Hallo verehrte Captain-Huk-Leser,
zum Wochenende veröffentlichen wir noch ein interessantes Fiktivabrechner-Urteil mit der Frage der Verweisung auf eine gleichwertige Reparaturmöglichkeit. Selbstverständlich hatte die AXA-Versicherung behauptet, dass die von ihr benannte Alternativwerkstatt die erforderlichen Wiederherstellungsarbeiten gleichwertig wie die Mercedes-Benz-Fachwerkstatt durchführen könnte. Sie hatte allerdings diese Behauptung in den Raum gestellt, ohne entsprechend der BGH-Rechtsprechung diese dargelegte Behauptung auch bewiesen zu haben. Auf Bestreiten der Klägerseite musste folgerichtig entsprechend der Relationstechnik das angerufene Gericht Beweis erheben durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens. Dieses Gutachten war aber für die AXA-Versicherung ein „Waterloo“. Der vom Gericht beauftragte Sachverständige V. kam zu dem Ergebnis, dass die Reparatur bei der Alternnativwerkstatt nicht gleichwertig durchgeführt werden kann. Da hätte auch eine Zertifizierung als EUROGARANT-Werkstatt nichts genützt. Lest selbst. Das Urteil ist eine schöne Wochenendlektüre, was die fiktive Abrechnung und die Frage der Verweisung betrifft. Interessant ist auch der Absatz über die Verbringungskosten. Maßgeblich ist, ob die am Wohnort des Geschädigten ansässige Markenfachwerkstatt über eine eigene Lackiererei verfügt. Nicht entscheidend ist, was mit der Alternativwerkstatt ist.
Das Urteil wurde erstritten und eingereicht durch die Kanzlei Lothar Schriewer aus Düsseldorf.
Viele Grüße und ein schönes Wochenende
Willi Wacker
36 C 10926/12 Verkündet am 02.08.2013
Amtsgericht Düsseldorf
IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
In dem Rechtsstreit
der Frau …
Klägerin,
gegen
die AXA Versicherung AG, vertr. d. d. Vorstand, Colonia-Allee 10-20, 51067 Köln,
Beklagte,
hat das Amtsgericht Düsseldorf
auf die mündliche Verhandlung vom 28.06.2013
durch den Richter am Amtsgericht …
für Recht erkannt:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.754,02 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus einem Betrag in Höhe von 1.605,27 Euro seit dem 12.06.2012 und aus einem Betrag in Höhe von 148,75 seit dem 29.03.2013 zu zahlen.
Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin von Rechtsanwaltskosten in Höhe von 354,23 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 03.10.2012 gegenüber Rechtsanwalt … , freizustellen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.
Das Urteil ist für die Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar. Die Vollstreckung der Beklagten kann die Klägern durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn die Beklagte nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand:
Die Klägerin macht Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall geltend, der sich am 05.05.2012 in Düsseldorf ereignete.
Das unfallbeteiligte Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen K-… war im Zeitpunkt des Unfalls bei der Beklagten haftpflichtversichert.
Die grundsätzliche Haftung der Beklagten aus dem zugrundeliegenden Verkehrsunfall ist zwischen den Parteien unstreitig.
Die Klägerin rechnete ihren Fahrzeugschaden fiktiv auf der Grundlage eines Gutachtens des Sachverständigen L. in Höhe von 7.229,27 Euro gegenüber der Beklagten ab. In dem Gutachten werden unter anderem Kosten für Beilackierungsarbeiten für an die von dem Schadensereignis betroffenen Bauteile angrenzenden Bauteile aufgeführt. Darüber hinaus führt das Gutachten Verbringungskosten zu einer Lackiererei in Höhe von 84 Euro netto auf.
Auf den Schaden zahlte die Beklagte zunächst einen Betrag in Höhe von 5.540 Euro an die Klägerin.
