Mit Urteil vom 10.07.2009 (5 S 266/08) hat das LG Bonn in geringer Abänderung des erstinstanzlichen Urteils des AG Rheinbach (5 C 140/08) die beteiligte Versicherung zur Zahlung weiterer Mietwagenkosten in Höhe von 667,64 € zzgl. Zinsen verurteilt. Auch das LG Bonn bestätigt die Anwendung der Schwacke-Liste, die Fraunhofer Tabelle wird abgelehnt.
Aus den Entscheidungsgründen:
I.
1. Die Parteien streiten um restlichen Schadensersatz für Mietwagenkosten aus einem Haftpflichtfall, für den die Beklagte zu 100% eintrittspflichtig ist. Die Klägerin ist eine Mietwagenfirma, die die Beklagte aus abgetretenem Recht des Geschädigten, einem Herrn L, in Anspruch nimmt. Sie hat eine Erlaubnis des Präsidenten des Landgerichts C zur außergerichtlichen Einziehung fremder oder zur Einziehung abgetretener Mietwagenkosten.
Der Unfall ereignete sich am 01.10.07. Der Geschädigte L mietete für die Zeit vom 01.10. bis 22.10.07 bei der Klägerin einen Mietwagen D Preisgruppe 1 an, wofür die Klägerin 2.148,74 € berechnete (Bl. 15 d.A.). Bei dem Unfallfahrzeug handelte es sich um einen 17 Jahre alten W Coupé mit 245.063 km Laufleistung, der nach einem Gutachten des Sachverständigen M vom 08.10.07 bereits vor der Kollision diverse Rostschäden aufwies. Durch den Unfall am 01.10.07 mit einem Lkw wurde die gesamte linke Tür und Seitenwand des W eingedrückt. Das Fahrzeug erlitt einen wirtschaftlichen Totalschaden. Der Sachverständige ermittelte einen Wiederbeschaffungswert von 300,- € und eine Wiederbeschaffungsdauer von 11-12 Kalendertagen.
Die Beklagte zahlte vorprozessual 791,39 €. Mit der Klage macht die Klägerin die Differenz zum Rechnungsbetrag von 1.357,35 € geltend.
Wegen der weiteren Einzelheiten und der erstinstanzlichen Anträge wird auf das Urteil des Amtsgerichts Rheinbach vom 23.09.08 verwiesen.
2. Das Amtsgericht hat der Klage in vollem Umfang stattgegeben. Es hat die Einwände der Beklagten gegen die Heranziehung der Schwacke-Liste als Schätzgrundlage als nicht fallbezogen und daher unerheblich eingestuft. Die Beklagte habe nicht dargelegt, dass ein günstiger Preis zu erzielen gewesen wäre. Den Aufschlag von 25 % hat es aufgrund der Besonderheiten der Unfallsituation (Vorfinazierung, Ausfallrisiko, Vorhaltung Notdienst etc.) für gerechtfertigt gehalten, ebenso die Zusatzkosten für Vollkaskoversicherung, Zusatzfahrer und Zustellkosten. Die Klägerin habe nicht auf andere Tarife hinweisen müssen. Es fehle an Anhaltspunkten, dass der Geschädigte auf einen günstigeren Tarif habe zugreifen können. Alter und Wert des Fahrzeugs hätten keinen Einfluss auf die Nutzungsmöglichkeit. Die Anmietung eines Ersatzwagens für drei Wochen sei auch hinsichtlich der Dauer nicht zu beanstanden; bei einer Wiederbeschaffungszeit lt. Gutachten von 12 Tagen seien ab Vorliegen des Gutachtens mit Sonn- und Feiertagen 21 Tage gerechtfertigt.
