Hallo verehrte Captain-Huk-Leser,
jetzt geben wir Euch wieder ein interessantes Restsachverständigenkosten-Urteil des AG Wolfsburg bekannt. Die zuständige Amtsrichterin der 22. Zivilabteilung des AG Wolfsburg hat nicht nur die restlichen von der HUK-Coburg gekürzten Sachverständigenkosten dem klagenden Sachverständigen zugesprochen, sondern auch die Gerichtskostenzinsen vom Eingang der eingezahlten Gerichtskosten bei der Gerichtszahlstelle bis zum Eingang des Kostenfestsetzungsantrages. Das Urteil wurde erstritten und dem Autor zugesandt durch die Rechtsanwaltskanzlei Dr. Imhof und Partner in Aschaffenburg. Lest selbst das Urteil des AG Wolfsburg und gebt bitte Eure Kommentare ab.
Viele Grüße
Willi Wacker
Amtsgericht
Wolfsburg
22 C 93/13 Verkündet am 10.07.2013
Im Namen des Volkes
Urteil
In dem Rechtsstreit
des Herrn Sachverständigen Dipl.-Ing. L. M. aus W.
Kläger
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwäitinnen und Rechtsanwälte D. I. & P. aus A.
gegen
Frau T. W. aus W.
Beklagte
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte S. u. P. aus H.
hat das Amtsgericht Wolfsburg auf die mündliche Verhandlung vom 24.06.2013 durch die Richterin am Amtsgericht …
für Recht erkannt:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 104,99 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 26.2.2013 sowie 39 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 26.2.2013 zu zahlen.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, auf die klägerseits verauslagten Gerichtskosten Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten jährlich über dem Basiszinssatz für die Zeit vom Eingang der eingezahlten Gerichtskosten bis zum Eingang des Kostenfestsetzungsantrags nach Maßgabe der auszuurteilenden Kostenquote zu bezahlen.
4. Von den Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger 25 %, die Beklagte 75 %.
5. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar,
Tatbestand
Die Darstellung des Tatbestandes entfällt gem. § 313 a Abs. 1 S. 1 ZPO.
Entscheidungsgründe
Die Klage war überwiegend zulässig und begründet.
Der Kläger hat gegen die Beklagte aus abgetretenem Recht Schadeneratzansprüche in ausgestellter Höhe gem. §§ 7 Abs. 1 StVG, 823 BGB, 398 BGB.
Die Zedentin hat aus dem streitgegenständlichen Verkehrsunfall unstreitig dem Grunde nach Schadenersatzansprüche gegen die Beklagte.
Von diesem Schadeneratzanspruch sind § 249 BGB auch die erforderlichen Kosten für die Einholung eines Sachverständigengutachtens umfasst.
Diesen Schadeneratzanspruch hat die Zedentin wirksam durch Abtretungsvertrag vom 15.11.2012 an den Kläger abgetreten.
Die Abtretung ist hinreichend bestimmt bzw. bestimmbar und erstreckt sich ausdrücklich der Vertragsurkunde auf den Schadenersatzanspruch der Zedentin gegen den Unfallverursacher, Halter und dessen Haftpflichtversicherer auf Erstattung der Gutachterkosten.
Von dem Schadenersatzanspruch des Klägers sind Sachverständigenkosten umfasst, soweit sie gem. § 249 BGB erforderlich sind.
Bzgl. der Erforderlichkeit ist auf das Verhältnis und die Erkenntnismöglichkeit der Zedentin zu dem Unfallgegner und nicht auf das Verhältnis und die Erkenntnismöglichkeit des Klägers zu der Haftpflichtversicherung abzustellen.
Der geltend gemachte Anspruch beruht letztlich auf der Honorarvereinbarung zwischen der Zedentin und dem Kläger.
Die Zedentin konnte dabei grundsätzlich zu Recht die getroffene Honorarvereinbarung als erforderlich erachten.
