AG Darmstadt spricht mit Urteil vom 29.7.2013 – 308 C 72/13 – zu Lasten der HDI und ihres VN als Gesamtschuldner die restlichen Sachverständigenkosten aus abgetretenem Recht zu, weist allerdings den Feststellungsantrag bezüglich der Gerichtskostenzinsen ab.

Hallo verehrte Captain-Huk-Leser,

nachfolgend geben wir Euch ein hinsichtlich der Sachverständigenkosten lesenswertes Urteil der Amtsrichterin der 308. Zivilabteilung des AG Darmstadt bekannt. Die Verurteilung zur Zahlung der restlichen Sachverständigenkosten ist makellos begründet worden. In diesem Fall meinte die HDI-versicherung, die erforderlichen Sachverständigenkosten kürzen zu müssen. Von der Amtsrichterin mussten sich die Prozessbevollmächtigten der Beklagten – HDI und ihr VN als  Gesamtschuldner – anhören, dass es auf den Einwand der Überhöhung der Kosten gar nicht ankommt im Schadensersatzprozess. Das gilt auch, wenn der Sachverständige aus abgetretenem Recht den Schadensersatzanspruch des Geschädigten auf Erstattung der Sachverständigenkosten geltend macht. Aber die Versicherer wollen dies natürlich nicht hören, denn dann würde ihnen ein Hauptargument gegen die Kostenrechnungen der freien Sachverständigen aus der Hand geschlagen. Vielmehr vertrauen sie darauf, dass irgendwann einmal ein Richter ihnen auf den Leim geht.  Dann geht man mit dem Urteil hausieren, wie im Fall des im Ergebnis falschen Deckelungsurteils des LG Saarbrücken. Insoweit ist die Urteilsbegründung top. Allerdings ist die Begründung zu dem Feststellungsantrag bezüglich der Gerichtskostenzinsen ein Flop. Obwohl sich die Amtsrichterin mit dem Thema intensiv befasst hat, ist ihre Schlussfolgerung falsch.

Schadensersatzansprüche, und damit auch die Rechtsverfolgungskosten, sind sofort fällig. Es bedarf keiner Mahnung mehr. Die Gerichtskosten für die Zeit von der Einzahlung bis zum Eingang des Kostenfestsetzungsantrags sind ebenfalls Kosten des Rechtsstreites, die mit 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen sind. Es ist auch nicht begründbar, dass der Kläger den Rechtsstreit gewonnen hat mit der gesetzlich vorgeschriebenen Konsequenz des § 92 ZPO, wonach der Unterlegene die Kosten des Rechtsstreits – alle Kosten des Rechtsstreits – zu zahlen hat, nunmehr die Zinsen für den vom § 104 ZPO nicht umfassten Zeitraum selbst tragen soll.  Lest aber bitte selbst das Urteil aus Darmstadt und gebt Eure Kommentare ab. Das Urteil wurde erstritten und dem Autor zugesandt durch Herrn Rechtsanwalt Lutz Imhof aus Aschaffenburg.

Viele Grüße
Willi Wacker

Amtsgericht Darmstadt

Geschäfts-Nr.: 308 C 72/13

Urteil
Im Namen des Volkes

In dem Rechtsstreit

D., D.& K. GbR vertr. d.d. GS … aus R.

Klägerin

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte D. I. u. K., aus A.

gegen

1. HDI Direkt Versicherung AG gesetzl. vertr. d. d. Vorstand vertr. d. d. Vorsitzenden Dr. Christian Hirsch, Am Schönenkamp 455 40599 Düsseldorf

2. H.-J. M. aus D.

Beklagte

Prozessbevollmächtigte zu 1, 2: Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte D. E. u.K. aus D.

hat das Amtsgericht Darmstadt durch Richterin am Amtsgericht … im schriftlichen Verfahren gemäß § 495 a ZPO am 29.07.2013 für Recht erkannt:

1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 233,52 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten jährlich über dem Basiszinssatz seit dem 02.062012 zu zahlen.

2. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 39,00 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten jährlich über dem Basiszinssatz seit dem 10.08.2012 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Die Beklagten haben die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

5. Die Berufung gegen das Urteil wird nicht zugelassen.

6. Der Streitwert wird auf 233,52 € festgesetzt.

Tatbestand

Auf die Darstellung eines Tatbestandes wird gemäß § 313a Abs. 1 ZPO verzichtet.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist überwiegend begründet.