3. Mit der Berufung rügt die Beklagte, das Amtsgericht habe die Darlegungs- und Beweislast zur Erforderlichkeit der Mietwagenkosten verkannt. Es sei habe sich zudem mit den Einwendungen der Beklagten gegen die Anwendbarkeit des Schwacke-Mietpreisspiegels nicht auseinandergesetzt. Dabei seien nach dem Urteil des BGH vom 11.3.2008 – VI ZR 164/07 – Einwendungen dann zu berücksichtigen, wenn aufgezeigt werde, dass geltend gemachte Mängel sich auf den zu entscheidenden Fall konkret ausgewirkt hätten. Dies habe die Beklagten getan, u.a. durch Vorlage der Erhebung des G Instituts, nach der der Preis für ein vergleichbares Fahrzeug der Gruppe 1 für das fragliche Gebiet nur ca. 700,- € für 3 Wochen betrage. Aufschläge auf den Normaltarif seien allenfalls gestattet und zu schätzen, wenn die Klägerin zu ihrem Mehraufwand konkret vortrage; dies habe sie unterlassen. Der Geschädigte habe sich zudem nicht nach einem günstigeren Normaltarif erkundigt; die Klägerin habe ihren Kunden auch nicht auf die Möglichkeit eines anderen Tarifs oder Bedenken gegen die Erstattungsfähigkeit hingewiesen.
Zudem habe der Geschädigte gegen seine Schadensminderungspflicht verstoßen, weil die Mietwagenkosten den Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs um 700 % überstiegen; außerdem seien allenfalls 14 Tage Mietwagenkosten erstattungsfähig, weil der Sachverständige M eine Wiederbeschaffungsdauer von 11-12 Kalendertragen angesetzt habe. Ein Vergleichsangebot der Fa. T aus dem Internet habe ergeben, dass ein W für 14 Tage zum Preis von nur 399,60 € incl. aller Kilometer und Versicherung gemietet werden könne.
Die Beklagte beantragt, das Urteil des Amtsgerichts Rheinbach vom 23.09.08 – 5 C 140/08 – abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
4. Die Klägerin verteidigt die Heranziehung der Schwacke-Liste 2006 als Schätzgrundlage. Es sei nur ausnahmsweise nach § 254 BGB ein niedriger Schadensersatz zu leisten, wenn feststehe, dass dem Geschädigten ein günstigerer Normaltarif in der konkreten Situation ohne weiteres zugänglich gewesen ist. Dies habe der Schädiger darzulegen und zu beweisen. Die Erhebung des G Instituts sei keine geeignete Schätzgrundlage. Als Kritikpunkte führt die Klägerin an:
– Auftraggeber Versicherungswirtschaft
– basiert im wesentlichen auf Angaben der 6 großen Autovermietungen
– unrealistischerweise sei eine Vorbuchungsfrist von 1 Woche unterstellt worden
– Nebenkosten seien nicht abgefragt worden, obwohl sich die Mietwagenfirmen
darüber ihren günstigeren Grund-Tarif wieder „hereinholten“
– nur Mittelwert, aber nicht gewichteten Modus (d.h. den am häufigsten
nachgefragten Preis) ermittelt
– keine ausreichende Differenzierung durch nur zweistelligen
Postleitzahlenbereich.
II.
Die zulässige Berufung ist zum Teil begründet. Sie führt zu einer Abänderung der angefochtenen Entscheidung in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang.
Die Berufung hat insoweit Erfolg, als das Amtsgericht Mietwagenkosten für die Dauer von 21 Tagen für erstattungsfähig gehalten hat. Die Kammer hält demgegenüber nur eine Mietdauer von 14 Tage für erforderlich. Im Übrigen greifen die Einwände der Berufung nicht durch. Im Einzelnen:
1. Nicht zu beanstanden ist zunächst, dass das Amtsgericht zur Ermittlung des im Sinne des § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB „erforderlichen“ Aufwandes den Schwacke-Mietpreisspiegel Deutschland 2006 herangezogen hat.