Dies findet seine Grenzen grundsätzlich nur darin, wenn für die Zedentin erkennbar gewesen wäre, dass das Sachverständigenhonorar willkürlich festgesetzt wurde, Preis und Leistung in einem auffälligen Missverhältnis zueinander stehen oder offensichtliche Unrichtigkeiten existieren, die Zedentin also ein Auswahlverschulden treffen würde.
Hierfür sieht das Gericht jedoch für die Zedentin als Geschädigte mit grundsätzlich laienhaften Erkenntnismöglichkeiten keinen hinreichenden Anlass.
Zwar mögen die Kosten für einzelne Nebenkosten neben dem Grundhonorar aus fachmännischer Sicht teilweise überhöht sein.
Dass dies jedoch derart eklatant der Zedentin als Laiin ins Auge hätte springen müssen, ist nicht ersichtlich.
Zwar wird auch sie Kenntnis über Kosten für Telefon, Fahrtkosten, Kopie- und Schreibkosten haben, diese jedoch in der Regel nur aus dem eigenen privaten Bereich und auf dem freien Markt.
Dass diese auf dem freien Markt zu erhaltenen günstigeren Leistungen nicht 1:1 auf Vergütungen von Sachverständigen, Rechtsanwälten oder auch Gerichten umgesetzt werden können, dürfte unbestritten sein. Erkenntnisse darüber, was nun im Bereich der Sachverständigenvergütung jedoch noch üblich und was nicht mehr üblich und angemessen ist, dürfte die Zedentin jedoch nicht gehabt haben.
Allein hierauf ist abzustellen.
Grundsätzlich bestehen auch keine Bedenken gegen die Geltendmachung von Nebenkosten neben einem eigentlichen Grundhonorar (vgl. Geigl, der Haftpflichtprozess, 26. Aufl., 3 Rdn. 120 f.).
Etwas anderes gilt hier im konkreten Fall bezüglich der Fahrtkosten.
Die Erforderlichkeit der Fahrtkosten für 40 Kilometer hat der Kläger nicht hinreichend dargetan. Auch der Zedentin muss erkennbar gewesen sein, dass es für sie als wohnhaft in … und mit der gewählten Reparaturwerkstatt in … nicht erforderlich war, einen derart weit entfernten Sachverständigen zu beauftragen mit der Kostenfolge bzgl. der Fahrtkosten.
Als sogenannte Selbstzahlerin hätte die Zedentin üblicherweise auf einen ortsnäheren Sachverständigen zurückgegriffen.
Das Gericht schätzt hier gem. § 287 ZPO, dass Fahrtkosten für insgesamt 20 Kilometer erforderlich aber auch ausreichend gewesen wären.
Insoweit war die streitgegenständliche Honorarrechung um die zuviel veranschlagten Fahrtkosten zu reduzieren.
Die Zedentin hat auch nicht gegen ihre Schadensminderungspflicht gem. § 254 BGB verstoßen mit dem Argument, die Versicherung der Beklagten habe sie über die Erstattungsfähigkeit von Sachverständigenkosten informiert, denn zu dem Zeitpunkt, als die Information bei der Zedentin eingegangen sein dürfte, war der Auftrag an den Kläger schon erteilt.
Der Feststellungsantrag war zulässig und beqründet.
Der Anspruch folgt aus §§ 280, 286, 288 BGB.
Er ist Bestandteil des Verzugsschadensersatzanspruches des Klägers gegen die Beklagte.
Diese wurde mit Mahnung zum 25.2.2013 von dem Kläger mit der Zahlung der Honorarvergütung fruchtlos in Verzug gesetzt.
Sie hat den aus diesem Verzug entstandenen Schaden zu ersetzen.
Aus dem gleichen Grunde schuldet die Beklagte auch die Kosten für eine erforderlicher vorgerichtliche Rechtsanwaltsvertretung.
