AG Landau in der Pfalz verurteilt VHV Versicherung zur Zahlung weiterer Mietwagenkosten auf Schwacke-Basis (5 C 1089/11 vom 19.03.2013)

Hier wird dem geneigten Leser ein „saftiges“ Mietwagen-Urteil des Amtsgerichts Landau in der Pfalz vorgestellt:

Entgegen der sich von der Schwacke-Liste abgekehrenden (teilweisen) Rechtsprechung des LG Landau hat sich hier der Amtsrichter in seinem 47-seitigen (!!!!!!) Urteil die Mühe gemacht, das Zustandekommen und die Auswertungen der Fraunhofer Tabelle detailliert und anschaulich unter die Lupe zu nehmen. Danach wird noch einmal deutlich, dass diese Tabelle eindeutig und ausschließlich zum Vorteil der Versicherungswirtschaft erstellt wurde und mit den tatsächlichen Verhältnissen am Markt nichts zu tun hat. Diese Argumentation sollten einige Gerichte einmal sehr sorgfältig studieren.

Es wird angeraten, sich für das Lesen der Begründung des Urteils die erforderliche Zeit zu nehmen.

Aus dem Urteil und seiner Begründung:

Die Klägerin, die eine Autovermietung betreibt, nimmt die Beklagte aus abgetretenem Recht der Unfallgeschädigten und Zeugin X auf Erstattung restlicher Mietwagenkosten in Anspruch. Die Beklagte ist der Haftpflichtversicherer des Unfallgegners. Die Haftung der Beklagten ist mit einer Quote von 100 % unstreitig.

Der Unfall ereignete sich am xx.xx.2011 in Landau. Noch am Tag des Unfalls mietete die Geschädigte (Zedentin) – die Geschädigte ist wohnhaft in 76XXX B., einem Ort in der Verbandsgemeinde Edenkoben/Landkreis Südliche Weinstraße und verbrachte ihr Fahrzeug zur Fa. Y in K., die ihr die Anmietung bei der Klägerin vermittelte – ein Fahrzeug bei der Klägerin. Das beschädigte Fahrzeug der Geschädigten war ein Renault Clio, amtliches Kennzeichen XX-XX XXX. Ausweislich der Rechnung der Klägerin vom 24.03.2011 (Anlage K 3, Blatt 11 d.A.) stellte die Klägerin als Mietwagen ein Fahrzeug der Gruppe 2 nach der Schwacke-Liste Automietklassen zur Verfügung und wies darauf hin, dass ein gruppenkleineres Fahrzeug angemietet wurde, um Abzüge bei der Regulierung zu vermeiden. Erst am 16.03.2011 gab die Geschädigte – nachdem es Verzögerungen bei der Reparatur gab – das Mietfahrzeug zurück und nahm es dementsprechend für insgesamt 23 Tage in Anspruch. Die vorgenannte Rechnung vom 24.03.2011 schließt mit einer Gesamtsumme von 1.867,13 € ab und umfasst zusätzlich zu den reinen Mietwagenkosten eine Haftungsreduzierung, die Zustellung und Abholung des Fahrzeugs (vergl. im Detail die vorgenannte Rechnung). Diese Abrechnung erfolgte auf Basis des entsprechenden Mietvertrags vom 21.02.2011 (Anlage K 2, Blatt 10 d.A.). Zusätzlich unterschrieb die Geschädigte eine Abtretungs- und Zahlungsanweisung (vergl. Anlage K 1, Blatt 9 d.A.). Die Klägerin reichte die Rechnung an die Beklagte ein, die mit Schreiben vom 29.03.2011 (Anlage K 5, Blatt 13 d.A.) hierauf reagierte und folgendes schrieb:

„Ihre Korrespondenz senden Sie bitte an folgende Adresse: VHV Allgemeine Versicherung AG, 30138 Hannover.

Die Abrechnung des Schadens nehmen wir wie folgt vor:

Mietwagenrechnung 1.287,58 EUR

Die Zahlung erfolgt per Überweisung.

Die Mietwagenkosten haben wir geprüft.

Basis für die Berechnung des Mietpreises ist nach aktueller Rechtsprechung der Normaltarif.

Nach neutralen Marktbeobachtungen liegt der Preis bei vergleichbaren Fahrzeugen in Ihrer Region deutlich unter dem abgerechneten Betrag.

Wir erstatten daher 1.287,58 EUR. Hierbei haben wir auch einen pauschalen Zuschlag für Risiken im Unfallersatzgeschäft berücksichtigt.“

Da Vergleichsverhandlungen zwischen den Parteien scheiterten, begehrt die Klägerin nunmehr den Restbetrag aus der vorstehenden Rechnung und trägt hierzu insbesondere vor, dass für die Geschädigte eine Eil-Anmietsituation bestanden habe, denn diese habe noch am Unfalltag ein Ersatzfahrzeug benötigt. Der geltend gemachte Tarif entspreche dem erforderlichen Normaltarif nach der Schwacke Liste Automietpreisspiegel 2008. Um Abzüge in der Regulierung zu vermeiden, habe man sogar auf einen Zuschlag für unfallbedingte Mehrleistungen in Höhe von 20 % verzichtet.

Die Klägerin beantragt daher:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 579,55 € nebst Zinsen daraus in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 06.04.2011.

2. Die Beklagte wird verurteilt, weitere 83,54 € nebst Zinsen daraus in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit an die Klägerin zu bezahlen.

Die Beklagte bestreitet zunächst die Wirksamkeit der Abtretung und ist im Übrigen der Ansicht, dass der Klägerin bzw. der Unfallgeschädigten nicht mehr als die regulierte Summe zustehe. Außerdem bestreite man die Erforderlichkeit, die Anmietdauer, die Verbringungskosten und die Vollkaskoversicherung. Außerdem sei eine Eigenersparnis als Vorteilsausgleichung abzuziehen und die Geschädigte habe gegen ihre Obliegenheiten, sich um die Anmietung eines kostengünstigeren Mietwagens zu bemühen, verstoßen. Die Schwacke Liste sei im vorliegenden Fall ungeeignet; vielmehr sei die richtige Schätzgrundlage der Fraunhofer Marktpreisspiegel Mietwagen.

Zur Sachverhaltsergänzung wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die durchgeführte Beweisaufnahme Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist in voller Höhe begründet.

Die Haftung der Beklagten liegt bei einer Quote in Höhe von 100 %, so dass die Beklagte verpflichtet ist, an die Klägerin weitere 579,55 € Mietwagenkosten zu zahlen.

Die Klage scheitert – entgegen der Ansicht der Beklagten – nicht bereits an der fehlenden Aktivlegitimation der Klägerin, da die Abtretung nicht gemäß § 134 BGB wegen Verstoßes gegen §§ 1, 2, 3 und 5 RDG nichtig ist. Vorliegend umfasst die Abtretung ausschließlich und unzweideutig nur die „Schadenersatzforderung auf Erstattung der Mietwagenkosten“ (vergl. BGH, Urteil vom 31.01.2012, NJW 2012, 1005). Im Übrigen fragt man sich, wie das prozessuale Agieren der Beklagtenseite vorstehend zu bewerten sein soll, nachdem es vorprozessual für sie kein Problem darstellte, aufgrund der Abtretung immerhin 1.287,58 € an die Klägerin zu zahlen.

Da diese Zahlung gemäß Schreiben vom 29.03.2011 auch „ohne Wenn und Aber“ zu den einzelnen Berechnungsmodalitäten erfolgt ist und die Beklagte lediglich Bedenken zur Höhe des „Normaltarifs“ hegte, weshalb der Anspruch reduziert worden ist, ist die Beklagte mit sämtlichen Einwendungen gegen die Klageforderung wie Erforderlichkeit, Mietdauer, Verbringungskosten, Vollkaskoversicherung und Eigenersparnis präkludiert. Mit ihrer Abrechnung hat die Beklagte, bei der es sich schließlich nicht um eine juristisch unerfahrene Privatperson handelt, alles das anerkannt, was für die Berechnung der Ersatzforderung erforderlich ist, mit Ausnahme des Mietwagentarifs.

Dementsprechend kann sich das vorliegende Urteil in der Folge auf das eigentliche Problem des Falles, nämlich den Mietwagentarif, konzentrieren.

Zum ersatzfähigen Schaden gehören nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB die Kosten, die erforderlich sind, um während der Reparaturzeit des bei dem Unfall beschädigten Fahrzeugs ein Ersatzfahrzeug anzumieten. Der Schädiger ist nur verpflichtet, die Mietwagenkosten zu ersetzen, die zur Herstellung des Zustands erforderlich sind, der ohne die Schädigung bestehen würde.

Für die Erstattungsfähigkeit der durch die Inanspruchnahme eines Mietwagens entstandenen Kosten gilt Folgendes:

Auszugehen ist zunächst vom Normaltarif. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist die Frage, ob die geltend gemachten Mietwagenkosten als zur Herstellung des früheren Zustands erforderlich im Sinne von § 249 Abs. 2 S. 1 BGB anzusehen sind, danach zu beantworten, ob sie sich im Rahmen des außerhalb des sogenannten Unfallersatzgeschäfts im örtlichen Bereich des Geschädigten üblichen Mietwagentarifs (= Normaltarif) bewegen (vergl. BGH VI ZR 6/09, Urteil vom 09.03.2010, Versicherungsrecht 2010, 1053 ff. m.w.N.). Der Normaltarif ist grundsätzlich als erforderlich anzusehen.

Bei der Schadensberechnung nach § 287 ZPO ist der Tatrichter besonders freigestellt und kann den Normaltarif auf Grundlage eines geeigneten Mietpreisspiegels schätzen.

Nachdem die Berufungskammern des Landgerichts Landau in der Pfalz in einer Vielzahl von Verfahren ebenso wie die Amtsgerichte im Landgerichtsbezirk den Schwacke-Mietpreisspiegel als geeignete Schätzgrundlage angesehen hatten, hat die erste Zivilkammer des Landgerichts Landau in der Pfalz ihre Rechtsprechung zur Ermittlung der Mietwagenkosten mittlerweile geändert. Die erste Zivilkammer des Landgerichts Landau betrachtet nun den Fraunhofer „Marktpreisspiegel Mietwagen Deutschland“ des Fraunhofer Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation als die geeignete Schätzgrundlage, da er realistischer als der Schwacke-Mietpreisspiegel die Mietwagenpreise abbilde. Diese Mietpreisermittlung erscheine auch in methodischer Hinsicht vorzugswürdig, weil sie auf einer „verdeckten“ Datenerhebung beruhe (vergl. Urteil vom 22.05.2012, AZ: 1 S 99/11 zu 5 C 208/10 Amtsgericht Landau in der Pfalz). Diese Rechtsprechungsänderung ist für den erkennenden Richter Veranlassung, beide Mietpreisspiegel nochmals auf den „Prüfstand“ zu stellen, obwohl der BGH beide Mietpreisspiegel als geeignete Schätzgrundlagen im Rahmen der Ausübung des tatrichterlichen Ermessens nach § 287 ZPO zur Ermittlung des Normaltarifs grundsätzlich anerkannt hat (vergl. BGH NJW-RR 2011, 823). Der Umstand, dass die vorhandenen Markterhebungen im Einzelfall zu deutlich voneinander abweichenden Ergebnissen führen können, genüge nicht, um Zweifel an der Eignung der einen oder der anderen Erhebung als Schätzgrundlage zu begründen (vergl. BGH, NJW-RR 2011, 1947 ff.).

Nicht nur dann, wenn die Prozessparteien Bedenken gegen die Eignung eines Mietpreisspiegels als Schätzgrundlage vortragen, sondern generell ist der Tatrichter verpflichtet, die Eignung im konkreten Fall zu überprüfen. Schätzgrundlagen sind nämlich im Endergebnis nichts anderes als Mittel zur Vermeidung der Einholung von Sachverständigengutachten und kommen einem solchen in ihrer Anwendungskonsequenz so nahe, dass der Tatrichter – ähnlich wie bei Sachverständigengutachten – vorzugehen hat (vergl. die Verpflichtung zur Leitung der Tätigkeit des Sachverständigen gemäß § 404 a ZPO). Der Sachverständige ist demnach der Gehilfe des Gerichts; nicht mehr und nicht weniger. Dieser hat sein Gutachten nach den Vorgaben des Gerichts zu erstellen – das Gericht hat nicht umgekehrt sich in seiner Rechtsprechung durch den Sachverständigen lenken zu lassen.

Einem Sachverständigen wären folgende Vorgaben zu machen:

1. Vorgabe des örtlich relevanten Marktes bzw. wenn dies nicht möglich ist, der Auftrag, denselben zu ermitteln (siehe im Detail unten 1.1.1.)

2. Ermittlung des Normaltarifs im örtlich relevanten Markt, wobei vorzugeben ist, wie sich der Normaltarif definitiert und was er insbesondere umfassen soll (siehe im Detail unten 1.1.2.)

3. Die methodische Vorgehensweise kann grundsätzlich dem Sachverständigen überlassen werden, muss aber selbstverständlich realitätsnah, nachvollziehbar und in sich schlüssig sein.

Gleiches gilt für die mathematisch/statistische Auswertung der Untersuchungen, deren Interpretation und Verwendung im konkreten Fall zur richterlichen Kernkompetenz gehört.

Die Krux des vorliegenden Falles sowie in Fällen vergleichbarer Art ist, dass beide Automietpreisspiegel nach ihren eigenen Kriterien – mehr oder weniger in Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs – ihre eigenen Vorstellungen entwickelt haben, so dass zu prüfen ist, ob die „Erfinder“ der jeweiligen Schätzgrundlage dem Richter Kriterien an die Hand geben, die dessen Vorgaben, die an einen Sachverständigen zu stellen wären, entsprechen könnten bzw. zumindest so nahe kämen, dass sie als Hilfestellung genutzt werden könnten.

I. Marktpreisspiegel Mietwagen Deutschland des Fraunhofer Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation (in der Folge Fraunhofer-Marktpreisspiegel).

Der Fraunhofer-Marktpreisspiegel ist im vorliegenden Fall nicht als Schätzgrundlage geeignet.

Alle in der Folge aufgezeigten Mängel wirken sich im konkreten Einzelfall jeder für sich genommen und erst recht in ihrer kumulativen Gesamtheit aus. Dies gilt so jedenfalls für den Einzugsbereich des Amtsgerichts Landau in der Pfalz.