Die Klägerin hat gegen die Beklagten aus abgetretenem Recht einen Anspruch auf Zahlung weiterer Sachverständigenkosten in Höhe von 233,52 € gemäß §§ 7 Abs. 1, 18 StVG, § 249 BGB, 115 VVG, § 398 BGB aus dem streitgegenständlichen Verkehrsunfall, der sich am 02.05.2012 in Darmstadt ereignete.

Die Klägerin ist aktivlegitimiert. Bezüglich der vorgelegten Abtretungserklärung bestehen keine Wirksamkeitsbedenken.

Es kommt nicht darauf an, ob die Rechnung des Sachverständigen überhöht ist. Die vertragsrechtlichen Beziehungen zwischen dem Sachverständigen und dem Geschädigten sind von der schadensersatzrechtlichen Beziehung zwischen dem Geschädigten und dem Schädiger zu unterscheiden. Eine unter vertragsrechtlichen Gesichtspunkten überhöhte Rechnung ist grundsätzlich erstattungspflichtig. Die vertragsrechtliche Beziehung zwischen dem Sachverständigen und dem Geschädigten ist von der schadensersatzrechtlichen Beziehung zu dem Geschädigten zu unterscheiden. Die Berechnung des Schadens kann nicht von Mängeln von Verträgen abhängig gemacht werden, die der Geschädigte abgeschlossen hat, um den Schaden zu beheben. Die Erstattungspflicht einer Sachverständigenrechnung richtet sich nach schadensersatzrechtlichen Gesichtspunkten, insbesondere nach § 249 BGB (Müller in Himmelreich/Halm, Handbuch des Fachanwalts, Verkehrsrecht 4. Aufl., Kapitel 6, Rz. 224 u. 226s Seite 463 u. 484).

Die Klägerin macht einen Schadensersatzanspruch geltend. Erstattungsfähig ist, was „dem wirtschaftlich denkenden Menschen in der Lage des Geschädigten zur Behebung des Schadens zweckmäßig und angemessen erscheint“ (BGH NJW 2007, 1450 ff). Dabei ist im Rahmen der subjektbezogenen Schadensbetrachtung auf die spezielle Situation des Geschädigten und seine individuellen Einfluss- und Erkenntnismögiichkeiten Rücksicht zunehmen (BGH a. a. O.). Preisvergleiche sind dem Geschädigten in diesem Bereich nicht zuzumuten. Im Verhältnis zum Geschädigten gilt, dass dieser vor Erteilung des Gutachterauftrages keine Marktforschung betreiben muss, so lange für ihn als Laie nicht erkennbar ist, dass der Sachverständige seine Vergütung geradezu willkürlich ansetzt. Dem Geschädigten fehlt häufig, anders als bei Mietwagenkosten, schon die praktische Möglichkeit, sich im Vorfeld nach der Höhe der Sachverständigengebühren im konkreten Fall zu erkundigen. Denn diese Gebühren richten sich meist nach der Schadenshöhes weshalb der Sachverständige ex ante meist keine zuverlässigen Angaben zur voraussichtlichen Höhe seiner Gebühren treffen kann. Da der Sachverständige Erfüllungsgehilfe des Schädigers ist, nicht des Geschädigten, sind die Fehler des Sachverständigen somit dem Schädiger zuzurechnen. Das Prognoserisiko geht zu Lasten des Schädigers (Müller in; Himmelreich/Halm, Handbuch des Fachanwalts, Verkehrsrecht, 4. Aufl., Kapitel 6, Rz. 227, S. 465); Vorliegend ist nicht erkennbar, dass dem Geschädigten eine Unangemessenheit der Vergütung bei Auftragserteilung offensichtlich ins Auge springen musste.

Der Schädiger ist im Übrigen nicht benachteiligt, da er, wenn er die Vergütung für überhöht hält, vom Geschädigten die Abtretung seiner Rückforderungsansprüche gegen den Sachverständigen verlangen kann.

Hinsichtlich der Nebenkosten können sich die Beklagten ebenso nicht auf eine Überhöhung berufen. Auf die obigen Ausführungen wird Bezug genommen.

