehmen sowie der Einbeziehung einer kurzen Vorbuchfrist. Die Berücksichtigung einer kurzen Vorbuchzeit wird der Situation der Anmietung eines Mietwagens als Ersatz für ein nicht fahrtaugliches Fahrzeug eher gerecht. Auch der Gesichtspunkt der Verfügbarkeit des Fuhrparks darf nicht unberücksichtigt gelassen werden.
Konkrete auf die einzelnen Fälle bezogene Einwendungen gegen die Berechnung hat die Beklagte nicht vorgebracht. Die allgemeinen Darlegungen der Beklagten im Hinblick die Art der Ermittlungsmethoden rechtfertigen die Einholung eines Sachverständigengutachtens nicht. Dem Senat ist es nicht verwehrt, im Rahmen des Schätzungsermessens den anerkannten Schwacke-Automietpreisspiegel unter Berücksichtigung der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zugrunde zu legen, mit der sich der Bundesgerichtshof bis in die jüngste Zeit zu der Zulässigkeit der Schätzung auf Basis der Schwackeliste bekannt hat.
4. Auf die durch Tarifkombination (Wochen-, Dreitages- und Tagestarifen) ermittelten Mietwagenkosten ist, wenn ein Unfallersatzwagengeschäft in Rede steht, ein pauschaler Aufschlag vorzunehmen (vgl. BGH NJW 2008, 1519 = VersR 2008, 699; NJW 2008, 2910 = VersR 2008, 1370), den der Senat auf 20 % schätzt (vgl. dazu OLG Köln, 19. Senat, NZV 2007, 199; OLG Köln, 6. Senat, NJW-RR 2009, 1678; r+s 2008, 538; OLG Karlsruhe VersR 2008, 92). Ein Unfallersatztarifzuschlag ist aber nur dann ersatzfähig, wenn diese Erhöhung aufgrund der Besonderheiten der jeweiligen Unfallsituation gerechtfertigt ist (z.B. wegen Ausfallrisiko der Forderung, Vorfinanzierung, Bereitschaft). Ein solcher Zuschlag bewertet die Risiko- und Kostenfaktoren und den erhöhten Aufwand bei der Vermietung von Unfallersatzfahrzeugen (vgl. Greiner ZfS 2006, 124 ff). Ein Zuschlag von 20 % berücksichtigt hierbei angemessen die besondere Eilbzw. Notsituation mit Kosten und Risiken des Unfallfahrzeugersatzgeschäftes (vgl. auch OLG Köln, 19. Senat, NZV 2007, 199). Im Vergleich zu den normalen Vermietungsumständen ist eine entsprechende Erhöhung angemessen, aber auch ausreichend (vgl. BGH NJW 2006, 2106). Ein solcher Zuschlag ist aber nicht zu gewähren, wenn eine unfallbedingte Notsituation nicht vorliegt. Das ist der Fall, wenn zwischen Unfalltag und Anmietung ein zeitlicher Abstand liegt. In diesen Fällen hält der Senat – wie auch das Landgericht – einen Zuschlag für den Unfallersatztarif für nicht berücksichtigungsfähig.
5. Außerdem sind die Nebenkosten einzubeziehen, die neben dem normalen Tarif im Grundsatz erstattungsfähig sind.
Die Kosten für Haftungsbefreiung oder Haftungsreduzierung, also Teil- und Vollkaskoversicherung mit und ohne Selbstbeteiligung, sind erstattungsfähig, weil ein schutzwürdiges Interesse des Geschädigten besteht, für die Kosten einer Beschädigung des Mietfahrzeuges nicht selbst zu haften. Ebenfalls zu berücksichtigen sind im konkreten Fall bei entsprechender Veranlassung die tatsächlichen Kosten für einen Zusatzfahrer und für das Zustellen und Abholen des Wagens. Schließlich sind die tatsächlich angefallenen Kosten für die Anmietung außerhalb der Geschäftszeit anzusetzen. Solche durch besondere Umstände veranlassten Leistungen sind zu erstatten.
Dagegen hat der Senat einen Zuschlag für Winterreifen (Fälle 8 bis 13) nicht berücksichtigt. Eine an die Witterungsverhältnisse angepasste geeignete Bereifung gehört zur selbstverständlichen Standardausrüstung eines jeden Mietwagens (vgl. LG Bielefeld jurisPR extra 2010, 12; zustimmend Nugel jurisPR-VerkR 23/2009; OLG Hamburg DAR 2007, 336), was sich auch aus § 2 Abs. 3a StVO ergibt (vgl. dazu Schubert DAR 2006, 112 ff). Eine gesonderte Vergütung für eine der winterlichen Witterung angepasste Bereifung ist nicht gerechtfertigt.
6. Unter Berücksichtigung der unstreitig erbrachten Zahlungen und vom Landgericht nach der Preisliste ermittelten Tarifbeträge, die mit der Berufung nicht angegriffen werden, ergibt sich folgende Berechnung der Erstattungsforderung:
Im einzelnen:
… (folgt Einzelberechnung) …..
Insgesamt zu erstatten: 7.396,62 €.
7. Der Zinsanspruch folgt aus den §§ 286 Abs. 3 , 288 Abs. 1 BGB.
8. Die prozessualen Nebenentscheidungen über die Kosten und die vorläufige Vollstreckbarkeit beruhen auf den §§ 92 Abs. 1, 708 Nr. 10. 713 ZPO.
Die Voraussetzungen der Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Vielmehr geht es um Klärung von tatsächlichen Fragen im Einzelfall. Auch erfordert im vorliegenden Einzelfall die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht.
Soweit das OLG Köln.