Den im Falle der Einholung eines Sachverständigengutachtens zu machenden Vorgaben wird der Fraunhofer Marktpreisspiegel nicht gerecht. Es liegen schwerwiegende Mängel vor, die die Schadensschätzung – im Allgemeinen und im Konkreten – erheblich beeinflussen. Diese Zweifel an der Eignung des Fraunhofer Marktpreisspiegels ergeben sich nicht aus dem Umstand, dass er überwiegend zu niedrigeren Preisen gelangt als der Schwacke Mietpreisspiegel und deshalb verständlicherweise von der Versicherungswirtschaft – nicht nur in seinen Anfängen 2008 finanziert, sondern generell – auch favorisiert wird. Vielmehr ergeben sich die Bedenken im Allgemeinen und vorliegend aber auch im Besonderen aus Folgendem:

1. Örtlich relevanter Markt

1.1. Definition des örtlich relevanten Marktes

Bei der Fragestellung, was als örtlich relevanter Markt in Betracht kommen könnte, leisten am ehesten die Grundsätze der Raumordnung [vergl. Raumordnungsgesetz (ROG) vom 22.12.2008 (BGBI. I S 2986) § 2 Abs. 2 Nr. 3 … Die soziale Infraktur ist vorrangig in zentralen Orten zu bündeln. …], wie sie seitens des Landes Rheinland-Pfalz im Landesentwicklungsprogramm (LEP IV) [siehe Homepage des Ministeriums für Wirtschaft, Klimatschutz, Energie und Landesplanung (www.mwkel.rlp.de/Landesplanung/Programme-und-Verfahren/Landesentwick-lungsprogramm (LEP) IV)] niedergelegt sind, Hilfestellung.

Dort sind in Teil B die Ziele und Grundsätze der Landesentwicklung für die Daseinsvorsorge konkretisiert. Danach werden gemäß Z 39 Gemeinden, die allein für einen Verflechtungsbereich (Mittelbereich) eine vollständige Versorgung der mittelzentralen Funktion leisten, als Mittelzentren ausgewiesen und sind insbesondere im ländlichen Raum in dieser Funktion zu stärken und zu sichern. Das Mittelzentrum Landau hält teilweise oberzentrale Einrichtungen vor. Gemäß Z 40 gehören dem Verdichtungsraum Landau die Verbandsgemeinden Annweiler, Edenkoben, Herxheim und Landau-Land an. Die Stadt Neustadt an der Weinstraße bildet einen Verdichtungsraum mit Haßloch.

Dies zeigt, dass die Städte Landau und Neustadt bedeutsame mittelzentrale Funktionen ausweisen.

Ein Mittelzentrum bezeichnet in der Raumordnung und der Wirtschaftsgeographie einen zentralen Ort der mittleren Stufe nach dem System der zentralen Orte. Mittelzentren dienen als Anlaufpunkte für die Versorgung mit Waren, Dienstleistungen und Infrastrukturangeboten, die durch die sie umgebenden Unterzentren nicht geleistet werden können. Dementsprechend ist auch auf der Homepage der Stadt Landau in der Pfalz vermerkt: „Die kreisfreie Stadt Landau ist das Mittelzentrum und damit wirtschaftliche und kulturelle Metropole der Südpfalz…. Die Stadt übernimmt für die Region als Handels-, Dienstleistungs-, Schul- und Kulturzentrum, als traditionelle Einkaufsstadt sowie Behörden- und Universitätsstandort für einen Einzugsbereich von rund 250.000 Menschen, <sogar> die Funktion eines Oberzentrums.“

Im nördlichen Bereich des Landkreises Südliche Weinstraße, insbesondere für den Bereich der Verbandsgemeinde Maikammer, aber auch für Teile der Verbandsgemeinde Edenkoben erfüllt die kreisfreie Stadt Neustadt an der Weinstraße die Funktion des Mittelzentrums. Hieraus kann problemlos der Schluss gezogen werden, dass die örtlichen Märkte für alle wesentlichen Dienstleistungen sich einerseits um die kreisfreie Stadt Neustadt an der Weinstraße und andererseits um die kreisfreie Stadt Landau in der Pfalz mit teilweisen Überschneidungen bewegen. Dementsprechend wären diese beiden Städte und ihr jeweiliges Umland als örtliche Märkte zu betrachten und eine Untersuchung hierauf auszurichten.

Dass sich der regionale Markt um Landau in der Pfalz herum maximal in einer Entfernung von 10 bis 15 km bewegt, kann auch aus den wöchentlich verteilten Werbeblättern abgeleitet werden. So benennt der Stadtanzeiger den Bereich Landau mit Edenkoben, Edesheim, Herxheim, Offenbach und das Wochenblatt gibt als sein Verteilungsgebiet detaillierter an: Landau, Billigheim, Birkweiler, Böchingen, Bornheim, Burrweiler, Edenkoben, Edesheim, Eschbach, Essingen, Flemlingen, Frankweiler, Freimersheim, Gleisweiler, Göcklingen, Großfischlingen, Hainfeld, Herxheim, Herxheimweyer, Heuchelheim, Hochstadt, llbesheim, Impflingen, Ingenheim, Insheim, Kleinfischlingen, Knöringen, Leinsweiler, Offenbach, Ranschbach, Rhodt, Rohrbach, Roschbach, Siebeldingen, Walsheim, Weyher. Würde man für Landau noch Neustadt in den örtlichen Markt miteinbeziehen wollen, was wegen der Besonderheiten des vorliegenden Falles erwägenswert erschiene, so würde man für das Gebiet der Postleitzahlen 768 und 674 einen gemeinsamen örtlichen Markt bilden können. Darüber hinausgehend käme kein vernünftig denkender Fahrzeuganmieter auf die Idee gar über den Rhein hinausgehend sich mit einem Mietwagen zu versorgen, zumal dann, wenn man über keinen fahrbaren Untersatz (mehr) verfügt und sich entweder dort von einem Bekannten bzw. per Taxi hinbringen oder das Fahrzeug zustellen lassen muss (dies ist nicht nur eine unfallbedingte Kostenproblematik, sondern auch eine solche für jeden „Normalverbraucher“, der aus welchen Gründen auch immer, ein Fahrzeug zur Mobilität anmieten will).

Der an einen Sachverständigen zu richtende Auftrag würde dementsprechend lauten: Legen Sie für die Untersuchung einen Einzugsbereich von maximal 15 km um Landau zuzüglich das Stadtgebiet Neustadt zugrunde.

1.2. Fraunhofer Marktpreisspiegel und örtlich relevanter Markt

Soweit man unterstellt, dass Fraunhofer mit der durchgeführten Untersuchung tatsächlich in der Lage ist, Normaltarife im Sinne der Rechtsprechung des BGH abzubilden, so scheitert die Anwendung des Fraunhofer Marktpreisspiegels jedoch im ländlichen Raum wie dem, dem der Bereich Südliche Weinstraße – und damit der Einzugsbereich des Amtsgerichts Landau in der Pfalz – zuzuordnen ist, da es nicht in der Lage ist, Hilfestellung bei der Abbildung des örtlich relevanten Marktes zu leisten.

Bereits im Marktpreisspiegel von 2008, Seite 15 unter der Rubrik Postleitzahlenbereiche wird ausgeführt:

„Postleitzahlbereiche

Eine Dimension der Preistabellen des Marktpreisspiegels für Mietwagen bilden die betrachteten Postleitzahlbereiche (PLZ-Bereiche). Nach Untersuchung der Verteilung verfügbarer Mietwagen-Stationen und Einzelwerte über zwei- und dreistellige PLZ-Bereiche erfolgte eine Beschränkung auf maximal zweistellige PLZ-Breiche. Diese Beschränkung dient zur Sicherstellung der statistischen Relevanz der Erhebungsergebnisse – es sollten typischerweise mindestens 30 Werte pro Datenzelle ausgewertet werden können.“

Dies zeigt, dass man sich nicht etwa damit beschäftigt hat, welches der jeweils örtlich relevante Markt ist; so erklärte der sachverständige Zeuge R. : „Der Idealfall wäre natürlich, man hätte eine Adresse und eine Enfernung zu einer Adresse, insofern sind jede Art von Postleitzahlen eine Annäherung, da 50 m weiter auch eine andere Postleitzahl sein kann.“ Vielmehr ist hieraus zu folgern, dass man sich bei Erstellung des Marktpreisspiegels sogar bewusst war, dass man nicht in der Lage ist, den örtlich relevanten Markt abzubilden, wenn man sich auf Postleitzahlen im zweistelligen Bereich oder gar im einstelligen Bereich beschränkt. Denn man hat den Marktpreisspiegel letztendlich methodisch so erstellt, dass statistisch relevante Ergebnisse mathematisch überhaupt erst möglich sind.

Da es aber Aufgabe des erkennenden Richters im Einzelfall ist, zunächst den für den Geschädigten örtlich relevanten Markt festzustellen, um auf dieser Basis dann den Normaltarif ermitteln zu können, kann der Fraunhofer Marktpreisspiegel keine Hilfestellung geben.

Hierfür ist das gewählte Postleitzahlengebiet mit zweistelligen Postleitzahlen wesentlich zu weit gefasst. Es umfasst nämlich im Bereich 76 nicht nur Landau nebst dem überwiegenden Teil des Landkreises Südliche Weinstraße (teilweise gehören nördliche Gemeinden des Landkreises Südliche Weinstraße wie Edenkoben, Maikammer etc. dem Postleitzahlenbereich 67 an), sondern den gesamten Postleitzahlenbereich für Karlsruhe, sogar bis hinauf in den Schwarzwald (z.B. Bad Herrenalb, Bad Waldbronn) und bis nach Rastatt und Baden-Baden im Süden. Dass dies kein örtlicher Markt für die Anmietung von Mietwagen für einen Südpfälzer sein kann, ist so evident, dass dem Fraunhofer Mietpreisspiegel insoweit die Fehlerhaftigkeit geradezu „auf die Stirn geschrieben“ steht. Würden wir zwischen 67 und 76 im Grenzbereich Mittelwerte bilden wollen, was vorliegend in Anbetracht des Umstandes, dass einerseits der Wohnort der Geschädigten im Bereich 768 liegt, während der Reparaturbetrieb dem Bereich 674 zugehörig ist, erwägenswert erschiene, kämen wir zu einer Raumausdehnung von Baden-Baden im Süden bis Worms im Norden. Jeder vernünftig denkende Mensch würde es als eine „Schnapsidee“ ansehen, wenn er – wie die Geschädigte – aus dem Umkreis von Landau kommend, sich in Worms, Baden-Baden oder im Nordschwarzwald ein Auto anmieten sollte, um in der Südpfalz mobil zu sein, aber auch Karlsruhe, Ludwigshafen/Mannheim, Speyer oder Kaiserslautern erscheinen völlig indiskutabel. Dementsprechend dürfen diese eindeutig außerhalb des örtlichen Marktes liegenden Orte erhebungs- und auswertungsmäßig nicht erfasst werden. Weitere Ausführungen zu diesem sinnlosen Unterfangen erscheinen daher unnötig.

(Anmerkung: Diese Baden-Bezogenheit der Postleitzahlen ist erst am 01. Juli 1993 mit der Einführung der 5-stelligen Postleitzahlen entstanden. Bis dahin hatte Landau die 6740 und damit eine Ausrichtung ins Postverteilungszentrum Ludwigshafen. Dass diese Postleitzahlenveränderung nicht eine Veränderung des regionalen Marktes bewirkt haben kann, liegt auf der Hand).

Damit hätte ein Sachverständiger, an dessen Stelle der Fraunhofer Marktpreisspiegel dem Gericht Entscheidungshilfe anbieten soll, seinen Auftrag verfehlt. Er hätte anstatt die Aufgabe zu erfüllen – im vorgegebenen örtlichen Markt den Normaltarif zu ermitteln – in einem um ein vielfaches größeren Gebiet seine Ermittlungen durchgeführt, nur weil er mathematisch/statistische Probleme hatte, anstatt eine Methode – ggf. zu entwickeln – die der Aufgabenstellung entspricht.

Andernfalls hätte er im Falle der nach seiner Meinung gegebenen Nichterfüllbarkeit seines Auftrags denselben als nicht erfüllbar zurückgeben müssen; allenfalls dann, wenn der Sachverständige den Nachweis erbringen könnte, dass die Untersuchung im überörtlichen Markt zu identischen bzw. zumindest nahezu identischen Ergebnissen führt, wäre diese Vorgehensweise diskutabel aber wohl mit überhöhten Kosten verbunden. Der Fraunhofer Marktpreisspiegel enthält einen solchen Nachweis jedenfalls nicht.

Nach Ansicht des erkennenden Richters wäre es zumindest unter wissenschaftlichen Gesichtspunkten möglich gewesen, eine Untersuchung in Analogie zum Schwacke AMS durchzuführen. Beispielsweise gibt es im Einzugsbereich Landau mindestens 6 Stationen (vergl. unten II.1), die Normaltarife anbieten. Bei ca. 10 Anfragen pro Station wären mit ca. 60 Nennungen doppelt so viele Zahlen erhoben worden, als Fraunhofer pro Datenzelle benötigt.

2. Normaltarif im örtlich relevanten Markt. 2.1. Definition des Normaltarifs

Auszugehen ist nach der Prämisse der höchstrichterlichen Rechtsprechung davon, dass der Geschädigte ebenso wie in anderen Fällen, in denen er die Schadensbeseitigung selbst in die Hand nimmt, nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten ist, im Rahmen des ihm zumutbaren von mehreren möglichen den wirtschaftlicheren Weg zur Schadensbehebung zu wählen (vergl. BGH Urteil vom 09.03.2010 DAR 2010, 462 m.w.N.). Das bedeutet, dass er von mehreren auf dem örtlich relevanten Markt – nicht nur für Unfallgeschädigte – erhältlichen Tarifen für die Anmietung eines vergleichbaren Ersatzfahrzeugs (innerhalb eines gewissen Rahmens) grundsätzlich nur den günstigeren Mietpreis zur Wiederherstellung seiner Mobilität objektiv ersetzt verlangen kann (vergl. KG Urteil vom 02.09.2010, DAR 2010, 642 ff., BGH Urteil vom 24.06..2008, DAR 2008, 643 ff. m.w.N.). Dies bedeutet, wie es auch schon der Begriff des Normaltarifs sagt, dass es auf erhältliche Tarife ankommt und nicht auf irgendwelche „Schnäppchenpreise“.

Für den Tourismusmarkt, der nach Ansicht des erkennenden Richters in Vielem dem Vermietungsmarkt von Kraftfahrzeugen ähnelt, wird im Geschäftsreise-Lexikon e-travel-pedia unter dem Stichwort Marktpreis ausgeführt:

„Weil der Tourismusmarkt in vielen Bereichen zu Überkapazitäten neigt, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass der Marktpreis an einem bestimmten Ort zu einem bestimmten Zeitpunkt niedriger als der Normaltarif ist.

Auch wenn die Erbringung der Leistung noch in weiter Ferne liegt, werden schon niedrigere Preise als der Normaltarif angeboten (s. z.B. Frühbucherrabatt). Ein weiterer Fall für eine Preisreduzierung und somit für eine Verringerung des Marktpreises liegt dann vor, wenn der Zeitpunkt der Leistungserbringung naht und der Leistungsträger (z.B. eine Fluggesellschaft) versucht, über einen besonders günstigen Preis Restplätze zu verkaufen.