In der Folgezeit zahlte die Beklagte weitere 325 Euro Nutzungsentschädigung sowie 64,80 Euro für eine Reparaturbestätigung an die Klägerin.
Hinsichtlich des Reparaturschadens verwies die Beklagte die Klägerin auf die Firma S. in Düsseldorf und behauptete, diese würde den Schaden für 5.579,33 Euro technisch gleichwertig in Stand setzen können. Darüber hinaus teilte sie der Klägerin mit, dass Beilackierungsarbeiten zur sachgerechten Instandsetzung nicht erforderlich seien. Daraufhin beauftragte die Klägerin den Sachverständigen L. mit der Erstellung eines Ergänzungsgutachtens, welches sich über die Notwendigkeit von Beilackierungsarbeiten verhält und diese bestätigt. Für diese Gutachten stellte der Sachverständige der Klägerin 148,78 Euro in Rechnung.
Mit der Klage macht die Klägerin die Differenz zwischen dem von der Beklagten gezahlten Betrag in Höhe von 5.540 Euro und der sich aus dem Gutachten L. ergebenden Schadenshöhe geltend. Darüber hinaus macht sie weitere Nutzungsentschädigung in Höhe von 1.743,20 Euro geltend. Schließlich macht sie die Kosten für das Ergänzungsgutachten sowie vorgerichtliche Anwaltskosten geltend.
Sie trägt vor: Nutzungsentschädigung könne sie für 27 Tage bei einer Tagespauschale in Höhe von 79 pro Tag von der Beklagten verlangen.
Sie beantragt,
1.
die Beklagte zu verurteilen, an sie 3.645,97 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 3.467,22 Euro seit dem 12.06.2012 und aus 148,75 seit Rechtshängigkeit zu verurteilen;
2.
die Beklagte zu verurteilen, sie von außergerichtlichen Anwaltskosten ihres Prozessbevollmächtigten in Höhe von 533,59 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit durch Zahlung dieses Betrages an RA … freizustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie trägt vor: Die Firma S. könne die Reparaturarbeiten im Vergleich zu einer Mercedes-Benz-Fachwerkstatt technisch gleichwertig ausführen. Auf diese Werkstatt müsse sich die Klägerin verweisen lassen. Verbringungskosten könne die Klägerin nicht verlangen. Beilackierungsarbeiten seien nicht erforderlich.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachten des Sachverständigen V. . Zum Ergebnis der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 28.06.2013 verwiesen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist teilweise begründet.
Die Klägerin hat einen Anspruch auf Zahlung von weiteren Reparaturkosten in Höhe von 1.605,27 Euro aus §§ 7 Abs. 1, 18 Abs. 1 und 3 StVG i.Vm. §§ 3 PflVG, 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG sowie §§ 249 ff. BGB gegen die Beklagte.
Der Anspruch ist dem Grunde nach zwischen den Parteien unstreitig.
Der von der Beklagten vorgenommene Verweis auf eine günstigere und gleichwertige Reparaturmöglichkeit führt nicht zu einer Reduzierung des von der Klägerin geltend gemachten fiktiven Reparaturschadens. Die Firma S. auf die die Beklagte die Klägerin verwiesen hat, ist nach den nachvollziehbaren und widerspruchsfreien Ausführungen des Sachverständigen V. nicht in der Lage, eine technisch gleichwertige Reparatur wie eine Mercedes-Benz-Fachwerkstatt zu liefern. Denn ausweislich des vorgelegten Schadensgutachtens waren für die fachgerechte Reparatur auch mechanische Arbeiten erforderlich (Erneuerung der Radaufhängung). Die Firma S. verfügt aber über keinen entsprechend geschulten Mitarbeiter im Bereich der Mechanik. Insbesondere verfügt sie in diesem Bereich nicht über einen Meister. Dadurch wäre eine technisch gleichwertige Reparatur nach den Ausführungen des Sachverständigen V. nicht gewährleistet.
