Hallo verehrte Captain-Huk-Leser,
hier nun gebe ich Euch ein Urteil aus Sachsen-Anhalt bekannt. Wieder war es die HUK-Coburg, die die berechneten Sachverständigenkosten nicht in voller Höhe zahlte. Daraufhin verklagte der Sachverständige aus abgetretenem Recht den Unfallverursacher direkt. Die Richterin des AG Haldensleben Zweigstelle Wolmirstedt gab dem Sachverständigen hinsichtlich seiner Klage auf Zahlung und Feststellung Recht. Das Urteil wurde erstritten und dem Autor zugesandt durch Herrn RA. Lutz Imhof, Aschaffenburg. Lest selbst und gebt Eure Kommentare ab.
Viele Grüße
Willi Wacker
Amtsgericht Haldensleben
Zweigstelle Wolmirstedt
– Zivilgericht –
17 C 300/13
Im Namen des Volkes
Urteil
In der Zivilsache
des Herrn DipL-Ing. M. L. aus A-W.
– Kläger –
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte D. I. & P. aus A.
gegen
die Frau M. F. aus G.
– Beklagte –
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte M. & M. aus M.
hat das Amtsgericht Haldensleben – Zweigstelle Wolmirstedt – im Verfahren gem. § 495a ZPO am 19.06.2013 durch die Richterin …
für Recht erkannt:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 238,67 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 14.09.2011 sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 46,50 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 31.08.2012 zu zahlen. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, auf die Klägerseite verauslagten Gerichtskosten Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten jährlich über dem Basiszinssatz für die Zeit von dem Eingang der eingezahlten Gerichtskosten bis zum Eingang des Kostenfestsetzungsantrages nach Maßgabe der auszuurteilenden Kostenquote zu bezahlen.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
und beschlossen:
Der Streitwert wird auf bis zu 300,00 € festgesetzt.
Tatbestand:
Von der Darstellung des Tatbestandes wird abgesehen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig und begründet.
Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von restlichen Gutachterkosten in Höhe von 238,67 € aus §§ 7 Abs. 1 StVG, 398 BGB. Die Eintrittspflicht der Beklagten für die durch den Verkehrsunfall vom 10.08.2011 bei der Zedentin, Frau … eingetretenen Schäden ist dem Grunde nach zwischen den Parteien unstreitig. Die Zedentin hat dem Kläger den ihr zustehenden Anspruch auf Ersatz der Gutachterkosten an Erfüllung Statt abgetreten. Die Frage nach den erstattungsfähigen Sachverständigenkosten beurteilt sich demnach nach schadensersatzrechtlichen Gesichtspunkten. Ein Geschädigter kann gem. § 249 Abs.2 BGB von dem Schädiger den zur Schadenskompensation erforderlichen Geldbetrag verlangen, zu welchem auch die Kosten der Schadensbehebung nach einem Verkehrsunfall gehören. Die Kosten für die Erstellung eines Sachverständigengutachtens gehören zum Herstellungsaufwand, wenn aus der Sicht eines verständig und wirtschaftlichen denkenden Geschädigten ein Bedürfnis für die Einholung eines Gutachtens zur Erreichung des Wiederherstellungszweckes anzuerkennen ist. Ein Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht des Geschädigten kommt vorliegend nicht in Betracht, da ein Bagatellschaden nicht gegeben ist. Die Reparaturkosten betrugen im vorliegenden Fall über 8.000,00 €.
Der Geschädigte hat nach dem Grundsatz des Wirtschaftlichkeitsgebots den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen. Im Regelfall darf der Geschädigte einen qualifizierten Gutachter seiner Wahl mit der Erstellung eines Sachverständigengutachtens beauftragen. Bei der Beurteilung welcher Herstellungsaufwand erforderlich ist, ist grundsätzlich Rücksicht auf die Situation des Geschädigten zu nehmen, Er ist grundsätzlich nicht zu einer Forschung des zugänglichen Markts verpflichtet, um einen möglichst preisgünstigen Sachverständigen ausfindig zu machen. Daher sind in der Regel auch Kosten für ein Gutachter zu ersetzen, die übersetzt sind (vergleiche Palandt/Grüneberg § 249 Rn 58).
Nach diesen Grundsätzen steht dem Kläger ein Anspruch auf Ersatz der restlichen Honorarnote zu. Der Kläger hat ein Grundhonorar in Abhängigkeit von der Schadenshöhe zugrunde gelegt. Die Höhe ist nicht zu beanstanden und bewegt sich im Rahmen der vertretbaren Kosten. Neben der Pauschale hat der Kläger zusätzlich Kosten für Zerlegungsarbeiten, Fahrtkosten, Lichtbilder, Schreibkosten, Kopien, Büromaterial und Kommunikationskosten in Rechnung gestellt. Diese Kosten in Höhe von 277,30 € netto sind nach Auffassung des erkennenden Gerichtes ebenfalls erstattungsfähig.
Entgegen der Auffassung der Beklagten sind nicht lediglich Nebenkosten in Höhe von 100,00 € zuzüglich Mehrwertsteuer erstattungsfähig. Bei der Erstellung eines Sachverständigengutachtens entstehen routinemäßig nicht nur Nebenkosten in Höhe von 100,00 €. Für einen Laien ist indes auch nicht erkennbar, dass die Nebenkosten unangemessen hoch sein könnten. Die Grenze der Erforderlichkeit der Nebenkosten ist im Wege der Schadensschätzung nach § 287 ZPO zu bestimmen. Danach sind nur solche Nebenkosten als nicht erstattungsfähig anzusehen, deren Unangemessenheit von dem Geschädigten bei Abschluss der Honorarvereinbarung oder bei Erhalt der Honorarabrechnung erkannt werden konnten (vergleiche Urteil des Landgerichts Stendal vom 08. Mai 2013, Geschäftsnummer 22 S 122/12).
