Mit Urteil vom 01.10.2009 (112 C 1548/08) hat das AG Meissen die HDI-Gerling Industrie Versicherung AG zur Zahlung weiterer Mietwagenkosten in Höhe von 1.698,13 € zzgl. Zinsen verurteilt. Das Gericht wendet die Schwacke-Liste an.
Aus den Entscheidungsgründen:
Die Klage ist zulassig und teilweise begründet.
Dem Kläger steht ein Anspruch auf Erstattung der angefallenen Mietwagenkosten nach §§17 Abs. 1 StVG, 823 Abs. 1 BGB, 115 Abs, 1 VVG zu. Unter Berücksichtigung der bereite geleisteten Zahlung der Beklagten kann der Kläger jetzt noch 1.698,13 € verlangen.
Der Geschädigte kann nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB als Herstellungsaufwand Ersatz derjenigen Mietwagenkosten verlangen, die ein verständiger, wirtschaftlich vernünftig denkender Mensch in seiner Lage für zweckmäßig und notwendig halten darf. Der Geschädigte hat nach dem aus dem Grundsatz der Erforderlichkeit hergeleiteten Wirtschaftlichkeitsgebot im Rahmen des ihm Zumutbaren stets den wirtschaftlicheren Weg der Schadenbehebung zu wählen (BGH, Urteil vom 14.10.2008, VI ZR 308/07, zitiert nach juris, dort Rd.-Nr. 9).
Die vom Kläger geltend gemachten Mietwagenkosten waren in Höhe von 2.548,98 € erforderlich. Nach der Rechnung der A Autovermietung GmbH schuldete der Kläger 1.732,00 € netto für die Fahrzeugmiete, 350,00 € für die Kosten der Kaskoversicherung und 60,00 € für den Zustell- und Abholservice. Dies entspricht einem Gesamtbetrag von 2.142,00 € netto, also 2.548.98 € brutto.
Der Kläger darf als Ersatzfahrzeug grundsätzlich ein Auto anmieten, das gleichwertig ist, also derselben Mietwagenklasse entspricht wie sein unfallgeschädigtes Fahrzeug. Das Fahrzeug des Klägers ist in die Mietwagenklasse J (bzw. 9) einzuordnen (Münchenar Kommentar-Grunsky, 3. Aufl., Anhang zu § 249 Rn. 5 für einen Mercedes Benz, 260 E, Automatik, Bj. 1991). Allerdings war das Fahrzeug im Unfallzeitpunkt 20 Jahre alt, jedoch ausweislich des Sachverständigengutachtens Nippgen, (dort S. 2) in einem sehr guten Zustand. Im Hinblick auf das hohe Alter des Fahrzeuges und die damit verbundenen Auswirkungen auf die technische Zuverlässigkeit des Fahrzeuges stand dem Kläger ein Mietwagen aus der niedrigeren Klasse 8 zu (vgl. Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 40, Aufl. 2009, § 12 StVG Rn, 34 m.w.N,). Zudem hat der Kläger sich im Wege der Vorteilsausgleichung ersparte Eigenaufwendungen anrechnen zu lassen. Dem hat der Kläger Rechnung getragen, indem er ein Mietfahrzeug lediglich aus der Mietwagenklasse 7 angemietet hat. Weitere Abzüge wegen ersparter Eigenaufwendungen hat er sich nicht gefallen zu lassen (vgl. Palandt, BGB, 68. Aufl. 2009, § 249 Rn. 32).
Allerdings kann er keine gesonderten Kosten für die Anmietung eines Automatikfahrzeuges geltend machen. Es ist schon nicht erkennbar, weshalb ein Automatikgetriebe erforderlich gewesen sein soll. Im Übrigen weisen weder die Schwacke-Liste noch die Erhebung des Fraunhofer-Institutes gesonderte Kosten hierfür aus. Deshalb geht das Gericht davon aus, dass insoweit bei Mietwagen auch keine höheren Kosten anfallen. Ebensowenig kann der Kläger den Aufpreis für die Erlaubnis der Autovermietung, einen zweiten Fahrer ans Steuer zu lassen, ersetzt verlangen. Denn der Kläger hat nicht schlüssig dargelegt, weshalb Fahrten mit einem zweiten Fahrer erforderlich wurden. Insbesondere hätte er auch die von ihm behauptete Fahrt nach Bad H., wie die Beklagte zutreffend dargelegt hat so organisieren können, dass kein zweiter Fahrer das Mietfahr-zeug hätte steuern müssen,
Die Mietwagen in Höhe von 2.548,00 € brutto kann der Kläger ersetzt verlangen, da ihm kein günstigerer Tarif zugänglich war. Dabei war der Kläger im hier zu entscheidenden Fall nicht gehalten, durch Einholung von Vergleichsangeboten anderer Autovermietungen zu prüfen, ob er ein Ersatzfahrzeug zu günstigeren Tarife anmieten könnte.