Die Beklagten können auch nicht einwenden, dass Beilackierungsmaßnahmen nebst damit verbundenen De- und Montage der Anbauteile im Bereich der Tür hinten rechts nicht erforderlich seien und deshalb von dem von der Klägerin geltend gemachten Schaden in Abzug gebracht werden müssten. Nach den Ausführungen des Sachverständigen V. seien solche Beilackierungsmaßnahmen bei dem klägerischen Fahrzeug zwingend erforderlich, um eine optisch einheitlichen Eindruck des Fahrzeugs zu gewährleisten. Insoweit führt der Sachverständige in sich schlüssig und widerspruchsfrei aus, dass bei Fahrzeugen älteren Baujahrs grundsätzlich von einer Verblassung des Fahrzeuglacks ausgegangen werden müsse. Wenn in einem solchen Fall nur ein Teil des Fahrzeugs neu lackiert werde, ohne dass eine bei den angrenzenden Fahrzeugteilen durch Beilackierung erfolgte Angleichung erfolge, würde dies zu einem mit dem bloßen Auge erkennbaren Unterschied des neu aufgetragenen Lackes zu dem vorhandenen Lack führen.
Einen Anspruch auf Erstattung von fiktiven Verbringungskosten in Höhe von 84 Euro hat die Klägerin hingegen nicht. Sie hat nicht dargelegt, dass die an ihrem Wohnort vorhandene Werkstatt nicht über eine eigene Lackiererei verfügt (vgl. OLG Düsseldorf, NZV 2002, 87).
Im Ergebnis ergibt sich hinsichtlich der der Klägerin zustehenden Reparaturkosten folgendes Zahlenwerk:
Reparaturkosten laut Gutachten L. : 7.229,27 Euro
abzüglich gezahlter 5.540 Euro: 1.689,27 Euro
abzüglich Verbringungskosten i.H.v. 84 Euro: 1.605,27 Euro
Die Klägerin hat darüber hinaus einen Anspruch auf Zahlung von weiteren 148,75 Euro für das eingeholte Ergänzungsgutachten des Sachverständigen L. zur Frage der Beilackierungsarbeiten. Diese Kosten stellen einen kausalen Schaden der Klägerin dar, nachdem die Beklagte die Regulierung der Kosten, über die sich das Ergänzungsgutachten des Sachverständigen L. verhält, zu unrecht verweigert hat.
Einen Anspruch auf Zahlung von Nutzungsentschädigung in Höhe von weiteren 1.743,20 Euro hat die Klägerin hingegen nicht. Der grundsätzlich zu bejahende Anspruch der Klägerin auf Nutzungsentschädigung ist mit der durch die Beklagte geleistete Zahlung in Höhe von 325 Euro abgegolten. Denn der Geschädigte kann bei einer fiktiven Schadensabrechnung Nutzungsentschädigung maximal für die Zeit ersetzt verlangen, die für die Reparatur nach dem Gutachten erforderlich ist (BGH NJW 2003, 3480, 3481). Nach dem Gutachten des Sachverständigen L. , auf das die Klägerin ihre Abrechnung stützt, sind für eine Reparatur 4-5 Werktage zu veranschlagen. Für diesen Zeitraum hat die Beklagte durch Zahlung eines Betrages in Höhe von 325 Euro an die Klägerin ihrer Verpflichtung zur Zahlung von Nutzungsentschädigung genüge getan. Dabei hat die Beklagte aufgrund des Alters des klägerischen Fahrzeug zu recht einen Pauschalsatz von 65 Euro/Tag zugrunde gelegt.
Ein Anspruch auf Erstattung von 64,80 Euro für die Kosten der Reparaturbestätigung steht der Klägerin ebenfalls nicht zu. Diese Kosten hat die Beklagte nach ihrem unwidersprochenen Vortrag bereits vorgerichtlich erfüllt.