Die Nebenentscheidung beruht auf §§ 280, 286, 288 BGB. Diesbezüglich war die Klage teilweise abzuweisen. Ein Verzugseintritt zum 27.05.2012 ist nicht ersichtlich, vielmehr ist auf das Schreiben vom 24.05.2012 abzustellen. Ferner hat die Klägerin hinsichtlich der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten lediglich einen Anspruch in Höhe von 39,00 € (1,3 Geschäftsgebühr aus einem Gegenstandswert in Höhe von 233,52 € zuzüglich Pauschale). Eine Erhöhung der Geschäftsgebühr über die Regelgebühr von 1,3 hinaus kann nur gefordert werden, wenn die Tätigkeit des Rechtsanwalts umfangreich oder schwierig war, und ist deshalb nicht unter dem Gesichtspunkt der Toleranzrechtsprechung bis zu einer Überschreitung von 20 % der gerichtlichen Überprüfung entzogen (BGH, Urteil vom 11.07.2012, Aktenzeichen VIII ZR 323/11). Vorliegend ist nicht erkennbar, dass die Tätigkeit des Prozessbevollmächtigten der Klägerin umfangreich oder schwierig war. Diesbezüglich ist es allein nicht ausreichend, dass eine außergerichtliche Regulierung nicht vollständig erfolgt ist und deshalb die Klageerhebung notwendig wurde. Auch im Hinblick auf das vorliegende „Problem“ des Falles ist ein besonderer Umfang oder eine besondere Schwierigkeit nicht erkennbar. Die Klägerin kann Zahlung und nicht lediglich Freistellung geltend machen, da in dem Verhalten der Beklagten eine ernsthafte und endgültige Verweigerung hinsichtlich der Zahlung der restlichen Sachverständigenkosten zu sehen ist (§ 250 BGB entsprechend).

Die Klage war hinsichtlich der Mahnkosten abzuweisen, das Vorliegen einer den Verzug begründenden Mahnung vor dem 24.05.2012 ist nicht ersichtlich.

Ferner war die Klage bezüglich des Feststellungsantrages abzuweisen. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Verzinsung der von ihr verauslagten Gerichtskosten. Zwar sind auch die Kosten der Rechtsverfolgung erstattungspflichtig, wenn sie „erforderlich“ gewesen sind. Hierzu wird man neben den Rechtsanwaltskosten auch die Kosten zählen können, die durch die Einzahlung des Gerichtskostenvorschusses entstanden sind, z. B. Kosten, die durch die Kreditaufnahme oder Kontoüberziehung anfallen oder in dem Verlust einer Zinsanlagemöglichkeit für den als Gerichtskosten eingezahlten Geldbetrag bestehen (OLG Karlsruhe, Urteil vom 10.07.2012 – 8 U 66/11 – ZfS 2013, 45-46). Denn auch die durch die Einzahlung des Gerichtskostenvorschusses entstandenen Kosten sind ein adäquater und dem Schädiger zurechenbarer Folgeschaden des Verkehrsunfalls. Dass solche Kosten hier konkret entstanden sind, legt die Klägerin nicht dar.

Im Übrigen hat die Klägerin nicht vorgetragen, die Beklagten wegen der verauslagten Gerichtskosten gemahnt bzw. überhaupt zur Zahlung aufgefordert zu haben.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 ZPO.

Die Entscheidung bezüglich der vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.

Die Berufung gegen das Urteil war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 511 Abs. 4 ZPO nicht vorliegen.

Die Streitwertfestsetzung hat ihre Grundlage in § 3 ZPO.

Urteilsliste “SV-Honorar” zum Download >>>>>

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2 Antworten zu AG Darmstadt spricht mit Urteil vom 29.7.2013 – 308 C 72/13 – zu Lasten der HDI und ihres VN als Gesamtschuldner die restlichen Sachverständigenkosten aus abgetretenem Recht zu, weist allerdings den Feststellungsantrag bezüglich der Gerichtskostenzinsen ab.

  1. Werner Hülsken sagt:

    Hinsichtlich der Gerichtskostenzinsen gilt hier das Gleiche, was ich auch in meinem Kommentar zum Urteil des AG Aschffenburg gestern gesagt habe. Leider hat sich die Amtsrichterin in Darmstadt genauso wenig tiefgreifende Gedanken gemacht wie ihre Kollegin in Aschaffenburg.

  2. virus sagt:

    HDI in betrügerischer Absicht unterwegs?

    Obwohl wie oben dargelegt, der HDI bereits 2013 rechtskräftig zum Schadensersatz verurteilt wurde, schreibt mir Herr …..: Wir verweisen auf das Urteil AG 0815 aus 12, wonach bei Kleinschäden maximal 25 % der Nebenkosten der Nettoreparaturkosten als Sachverständigengebühr zu berücksichtigen sind.

    Da will der HDI sich doch nicht wegen der niedrigen Zinsen an den Geschädigten schadlos halten?

    Siehe HDI-Geschäftsbericht 2014 Seite 48 – http://www.hdi.at/download/geschaeftsberichte/HDI_Geschaeftsbericht_2014.pdf

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