Der Marktpreis (an einem bestimmten Ort zu einem bestimmten Zeitpunkt) liegt häufig auch unter der jeweiligen Firmenrate. Somit kann die Buchung zu Marktpreisen selbst gegenüber der Inanspruchnahme der Firmenrate von Vorteil sein. Das gilt insbesondere für Unternehmen, die wenig Umsatz generieren und somit keine attraktiven Firmenraten aushandeln können. Zusätzlich wird bei der Nutzung von Marktpreisen der Aufwand zur Aushandlung von Firmenraten gespart. Im Übrigen droht nicht die Gefahr, nachträglich mit der Rückzahlung der Rabatte belastet zu werden, wenn unerwartet die vertraglichen Voraussetzungen für die Gewährung der Firmenrate nicht erreicht werden (z.B. Mindestumsatz) (s.a. Malusvereinbarung, Nachbelastung).

Die wirtschaftlich vorteilhafte Nutzung von Marktpreisen setzt gute Kenntnis des Marktes und den qualifizierten Umgang mit dem Internet voraus. Der Markt bzw. seine Teilbereiche sind sehr unübersichtlich und werden nicht umsonst als „Tarifdschungel“ bezeichnet. Gleichbedeutender Begriff: Tagespreis.“ (www.etp24.de (Lexikon), zuletzt abgerufen am 28.04.2013)

In Bezug auf den Normalpreis ist in e-travel-pedia Folgendes ausgeführt:

„Der Normalpreis bezeichnet den Grundpreis für eine Ware oder Dienstleistung und ist dann gegeben, wenn weder Rabatte abgezogen noch Zuschläge aufgerechnet wurden.

Die Deutsche Bahn AG (DB) verwendet in ihren Broschüren, Prospekten, Online-Seiten etc. für ihre Angebote den Begriff Normalpreis. Der Begriff Normalpreis ist dort gleichbedeutend mit dem Begriff Normaltarif. Er errechnet sich bei den Fernverkehrsleistungen der DB nach einem Relationspreis-Schema.“ (www.etp24.de (Lexikon), zuletzt abgerufen am 28.04.2013).

Zum Normaltarif ist Folgendes ausgeführt:

„Der Normaltarif bezeichnet einen Tarif für einen breiten Kreis von Personen (Kunden), der an leichte Voraussetzungen und Bedingungen gekoppelt ist, die in der Regel von jedem zu erfüllen sind. Der Normaltarif ist meist das teuerste Angebot für eine bestimmte Leistung, da für Spezialtarife strengere Voraussetzungen zu erfüllen sind. Für Beispiele siehe den Artikel Tarif.“ (www.etp24.de (Lexikon))

Im Gegensatz hierzu steht der Sondertarif:

„Tarif, der für einen breiten Kreis von Personen gilt, die für Inanspruchnahme des Tarifs erschwerte Voraussetzungen und Bedingungen erfüllen bzw. Einschränkungen in Kauf nehmen müssen. Im Gegenzug erhalten Sie einen niedrigeren Preis als beim Normaltarif. Bei Flügen ist die Inanspruchnahme von Sondertarifen in der Regel an das Reisen in der Economy Class gekoppelt. Einschränkungen betreffen vor allem Buchungsfristen, Reisewegänderungen, Minimal- und Maximalaufenthaltsdauer am Zielort, Umbuchungen, Stornierungen und Stopover-Aufenthalte.“ (www.etp24.de (Lexikon), zuletzt abgerufen am 28.04.2013).

Zur Gesamttarifproblematik wird in e-travel-pedia außerdem Folgendes ausgeführt, das die sich ergebende Problematik auch im Zusammenhang mit Mietwagen sehr deutlich aufzeigt:

„Ein Tarif ist die Gesamtheit der Voraussetzungen und Bedingungen (Tarifbestimmungen) , die erfüllt sein müssen, um eine bestimmte, in der Regel standardisierte, (meist touristische) Leistung eines Leistungsträgers, meistens im Zusammenhang mit einer Beförderung, zu erhalten.

Solche Voraussetzungen und Bedingungen können z.B. sein: Zahlung des Fahrpreises in bestimmten Höhen, Unter- oder Überschreitung bestimmter Altersgrenzen, Einhaltung von Buchungsfristen, Möglichkeit der kostenlosen Rückgabe der Fahrkarte vor Reiseantritt.

In der Regel bieten Leistungsträger standardisierte Leistungen an (z.B. Monatskarte in einem Verkehrsverbund), deren Tarife sie bereits im Vorhinein kalkuliert und veröffentlicht haben. Voraussetzungen und Bedingungen des Normaltarifs, z.B. Einzelbahnfahrt für einen Erwachsenen von Stadt A nach B ohne Zugbindung, ohne BahnCard, ohne ICE, sind in der Regel für den Kunden leicht zu erfüllen. Diese Flexibilität erkauft er sich durch einen verhältnismäßig hohen Preis.

Die Bedingungen und Voraussetzungen der Sonder- und Spezialtarife sind meist schwerer zu erfüllen. Derartige Einschränkungen (z.B. lange Buchungsfristen, hohe Stornogebühren, vorgeschriebene Reisetage) erlauben es dem Leistungsträger, niedrigere Preise zu kalkulieren.“ (www.etp24.de (Lexikon), zuletzt abgerufen am 28.04.2013).

Eine Übertragung dieser Erkenntnisse auf den Mietwagenmarkt würde zu folgenden Vorgaben für einen Sachverständigen führen:

Es sind die Preise – im örtlich relevanten Markt (der vorgegeben wird) – eines Tarifs zu ermitteln, der an jedem Tag der Woche zu den allgemeinen Öffnungszeiten im Selbstzahlergeschäft – ohne gegenüber Sondertarifen zusätzlich erschwerenden Bedingungen – für jedermann zugänglich ist und über eine größtmögliche Flexibilität hinsichtlich Fahrzeugausstattung und kundenfreundliche Vertragsgestaltung [u.a. 2. Fahrer, Versicherungen, Kaution (möglichst niedrig oder ohne bzw. möglichst kein Kreditkartenerfordernis) und Bezahlweise (möglichst erst bei Vertragsende per Rechnung oder Barzahlung und möglichst ohne Kreditkartenerfordernis) bis hin zur Mietzeit) verfügt – ggf. ist nach einem kostenlosen Upgrade in die nächsthöhere Fahrzeuggruppe zu fragen, falls ein Fahrzeug der niedrigen Klasse nicht verfügbar ist.

Sollte es Anmietschwierigkeiten geben, sind diese zu offenbaren und zu überprüfen, ob und ggf. wie diese überwunden werden können (insbesondere im Zusammenhang mit Kaution und Bezahlung/Kreditkarte).

2.2. Fraunhofer Marktpreisspiegel und Normaltarif

Der Frauenhofer Marktpreisspiegel ist nicht in der Lage den Normaltarif im örtlich relevanten Markt abzubilden. Er orientiert sich nicht an den vorstehenden Vorgaben. Die von Fraunhofer ermittelten „Marktpreise“ kommen den vorgegebenen Konditionen eines Normaltarifs auch nicht so nahe, dass sie als Erfüllung der Vorgabe wenigstens gerade noch akzeptiert werden könnten.

Aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme, insbesondere der Vernehmung des Zeugen R. sowie weiteren Erfahrungen des erkennenden Richters mit dem Mietwagengeschäft, ist die Überzeugung entstanden, dass der Fraunhofer Marktpreisspiegel nicht etwa Tarife wiedergibt, sondern lediglich Angebotspreise, die als Marktpreise bezeichnet werden, an abgefragten Tagen. (Diese Qualifizierung dürfte auf den Beitrag von Richter zur Schätzung „erforderlicher“ Mietwagenkosten im Rahmen des § 287 ZPO  (VersR 2007, 620 ff.) zurückgehen, der damals Mitarbeiter eines größeren Kfz-Haftpflichtversicherers war und als „Normaltarif ein Preisniveau verstanden wissen wollte, wie es von Angebot und Nachfrage geprägt im Selbstzahlergeschäft marktüblich ist.) Dementsprechend ist der Titel des Fraunhofer Marktpreisspiegels zugleich das Programm: Ermittlung und Wiedergabe von Marktpreisen und nicht von Normaltarifen bzw. Normalpreisen. Da dies ganz offensichtlich nicht den Rechtsprechungsvorgaben des Bundesgerichtshofes entspricht und hinsichtlich der nachfolgenden Details offenbar auch noch nicht zur revisionsgerichtlichen Überprüfung stand, sieht sich der erkennende Richter nicht gehindert, auch diesen Umstand einer Überprüfung zu unterziehen und entsprechend zu bewerten.

In diesem Zusammenhang ist Folgendes anzumerken:

a) Ausweislich der rückwärtigen Umschlagseite des ersten Fraunhofer Marktpreisspiegels von 2008 in Verbindung auch mit den sonstigen Ausführungen im Text erscheint es fraglich, ob der Fraunhofer Marktpreisspiegel überhaupt beabsichtigte, den Normaltarif zu ermitteln, denn es sollte der „reale Marktpreis“ ermittelt werden, was immer das auch sein mag. Um diese Problematik zu verdeutlichen drei Beispiele:

– In der Regel zweimal im Jahr geben die großen Pauschalreiseveranstalter Kataloge heraus, in denen Preise genannt sind. Parallel dazu gibt es ständige Aktionen, beginnend von Frühbucherrabatten über irgendwelche Sonderaktionen bis hin zu Last-Minute-Angeboten. Wenn man alle diese Preise „in einen Topf wirft“, erhält man einen „Mischpreis“, der aber nicht mehr dem Katalogpreis entspricht. Der Katalogpreis ist aber gerade der Preis, der im plötzlichen Bedarfsfall – so liegt der Fall in der Regel bei Anmietungen nach Unfällen oder in sonstigen nicht eingeplanten Fällen spontanen Mobilitätswunsches – dem Kunden zur Verfügung steht.

– Geht man im Internet auf den Begriff Normalpreis, wird man sofort auf die Preisseite der Deutschen Bahn AG geführt und sieht dort die sogenannten Normalpreise und eventuell Sparpreise; letztere gelten allerdings nur im Rahmen bestimmter Kontingente, Vorbuchungsfristen und Zugbindung, was letztendlich auch zeigt, dass es auch bei der Deutschen Bahn AG verschiedene Preiskategorien gibt, je nach Verfügbarkeit. Immer aber ist der Normalpreis erhältlich. Niemand käme auf die Idee, diesen Normalpreis als einen „Mondpreis“ zu bezeichnen, der normalerweise nicht gilt.

– Unterstellt, eine „schwäbische“ Hausfrau benötigt Zucker zum Backen, so ist, wenn man durch die verschiedenen Supermärkte geht, beispielsweise mit einem Kilopreis für Markenqualität zwischen 0,99 € und 1,19 € zu rechnen. Hieraus könnten wir versuchen einen Mittelwert zu bilden und diesen als Normalpreis bezeichnen. Wir wissen aber auch, dass die Haushalte mit Werbeflyern geraderzu überschwemmt werden und dann kommt es häufiger auch einmal vor, dass im Sonderangebot das gleiche Kilo Zucker plötzlich im Bereich von 0,49 € erhältlich ist. Was nützt es aber der „schwäbischen“ Hausfrau, die den Zucker in einer Woche benötigt, in der das Sonderangebot nicht gilt. Sie muss dann notgedrungenerweise den sonst gültigen Preis – also den Normalpreis – bezahlen und eben nicht den Angebotspreis.

Die vorliegenden drei Beispiele zeigen – wie auch die Ausführungen unter 1.2.1. -, dass sehr genau überprüft werden muss, was eigentlich ein Normaltarif – nicht Normalpreis – ist. Schon die erste Fraunhofer Studie aus 2008 hat sich ersichtlich mit dieser Fragestellung nicht auseinandergesetzt, sondern auf Seite 9 und 10 des Fraunhofer Marktpreisspiegels ausgeführt:

„Marktpreise

Wie kann eine Erhebung die Marktpreise gut wiedergeben? Dazu sollten zunächst Definitionen für den Marktpreis herangezogen werden: » Ein von den Klassikern der Nationalökonomie im Gegensatz zum natürlichen Preis geprägter Begriff für den ausschließlich durch Angebot und Nachfrage auf einem Markt … bestimmten Gleichgewichtspreis « sowie » Der auf einem Markt … entsprechend dem durchschnittlichen Angebot und der allgemeinen Nachfrage während der Marktzeit erzielte Preis. « (Gabler).

Anmerkung des erkennenden Richters hierzu:

In Ermangelung einer genauen Fundstellenangabe war es etwas schwierig dieses Zitat zu überprüfen. In der mittlerweile seit 2010 vorliegenden 17. Auflage des 8-bändigen Gabler Wirtschaftslexikons – das nunmehr auch über das Internet eingesehen werden kann – konnte unter dem Stichwort Marktpreise die von Fraunhofer benutzte Definition des Autors Prof. Dr. Dirk Piekenbrock eingesehen werden. Wesentliche Teile der Ausführungen von Prof. Dr. Dirk Piekenbrock fehlen allerdings, nämlich insbesondere der Einschub nach „Der auf einem Markt“, der dort wiedergegeben ist mit: „Produktenbörse, Effektenbörse, Wochenmarkt, Weltmärkten“. Aus diesen Beispielen kann man nämlich besonders deutlich erkennen, welche Arten von Märkten gemeint waren und auch ersehen, dass dies allesamt Märkte sind, auf denen sich Preise sehr schnell ändern – selbst auf einem Wochenmarkt ist das, was morgens um 7.00 Uhr angeboten wird, oft mittags um 13.00 Uhr zum Schleuderpreis erhältlich.

Im Zusammenhang mit dem Begriff Marktpreis kennt das Gabler Wirtschaftslexikon den Begriff des Normalpreises nur in Verbindung mit Kostenrecht und Zoll, einen Normaltarif überhaupt nicht und einen Standardtarif nur in Bezug auf private Krankenversicherer. Eine Definition der Marktzeit konnte dort ebenfalls nicht aufgefunden werden. Dementsprechend kommt der erkennende Richter zu dem Schluss, dass die Eingangsdefinition des Marktpreises keine Aussagekraft für eine Festlegung von Normalpreisen bzw. Normaltarifen hat.

Aus diesen Definitionen kann abgeleitet werden, dass der Marktpreis einem realen Anmietvorgang entspricht, bei dem ein Kunde (Nachfrager) in einem Anmiet-Szenario zu einem für diesen Moment gültigen Preis (Angebot) anmietet. Angebotspreise und Selbstauskünfte, die nicht für einen typischen Anmietvorgang erteilt werden oder statische Preislisten (Angebotspreise) alleine, sind daher für die Preisermittlung weniger geeignet. Gut geeignet sind z.B. anonyme telefonische Anfragen, welche einen verbindlichen Anmietvorgang widerspiegeln und einen in diesem Moment auch buchbaren Preis ermitteln, oder Anfragen über das Internet auf Online-Portalen, die eine reale Buchung auch direkt online ermöglichen (ohne Vorbehalte und ohne weiteres Nachfragen). Aus diesem Grunde wurde die Befragung auf Basis von sofort buchbaren Internetangeboten sowie anonymen, telefonischen Anfragen durchgeführt.