Ein Anspruch auf Freistellung von vorgerichtlichen Anwaltskosten steht der Klägerin in Höhe von 354,23 Euro zu. Rechtsanwaltskosten stehen der Klägerin insgesamt in Höhe von 661,16 Euro zu (1,3 Geschäftsgebühr bei Zugrundelegung eines Streitwertes von bis zu 8.000 Euro zzgl. Kostenpauschale in Höhe von 20 Euro). Auf diesen Betrag hat die Beklagte vorgerichtlich 303,93 Euro geleistet.
Der Zinsanspruch folgt aus dem Gesichtspunkt des Verzuges gemäß §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286 BGB.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 709, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Streitwert: bis zu 4.500 Euro.
Und jetzt bitte Eure Kommentare.
Urteilsliste “Fiktive Abrechnung u. SV-Honorar” zum Download >>>>>
Der Rechtsprtechung des BGH folgend hat das Gericht die Beweisaufnahme durchgeführt. Der BGH hatte nämlich schon im VW-Urteil ausgeführt, dass der Schädiger darlegungs- und beweisverpflichtet ist, wenn er den Geschädigten auf eine billigere Werkstatt verweisen will. Dargelegt hatte der Schädiger bzw. seine Versicherung, die AXA, als vorgetragen wurde, dass die Firma S in Ddorf gleichwertig reparieren könne.
Da dies von der Klägerseite – wie üblich – bestritten ist, musste das Gericht Beweis erheben. Insoweit war es konsequent, dass das Gericht einen Sachverständigen mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragte. Hinweise auf irgendwelche zertifizierungen genügen dabei dann nicht. Selbst wenn es sich um eine Eurogarant-Werkstatt gehandelt haben sollte, hätte Beweis durch Sachverständigengutachten erhoben werden müssen.
Für die Axa ist nur peinlich, dass der eigene Vortrag nicht bestätigt wurde. Wie hatte doch die Axa vollmundig behauptet, dass die Firma S genauso gut reparieren könnte wie die Mercedes-Benz Markenwerkstatt. Pustekuchen. War wohl nix! Der gerichtlich bestellte sachverständige musste feststellen, dass die Firma S verschiedene Arbeiten gar nicht durchführen konnte.
Damit war die Gleichwertigkeit nicht bewiesen. Die Beklagte war beweislastig geblieben. Dem Geschädigten war bei dieser Situation nicht zuzumuten, bei der Referenzwerkstatt zuz reparieren. Damit war für diese Referenzwerkstatt die Messe gelesen. Das wars dann. Die Geschädigten sollten jetzt bei Verweisungen, die die Axa veranlasst, immer genau hinsehen und die behauptete Gleichwertigkeit bestreiten. Die Schädigerseite muss beweisen, mithin auch den Sachverständigenvorschuss leisten.
Insgesamt also eine schöne Entscheidung für Fiktivabrechner. Der einzige Wermutstropfen ist der mit den Verbringungskosten. Insoweit dürfte die Entscheidung falsch sein. Der vorgerichtliche Sachverständige hatte in Kenntnis der örtlichen Situation Verbringungskosten in seinem Gutachten aufgenommen. Die örtliche Mercedes-Benz-Werkstatt hat offensichtlich keine eigene Lackiererei. Insoweit würden Verbringungskosten anfallen. Das Gutachten beweist es. Durch die Vorlage des Gutachtens ist der Geschädigte seiner Darlegungspflicht nachgekommen.
Nur mal laut gedacht:
Die Versicherung verweist den Geschädigten (vorgerichtlich) auf eine Alternativwerkstatt mit der Behauptung, diese könne gleichwertig, aber günstiger reparieren. Diese Behauptung kann der Geschädigte (als Laie) nicht überprüfen.
