AG Hamburg-Wandsbek spricht restliche Mietwagenkosten zu und verwirft Fraunhofer und bejaht das Feststellungsinteresse bei den Gerichtskostenzinsen über § 104 ZPO hinaus mit Urteil vom 23.5.2013 – 712 C 90/11 -.

Hallo verehrte Captain-Huk-Leser,

von Düsseldorf und dem Fiktivabrechner geht es weiter nach Hamburg zu den Mietwagenkosten und dem konkret abrechnenden Unfallopfer. Hinsichtlich der konkret angefallenen Mietwagenkosten war der Einwand der beklagten ADAC-Haftpflichtversicherung, die Mietwagenkosten müssten nach dem Fraunhofer Madell abgerechnet werden ohne Substanz. Nach der auch den Versicherern bekannten BGH-Rechtsprechung muss der Einwand gegen die Anwendung einer bestimmten Schätzgrundlage subsantiiert sein, d.h. es müssen konkrete Tatsachen vorgetragen und dargelegt werden, dass die geltend gemachten Mängel einer Liste sich auf den zu entscheidenden Fall in erheblichem Umfang auswirken (vgl. BGH – VI ZR 300/09 – VersR 2011, 769 ff).. Das ist bei bloßem Hinweis auf die angeblich bessere Fraunhofer-Liste nicht der Fall, denn dies ist ein Vortrag ins Blaue hinein ohne Substanz. Weiterhin hat das erkennende Gericht die Gerichtskostenzinsen zugesprochen, soweit diese über den Rahmen des § 104 ZPO hinausgehen. Lest das Urteil aus Hamburg bitte selbst und gebt Eure Kommentare ab. 

Viele Grüße und ein schönes Wochenende
Willi Wacker

Amtsgericht Hamburg-Wandsbek

Az.: 712 C 90/11

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

In dem Rechtsstreit

– Kläger –

gegen

– Beklagte –

wegen Schadensersatz

hat das Amtsgericht Hamburg-Wandsbek durch den Richter am Amtsgericht … auf die mündliche Verhandlung vom 04.04.2012 für Recht erkannt:

Unter Abweisung der Klage im übrigen wird die Beklagte verurteilt, an den Kläger 488,21 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz sowie 61,88 € vorgerichtliche Kosten nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 12.1.2012 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 1/5 und die Beklagte zu 4/5

Die Beklagte ist verpflichtet, auf vom Kläger eingezahlte Gerichtskosten Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem Zeitpunkt der Einzahlung bis zu dem Tag des Eingangs des Kostenfestsetzungsantrag nach Maßgabe der ausgeurteilten Kostenquote zu zahlen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Berufung wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger nimmt die Beklagte auf Zahlung von Mietwagenkosten wegen eines Verkehrsunfalls vom 29.4.2011 auf der …Straße/ Ecke … in Anspruch. Bei dem Unfall wurde der dem Kläger gehörende VW-Golf ganz erheblich beschädigt. Die Einstandspflicht der Beklagten ist dem Grunde nach unstreitig.

Mit Anwaltsschreiben vom 3.5.2011 verlangte der Kläger von der Beklagten die Anerkennung ihrer Haftung dem Grunde nach bis zum 6.5.2011 (Blatt 33 der Akte). Das Schreiben enthält auch einen Hinweis darauf, dass die Vorfinanzierung größerer Beträge nicht möglich sei. Mit Anwaltsschreiben vom 5.5.2011 bezifferte der Kläger seinen Schaden ausdrücklich „vorläufig“ unter Geltendmachung des Wiederbeschaffungswertes abzüglich des Restwertes auf Grundlage des vorliegenden Schadensgutachtens. Mit Schreiben vom 8.6.2011 forderte der Kläger wiederholt eine Haftungszusage der Beklagten bis zum 15.6.2011 ein und wies ausdrücklich daraufhin, dass er zur Vorfinanzierung der Reparatur nicht in der Lage sei und wegen der langen Regulierungsdauer hohe Kosten in Form von Nutzungsausfallentschädigung bzw. Mietwagenkosten entstehen würden. Am 28.6.2011 sagte die Beklagte ihre Haftung zu. Am gleichen Tage erteilte der Kläger den Reparaturauftrag. Aufgrund einer Komplikation dauerte die Reparatur tatsächlich etwas länger als im Gutachten veranschlagt, nämlich bis zum 15.7.2011. Der Kläger mietete vom 6.6.2011 bis zum 15.7.2011 einen Audi A3 zum Gesamtpreis von brutto 1.202,74 € an. Die Beklagte zahlte hierauf 594,26 €. Den Restbetrag verfolgt der Kläger mit der Klage weiter.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 608,48 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.8.2011 sowie 81,88 € vorgerichtliche Kosten nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen, ferner festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, auf die vom Kläger eingezahlten Gerichtskosten Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem Zeitpunkt der Einzahlung bis zum Tag des Eingangs des Kostenfestsetzungsantrag nach Maßgabe der ausgeurteilten Kostenquote zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Für die Einzelheiten wird auf die Schriftsätze verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist in Höhe von 488,21 € aus §§ 7 I StVG, 115 VVG, 249 BGB begründet.