Der BGH hat in zahlreichen Entscheidungen, zuletzt noch einmal mit Beschluss vom 13.01.09 – VI ZR 134/08 – ausgeführt, dass gegen die Ermittlung des Normaltarifs auf der Grundlage des gewichteten Mittels des „Schwacke-Mietpreisspiegels“ keine durchgreifenden Bedenken bestehen. Auch bei Berücksichtigung des von der Beklagten vorgelegten G Mietpreispiegels 2008, der für das hier fragliche Postleitzahlengebiet einen deutlichen niedrigen Normaltarif ausweist sowie den im Mai 2008 eingeholten Vergleichsangeboten der Firmen F, T und I, die ebenfalls unter dem Normaltarif von Schwacke liegen, werden nach Auffassung der Kammer keine konkreten Tatsachen aufgezeigt, die den Schwacke-Mietpreisspiegel als Schätzgrundlage mangelhaft erscheinen lassen (so auch OLG Köln, Beschluss vom 20.04.09 – 13 U 6/09; Urteil vom 03.03.09 – 24 U 6/08). Dabei ist zunächst zu berücksichtigen, dass im Fall der Mietwagentarife nach der Rechtsprechung des BGH Listen oder Tabellen bei der Schadensschätzung Verwendung finden dürfen, obwohl diese unvermeidbare, im Wesen der Schätzung begründete Ungenauigkeiten aufweisen. Angesichts der großen Anzahl der Befragungen, der Abbildung regionaler Unterschiede durch Differenzierung nach dreistelligem Postleitzahlengebiet sowie der umfassenden Berücksichtigung sämtlicher Preisbestandteile gibt die Schwacke-Liste nach Auffassung der Kammer ein möglichst realistisches Bild der Marktlage wieder. Der Einwand der Beklagten, dass die Abfrage von Schwacke unter Offenlegung des Zwecks der Abfrage (Erstellung einer Preisübersicht) erfolgt sei, ist nicht geeignet, von einer gezielten Überhöhung der angegeben Preise auszugehen (so schon LG Bonn, NZV 2007, 362). Der Umstand, dass die Erhebung von G in nahezu allen Bereichen niedrigere Tarife ausweist, ist insofern nicht hinreichend aussagekräftig, als diese zu 88 % auf Angaben der sechs großen Internetanbieter für Mietwagen, nämlich den Firmen T, B, F, I, E und H beruht, die Preise mit einer Vorbuchfrist von einer Woche abgefragt und das Gebiet nur in zweistellige Postleitzahlenbereiche unterteilt wurden und somit regionale Unterschiede nicht ausreichend abbildet. Längere Vorbuchfristen werden dem Markt für schnell zur Verfügung stehende Unfallersatzwagen nicht gerecht.
Das Amtsgericht hat ferner zutreffend auf Grundlage der Schwacke-Nebenkostentabelle die hier von der Klägerin berechneten Zuschläge für Haftungsbegrenzung, Zusatzfahrer und Zustellkosten für gerechtfertigt gehalten.
2. Nicht zu beanstanden ist auch, dass das Amtsgericht auf den nach Schwacke ermittelten Normaltarif in Übereinstimmung mit der bisherigen Rechtsprechung der Kammer (5 S 159/06 und 5 S 197/07 = NZV 2007, 362) einen pauschalen Aufschlag von 25 % zuerkannt hat. Ein pauschaler Aufschlag ist in der Regel wegen der typischerweise bei einer Unfallersatzanmietung anfallenden Mehrkosten sowie der Risikoerhöhung für den Vermieter gerechtfertigt. Dabei muss nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 24.06.08, NJW 2008, 2910) für die Prüfung der betriebswirtschaftlichen Rechtfertigung eines „Unfallersatztarifs“ die Kalkulation des konkreten Unternehmens nicht nachvollzogen werden. Vielmehr kann sich die Prüfung darauf beschränken, ob spezifische Leistungen bei der Vermietung an Unfallgeschädigte allgemein einen Aufschlag rechtfertigen. Dies ist im Hinblick auf das Betrugs- und Forderungsausfallrisiko, das Auslastungsrisiko, die notwendige Vorfinanzierung und die Notdienstkosten grundsätzlich und somit auch bei der im Unfallersatzwagengeschäft tätigen Klägerin der Fall. Es ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass im vorliegenden Fall solche Mehrkosten bei der Klägerin ausnahmsweise nicht angefallen sind.