Dann müßte es ihm doch gestattet sein, auf Kosten der Versicherung die behauptete Gleichwertigkeit zu überprüfen. Diese Überprüfungskosten müßten doch – unabhängig vom Ergebnis der Prüfung – zu Lasten der Versicherung gehen. Und diese Überprüfung dürfte für den Geschädigten auch erforderlich im Sinne des § 249 BGB sein. Denn nur so kann er (als Laie) abklären, ob die Versicherung zu Recht kürzt.
Die Kürzungsinstitute haben die Referenzwerkstätten und deren Preise in der Software hinterlegt. Die Kürzungen laufen automatisiert und mit geringen Kosten ab.
Wenn die Überprüfung der Verweisung / Kürzung aber noch mal 300,- € extra kostet und zu Lasten der Versicherung geht, dann rechnet sich die Kürzung nicht mehr bzw. nicht mehr so schnell…
@RA Schepers
Guten Morgen Herr Schepers. Sind Sie auch schon aufgewacht? Während Sie noch laut nachdenken, läuft diese Strategie bei den ausgeschlafenen (Anwälten und Gutachtern) schon seit einigen Jahren. Wurde hier auch schon entsprechend diskutiert.
Sobald der Anwalt einen „Prüfbericht“ der gegnerischen Versicherung erhält, durch den der Schadensersatz systematisch heruntergerechnet wird, holt er beim Sachverständigen eine kostenpflichtige Stellungnahme zu dem Versicherungspamphlet ein. Schadensrechtlich ist das völlig in Ordnung, da der Geschädigte, wie Sie bereits selbst ausgeführt hatten, berechtigt ist, Einwendungen der Versicherung überprüfen zu lassen. Er selbst (oder sein Anwalt) kann ja nicht beurteilen, ob die Abrechnung der Versicherung korrekt ist. Und schon fallen erhebliche Zusatzkosten an.
Für die ausgeschlafenen Sachverständigen ist das inzwischen ein gutes Zusatzgeschäft. Für die Anwälte möglicherweise auch (Gebührensprung?).
Aktuelles Beispiel:
Schadenshöhe = 1.700 Euro
Gutachtenhonorar = 403 Euro (brutto)
Kosten für die umfangreiche Stellungnahme = 490 Euro (brutto)
Macht Summa Summarum ein Gesamthonorar von 893 Euro. So macht die Gutachterei doch wieder richtig Spaß?
Eine Stellungnahme zur fiktiven Abrechnung kann die Versicherung aber noch viel teurer zu stehen kommen. Z.B. wenn der Sachverständige die „Gleichwertigkeit“ der benannten Billigwerkstätten vor Ort überprüfen muss. Versicherer benennen oftmals Werkstäten, die bis zu 50 km oder mehr vom Geschädigten entfernt sind. Und das dann noch in alle 4 Himmelsrichtungen? Da kann eine umfangreiche Stellungnahme mit entsprechenden Reisekosten auch recht schnell in den Bereich von einem Tausender oder mehr gehen.
Siehe zum Thema Stellungnahme auch http://www.captain-huk.de/Kategorie/stellungnahme/
Zwei mal Honorar bei einem Schadensfall. Was will man mehr?
Es soll aber auch noch jede Menge Pappnasen unter den Sachverständigen geben, die umfangreiche Stellungnahmen immer noch zum Nulltarif anfertigen. Ebenso wie es noch jede Menge Anwälte gibt, die der Auffassung sind, Stellungnahmen des Sachverständigen dürften nichts kosten. Die Versicherungsleute lachen sich derweil bestimmt scheckig über so viel Dummheit.
Das Lachen würde denen aber schnell im Halse stecken bleiben, wenn alle (Anwälte und Gutachter) in die kostenpflichtigen Stellungnahmen einschwenken. Meiner Meinung nach wäre die Kürzerei bei der fiktiven Abrechnung mit dieser Gegenstrategie bereits im Eimer, wenn nur 30 oder 40% der Anwälte/Sachverständigen diesen Weg gehen. Zusammen mit der konsequenten Verfolgung von Urheberrechtsverstößen wäre das gesamte Schadensmanagement ruckzuck am A….