Dem Kläger wurde die Vergütung seiner Prozessbevoümächtigten in Rechnung gestellt.
Nachdem der Beklagten auch insoweit fruchtlos eine Zahlungsfrist gesetzt wurde, hat sich ein Freistellungsanspruch nunmehr gem. § 250 BGB in einen Zahlungsanspruch umgewandelt.
Die Zinsentscheidung folgt aus §§ 280, 286, 288 BGB.
Zinsen auf die Hauptforderung kann der Kläger jedoch nur ab dem 26.2.2013 begehren, nachdem ein vorheriger Verzinsungszeitpunkt nicht hinreichend schlüssig dargetan wurde bzw. die Inverzugsetzung gegenüber der Haftpflichtversicherung der Beklagten sich auf diese nicht auswirkt (§ 425 Abs. 1, Abs. 2 BGB).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.
Und jetzt bitte Eure Kommentare.
In der Rechnungsposition Fahrtkosten sind die Überlegungen der Richterin nicht nachvollziehbar, zumal Fahrtkosten, ob nah oder fern, erfahrungsgemäß generell nicht kostendeckend sind unter Berücksichtigung des dabei nicht zu vernachlässigenden Fahrzeitanteils.
Selbst wenn es am Wohnsitz des Klägers Kfz.-Sachverständige gäbe, diese ihm aber weniger qualifiziert und weniger unabhängig erscheinen, stellt sich doch die Frage, ob ihm dann aus der Bevorzugung eines weiter entfernt liegenden Sachverständigenbüros ein Vorwurf gemacht werden könnte.
Wie hätte sich für eine solche Konstellation die Richterin in eigener Sache entschieden ?
M.E., ist deshalb auch dieser „Mehraufwand“ schadensersatzpflichtig unter Beachtung der BGH-Rechtsprechung.
Ansonsten doch noch ein beachtenswertes Urteil mit teilweise neuen Argumentationen, die schlüssig und plausibel sind und die verfälschende Rechtsauffassung der HUK-Coburg ad absurdum führen. Danke für die Veröffentlichung dieses Urteils.
Herzliche Grüße
Gerd H.
„Als sogenannte Selbstzahlerin hätte die Zedentin üblicherweise auf einen ortsnäheren Sachverständigen zurückgegriffen.“
Also ich finde, dass diese Mutmaßung schadenersatzrechtlich eine Eigenbeteiligung des Unfallopfers nicht rechtfertigen kann.
Wilfried W.
Hallo Gerd H.,
es kommt nicht auf den Wohnort des Klägers an, denn Kläger in diesem Rechtsstreit ist der Sachverständige l.M. aus W. (offenbar Wolfsburg).
Die Richterin hat sich hier wohl daran gestoßen, dass der Geschädigte, der Altgläubiger, in etwa 40 Km Entfernung wohnt und den Kläger mit der Erstellung des Gutachtens beauftragt hat. Inwieweit das zutrifft ist Tatfrage. Zu beachten ist auch, dass das Gebiet um Wolfsburg herum als füheres Zonengrenzgebiet nicht allzu viele Städte aufweist. In ländlichen Gebieten ist sicherlich ein weiter entfernt sitzender Sachverständiger genau so erforderlich wie in Großstädten nebenan um die Ecke. Aber wie gesagt, da gibt das Urteil wegen der fehlenden Ortsnamen nichts konkretes her. Es bleibt daher Tatfrage.
Ein anderer Gedanke ist aber, ob die Richterin nicht die gesamten Kosten einschließlich Nebenkosten hätte zusprechen müssen und die Beklagte auf die Abtretung eventueller Bereicherungsansprüche hinweisen müssen. Andererseits war die beklagte VN der HUK-Coburg anwaltlich vertreten durch Anwälte der HUK-Coburg.
Hallo, Willi Wacker,
danke für den Hinweis.War auch so gemeint.
G.H.