Der Marktpreis als durchschnittlich bezahlter Preis wird am besten durch den »arithmetischen Mittelwert « der ermittelten Preise abgebildet. Idealerweise würden einzelne Anbieter oder Anmietstationen dabei noch gewichtet, beispielsweise nach Ihrer Marktbedeutung, z.B. ausgedrückt durch den Umsatz oder die Anzahl der Fahrzeuge (siehe auch (Klein 2007)) .

Derartige Daten sind jedoch nicht verfügbar und können daher für eine Gewichtung nicht genutzt werden (siehe auch (Schwacke 2007)). Die nächstbeste Möglichkeit ist die Gleichgewichtung aller Anmietstationen, die für diese Studie angewendet wurde. Ein geeignetes Maß, die Schwankungsbreite der einzelnen ermittelten Preise darzustellen, ist die Angabe der » Standardabweichung «. Die Standardabweichung gibt an, wie weit die einzelnen Werte um den Mittelwert gestreut sind. Arithmetischer Mittelwert und Standardabweichung wurden daher für die Darstellung der Ergebnisse ausgewählt.

Bei Mietwagenpreisen gibt es unterschiedliche Tarife. Der Marktpreis wird am besten durch den Preis bzw. Tarif abgebildet, den eine Privatperson oder ein Geschäftsmann selbst bezahlt. Dieser Preis wird im Folgenden als » Normaltarif « bezeichnet. Dieser Normaltarif dient mittlerweile in der Rechtsprechung als typische Basis für die Abschätzung erstattungsfähiger Kosten. Zusätzlich ist es erforderlich, dass bei der Abfrage von Preisen » genügend viele « Freikilometer im Preis enthalten sind. Preisangaben, die auf Sondereffekten beruhen – beispielsweise besonders günstige Preise am Wochenende oder höhere Preise bei großer Nachfrage (z.B. Ferienzeit) – sollten nicht in die Erhebung einfließen. “

Dies zeigt letztendlich, dass sich Fraunhofer mit der vorstehenden Problematik überhaupt nicht auseinandergesetzt, sondern eigene Kriterien aufgestellt hat, was Fraunhofer unter einem Marktpreis versteht, der dann als Normaltarif bezeichnet wird. Dies kann so nicht akzeptiert werden und entspräche auch nicht den Vorgaben, die gemäß § 404 a ZPO für einen Sachverständigen zu machen wären. Der Normaltarif ist nicht der in diesem Moment gültige Preis (Angebot), sondern wie unter 1.2.1. herausgearbeitet ein Tarif/Preis von einer gewissen Dauer seiner Gültigkeit (auf dieses – auch – buchungstechnische Problem wird weiter unten noch näher eingegangen). Letztendlich kann aus diesen Ausführungen von Fraunhofer schon der Schluss gezogen werden, dass man nicht einen „Normalpreis-Markt“ abgefragt hat, sondern einen „Sonderangebotsmarkt“, worauf im Einzelnen noch einzugehen sein wird. An dieser Vorgehensweise hat sich ausweislich Seite 13/14 des aktuellen Fraunhofer Marktpreisspiegels 2012 nichts geändert.

Zu dieser Methode der Marktpreisbildung bzw. Normaltariffestlegung ist Folgendes kritisch anzumerken:

Als Marktpreis ist grundsätzlich der Preis anzusehen, der sich kurzfristig aufgrund diverser Bedingungen am Markt (an einem bestimmten Ort) gebildet hat. Dieser Preis ist häufig ein Tagespreis oder gar noch kürzer verfügbar. Dass Fraunhofer dies ebenfalls so sieht, ergibt sich aus der Häufigkeit der durchgeführten Nachfragen, da ansonsten es ausgereicht hätte, bei jeder Station eine einmalige Abfrage durchzuführen.

Letztendlich erscheint die fraunhoferseits erfolgte Tarifkonditionenreduktion insbesondere auf Preis, Anmietzeit/Dauer, evtl. Abhol-/Rückgabeort, Haftungsreduzierung bzw. Haftungsbeschränkung mit typischer Selbstbeteiligung (meist zwischen 750,00 € und 950,00 €) und Inclusive-Kilometer, als „eindeutig zu kurz gesprungen“. Von besonderer Wichtigkeit ist nämlich die zeitliche Flexibiliät des Tarifs sowie freie Zubuchungsmöglichkeiten möglichst vieler Wunschleistungen, wie z.B. Bring- und Holdienste sowie die Zahlungskonditionen. So hat der Zeuge R. bestätigt, was aber eigentlich Allgemeinwissen im Zusammenhang mit der von Fraunhofer versuchten Art der Fahrzeuganmietung via Internet/Telefon ist, dass die Tarife nicht zeitlich flexibel sind. Dementsprechend muss von vorneherein bei der Buchung die genaue Buchungsdauer angegeben werden. Wer dies nicht kann oder will, der kann folglich kein Fahrzeug zu den von Fraunhofer erfragten Preisen erhalten. Dies bedeutet im konkreten Fall:

Hätte sich die Geschädigte vorliegend – wie es wohl in Bezug auf die Reparaturzeit ursprünglich aussah – auf eine Mietzeit von einer Woche beschränkt, so hätte sie dann möglicherweise eine bis sogar mehrere Verlängerungen vornehmen müssen, jeweils zum dann gültigen neuen Wochen-/Tagestarif. Diese Flexibilität besteht gerichtsbekanntermaßen bei allen Tarifen, die von Schwacke abgefragt worden sind; jedenfalls wird es regelmäßig in dieser Flexibilität gehandhabt, was auch die vorliegende Abrechnung durch die Klägerin zeigt.

Dementsprechend ist der Fraunhofer Marktpreisspiegel auch nicht geeignet, einen Tarif mit dieser besonders wichtigen Kondition als Schätzgrundlage zu belegen.

Da eine Untersuchung von Fraunhofer nicht vorliegt bzw. im Marktpreisspiegel zumindest nicht mitgeteilt wird, wie sich diese Problematik insgesamt auf Anmietsituationen auswirkt und inwieweit Vermieter bereit wären, bei Sonderangeboten Flexibilität im Sinne des Kunden zu schaffen und zu welchen Konditionen, kann Fraunhofer als Schätzgrundlage nicht weiterhelfen.

Im Gegenteil ist dem Gericht aus anderen Verfahren bekannt, dass Mietwagenfirmen wie z.B. die Fa. AVIS, hier keine kundenfreundliche Lösung anbieten, sondern nicht nur via Internet, sondern auch bei Nachfragen in der Station Neuverträge mit den Kunden für neue Zeiträume und mit entsprechend neuen Konditionen machen, mal ganz abgesehen von der Lästigkeit, die man versichererseits/fraunhoferseits dem Kunden offenbar zumuten will, wieder in die Station kommen zu müssen.

Bestätigt auch durch den Zeugen R. hat Fraunhofer viele im Mietwagengeschäft übliche Zusatzleistungen nicht abgefragt, so dass auch insoweit nicht nachvollzogen werden kann, ob und gegebenenfalls welche Zusatzleistungen mit den erfragten Preisen überhaupt verbunden werden können.

b) Ein Großteil des Fraunhofer Marktpreisspiegels befasst sich ausschließlich mit Internetabfragen in Bezug auf die sechs größten Anbieter in Deutschland. So wurde seitens des Bundesgerichtshofs wiederholt ausgeführt, dass es sich bei dem Internet um einen Sondermarkt handelt, auf den sich der Geschädigte nicht verweisen lassen muss.

Wiederholte Versuche des Unterzeichners im Internet ein Fahrzeug „fiktiv“ anzumieten, scheiterten regelmäßig daran, dass ganz am Ende – also wenn man es fast schon buchungsmäßig „geschafft“ hatte – nach einer Kreditkartennummer gefragt wurde. Dementsprechend war man bei Nichtangabe derselben auch nicht in der Lage, ein Fahrzeug konkret anzumieten. Letztendlich waren alle Angaben im Internet, die günstige Preise nannten, nichts anderes als eine sogenannte invitatio ad offerendum, deren tatsächliche Verfügbarkeit faktisch nicht überprüft werden konnte. Ausweislich der Aussage des sachverständigen Zeugen R. vom Fraunhofer Institut wurde in keinem Fall ein solcher Buchungsversuch tatsächlich unternommen. Damit ist dieser Teil der Fraunhofer Liste nichts anderes als die Wiedergabe von Internetdaten, bei denen es durchaus wahrscheinlich ist, dass solche Preise erzielt werden können, aber eben nicht müssen, aber ohne praktischen Buchungsrealitätsbezug.

(Anmerkung: Auf die Anfrage von Schwacke hat die Fa. Terstappen folgendes geantwortet:

„.. Beigefügt erhalten Sie unsere gültige Preisliste für das Normalkundengeschäft/ Selbstzahlertarife und die Liste über die Haftungsbeschränkungskosten.

Über Internettarife kann man überhaupt keine Daten erheben. Die Tarife ändern sich fast täglich und es handelt sich auch stets um Sondertarife. Ebenso sind Internetangebote Werbung. Ob ein bestimmtes Fahrzeug und zu welchen weiteren Nebenkosten überhaupt buchbar ist, wird pro Einzelfall und Kundenbonität entschieden:

Unsere Filialen erhalten Sie in der beigefügten Aufstellung. Bitte berücksichtigen Sie, dass auch die umliegenden Städte bedient werden….“)

Von der Praxis her ist es mit Buchungen im Internet, sei es Mietwagen, Bahnsonderpreise oder günstige Urlaubspreise, so, dass jeder, der solche Buchungen schon versucht hat, „ein Lied davon singen kann“, wie schnell sich Preise ändern und die ursprünglich gedachte bzw. erhoffte Erreichbarkeit eines günstigen Preises nicht gegeben ist. Je nach Nachfrage oder aus sonstigen Gründen verschwinden günstige Angebote binnen Minuten vom Markt; Überlegungsfristen schrumpfen oft auf Null.

c) Die Fraunhofer Untersuchung lässt bei der Wiedergabe der im Internet gefundenen Preise völlig außen vor, dass die namhaften großen Vermieter im Internet auch Preislisten hinterlegt haben, die wesentlich höhere Preise angeben, als die, die bei Fraunhofer in den Internet-Mietpreisspiegeln eingeflossen sind. Es wird auch nicht in irgendeiner Weise kommentiert, warum dies nicht geschehen ist, sondern vielmehr der Eindruck vermittelt, als habe man alles abgefragt und in den Mietpreisspiegel einfließen lassen. So wurde zum Beispiel von dem sachverständigen Zeugen C., der Angaben zum Schwacke-Mietpreisspiegel machen sollte, der Standard Tarif Bar KK von AVIS vorgelegt, der seitens des Gerichts auch in anderen Verfahren im Internet eingesehen worden ist. Ersichtlich sind die dort genannten Zahlen, die von Schwacke für deren Mietpreisspiegel 2010 erhoben worden sind, nicht in den Fraunhofer Mietwagenspiegel 2010 eingeflossen, obwohl die Erhebungen etwa im gleichen Zeitraum – bei Fraunhofer nur etwas länger – erfolgt sind. Denn dort ist zum Beispiel für ein Fahrzeug der Gruppe 2 -was im vorliegenden Fall relevant wäre – für 7 Tage (also eine Woche) ein Preis von 641,00 € aufgeführt, während Fraunhofer bundesweit als Maximum 438,00 € angibt. Da diese Preise täglich im Internet stehen, hätten sie logischerweise auch Eingang in den Spiegel finden müssen – oder wären wenigstens in einer erläuternden Fußnote der Erwähnung wert gewesen.

d) Die durchgeführten telefonischen Erhebungen sind nicht annähernd geeignet, zu bestätigen, dass die erfragten Preise den örtlich relevanten Markt betreffen, denn sie reduzieren sich jeweils auf einstellige Postleitzahlen, was bedeuten würde, dass sich eine Kleinstadt und Umgebung – wie Landau in der Pfalz – möglicherweise orientieren muss an den Ergebnissen für eine Großstadt wie Stuttgart und eine Raumausdehnung bis an die Schweizer Grenze im Bereich 7.

Die Telefonuntersuchung ist auch nicht geeignet zu belegen, dass Internetpreise und Telefonpreise sich so ähnlich sind, als dass man auf die Internetpreise als Schätzgrundlage zurückgreifen könnte. So liegt das telefonisch erfragte Maximum für die Klasse 2 beim 7-Tage-Preis mit 389,00 € für den Postleitzahlenbereich 7 deutlich über dem Internetpreis von 264,00 €, ebenso wie bundesweit 541,00 € zu 438,00 €, bei im Übrigen in beiden Fällen stark voneinander abweichenden Minimalwerten mit allerdings relativ nahe beieinanderliegenden Mittelwerten.

Bei der Telefonerhebung ist zusätzlich darauf hinzuweisen, dass anders als bei der Interneterhebung die Anzahl der abgefragten Stationen nicht angegeben wird, so dass ganz erheblich angezweifelt werden muss, dass die Anzahl von Nennungen für Klasse 2 bundesweit mit 421 und im Postleitzahlengebiet 7 mit 39 noch statistisch sinnvoll verwertbar ist.

In diesem Zusammenhang erlaubt sich der erkennende Richter eine Bemerkung dahingehend, dass die Beklagtenseite offenbar selbst nicht an die Preise des Fraunhofer Marktpreisspiegels glaubt. Erstattet wurden vorliegend für 23 Tage 1.287,58 €. Dies würde auf Basis des Marktpreisspiegels 2010 für den Postleitzahlenbereich 67 einem arithmetischen Mittel von 218,46 € entsprechen. Der Tagespreis beläuft sich auf 62,00 €, was letztendlich bedeutet: 3×218,46 € = 655,38 € + 2 x 62,00 € = 779,38. Selbst wenn wir hierauf noch einen 20 %igen Unfallersatzaufschlag machen würden, sind wir weit entfernt von der beklagtenseits gezahlten Summe. Würde man das Postleitzahlengebiet 76 zugrundelegen, würde sich das Ganze noch nicht mal 50,00 € nach oben verschieben. Dies zeigt letztendlich sehr deutlich, dass auch seitens der Beklagten der Fraunhofer Marktpreisspiegel nicht als realitätsnahe Abbildung des tatsächlichen Normaltarifs angesehen werden kann.

e) Letztendlich ist die Telefonerhebung auch deshalb zur Ermittlung des Normaltarifs ungeeignet, weil ihr unrealistische Anmietszenarien zugrundeliegen.