Selbst unterstellt, der Kläger wäre zur Vorfinanzierung der Reparaturkosten in der Lage gewesen, konnte ihm solches nicht angesonnen werden, bevor überhaupt die Haftungszusage der Beklagten vorlag. An dem ausführlichem Hinweis vom 28.3.2012 hält das Gericht fest, desgleichen auch zur Frage, in wessen Risikobereich der Umstand fällt, dass die Reparatur länger dauerte als von den Privatgutachter angenommen,

Die Mietwagenkosten von 1.202,74 € sind hiernach dem Grunde nach ersatzfähig.

Der Einwand der Beklagten, die Mietwagenkosten seien nach dem Fraunhofer Modell abzurechnen, ist ohne Substanz. Denn die Beklagte legt nicht dar, dass die Kosten nach der entsprechenden Tabelle geringer wären als die hier verlangten (30,84 €/Tag brutto).

Der Kläger war auch nicht gehalten, seine Vollkaskoversicherung in Anspruch zu nehmen, nur weil die Regulierungsentscheidung der Beklagten so lange auf sich warten ließ. Im übrigen hätte die Inanspruchnahme einer Vollkaskoversicherung den Schaden nicht gemindert, weil Ersatzansprüche auf den Vollkaskoversicherer übergegangen wären und der Kläger zusätzlich einen Verlust seinen Schadensfreiheitsrabattes hätte geltend machen können.

Allerdings muss der Kläger sich ersparte Eigenaufwendungen anspruchsmindemd entgegenhalten lassen. Der angemietete Pkw entsprach nämlich mindestens seinem beschädigten Fahrzeug, Die Ersparnis schätzt das Gericht gemäß § 287 ZPO auf 10 % der Mietwagenkosten, mithin 120,27 €.

Da die Teilabweisung der Klage in Ansehung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten nicht zu einer Änderung der Gebührenstufe führt (10.000,01 € -13.000 €). hat die Beklagte ferner 61,88 € weitere vorgerichtliche Kosten zu erstatten

Der Zinsanspruch folgt im erkannten Umfang aus Verzug.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 92 I. 708 Nr. 11, 713 ZPO. Berufungszu-iassungsgründe sind nicht gegeben,

Der Streitwert beträgt 608,48 €.

Richter am Amtsgericht

Verkündet am 23.05.2012

——————————-

Amtsgericht Hamburg-Wandsbek

Rechtsanwälte …

In Sachen

wg. Schadensersatz

Ihr Zeichen: …

Geschäftsnummer

712 C 90/11

Hamburg, den 28.03.2012

Sehr geehrte Herren Rechtsanwälte,

nach Durchsicht der Akte enpfiehlt das Gericht der Beklagten, den Kläger klagtos zu stellen.

Das klägerische Schreiben vom 5.5.2011 (Anlage B 2) enthält keine endgültige Abrechnung auf Gutachtenbasis, sondern beziffert nur ausdrücklich „vorläufig“ den Mindestschaden.

Mt Schreiben vom 8.6.2011 machte der Kläger konkret die Inauftraggabe der Reparatur von der Haftungszusage, nicht einmal der Zahlung abhängig, Das ist nicht unvernünftig und verstößt nicht gegen das, was jeder vernünftige Mensch täte, um den Schaden nicht zu vergrößern. Normalerweise würde man, wenn man auf den Kosten sitzenzubleiben droht, eher eine Biligreparatur erwägen oder das Auto verkaufen, anstatt etwa einen Kredit für die Reparaturkosten in einer Fachwerkstatt in Höhe mehrerer Tausend Euro aufzunehmen oder liquides Vermögen ansetzen, und zwar unabhängig davon, ob man das Geld hat oder nicht. Denn – wie ausgeführt – es wurde zu dem Zeitpunkt nicht nur nicht gezahlt, sondern der Kläger hatte keine verlässliche Grundlage für die Annahme, die Beklagte werde die Kosten übernehmen. Dabei war nach Vorlage des Schadensgutachtens bereits ca 1 Monat verstrichen. Am Tag der Haftungszusage erteilte der Kläger den Reparaturauftrag dann auch

Dass die Reparatur tatsächlich länger dauerte als zunächst vom Gutachter angenommen, fällt in den Rsikobereich der Beklagten.

Nach allem wird der Kläger Ausgleich der Metwagenkostenl für den Zeitraum 6.6.-15.7.2011 verlangen können.

Mit freundlichen Grüßen

Richter am Amtsgericht

Urteilsliste “Mietwagenkosten” zum Download >>>>>

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  1. Burkhard Bemerode sagt:

    Auch im Norden setzt sich offenbar durch, dass die Zinsen auch für den Zeitraum vom Einghang bei der Gerichtskasse und dem Eingang des Kostenfestsetzungsgesuchs dem Prozesssieger zustehen und der Unterlegene diese Zinsen, die dem Kläger entgangen sind, zu erstatten hat. Ohne seine Weigerung, den Schaden nach Recht und Gesetz zu regulieren, wären die Gerichtskosten gar nicht eingezahlt worden. Mithin muss der Verlieren die gesamte Zeche einschließlich der Zinsen zahlen. Daher ist es nur gerecht, wenn er auch für den Zeitraum außerhalb des § 104 ZPO zahlt. Diese Rechtsprechung müßte sich immer mehr durchsetzen.

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