Allerdings muss der Geschädigte darlegen und ggfs. beweisen, dass ein Aufschlag auf den günstigeren Normaltarif wegen konkreter unfallbedingter Mehrleistungen objektiv zur Wiederherstellung im Sinne des § 249 BGB erforderlich war (BGH NJW 2005, 135; 2006, 1506). Auch wenn dem Geschädigten – wie hier – kein Unfallersatztarif, sondern ein einheitlicher Tarif angeboten wurde, muss er darlegen, dass ihm unter Berücksichtigung seiner individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie gerade für ihn bestehender Schwierigkeiten unter zumutbaren Anstrengungen auf dem in seiner Lage relevanten Markt kein wesentlich günstigerer Tarif zugänglich war. Diese Pflicht wird dahingehend konkretisiert, dass – sofern nicht eine Eil- oder Notsituation vorliegt – der Geschädigte gehalten ist, sich vor der Anmietung nach dem Mietpreis und günstigeren Angeboten zu erkundigen. (BGH NJW 2008, 1519; 2009, 58; OLG Köln, Urteil vom 03.03.09 – 24 U 6/08, zitiert nach juris)
Diesen Anforderungen hat der Geschädigte hier aber genügt. Denn die Anmietung fand noch am Unfalltag statt. Angesichts des engen Zeitraums zwischen Unfall und Anmietung ist die Kammer auch ohne näheren Sachvortrag überzeugt, dass eine Eilsituation vorgelegen hat. Jedenfalls spricht hierfür der erste Anschein, den die Beklagte nicht erschüttert hat.
- Ein Ersatzanspruch scheidet vorliegend auch nicht deshalb aus, weil das geschädigte Fahrzeug im Unfallzeitpunkt 17 Jahre alt war und der Wiederbeschaffungswert bei nur 300,- € liegt. Denn nach § 249 Abs. 1 BGB hat der Schädiger den Geschädigten so zu stellen, wie er ohne das schädigende Ereignis stehen würde. Bei Beschädigung eines Fahrzeugs muss der Schädiger folglich die Nutzungsmöglichkeit und die daraus resultierende Mobilität wieder herstellen. Ein möglicherweise herabgesetzter Gebrauchswert eines alten Fahrzeugs kann allenfalls insoweit Berücksichtigung finden, als nur die Kosten eines Fahrzeugs aus einer niedrigeren Mietwagengruppe verlangt werden können. Hier hat der Geschädigte aber bereits ein Fahrzeug der niedrigsten Gruppe angemietet.
- Allerdings hat die Klägerin vorliegend nicht dargelegt, dass eine Mietdauer von 21 Tagen erforderlich war. Der Sachverständige M hat die Wiederbeschaffungsdauer für das Unfallfahrzeug mit lediglich 11-12 Kalendertagen angesetzt. Angesichts des bereits vor dem Unfall schlechten Erhaltungszustands des Fahrzeugs sowie der ganzseitigen Beschädigung der linken Seite durch die Kollision war es offensichtlich, dass eine Reparatur wirtschaftlich nicht sinnvoll war und ein Totalschaden vorlag. Jedenfalls hätte eine gebotene Nachfrage des Geschädigten beim Sachverständigen im Zeitpunkt der Auftragsvergabe die Feststellung des Totalschadens unmittelbar ergeben. Insofern hätte der Geschädigte sich sofort um einen Ersatzfahrzeug bemühen können und nicht erst die Fertigstellung des schriftlichen Schadensgutachtens abwarten dürfen. Angesichts der von dem Sachverständigen ermittelten Wiederbeschaffungsdauer ist daher – unter Berücksichtigung einer kurzen Bedenk- und Orientierungszeit – nur der Ersatz von Mietwagenkosten für 14 Tagen geschuldet.
5. Dies führt zu folgender Berechnung:
2 x Wochentarif zu je 365,21 € = 730,42 €
zzgl. 25% Aufschlag = 913,03 €
zzgl. Haftungsreduzierung:
2 x Wochenpreis zu je 108,– € = 216,– €
zzgl. Zusatzfahrer 14 x 20,– € = 280,– €
zzgl. Zustellen/Abholen 2 x 25 € = 50,00 €
zusammen 1.459,03 €
abzüglich bereits gezahlter – 791,39 €
= 667,64 €
6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf den §§ 908 Nr. 10, 711, 713 ZPO. Die Entscheidung über die Nichtzulassung der Revision folgt aus § 543 Abs. 2 ZPO. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung und weder die Fortbildung des Rechts noch eine Vereinheitlichung der Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Revisionsgerichts.
Soweit das LG Bonn.