Vorauszuschicken ist, dass der Normalkunde sich häufig zum ersten Mal um einen Mietwagen bemüht und zwar zumeist deshalb, weil er unfallbedingt einen Ersatzwagen benötigt. Das von dem Zeugen R. geschilderte und schriftlich hinterlegte Anmietszenario lässt dies völlig außen vor. Insbesondere ist nicht erkennbar, wie der Kunde beraten wird, welches Fahrzeug ihm letztendlich zusteht. Es wird lediglich nach einem kleinen Auto oder z.B. nach dem nächstgrößeren gefragt. Bekanntermaßen ist es jedoch so, dass das Fahrzeug eines Geschädigten in eine bestimmte Klasse nach Schwacke einzustufen ist (Anmerkung: Das Herausfinden des „passgenauen“ Fahrzeugs entspricht noch normaltariflichem Service und führt nicht zu unfallersatzbedingten Aufschlägen). Manche Fahrzeuge fallen – je nach Ausstattung – bekanntermaßen in ganz unterschiedliche Schwacke-Klassen. Dementsprechend wäre die Frage z.B. nach einem VW Golf zwar in gewisser Weise zielführend, aber nur ganz grob. Ggf. müsste der Kunde aufführen, was in dem Fahrzeug alles sein soll, begonnen von der Motorisierung bis hin zur detaillierten Ausstattung. Dieses Szenario will man dem Geschädigten offenbar für Anfragen bei mehreren Autovermietungen zumuten. Der Gesprächsverlauf gemäß der Anlage 1, Blatt 353 d.A., ist auch insoweit sachfremd, als dort nach einem Fahrzeug einer größeren Klasse gefragt wird; im Sinne der Sparsamkeit hätte eigentlich eher nach einem niedrigpreisigeren Fahrzeug gefragt werden müssen. Dass das Angebot einer Selbstbeteiligung auf Null einfach so ausgeschlagen wurde, ist ebenfalls nicht unbedingt realitätsgerecht, nachdem es für Anmieter durchaus interessant sein kann, nicht haften müssen, wenn mit dem fremden Fahrzeug etwas passiert.

Letztendlich endet der fiktive Gesprächsverlauf damit, dass nach einer unverbindlichen Reservierung gefragt wird. Wie das Wort unverbindlich schon sagt, ist diese Reservierung eben nur eine unverbindliche.

Die Behauptung von Fraunhofer, die Anmietszenarien seien realitätsnah erfolgt, kann daher nicht bestätigt werden. Insbesondere der Umstand, dass keine einzige Buchung bis zu Ende durchgeführt worden ist, zeigt, dass die Behauptung der Realitätsnähe nicht validiert worden ist.

Da preisbildende Faktoren, wie zweiter Fahrer, größere Haftungsreduzierung, Zustellung, Abholung etc. etc., nicht ermittelt worden sind, kann auch insoweit das Anmietszenario nicht als praxisgerecht bezeichnet werden. Dies liegt aber wohl insbesondere auch daran, dass im Internet solche Dinge oft nicht angeboten werden und Fraunhofer eine Vergleichbarkeit zwischen Internet- und Telefonanmietung erreichen wollte.

Die Nichtabfrage von zu erbringenden Sicherheitsleistungen wie Kaution, Kreditkarte, bzw. unter welchen sonstigen Konditionen verbindlich gebucht und die Zahlung erbracht werden kann bzw. muss (z.B. Vorkasse, auf Rechnung, Barzahlung etc.), stellt einen schwerwiegenden Mangel des Anmietszenarios dar, weshalb insbesondere die Frage auch nicht beantwortet werden kann, inwieweit sehr niedrige Preise eventuell mit hohen Hürden – wie etwa einer Kreditkarte – zwingend verbunden sind und dementsprechend völlig offen bleibt, ob „Otto Normalverbraucher“ zur verbindlichen Anmietung in der Lage ist. Nur dann kann ein allgemein zugänglicher Normaltarif vorliegen, der nichts mit einem Unfallersatztarif zu tun hat.

Wenn man zutreffenderweise den Normaltarif in vorstehendem Sinne versteht, verbleibt für zusätzliche Unfallersatzaufwendungen kaum Raum. Mit diesen zusätzlichen Unfallersatzaufwendungen könnten z.B. „Klippen überwunden werden“, wie z.B. fehlende Zahlungsfähigkeit für eine Kaution, fehlende Kreditkarte oder erforderliche Kreditierungen (für den vorliegenden Fall ist dies jedoch nicht weiter diskussionswürdig, da entscheidungsunerheblich, nachdem die Klägerin solche Aufschläge nicht gemacht hat).

Würde man letztendlich den Vorstellungen der Initiatoren des ersten Fraunhofer Marktpreisspiegels (= Versicherungswirtschaft) und in der Folge des Fraunhofer-Instituts folgen, käme dies einer teilweisen Enteignung gleich. Der Geschädigte müsste sich im Interesse des Schädigers Einschränkungen unterwerfen, die er zuvor nicht hatte und ohne das Tun des Schädigers nicht haben würde. Warum soll er sich also Niedrigpreisangeboten, die mit den verschiedensten Einschränkungen verbunden sind – was er auch noch eigenverantwortlich erforschen soll – unterwerfen, anstatt einen – wenngleich teureren – Normaltarif zu wählen, der ihm die zuvor gehabte Flexibilität möglichs weitgehend erhält.

Die Ansätze von Fraunhofer konsequent zu Ende gedacht, würde dies sogar bedeuten, dass ein Geschädigter – wenn das Fahrzeug noch verkehrssicher ist – den Reparaturtermin mit dem Mietwagentermin koordinieren muss dergestalt, dass er z.B. Preise in den z.B. nächsten 10 Wochen erfragen und da diese bei den Sonderpreisen – Marktpreisen – bekanntermaßen schwanken, am Tag des günstigsten Mietwagenpreises die Reparatur beginnen müsste, verbunden mit einer frühestmöglichen Vorbuchung, da der Preis sonst wohl wieder aus dem Angebot verschwunden ist.

3. Methodische Vorgehensweise: Verdeckte Datenerhebung

Die von Fraunhofer angewandte Methode der verdeckten Datenerhebung ist nicht zu beanstanden aber nicht zwingend erforderlich.

Auch dem erkennenden Richter erscheint es wie der ersten Zivilkammer des Landgerichts Landau in der Pfalz als in methodischer Hinsicht vom Ansatz her vorzugswürdiger, dass der Fraunhofer Marktpreisspiegel im Gegensatz zum Schwacke Mietpreisspiegel auf einer „verdeckten“ Datenerhebung beruht. Allerdings nur auf den ersten Blick. Bei dieser Betrachtungsweise wird nämlich zunächst völlig außer Acht gelassen, dass nach § 5 der Preisangabenverordnung jeder, der Leistungen anbietet, ein Preisverzeichnis mit den Preisen für seine wesentlichen Leistungen aufzustellen hat. Dieses ist im Geschäftslokal oder am sonstigen Ort des Leistungsangebots …. anzubringen. Dementspechend bringt eine verdeckte Befragung hier zunächst gar nichts, da diese Preisverzeichnisse jedermann auf Nachfrage zur Verfügung stehen müssen. Folgerichtig hat bisher auch noch niemand ernsthaft behauptet, die Autovermieter würden an Schwacke Preisverzeichnisse weiterleiten, die sozusagen nur „unter dem Ladentisch“ für Unfallgeschädigte bereit gehalten werden. Hierfür gibt es überhaupt keinen Anhaltspunkt. Vielmehr finden wir die von Schwacke verwendeten Tarife und Preise zumindest teilweise auch im Internet (vergl. z.B. den Bar KK von AVIS), also völlig offen einsehbar. Auf diese Problematik geht Fraunhofer bei seiner verdeckten Befragung ebenfalls nicht ein. Insbesondere wird auch nicht ermittelt, wie sich Sonderpreise zu den Preisverzeichnispreisen verhalten; auch nicht, wie sicher es ist, an jedem Tag der Woche an ein Fahrzeug zu diesen in der Regel im Vergleich zum Preisverzeichnis günstigeren Preisen heranzukommen.

4. Bewertung der Fraunhofer Erhebungen unter statistisch-/mathematischen Gesichtspunkten:

Fraunhofer will den Anwender des Marktpreisspiegels offenbar zur Anwendung des Mittelwertes (= arithmetisches Mittel) hinführen, ohne sinnvolle Interpretationshilfen anzubieten.

Wie bereits unter der Rubrik „Postleitzahlenbereich“ ausgeführt, behauptet der Fraunhofer Marktpreisspiegel, dass die statistische Relevanz der Ergebnisse durch mindestens 30 Werte pro Datenzelle sichergestellt werden solle. In diesem Zusammenhang sind dann die Ausführungen mit Normalverteilung und Standardabweichung auf Seite 31 und 32 im Marktpreisspiegel von 2010 zu sehen. Dort wird von einer Normalverteilung der Werte gesprochen.

Von einer Normalverteilung (vergl. Universität Zürich, Methodenberatung, Deskriptive, univariate Analyse (Verteilungen), 5. Normalverteilung, zitiert nach: www.methodenbera-tung.uzh.ch/datenanalyse/deskuniv.html, abgefragt am 07.04.2013) spricht man im Sinne der Gaußschen Glockenkurve. Dabei geht man davon aus, dass sich im Prinzip alle erfragten Werte innerhalb dieser Kurve befinden. Die Standardabweichung bedeutet dann nach Fraunhofer, dass sich bei einmaliger Standardabweichung ca. 68,3 % aller Werte in einem Intervall von Mittelwert +/- Standardabweichung befinden und 95,4 % in einem Intervall von Mittelwert +/-2 x Standardabweichung. Dies setzt aber zunächst voraus, dass wir einen Mittelwert haben, der den Anforderungen einer Standardnormalverteilung entspricht. Dies ist aber nicht einmal für das Musterbeispiel, Seite 32 des Fraunhofer Marktpreisspiegels 2010, gegeben. Es basiert auf den Werten auf Seite 33 mit einem Mittelwert von 95,44, einem Minimalwert von 48 und einem Maximalwert von 237. Im Sinne der Gaußschen Glockenkurve müsste bei einer Standardnormalverteilung sich das arithmetische Mittel 142,50 ergeben, was für sich bereits bedeutet, dass die Verteilung „schief ist. Weitere Hilfestellungen zur Bewertung dieses Ergebnisses, wie etwa Modus- oder Median-Werte, sind nicht gegeben. Der Modus- oder Modalwert (häufigster Wert) ist in der Stochastik in Bezug auf die Verteilung eines Merkmales diejenige Merkmalsausprägung, die am häufigsten gemessen wird. Bisweilen können auch mehrere häufigste Werte (Modi) existieren. Der Modus wird insoweit als eine sinnvolle Maßzahl erachtet (vergl. Wirtz, Nachtigall, Deskriptive Statistik, statistische Methoden für Psychologen Teil I, 3. Auflage 2004, Seite 71 f.). Der Mediän einer Verteilung ist der Wert, für den gilt, dass 50 % aller Werte kleiner oder gleich und 50 % aller Werte größer oder gleich sind. Ein Mediän halbiert daher die Stichprobenverteilung (vergl. Wirtz, Nachtigall, a.a.O., Seite 72).

Diese Werte gibt Fraunhofer nicht an, so dass der Benutzer der Tabelle außer dem Mittelwert keine zusätzliche Interpretationshilfe zur Hand hat, was aber aufgrund der Schiefe der Verteilung bzw. des erheblichen Abweichens von der Normalverteilung im Sinne der Gaußschen Glockenkurve zwingend erforderlich wäre. Die Standardabweichung an sich kann hier wenig weiterhelfen, da hierdurch kaum ersichtlich ist, wie die Verteilung der Preise wirklich liegt -auch nicht, ob es eine „unnormale“ Häufung von Werten auf nur einer Seite des Mittelwertes gibt – und wie eventuell Ausreißer das Ergebnis in die eine oder andere Richtung beeinflusst haben.

An dieser Stelle erscheint ein erläuternder „Ausflug“ in das Gebiet der Deskriptiven Statistik erforderlich. Das Nachfolgende orientiert sich dabei zunächst an der Darstellung der Universität Zürich, a.a.O.:

3. Verteilungsparameter

Zusätzlich zu einer graphischen Darstellung lassen sich verschiedene Parameter berechnen, die die Verteilung der Merkmalsausprägungen charakterisieren

3.1. Lagemaße, zentrale Tendenz: Mittel, Mediän und Modus

(Anmerkung: Aus Gründen der Lesbarkeit wurde es aus dem Originaltext in der Folge in ß abgeändert)

Lagemaße beschreiben die sogenannte zentrale Tendenz der Daten. Diese charakterisieren die Häufigkeitsverteilung durch einen einzigen Wert, der die gesamte Verteilung so gut wie möglich repräsentieren soll. Wichtige Maße sind hier das arithmetische Mittel, der Mediän und der Modus.

3.1.1. Das arithmetische Mittel

Das arithmetische Mittel (mean, Mittelwert) ist das gebräuchlichste Maß der zentralen Tendenz. Es ist gleich dem mathematischen Durchschnitt.

3.1.2. Der Mediän

Der Mediän (median, Zentralwert) teilt eine Stichprobe in zwei gleich große Hälften. Er ist damit das 50 %-Quantil der Verteilung einer Variablen. Es liegen genau so viele Werte unter wie über diesem Wert.

Bei einer geraden Anzahl Fälle ist der Modus im Falle metrischer Daten der arithmetische Mittelwert der beiden in der Mitte liegenden Fälle, während das arithmetische Mittel durch Ausreisser stark beeinflusst wird, ist der Median gegenüber Extremwerten robust, da er zur Bestimmung lediglich die Ränge der Beobachtungen, nicht aber deren absolute Ausprägungen berücksichtigt.

3.1.3. Der Modus

Der Modus (mode, Modalwert) ist der häufigste Wert einer Verteilung

Der Modus ist nicht eindeutig, falls mehrere Ausprägungen gleich häufig vorkommen, in diesem Fall werden beide Ausprägungen als Modus genannt oder es wird im Falle von metrischen Daten der Mittelwert der beiden Ausprägungen berichtet. Der Modalwert wird insbesondere bei kleinen Stichproben oft von Zufallsschwankungen beeinflusst. Allgemein beinhaltet er nur die Information, welche Ausprägung am häufigsten vorkommt.

3.2. Streuungsparameter: Varianz und Standardabweichung

Die Streuungsparameter (Dispersionsmasse) beschreiben die Variabilität der Ausprägung eines Merkmals in einem Datensatz. Sie messen, wie dicht die Werte einer Häufigkeitsverteilung um den Mittelwert streuen. Die am häufigsten verwendeten Grossen sind die Varianz und die Standardabweichung

3.2.2. Die Standardabweichung

Sowohl bei der Standardabweichung als auch der Varianz fallen Ausreisser stark ins Gewicht.

4. Schiefe und Steilheit

4.1. Schiefe

Die Schiefe (skewness) ist ein Maß für die Symmetrie einer Häufigkeitsverteilung. Bereits anhand der Lage von Mittelwert, Mediän und Modus zueinander lässt sich erkennen, ob und in welche Richtung eine Verteilung schief ist – das heisst, wie sie gegen links oder rechts von einer Normalverteilung abweicht. Dazu kann eine spezifische Maßzahl errechnet werden: die Schiefe.