Nach Auffassung des erkennenden Gerichts ist für einen Laien erkennbar, dass die von dem Kläger geltend gemachten Nebenkosten gerade nicht von dem pauschalen Grundhonorar erfasst sind. Das Gericht vermag nicht zu erkennen, dass die Nebenkosten als Solches überhöht sind. Insbesondere bewegt sich der Stundensatz von 90,00 € für Zerlegungsarbeiten im Rahmen des Üblichen. Die Unangemessenheit der Gutachterrechnung ist in seiner Gesamtheit nicht offensichtlich erkennbar. Ein Geschädigter Laie vermag nicht zu erkennen, dass die Gutachterrechnung eventuell als unangemessen angesehen werden könnte,
Auf die erstattungsfähigen Gutachterkosten in Höhe von 1.010,67 € hat die Haftpflichtversicherung der Beklagten bereits einen Betrag von 772,00 € geleistet, so dass ein restlicher Anspruch in Höhe von 238,67 € verbleibt.
Dem Kläger steht des Weiteren ein Anspruch auf Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 46,50 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 31.08.2012 aus §§ 286, 288 BGB zu. Zu beachten ist jedoch, dass nach Auffassung des erkennenden Gerichtes die Geschäftsgebühr nur anhand des 1,3fachen Gebührensatzes erstattungsfähig ist. Gem. § 2 Abs. 2 RVG i.V.m. Nr. 2300 des Vergütüngsverzeichnisses in der Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG kann eine Geschäftsgebühr von mehr als 1,3 nur gefordert werden, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig, mithin überdurchschnittlich war. So liegt der Fall hier nicht. Die Voraussetzungen der Toleranzrechtssprechung, wonach hier gem. § 14 Abs. 1 RVG bei Rahmengebühren ein Ermessensspielraum gegeben ist, greift vorliegend nicht ein. Die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Überschreitung der Regelgebühr von 1,3 sind nicht gegeben. Es verbleibt bei der Regelgebühr von 1,3, wenn Umfang und Schwierigkeit der Sache nur von durchschnittlicher Natur sind (vergleiche auch Beschluss des Landgerichts Stendal zur Geschäftsnummer 22 S 56/12 vom 28. Dezember 2012).
Da der Kläger vorliegend nur einen Betrag von 46,50 € geltend macht, war die Klage jedoch nicht abzuweisen. Diese geltend gemachte Gebühr übersteigt eine 1,3fache Gebühr nicht.
Schließlich steht dem Kläger gegen die Beklagte ein Anspruch auf Feststellung zur Zahlung von Verzugszinsen auf die verauslagten Gerichtskosten zu. Da nicht abzusehen ist, wann die Zinsen zu zahlen sind, wann ein etwaiger Kostenfestsetzungsantrag beim Gericht eingeht, kann der Kläger die genaue Höhe des Zinsanspruchs nicht beziffern. Es besteht dementsprechend ein Feststellungsinteresse. § 104 Abs. 1 Satz 2 ZPO ist nicht berührt.
Die Nebenentscheidungen folgen aus § 91, 708 Nr. 11, 713 ZPO.
Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 48, 63 GKG.
Ein erfreulich schlüssiges und in sich plausibles Urteil, das auch gleich aufräumt mit der Begrenzung von Nebenkosten auf 100,00 € und das auch ohne Honorarerhebung, Gesprächsergebnis und HUK-COBURG-„Gebührenordnung“ 2012 auskommt. Das erkennende Gericht hat sich auf das beschränkt, was schadenersatzrechtlich wesentlich war und hat insbesondere die Position „ex ante“ des Unfallopfers nicht vernachlässigt. Hoffentlich bekommt dieses Urteil nun auch der verklagte VN der HUK-Coburg. Das muß kostenmäßig noch drin sein.
Wildente
Grüß Gott, Wildente,
das Urteil wird bei der HUK-Coburg schnell bezahlt und dann im tiefsten Keller gelagert. Keinerswegs wird es so sein, dass die Pressestelle der HUK-Coburg dieses Urteil den Zeitschriften zur Veröffentlichung übersenden wird. Wieder einmal Saarbrücken ade. Das ganze Hin und Her mit angemessenen und üblichen Kosten (nicht Gebühren!) ist einfach im Schadensersatzprozess Quatsch. Die Richterin hat zutreffend den wohl meist gebrauchten BGB-Kommentar, den Palandt, zitiert: „Daher sind in der Regel auch Kosten für ein Gutachter zu ersetzen, die übersetzt sind (vergleiche Palandt/Grüneberg § 249 Rn 58). “ Recht hat sie. Rechtlos ist der Schädiger und dessen Versicherer nicht, denn er kann aus abgetretenem Recht vorgehen, wenn er sich den vermeintlichen Bereicherungsanspruch abtreten lässt. Allerdings ist dann der Schädiger für die Überhöhung darlegungs- und beweisverpflichtet. Weil man das dann scheut, wird weiterhin unerheblicher werkvertraglicher Unsinn im Schadensersatzprozess vorgetragen. Aber die Richterin in Wolmirstedt in Sachsen-Anhalt hat es geschnallt.
Servus
Aigner Alois