Der Geschädigte kann die Mietwagenkosten ersetzt verlangen, für die er darlegt und erforderlichenfalls beweist, dass ihm unter Berücksichtigung seiner individuellen Erkenntnis- und Einflussmoglichkeiten sowie der gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten unter zumutbaren Anstrengungen auf dem in seiner Lage zeitlich und örtlich relevanten Markt – zumindest auf Nachfrage – kein wesentlich günstigerer Tarif zugänglich war. Für die Frage der Zugänglichkeit ist auf die konkreten Umstände des Einzelfalles abzustellen. Nach den vom BGH entwickelten Grundsätzen kommt es hinsichtlich der Erkennbarkeit der Tarifunterschiede für den Geschädigten darauf an, ob ein vernünftiger und wirtschaftlich denkender Geschädigter unter dem Aspekt des Wirtschaftlichkeitsgebotes zu einer Nachfrage nach einem günstigeren Tarif gehalten gewesen wäre. Dabei kann es je nach Lage des Einzelfalls auch erforderlich sein, sich nach anderen Tarifen zu erkundigen und gegebenenfalls ein oder zwei Konkurrenzangebote einzuholen (OLG Dresden, Beschluss vom 19.02.2007, Az. 7 U 720/06 m.w.N.). Zu weiteren Nachfragen ist der Geschädigte allerdings nur gehalten, wenn er Bedenken gegen die Angemessenheit des ihm angebotenen Tarifes haben muss. Dies ist nur dann der Fall, wenn der angebotene Tarif erheblich oder auffällig hoch über den in der „Schwacke-Liste“ aufgezeigten Tarifen liegt. In der Rechtsaprechung hat sich hinsichtlich der Frage der Erkennbarkeit die Überzeugung gebildet, dass ein Geschädigter Zweifel an der Angemessenheit des Tarifes dann haben muss, wenn dieser zwischen 50 Prozent bis 100 Prozent höher liegt als der örtlich übliche Normaltarif (OLG Dresden, Beschlusss vom 29.06.2009, AZ: 7 U 499/09 m.w.N.).
Nach der sogenannten ‚“Schwacke-Liste“, die das Gericht seiner Schätzung der erforderlichen Mietkosten zugrunde legt, fallen für ein Mietfahrzeug in der Fahrzeugklasse 7 714,00 € pro Woche zuzüglich Kosten der Kaskoversicherung in Höhe von 158,00 € pro Woche an. Bei Beruüksichtjgung der Zustell- und Abholkosten von jeweils 25,00 € und einer Mietdauer von insgesamt 2 Wochen ergibt sich ein angemessener Mietpreis von 1.790,00 € brutto. Damit liegt der konkret abgeschlossene Metvertrag um 42 Prozent über dem Normaltarif und somit noch im Rahmen dessen, was der Kläger ohne weitere Prüfung als angemessen ansehen durfte. Zu weiteren Erkundigungen auf dem Mietwagenmarkt hatte er deshalb keinen Anlass, auf die nun von der Beklagten zitierten Mietwagenangebote und auf die Frage, ob diese dem Kläger zugänglich gewesen wären, kommt es deshalb nicht an.
Die Einwendung der Beklagten gegen die Annahme des Oberlandesgerichts Dresden, dass der Geschädigte erst bei einem Mietpreis von 50 bis 100 Prozent über dem Normaltarif an der Angemessenheit des Mietpreises zu zweifeln braucht, greifen nicht durch. Den Geschädigten trifft dann eine Pflicht, sich über günstigere Mietwagenangebote zu informieren, wenn er Bedenken gegen die Angemessenheit des ihm angeboteten Tarifs haben muss, die sich aus dessen Höhe, der kontroversen Diskussion und der neueren Rechtsprechung zu diesen Tarifen ergeben können (BGH, Urteil vom 04.07.2006, VI ZR 237/05, zit. nach juris, dort Rn. 12).
Dass dem Kläger die Kontroverse zwischen Autovermietungen und Haftpflichtversicherungen zur Erstattungsfähigkeit von verkehrsunfallbedingten Mietwagenkosten und die dazu ergangene Rechtsprechung bekannt gewesen waren, hat keine der Parteien behauptet. Der vereinbarte Mietwagenpreis war zwar höher als der Normaltarif laut Schwacke-Liste, jedoch nicht so erheblich darüber, dass der Kläger Zweifel daran haben musste, ob es sich um einen überteuerten Tarif handelt. Anlass, Vergleichsangebote einzuholen, hatte der Kläger nicht. Es mag sein, dass der Kläger auch die Schwacke-Liste nicht kannte, wie die Beklagte betont. Das allein zwang ihn aber nicht zur Einholung von Vergleichsangeboten. Es stand ihm frei, nach eigenem Gutdünken die Angemessenheit des Mietwagenpreises einzuschätzen; freilich nahm er dabei das Risiko auf sich, dass der vereinbarte Preis so deutlich über dem Normaltarif liegt, die Beklagte ihn nicht vollständig erstatten muss. Dieses Risiko hat sich vorliegend aber nicht realisiert.