4.2. Steilheit

Die Steilheit (Wölbung, Kurtosis, Exzess) einer Verteilung drückt aus, ob die Verteilung im Vergleich zu einer Normalverteilung eher „schmalgipflig“ oder „breitgipflig“ ist. Bei gleichbleibender Standardabweichung können die Beobachtungen stärker auf die Mitte und die Enden der Verteilung konzentriert vorliegen („spitze“ Verteilung) oder die Mitte und die Enden sind eher wenig besetzt, was bei einer falschen Verteilung der Fall ist.

Warum Fraunhofer all diese statistischen Erfordernisse außen vor lässt, ist nicht recht nachvollziehbar, zumal Fraunhofer die Untersuchung von Ingo Klein zitiert:

Bewertung der Erhebungs- und Auswertungsmethoden des Automietpreisspiegels der Schwacke Bewertungs GmbH, Diskussionspapier 81/2007: www.statistik.wiso.uni-erlangen.de/forschung/d0081.pdf, zuletzt abgerufen am 08.08.2012, in derauf Seite 3 zunächst aus dem Schwacke AMS 2006 zitiert wird: „Sowohl Minima als auch Maxima und Modus sind tatsächliche Angebotspreise. Das arithmetische Mittel bildet nicht einen tatsächlichen Angebotspreis ab, es handelt sich vielmehr um einen errechneten Durchschnittspreis.“

Hierzu merkt Klein unter anderem an:

„Damit ist wohl gemeint, dass es am Markt in dem betreffenden PLZ-Gebiet keine Vermietstation geben muss, die zu dem für diesen PLZ-Bereich errechneten Durchschnittspreis tatsächlich ein Mietangebot macht. Dies ist genauso unstrittig wie die Tatsache, dass es bei einer Abiturdurchschnittsnote von 2,34 kein Einzelfach geben muss oder sogar kann, in dem die Note 2,34 erzielt wurde. Dies ist für ein Lagemaß auch nicht zu fordern. In dem Kontext des Automietpreisspiegels mag dies anders sein, da der Geschädigte sicher sein muss, zu einem ihm zugesprocbenen Tarif auch tatsächlich ein Auto anmieten zu können. Dieser Mangel ließe sich sehr leicht beheben, wenn im Mietpreisspiegel zu jedem Durchschnittspreis noch derjenige tatsächlich angegebene Preis genannt würde, der dem Durchschnittspreis am nächsten liegt. Wenn man zum Vorteil des Geschädigten rechnet, könnte dies auch der zum Durchschnittspreis nächst höhere, tatsächliche angegebene Preis sein. Auch mittels des Medians könnte dieses Problem der Abweichung von Durchschnittspreis und tatsächlich angegebenen Preisen umgangen werden.

Fazit: Festzuhalten bleibt, dass bei einem quantitativen Merkmal wie den Tarifen üblicherweise mit dem arithmetischen Mittel als Lagemaß gearbeitet wird.

Getrimmte und winsorisierte Mittel. Gibt es weitere Nachteile des arithmetischen Mittels? Betrachtet man die Preisspannen zwischen niedrigstem und höchstem Angebotspreis, so fallen diese sehr groß aus. D.h. das Maximum ist stets ein Vielfaches des Minimums. Es wird sich aller Wahrscheinlichkeit nach zumindest beim Maximum um einen sog. Ausreißer handeln, d.h. eine Vermietstation macht Tarifangaben, die von dem Gros der übrigen Angaben deutlich entfernt liegen.

Extrem sensitiv auf Ausreißer in den Preisangaben reagiert naturgemäß die mittlere Spannweite, auch Midrange genannt, die sich als arithmetisches Mittel von Minimum und Maximum ergibt. Auch diese mittlere Spannweite ist prinzipiell ein denkbares Lagemaß für die Merkmale Normal- und Unfallersatztarif. Es wird aber wegen dieser Ausreißergefährdung zumeist nicht berech net. Da es aber aus den wenigen Angaben der SchwackeListen konstruiert werden kann, soll es weiter unten nur zu Illustrationszwecken als zum Modus alternatives Lagemaß kurz verwendet werden.

Aber auch das arithmetische Mittel reagiert empfindlich auf Ausreißer. Dies ist aus dem Bereich der Schulnoten bekannt, da eine einzige Fünf bei sonst nur Einsen den Notendurchschnitt verderben kann. Noch drastischer ist die Wirkung, wenn die größtmögliche Zahl nicht wie im Zensurenspiegel durch die Zahl 5 beschränkt ist, sondern auch Mietpreise für den Monatstarif der Typenklasse 10 von 10000 Euro oder mehr angegeben werden können.

Um diese Ausreißersensitivität des arithmetischen Mittels zu begrenzen, werden in der Literatur mehrere Alternativen vorgeschlagen. Beim getrimmten arithmetischen Mittel wird bei der Berechnung des Mittelwertes ein bestimmter Anteil (z.B. 5 Prozent) kleinster und größter Werte ignoriert. D.h. die Zahl der Werte, aus denen das arithmetische Mittel berechnet wird, verkleinert sich. Beim sog. winsorisierten Mittel schneidet man wiederum einen bestimmten Anteil kleinster und größter Werte ab, berechnet den dann noch verbleibenden kleinsten bzw. größten Wert und berücksichtigt diesen so häufig, wie man vorher kleinste und größte Werte eliminiert hat. Die Anzahl der Werte, aus denen das arithmetische Mittel berechnet wird, verändert sich nicht. Es werden lediglich einige Werte am Rande konstant gesetzt.

Fazit: Wenn Ausreißer im Datensatz der Schwackeliste eine Rolle spielen, wird empfohlen, von arithmetischen auf getrimmte oder winsorisierte Mittel überzugehen, und jeweils diejenige Zahl als Mittelwert auszuweisen, die tatsächlich erhoben wurde und getrimmten bzw. winsorisierten Mittel am nächsten liegt. Wenn dieser Vorschlag nicht akzeptabel ist, weil getrimmte oder winsorisierte Mittel in dem juristischen Kontext nicht vermittelbar sind, wird der Mediän als Mittelwert empfohlen, der einem Spezialfall des getrimmten Mittels darstellt.“

Verkürzt zusammengefasst bedeuten diese Ausführungen von Klein jedoch nichts anderes, als dass man mit einem einfachen arithmetischen Mittel allein nicht viel anfangen kann. Warum Fraunhofer trotz dieser Erkenntnisse seit 2008 als Maßzahl lediglich den Mittelwert im Sinne eines arithmetischen Mittels zwischen Minimum und Maximum anbietet, das ersichtlich nicht der Gaußschen Normalverteilung entspricht und als Interpretationshilfe lediglich eine Standardabweichung benennt, für deren faktische Verwendbarkeit auch der Zeuge R. keine weiterführende sinnvolle Erklärung abgeben konnte, ist nicht recht erklärbar.

Wie extrem die Ausreißerproblematik werden kann, zeigt die Nacherhebung des Zeugen R. für den 18.02.2013, die dieser im Termin zu seiner Vernehmung referiert hat. Hieraus ist ersichtlich, wie der aus den übrigen Befragungsergebnissen deutlich herausfallende Wert von 49,00 € den arithmetischen Mittelwert nach unten verschoben hat. So wurden z.B. für den Tagespreis folgende Werte abgefragt: 65,45; 77,00; 84,00; 49,00; 70,76; 85,00, was einem arithmetischen Mittelwert von 71,87 entspricht. Ohne Berücksichtigung dieses extrem niedrigen Wertes von 49,00 € ergäbe sich ein arithmetischer Mittelwert von 76,44. Dafür, wie mit solchen Phänomen umzugehen ist, enthält der Fraunhofer Marktpreisspiegel keine Handlungshinweise. Hätte man z.B. den Mediän und den ggf. auch den Modus zur Verfügung, so könnte man die gefundenen Zahlen besser deuten.

Dieses Beispiel belegt auch deutlich, dass die Annahme von Klein, dass es sich beim Maximum nach aller Wahrscheinlichkeit um einen Ausreißer handeln wird, gerade nicht zwingend ist. Der absolute Ausreißer liegt hier beim Minimum. Würden diese Daten in einen Marktpreisspiegel einfließen, wäre diese Problematik letztendlich nicht erkenn- bzw. nachvollziehbar. Da die „Deutungshoheit“ in den Verantwortungsbereich des Richters fällt, ist die zwingend erforderliche Interpretation der von Fraunhofer mitgeteilten Daten nicht möglich und dementsprechend ist auch aus diesem Grund der Fraunhofer Marktpreisspiegel als Schätzgrundlage ungeeignet.

Abgesehen von dieser Anwendungsproblematik hat Fraunhofer noch ein anderes statistisches Problem in den Mietpreisspiegel „eingebaut“, das bei oberflächlicher Betrachtung in seiner Brisanz so zunächst nicht zu erkennen ist. Unter Punkt 4 auf Seite 30 wird nämlich deutlich, wie der Mittelwert berechnet worden ist: „Liegen bei einer Anmietstation mehrere Preise für Fahrzeuge einer Klasse vor, so wird anstelle der Einzelwerte der arithmetische Mittelwert für die weiteren Berechnungen genutzt. Damit geht pro Anmietstation maximal ein Wert pro Fahrzeugklasse- und Anmietzeitraum in die Berechnungen für den gesamten Mittelwert ein. Dies bedeutet eine Gleichgewichtung der einzelnen Anmietstationen – nicht der einzelnen erfassten Werten. Damit ist gewährleistet, dass Anmietstationen mit mehreren Fahrzeugen in einer Klasse nicht mehr Gewicht finden, als Anmietstationen mit einem Fahrzeug.“ Dies erscheint zwar vordergründig überzeugend, führt aber dazu, dass auch hier der Marktpreisspiegelanwender „bevormundet“ wird. Durch diese Art und Weise der Werteerfassung wird nämlich der statistische Wert durchaus in die eine oder andere Richtung aller Gesamtwerte verschoben ohne Nachvollziehbarkeit des „Wie“. Letztendlich scheint dann nur jeweils ein Wert pro Station einzufließen verbunden mit der Frage, ob dann die eigenen statistischen Vorgaben des Fraunhofer-Instituts noch erfüllt sind.

Fraunhofer hat auch seine Umfrage nicht z.B. über einen Zeitraum von 2 Monaten täglich durchgeführt, sondern sich sogar auf verschiedene Wochentage und donnerstags nur auf eine verkürzte Geschäftszeit beschränkt. Welche Konsequenz diese Beschränkung de facto hat, wird nicht konkret untersucht, sondern lediglich in Form von Zielvorgaben / Behauptungen aufgestellt „um Sondereffekte (günstigere Preise durch Wochenendtarife) auszuschließen“. Die gegenläufige Untersuchung wurde nicht gemacht, wie sich das auf „Otto Normalverbraucher“ auswirkt, wenn er z.B. freitags ein Fahrzeug für eine Woche anmieten möchte, da dann ein Wochenendkontingent mit längerfristiger Anmietung kollidiert.

In diesem Zusammenhang sei auch daraufhingewiesen, dass die Untersuchungen von Fraunhofer für den hier relevanten Marktpreisspiegel 2010 im Zeitraum vom 12.04. bis 23.08.2010 durchgeführt worden sind. In diesen Zeitraum fallen mehrere Feiertage sowie die Ferienzeiten verschiedener Bundesländer. Dies hätte zur Folge, dass über zum Teil Wochen hinweg – zur Vermeidung von Sondereffekten – keine Befragungen hätten durchgeführt werden können, und für den Fall, dass die Untersuchungen doch durchgeführt worden sind, stellt sich die Frage wie sich dies in concreto auf das Untersuchungsergebnis ausgewirkt hat. Ebenso ist nicht erkennbar, wie von diesen im Frühjahr/Frühsommer erfragten Werten auf das gesamte Jahr verlässlich hochgerechnet werden kann (Ist z.B. das Sommerangebot größer und damit eventuell kostengünstiger als das Winterangebot etc., etc., denn die Marktpreise müssten insbesondere zwischen Sommer und Winter schwanken – anders wie ein fixer Normaltarif -.).

Was bei der Datenerhebung überhaupt nicht mitgeteilt wird, ist wie oft es bei der fiktiven Anmietung Fehlversuche gegeben hat (So hat die Nacherhebung des Zeugen R. per 18.02.2013 bei 13 Anfragen 7! Fehlversuche gegeben). Solches ist nämlich insbesondere im Zusammenhang mit der später noch erfolgenden Bewertung der Erreichbarkeit eines Angebots von besonderer Wichtigkeit. Wenn wir z.B. das Gebiet 67 des Marktpreisspiegels 2010 nehmen und dort die Internetwerte nach Schwacke, dann sehen wir, dass für einen Tag maximal 15 Stationen (Klassen 6 und 7) und nur 6 Stationen Klasse 2 erfasst sind. Im Gebiet 76 finden wir dagegen sogar 26 Stationen bei Klasse 7 und die wenigsten Stationen mit 8 bei Klasse 1 und immerhin 11 bei Klasse 2. Die Interpretation kann hier nur bedeuten, dass es bei der Möglichkeit der Anmietung eines Fahrzeugs der Klasse 2 ganz erhebliche Anmietschwierigkeiten gegeben hat, im Vergleich zu einem Fahrzeug in den Klassen 6 und 7. Die erfasste Datenzahl (Anzahl/Nennungen) liegt im Gebiet 67 bei 66 im Gebiet 76 bei 121. Dies lässt die Interpretation zu, dass im Untersuchungszeitraum für den Marktpreisspiegel 2010 vom 12.04. bis 23.08.2010 wohl nicht einmal wöchentlich eine Anfrage gestartet worden ist. Wie dies dann aufs Jahr hochgerechnet worden ist, bleibt ebenfalls offen. Weshalb wir im Gebiet 67 ausnahmsweise einmal mit dem arithmetischen Mittel exakt zwischen dem Minimumwert von 59 und dem Maximalwert von 65 ankommen, ist nicht unbedingt nachvollziehbar, da ausgehend vom arithmetischen Mittel eine doppelte Standardabweichung Richtung niedrigstem Preis zu dem Paradoxon gelangt, dass wir mit 56,00 € zu einem Preis gelangen, der statistisch zwar im ca. 95 %-Bereich aller Ergebnisse liegen soll, andererseits aber so als Nennung nicht erfragt und damit der Standardnormalverteilung nicht entsprechend ist. Ebenso sieht es beim Maximum mit 65 aus, das nicht etwa am Rande der höchsten Preise liegt, sondern innerhalb des 95 % Radius, der bei 68 liegen müsste. Dieses Beispiel zeigt nochmals eindeutig, dass uns die Angabe der Standardabweichung nicht weiterhilft.

Bei diesen Unsicherheiten um die Richtigkeit des arithmetischen Mittels hätte es nahe gelegen, im Sinne des vorzitierten Fazits aus dem Diskussionspapier von Ingo Klein wenigstens den Mediän anzugeben, wenn man schon nicht auf ein getrimmtes oder winsorisiertes Mittel übergehen wollte, wobei die letztgenannten Vorschläge von Klein, a.a.O., nicht unumstritten sind (vergl. Schwacke Liste AMS 2010 Seite 6 unter 1).

Wie sehr die Untersuchungen wohl auch vom Zufall abhängen, zeigt der Vergleich mit dem Gebiet 76, wo es bei der höchsten Nennung einen Betrag von 105,00 € gibt und damit 40,00 € mehr als im benachbarten Gebiet 67. Andererseits der Minimalwert wiederum bei 59,00 € liegt und das arithmetische Mittel bei 64,16 €, also sehr weit entfernt vom arithmetischen Mittel im Sinne der Gaußschen Glockenkurve bei der Annahme einer Normalverteilung. In diesem Zusammenhang ist erwähnenswert, dass der Wert von 105,00 € sich bis auf 1,00 € an den Preis nach dem Standardtarif Bar KK von AVIS angenähert hat. Außerdem sind die Preise – zumindest was den Maximalwert betrifft – im Gebiet 76 überwiegend deutlich höher als im Gebiet 67, was kaum erklärbar ist, wenn man dann die statistischen Mittelwerte miteinander vergleicht.

Sollte man trotz aller aufgezeigter Bedenken den Fraunhofer Mietpreisspiegel als anwendbar ansehen, so ergeben sich vorliegend zwei weitere Probleme:

– Warum zwingt man eigentlich den Geschädigten dazu, bei verschiedenen Firmen nachzufragen? Bei einer Unfallreparatur kommt grundsätzlich auch niemand auf den Gedanken, z.B. zu verlangen, dass der Geschädigte sich z.B. beschädigte Reifen und Felgen bei einer von der Reparaturfirma fremden Firmen besorgt, nur weil diese dort um einiges günstiger zu erhalten sind. Dementsprechend ist das erkennende Gericht der Ansicht, dass es das gute Recht eines Geschädigten ist, eine Schadensregulierung aus „einer Hand“ durchführen zu lassen. Genauso ist es hier auch abgelaufen. Die Geschädigte brachte ihr Fahrzeug zu ihrer Vertragswerkstatt und hat sich von dieser auch den Mietwagen besorgen lassen. Damit sind generell die Kosten eines von der Werkstatt vermittelten Mietwagens zu erstatten.

Ansonsten hätte die Geschädige sich darum kümmern müssen, dass der Mietwagen zu einer bestimmten Uhrzeit am Ort der Werkstatt für sie bereit steht – ein organisierter Mehraufwand, den der erkennende Richter nicht bereit ist, einem Geschädigten zuzumuten.

– Ist dem Geschädigten nicht in ähnlicher Weise Vertrauensschutz zu gewähren, wie in vielen Fällen von Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, die dem Gesetzgeber für die Zukunft bestimmte Handlungsweisungen erteilen? Im Unfallzeitpunkt war es nämlich wie folgt: Es gab eine gefestigte Rechtsprechung im Landgerichtsbezirk Landau dahingehend, dass Mietwagenkosten auf Basis des Schwacke-Mietpreisspiegels geschätzt werden konnten, wenn zuvor Angebote nicht eingeholt worden waren. Eine gleichermaßen gefestigte Rechtsprechung gab und gibt es im Bezirk des Landgerichts Frankenthal. Dementsprechend bestand für die Werkstatt der Klägerin in K. berechtigter Grund zur Annahme, sie könne bei einer Mietwagenfirma ein Fahrzeug zu den Konditionen der Rechtsprechung aus Landau bzw. Frankenthal anmieten; deshalb ist auch unter dem Gesichtspunkt des § 254 BGB kein schadenserhöhender Mitverursachungsbeitrag der Geschädigten bzw. ein ihr zurechenbarer Mitverursachungsbeitrag der Werkstatt zu sehen.

Außerdem kommt vorliegend hinzu, dass die Geschädigte – an deren Zeugenaussage zu zweifeln besteht überhaupt kein Anlass – mit einem Versicherungsmitarbeiter telefoniert hat, der ihr in Bezug auf Mietwagenkosten keine Einschränkungen mitgeteilt hat. Dies ist auch in der Folgezeit nicht geschehen. So sind auch Versicherungen regelmäßig nicht in der Lage -das zeigt die lange Praxis des erkennenden Richters mit Mietwagenprozessen – für den Unfallzeitpunkt auch nur annähernd zeitnah Mietwagenpreise zu benennen, die ein Geschädigter im örtlichen Markt hätte erlangen können. So waren auch vorliegend die „zeitnahen Ausführungen“ in ihrem Abrechnungsschreiben völlig nichtssagend.

II. Schwacke Liste Automietpreisspiegel (in der Folge als Schwacke AMS bezeichnet)

Der Schwacke AMS erfüllt die an einen Sachverständigen und damit an eine Schätzgrundlage zu stellenden Anforderungen.

1. Normaltarif im örtlich relevanten Markt

Da der Schwacke AMS nach Postleitzahlen mit dreistelliger Postleitzahl differenziert, ist problemlos ein örtlicher Markt abbildbar, das betrifft jedenfalls die Umgebung Landau und die Umgebung Neustadt (Insoweit wird auf die Ausführungen über 1.1.1. Bezug genommen).

Der Schwacke AMS gibt auch den Normaltarif, den der Bundesgerichtshof seiner Rechtsprechung zugrundelegt, wieder. Anders als beim Fraunhofer Marktpreisspiegel hat Schwacke die allgemein gültigen Tarife abgefragt und die entsprechenden Preislisten zugrundegelegt (vergl. oben 1.2.1.).

Die in den Schwacke AMS 2010 eingeflossenen Daten konnte der Zeuge C. dem Gericht zur Verfügung stellen. Sie entsprechen – soweit es sich um gerichtsbekannte Autovermietungen wie z.B. Bickel, AVIS, Europcar, Sixt, Mattern, Holz, Tretter (letzte beide Opelrent), Zotz (Euromobil) handelt – den in Mietwagenprozessen üblicherweise vorgelegten Unterlagen der jeweiligen Anbieter. Die Datenübermittlung beruht auf dem Anschreiben der SCHWACKE-Bewertung vom 14. April 2010, das auszugsweise folgende Anfrage enthält:

„die SCHWACKE-Bewertung GmbH & Co. KG aus Osnabrück erhebt seit 1995 regelmäßig die Angebotspreise auf dem Autovermietsektor. Diese werden dann im Rahmen des jeweiligen Automietpreisspiegels veröffentlicht. Wir bitten Sie, uns kurzfristig Ihre Tarife bzw. Tarifgruppen zur Verfügung zu stellen. Ihre Angaben bilden die Grundlage für den Automietpreisspiegel, in dem nicht nur die Tarife der führenden Autovermieter wie AVIS, Europcar, Hertz, Sixt usw. sondern auch die regional vertretenen Vermieter enthalten sind. Senden Sie uns bitte Ihre Angebotspreislisten/Prospekte bis zum 14.05.2010 zu. Wir gehen davon aus, dass dieses Prospektmaterial auch der Preisangabenverordnung entspricht:

Die Tarife für einen Normalanmieter als Pauschaltarif mit enthaltenen Serviceleistungen und evt. vorhandener Kilometerbegrenzung (min. 100 km pro Tag) für einen Tag, drei Tage, sieben Tage (Wochentarif) und Wochenendtarif.

Die für Großkunden und Dauermieter offerierten Tarife sollen nicht berücksichtigt werden. Gleiches gilt für Werkstatttarife u.a..

Bitte übersenden Sie uns auch:

– Die Nebenkosten pro Tag für Versicherungen (Voll- und Teilkasko und Insassen), zweiter Fahrer, Anhängerkupplung, Winterreifen, Navigationsgerät sowie Zustellen und Abholen (Pauschale, nach Kilometern und/oder Zeit), Anmietung außerhalb der Öffnungszeiten u.a..

Für diese Tarife ist gerichtsbekannt, dass sie flexibel in dem Sinne gehandhabt werden, dass den Kunden alle Sonderleistungen, die er benötigt, angeboten bzw. möglich gemacht werden, und insbesondere die erforderliche Flexibilität in Bezug auf die Anmietdauer auch tatsächlich erhältlich ist und zwar dergestalt, dass bei längeren Anmietungen der Tagespreis als 1/7tel des Wochenpreises ohne neue umständliche und ggf. teurere Vertragsabschlüsse berechnet wird. Erforderlichenfalls wird es im Kulanzwege auch möglich gemacht, falls das Fahrzeug einer Klasse nicht vorhanden ist, ein höherwertiges Fahrzeug zum Preis des minderwertigen Fahrzeugs zur Verfügung zu stellen.

2. Art und Weise der Datenerhebung

In der Tat erscheint es zunächst sonderbar, dass die Datenerhebung offen erfolgt und der jeweilige Unternehmer weiß, wofür er die Daten zur Verfügung stellt. Andererseits wurde bereits ausgeführt, dass gegen diese Art der Datenerhebung deshalb keine Bedenken bestehen, weil nach der Preisangabenverordnung die Verpflichtung besteht, Preislisten bereitzuhalten. Behauptungen dahingehend, dass diese Listen unrealistisch seien, wurden zwar wiederholt erhoben, wurden aber bislang nicht bewiesen. Insoweit wird auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 22.03.2012, Aktenzeichen I ZR 111/11, Bezug genommen, die sich unter wettbewerbsrechtlichen Gesichtspunkten mit Preisverzeichnissen von Autovermietern befasst und aus der sich ergibt, dass Autovermieter durchaus Preisverzeichnisse zur Verfügung haben, sei es per Aushang oder sei es an einem Rechner vor Ort.

In Bezug auf die Anzahl der Erhebungsdaten bestehen ebenfalls keine Bedenken. Mehr Daten als im jeweiligen Erhebungsbezirk erhebbar, sind halt nun mal nicht zu erheben. So gibt die Anzahl der Nennungen nach Schwacke AMS jeweils die Anzahl der Stationen wieder.

Aus dem Schwacke AMS lässt sich jedoch herauslesen, dass grundsätzlich dann, wenn Nennungen = Stationen im Sinne des Schwacke AMS vorliegen, auch Fahrzeuge zur Verfügung stehen. Gerichtsbekanntermaßen ist – wie oben ausgeführt -, das Handling bei Mietwagen nach Normaltarif – und nicht nach Sondertarifen – so, dass für den Fall, dass ein Fahrzeug aus der entsprechenden Klasse nicht zur Verfügung steht, ein höherwertiges zum gleichen Preis zur Verfügung gestellt wird (bei Fraunhofer wurde bereits darauf hingewiesen, dass nach der dortigen Methode dann schon gar keine Anmietung erreichbar war).

3. Statistische Verwertbarkeit

Zwar sind die hier relevanten Daten für die Gebiete 768 (Landau) und 674 (Neustadt) mit 13 Nen-nungen (768) bzw. 10 Nennungen (674) nicht gerade „üppig“.

Dies spiegelt aber den regionalen Markt in besonderer Art und Weise wieder. Würde man allerdings Landau und Neustadt zusammennehmen, was durchaus noch als vertretbar erschiene, zumal der Amtsgerichtsbezirk Landau beide Postleitzahlenbereiche erfasst, so hätte man immerhin mit 23 Nennungen fast statistische Idealverhältnisse nach Fraunhofer erlangt; man hätte dann sogar deutlich mehr abgefragte Stationen als bei Fraunhofer für das gesamte Gebiet 76 mit 11 Stationen (im Bereich der Klasse 2).

In Analogie zur Untersuchung von Fraunhofer hätte Schwacke problemlos seine „statistisch relevanten Zahlen“ vergrößern können, indem über einen Zeitraum von 2 bis 3 Monaten z.B. wöchentliche Abfragen vorgenommen worden wären. Dies hätte letztendlich z.B. zu einer 10fachen Anzahl von Ergebnissen bei gleichbleibender Stationenzahl geführt. Prognostisch war es von vorneherein klar, dass die Zahlen wöchentlich – wenn überhaupt – nur geringfügig schwanken würden, da sie den Normaltarif nach Liste wiedergeben, die im Jahresverlauf häufig kaum eine Änderung erfährt. Sonach würden sich weitere Abfragen lediglich als unnötige „statistische Aufblähung“ von Daten ohne Sinn darstellen.

4. Umgang mit den Zahlen nach dem Schwacke AMS

Diese Zahlen bedürfen selbstverständlich der Interpretation. Insoweit gibt Schwacke dem Nutzer mehrere Hilfestellungen zur Hand. Er benennt über Minimal- und Maximalwerte und das arithmetische Mittel hinaus den Modus auch nach dessen Anzahl sowie den Mediän sowie noch einen Wert nahe Mittel. Diese Angaben sind insbesondere in Anbetracht des Umstandes, dass auch die von Schwacke erfragten Werte nicht einer Standardnormalverteilung im Sinne der Gaußschen Glockenkurve entsprechen, dringend als Interpretationshilfen erforderlich.

Damit gibt der Schwacke AMS vom Grundsatz her dem Benutzer hinreichende Anhaltspunkte an die Hand, die ihn in die Lage versetzen gemäß § 287 ZPO die Schadenshöhe zu schätzen.

Nach alledem verbleibt es dabei, dass das erkennende Gericht die Mietwagenkostenhöhe auf Basis des Schwacke AMS schätzt.

Der Beklagten kann auch nicht der Nachweis gelingen, dass der Geschädigten eine Anmietung zu einem günstigeren Preis möglich gewesen wäre, bzw. dass die Geschädigte von einer solchen Möglichkeit Kenntnis hatte (Arg. § 254 BGB).

Wie bereits ausgeführt, war aufgrund der bisherigen Rechtsprechung des Landgerichts Landau in der Pfalz sowie der noch aktuellen Rechtsprechung des Landgerichts Frankenthal, für den quasi als Vertreter der Geschädigten handelnden Autoreparaturbetrieb nicht erkennbar, dass er sich um einen günstigeren Preis zu bemühen gehabt hätte. Zum Nachweis dafür, dass die Beklagte zu einem günstigeren Preis im Rahmen einer Eil-Anmietung noch am gleichen Tag am Unfalltag hätte anmieten können, taugt der Fraunhofer Mietpreisspiegel ohnehin nicht, da er grundsätzlich von längeren Vorbuchungsfristen ausgeht. Die Einholung eines Sachverständigengutachtens ist vergangenheitsbezogen aussichtslos, da Marktpreise, die die Beklagtenseite favorisiert, im Gegensatz zu den von Schwacke erfragten Normaltarifen nicht rekonstruierbar sind.

Konkrete vom Schwacke AMS abweichende Anmietpreise aus der Vergangenheit kann die Beklagte nicht benennen und unter Beweis stellen.