Fehl geht auch der Hinweis der Beklagten, dass ein Verbraucher im Regelfall für die Anschaffung eines Fahrzeuges oder eines Fernsehers Preise vergleicht und daher nicht einzusehen sei, warum er einen Mietwagen nach einem Verkehrsunfall ohne Preisvergleich anmieten dürfe. Dies lässt außer Acht, dass der Unfallgeschädigte durch schadensersatzpflichtiges, in der Regel auch rechtswidriges Verhalten des Unfallgegners ad hoc zur Anmietung eines Fahrzeuges veranlasst ist, was mit erheblichem Aufwand und persönlichem Einsatz verbunden ist. Im Empfinden des Unfallgeschädigten wird dieser Aufwand ihm kaum gelegen kommen. Der Konsument dagegen kauft aus freien Stücken und zu dem Zeitpunkt ein, zu dem es sich zeitlich und finanziell in seine subjektive Planung einfügt. Die Beklagte lässt auch unberücksichtigt, dass der Konsument gerade nicht durchweg nur die preiswertesten Angebote sucht, sondern offenkundig auch höhere Preise bezahlt, beispielsweise aus Bequemlichkeit, wegen der Ortsnähe, wegen Bindung an einen Händler, aus Gründen des Prestiges etc.
Ohne Erfolg wendet die Beklagte auch ein, dass die Schwacke-Liste keine geeignete Schätzgrundlage für die erforderlichen Mietwagenkosten darstelle. Diese Liste stellt eine ausreichende Schätzgrundlage dar, solange nicht mit konkreten Tatsachen Mängel der Schätzgrundlage aufgezeigt werden, die sich auf den zu entscheidenden Fall auswirken (BGH, Urteil vom 14.10.2008, VI ZR 308/07, zitiert nach Juris, dort Rd.-Nr. 19). Zwar trägt die Beklagte die allgemein bekannten Bedenken gegen die Verwendung der Schwacke-Liste als Schätzgrundlage vor. Konkrete Auswirkungen von Mängeln der Schwacke-Liste für den hierzu entscheidenden Fall legt die Beklagte aber nicht dar. Insbesondere genügt dafür nicht, die pauschale Bezugnahme auf ein für den Bereich Bautzen erstelltes Gutachten mit der Behauptung, die dortigen Erwägung galten auch für den Raum Dresden.
Der Kläger war auch nicht gehalten, zur Schadensminderung ein Ersatzfahrzeug zu kaufen, statt einen Mietwagen zu nutzen. Dies käme allenfalls in Betracht, wenn er in der Zeit bis zur Beschaffung eines Ersatzfahrzeuges über längere Dauer zahlreiche oder größere Fahrten durchzuführen gehabt hätte (vgl. BGH, Urteil vom 02.03.1982, VI ZR 35/60, zit. nach Juris, dort Rn, 13 f.). Dazu hat die Beklagte aber nicht vorgetragen, Überdies könnte der Kläger zu dem von der Beklagten benannten Kaufpreis allenfalls ein Interimsfahrzeug kaufen, das an Sicherheit und Bequemlichkeit erheblich unterhalb seines eigenen Fahrzeuges läge. Darauf musste sich der Klager nicht verweisen lassen.
Der Zinsanspruch ergibt sich aus § 291 i.V.m. § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB.
Der Kläger hat jedoch keinen Anspruch auf Erstattung der Fahrtkosten, die er nach seinem Vortrag zum Erwerb eines Ersatzfahrzeuges aufgewendet hat. Denn der Kläger hat nicht schlüssig vorgetragen, dass eine Fahrt nach Bad H. zum Erwerb eines neuen Fahrzeuges erforderlich gewesen sei. Er hat lediglich behauptet, in der hiesigen Region sei kein vergleichbares Fahrzeug erhältlich gewesen. Es hätte dem Kläger oblägen darzulegen, welche Anstrengungen er unternommen hat, um ein vergleichbares Fahrzeug in der Region zu finden. Nachdem dies der Kläger nicht mitgeteilt hat, hätte der von ihm angebotene Zeugen- und Sachverständigenbeweis eine unzulässige Ausforschung dargestellt. Darauf hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 19.01.2009 hingewiesen.
Der Kläger ist für die Geltendmachung von außergerichtlichen Anwaltskosten nicht aktivlegitimiert. Unstreitig hat die Rechtsschutzversicherung seine Anwaltskosten beglichen. Damit ist ein etwaiger Anspruch gegen die Beklagte nach § 68 Abs. 1 Satz 1VVG auf die Rechtsschutzversicherung übergegangen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufiges Vollstreckbarkeit richtet sich nach §§ 709 Satz 1,708 Ziff. 11, 711 ZPO.
Soweit das AG Meissen.