Ergänzend ist auf Folgendes hinzuweisen:

Hätte sich die Geschädigte selbst und nicht über ihren Reparaturbetrieb um ein Ersatzfahrzeug bemüht, so wäre es naheliegend gewesen, ins „Örtliche“ Telefonbuch zu schauen. Dort ist für Landau unter dem Begriff Autovermietung die Autovermietung Bickel zu finden und sonst niemand. Nur wer konkret weiß, dass es in Landau noch AVIS und Europcar gibt, könnte diese 3 Firmen anrufen. Nur wer die Gelben Seiten zur Verfügung hat, die für den Südpfälzer Raum traditionell den Bereich Neustadt an der Weinstraße / Kaiserslautern betreffen, erhält eine größere Übersicht über Autovermietungen für das Jahr 2012 – frühere Gelbe Seiten sind für den erkennenden Richter nicht mehr verfügbar, waren aber der Erinnerung nach nicht abweichend -. Als Eintrag unter Landau in der Pfalz findet man die Autovermietungen Bickel, Böhler, AVIS und Europcar sowie für Neustadt Mattern und Sixt. Es gibt dann noch mehrere kleinere Autovermietungen in den umliegenden kleineren Gemeinden, wobei daraufhinzuweisen ist, dass der Bereich jenseits des Rheines auch nicht mit überregionalen Angeboten erfasst ist, was nochmals deutlich zeigt, dass im Osten der Rhein die natürliche absolute Grenze des örtlich relevanten Marktes darstellt.

Beim Blick in das Telefonbuch für Neustadt an der Weinstraße wäre die Geschädigte nicht viel bessergestellt gewesen, denn hier findet sie ausschließlich die Klägerin; gleiches gilt für Edenkoben als Sitz der Verbandsgemeinde Edenkoben, zu der Burrweiler gehört. Dementsprechend würde im vorliegenden Fall die Geschädigte – so sie hätte nachfragen wollen – genau zu den Firmen geführt werden, die üblicherweise bei Gericht als Autovermieter auftauchen und deren Preise gerichtsbekanntermaßen den von Schwacke wiedergegebenen im Wesentlichen entsprechen.

Hinweise darauf, dass auch verschiedene Autohäuser z.B. über Opel Rent oder Euromobil Mietfahrzeuge zur Verfügung stellen, findet man ebenfalls nicht.

Auf die Nachfrage bei markenfremden Autohändlern als Vermieter kommt der unbedarfte Unfallgeschädigte im Übrigen ohnehin nicht, wie auch für Otto Normalverbraucher die Nachfrage bei einem Händler als Vermieter als abwegig erscheint.

Ausweislich der Erfahrungen aus Prozessen mit diesen Firmen sowie den vorgelegten Unterlagen des Zeugen C. ergibt sich, dass es der Geschädigten kaum gelungen wäre, im örtlichen Markt um Landau herum, an einen wesentlich günstigeren Tarif heranzukommen, als den von der Klägerin erhaltenen.

Der erkennende Richter hegt ganz erhebliche Bedenken daran, ob sich die höchstrichterliche Rechtsprechung bewusst ist, welche Hürden sie einem Geschädigten auferlegt, wenn dieser sich im Sinne ihrer Rechtsprechung um einen Mietwagen bemühen muss. Es kämen grundsätzlich 3 vergleichende Anrufe bei Mietwagenfirmen zusammen, die alle Details des begehrten Tarifs – nicht nur den Preis – umfassen müssen und letztendlich müsste man sich auch noch die Allgemeinen Geschäftsbedingungen erklären lassen, um zu erkennen, welchen „Pferdefuß“ die jeweiligen Vertragsbedingungen möglicherweise haben: Bedauerlicherweise gibt es keine einheitlichen Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Autovermieterbranche und auch keine allgemein verbindlichen Anmietbedingungen, wenigstens im Zusammenhang mit der Hinterlegung von Sicherheitsleistungen bzw. in Bezug auf die durchzuführende Zahlung (Vorausleistung, Rechnung, Kreditkarte, oder was auch immer).

Wenn dem aber so ist, dann kann in einer Gesamtschau nur davon ausgegangen werden, dass einem Geschädigten als Normaltarif nur Tarife zugänglich sind, die sich im Rahmen der Erhebungen des Schwacke AMS bewegen.

Im Bewusstsein, dass es die 100 %ige Ideallösung auch bei Anwendung des Schwacke AMS nicht geben kann, bevorzugt der erkennende Richter den Modus, weil dieser insbesondere auch aufgrund der ausgewiesenen Anzahl der Nennungen im Modus eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür wiedergibt, dass ein Betroffener bei Nachfrage auf dieses Angebot stößt. Ob dieser Wert im Einzelfall ausnahmsweise als unrealistisch – zu hoch oder zu niedrig – erscheint, kann anhand der jeweiligen Zahlen für die Fahrzeugklasse und die weiteren Interpretationshilfen wie arithmetisches Mittel, nahe Mittel und Mediän überprüft werden. Das Gericht hat davon abgesehen zwischen den Gebieten 768 und 674, die man theoretischerweise als Gesamtmarkt für Ortschaften zwischen Landau und Neustadt ansehen könnte, nochmals zu mittein, weil die folgenden Ausführungen zeigen werden, dass die Parteien hierdurch nicht benachteiligt werden.

III. Dies bedeutet für den vorliegenden Fall:

Konkrete Gründe, die der Anwendung des Schwacke AMS entgegenstehen könnten, liegen nicht vor.

Konkrete günstigere Preise für den Anmietzeitraum nach einem Normaltarif konnte die Beklagte weder in ihrem Abrechnungsschreiben noch im Laufe des Verfahrens benennen. Die mit Anlage B 4 vorgelegten Screenshots vom 19.12.2011 belegen nichts anderes als einen möglichen Marktpreis Monate nach dem Anmietzeitraum am Abfragetag, aber eben nicht, wie oben ausgeführt den erforderlichen Normaltarif/Normalpreis. Auch die Ergebnisse des Fraunhofer Marktpreisspiegels sind – wie oben ausführlich begründet – nicht geeignet, um abweichende Zahlen zu rechtfertigen.

Insbesondere kann aus der Nacherhebung des Zeugen R. für den 18.02.2013 kein Rückschluss dahingehend gezogen werden, dass die Schwacke-Preise illusorisch hoch wären. Ausweislich des für den 18.02.2013 noch anzuwendenden Fraunhofer Marktpreisspiegels 2012 hätte der Minimalpreis für 1 Tag nach Schwacke Klassifikation im Gebiet 674 bei 72,85 € und im Gebiet 768 bei 46,00 € gelegen. Alle Preise einschließlich des Ausreißers bewegen sich mehr oder weniger deutlich oberhalb dieser Beträge; allerdings auch deutlich unter dem in beiden Gebieten mit 95,00 € identischen Modus; während das arithmetische Mittel beim Fraunhofer Marktpreisspiegel für das Gebiet 67 bei 64,26 €, bei 44,99 € Minimum und 69,00 € Maximum und im Gebiet 76 das arithmetische Mittel 64,74 €, einem Minimum von 34,00 € und einem Maximum von 69,00 € liegt. Mit diesen Befragungsergebnissen hat Fraunhofer eigentlich selbst bewiesen, dass die Werte in seinem Marktpreisspiegel offenbar deutlich zu niedrig ausfallen. Insoweit ist allerdings anzumerken, dass das Gericht nicht verkennt, dass diese Werte im Vorfeld der Mietpreisspiegel für 2013 ermittelt worden sind, aber noch im Zeitraum der Gültigkeit der Mietpreisspiegel 2012. Jedenfalls sind die Befragungsergebnisse des Zeugen R. nicht geeignet, den Schwacke Mietpreisspiegel in Frage zu stellen. Dass die Klägerin im Rahmen dieser Befragung ihrerseits günstiger angeboten hat als auf ihrer Preisliste, lässt zum einen Rückschlüsse für das Jahr 2011 nicht zwingend zu und zeigt nur, dass es – was auch klägerseits nicht bestritten wird -immer wieder auch günstigere Angebote gibt, als nach den Normaltariftabellen.

Der Unfall ereignete sich im Stadtgebiet Landau und damit im Gebiet 768; die Geschädigte wohnt in B. und damit ebenfalls im Gebiet 768. Die Reparaturfirma befindet sich allerdings in K. und damit Gebiet 674. Das Gebiet 768 ist in Bezug auf Klasse 2 nach AMS 2010, der vorliegend auf den im Februar 2011 erfolgten Unfall noch anzuwenden ist, etwas günstiger als das Gebiet 674.

Die Beantwortung der Frage, ob es der Werkstatt der Geschädigten zumutbar gewesen wäre, sich insoweit an einen Vermieter im Gebiet 768, vornehmlich in Landau zu wenden, ist vorliegend aber eher akademischer Natur, nachdem die streitgegenständliche Rechnung nur knapp höher liegt als der mögliche Ersatzbetrag nach AMS 2010 für PLZ 768 und damit eine wesentlich günstigere Anmietmöglichkeit nicht gegeben war.

(Anmerkung: Wollte man den örtlich relevanten Markt etwas größer sehen und auf den Einzugsbereich des Landgerichts Landau in der Pfalz mit den Postleitzahlenbereichen 768, 767 und 674 abstellen, was für einen Anmieter aus der westlichen Umgebung von Landau – wie hier Burrweiler – sicherlich der äußerste noch denkbare Radius wäre, so würde sich das Ergebnis sogar noch nach oben bewegen, da wir dort (767) bei der Wochenpauschale im Modus sogar bei 480,90 € lägen, was allerdings auch dem dortigen Maximum entspricht. Hier könnte dann als Korrektur auf nahe Mittel bzw. Mediän mit jeweils 421,65 € zurückgegriffen werden – alles Möglichkeiten, die der Fraunhofer Marktpreisspiegel nicht anbietet.)

Da das arithmetische Mittel bei der Wochenpauschale bei 445,51 € liegt, kann ein 5 x (bei 18 Nennungen) genannter Modus von 412,50 € mit fast einem Drittel als eine statistisch wahrscheinliche Größe angesehen werden, auf die die Geschädigte auch bei eigener Nachfrage hätte treffen können. Er liegt im Übrigen sehr nahe am Minimum mit 400,00 € und auch unter dem arithmetischen Mittel mit 445,51 € bzw. dem nahe Mittel mit 421,65 €, so dass auch bei einer Gesamtbetrachtung das Schätzergebnis als realitätsgerecht angesehen werden kann. Das Maximum mit 641,00 € stellt sich daher als eindeutiger Ausreißer nach oben dar, so dass es gerechtfertigt erscheint, arithmetisches Mittel und nahe Mittel zu unterbieten, zumal auch der Mediän 412,50 € beträgt. Auf dieser Basis errechnet sich der geschuldete Mietzins wie folgt:

Die Reparatur dauerte 23 Tage und dementsprechend war für 23 Tage Mietwagenersatz geschuldet.

Somit ergibt sich folgende Berechnung:

3 x Wochenpauschale nach dem Modus Schwacke AMS für das

Postleitzahlengebiet 768 der Gruppe 2 á 412,50 € =                           1.237,50 €

Weitere 2 Tage auf der Basis 412,50 € = 58,93 € täglich x 2 =                117,86 €

zuzüglich Zusatzleistungen nach Nebenkostentabelle (Bundesdurchschnitt) im jeweiligen Modus:

3 Wochen Haftungsfreistellung á 140,00 € =                                           420,00 €

sowie weitere 2 Tage á 20,00 € =                                                              40,00 €

sowie Zustellen und Abholen 2 x 25,00 € =                                                50,00 €

Kosten, die eine Erhöhung unter Unfallersatzgesichtspunkten rechtfertigen könnten, sind nicht ersichtlich und insbesondere auch nicht vorgetragen. Dies ist auch folgerichtig, denn im Normaltarif ist so gut wie alles drin, so dass für Unfallersatzergänzungsaufschläge kaum Raum verbleiben dürfte.

Damit wären die Mietwagen kosten unter Zugrundelegung von Schwacke AMS mit 1.865,36 € zu regulieren gewesen. Dieser Betrag liegt nur knapp unterhalb der Rechnung der Klägerin mit 1.867,13 €, so dass die Klageforderung sich unter Berücksichtigung der erfolgten Zahlung der Beklagten als berechtigt erweist.

Die zugesprochenen Zinsen sowie die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten sind daher ebenfalls gerechtfertigt.

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Die Berufung war gemäß § 511 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 ZPO wegen grundsätzlicher Bedeutung und Sicherung der einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen.

Soweit das – hervorragend begründete – Urteil des AG Landau.

Urteilsliste “Mietwagenkosten” zum Download >>>>>

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3 Antworten zu AG Landau in der Pfalz verurteilt VHV Versicherung zur Zahlung weiterer Mietwagenkosten auf Schwacke-Basis (5 C 1089/11 vom 19.03.2013)

  1. Willi Wacker sagt:

    Hallo Babelfisch,
    in der Tat ein hervorragend begründetes Mietwagenurteil. Mit haarscharfen Gedankengängen wird der regionale Markt und das weit darüber hinausgehende Einzugsgebiet nach Fraunhofer (zweistelliger Postleitzahlbereich) analysiert. An manchen Stellen hat das Gericht bewußt überzeichnet. Aber so war eindrücklich darzustellen, dass das Gebiet vom Schwarzwald bis zur Weinstraße kein regionaler Markt sein kann. Spitze.

    Wieder ein Argument mehr, gegen Fraunhofer zu sein, ohne unbedingt für Schwacke einzutreten. Der reale, am örtlichen Markt zu erreichende Mietpreis (auch ohne Internet!) ist relevant. Und diese Preise können nur beim örtlichen Mietwagenmarkt ermittelt werden. Deshalb ist auch die vom BGH letztlich geforderte Erkundigungspflicht nach dem günstigsten Angebot wegen seiner eventuellen Schadensgeringhaltungspflichtverletzung eine, wie der Richter festgestellt hat, „Schnappsidee“.

    Wer erkundigt sich schon, wenn er in Landau an der südlichen Weinstraße (SÜW) ein Mietfahrzeug benötigt, im nördlichen Schwarzwald oder in Baden-Baden oder Karlsruhe nach den Preisen von Mietwagen? Keiner. Etwas anderes wäre auch weltfremd. Also ist der Markt in Landau in der Pfalz und umliegender Orte maßgeblich.

  2. Wolfgang A. sagt:

    Da war ein engagierter Richter mit praxisbezogener Neugier und Leidenschaft am Werk und hat sich auch nicht gescheut in den Entscheidungsgründen einmal deutlich die Misere anzusprechen, die theoretisch eine Verhaltensweise betrifft, die in der Praxis nicht vorzufinden ist und auch nicht erwartet werden kann, wie W.W. es bereits kommentiert hat.

    Wolfgang A.

  3. RA Schwier sagt:

    Dem Richter und Captain-HUK einen herzlichen Dank! Neben den Musterklagen für Sachverständige (ohne Einbeziehung des BVSK) bietet dieses Urteil Arbeit fürs Wochenede, nämlich für die Ausarbeitung einer saftigen Musterklage mit allen Argumenten gegen die statistische Erhebung des Frauenhofer Mietpreisspiegels. Als RA neigt man mittlerweile nämlich auch dazu, mit Textbausteinen gegen die Versicherungswirtschaft zu arbeiten! Nur sind unsere Textbausteine Fair-Play!

    Schönes Wochenende

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