Hätte, wäre, wenn….
Zitat Josef Ackermann:
Wacht auf Deutschland !!!
@ Karle
nachdem ich Ihren Beitrag gelesen habe, habe ich gemerkt, daß ich mich mißverständlich ausgedrückt habe.
Ich meinte, den Sacherständigen auf Kosten der Versicherung in die Referenzwerkstatt zu schicken, um dort zu überprüfen, ob die Referenzwerkstatt tatsächlich in der Lage ist, gleichwertig zu reparieren. Der Sachverständige würde vorgerichtlich das überprüfen, was der vom AG Düsseldorf bestellte Sachverständige im Prozeß überprüft hat.
Unterschied: im Prozeß trägt derjenige die Kosten des Sachverständigen, der verliert.
Vorgerichtlich müßten die Kosten von der Versicherung zu tragen sein, da es für den Geschädigten erforderlich ist, als Laie die Einwendungen der Versicherung durch einen Fachmann überprüfen zu lassen.
Und ob die benannte Werkstatt tatsächlich gleichwertig reparieren kann, kann doch nur ein Sachverständiger vor Ort entscheiden (und nicht nach Aktenlage bzw. durch juristische Argumentation). Dabei ist relevant (jeweils bezogen auf den konkreten Fall!):
– welche Arbeiten müssen am beschädigten Fahrzeug durchgeführt werden,
– über welche Fachkunde muß das eingesetzte Personal verfügen,
– ist besondere Erfahrung mit dem Fahrzeugtyp erforderlich,
– welches Werkzeug ist erforderlich,
– über welche Fachkunde verfügt das Personal der Referenzwerkstatt,
– hat das Personal der Referenzwerkstatt besondere Erfahrung mit dem Fahrzeugtyp,
– welches Werkzeug ist in der Referenzwerkstatt vorhanden,
– in welcher Zeit können die Mitarbeiter in der Referenzwerkstatt das Fahrzeug reparieren,
– handelt es sich um allgemeingültige Preise oder um Sondervereinbarungen mit der Versicherung etc.
All dies kann der Geschädigte selber nicht beurteilen. Und das wird auch der Sachverständige nicht alleine anhand des Kürzungsberichtes der Versicherung überprüfen können. Dazu muß er sich in die Werkstatt begeben.
Diesen Ansatz wollte ich zumindest mal zur Diskussion stellen.
Daß die Stellungnahmekosten des Sachverständigen von den Gerichten (zumindest teilweise) den Versicherungen auferlegt werden, ist mir bekannt. Sie sehen, ich bin nicht nur aufgewacht, sondern sogar schon länger wach 😉
@RA Schepers
Ich habe schon richtig verstanden.
Die Urteile über die Stellungnahme sind letztendlich nichts anderes, als die außergerichtliche Weigerung der Versicherung, diese Kosten zu übernehmen? Die jeweiligen Stellungnahmen wurden in der Regel also bereits außergerichtlich erstellt. Und so muss es auch immer laufen. Kürzung der Versicherung auf billigere Werkstätten = Stellungnahme des Sachverständigen für die Überprüfung der Gleichwertigkeit dieser Werkstätten mit entsprechender Kostennote = business as usual.
@ Karle
…mit dem Unterschied, daß der Sachverständige nichts zur Qualität der Referenzwerkstatt gesagt hat und auch nicht in der Referenzwerkstatt war. Wenn er raus fährt, sich die ganze Sache anschaut, den Werkstattinhaber befragt, wieder ins Büro fährt und dann seine Stellungnahme schreibt, hat er 3 Stunden mehr zu tun. 3 zusätzliche Stunden, die zu vergüten wären…
@RA Schepers
Lesen Sie Kommentare nur zur Hälfte oder wo ist das Problem?
Karle vom 24.08.2013 13:48
„Eine Stellungnahme zur fiktiven Abrechnung kann die Versicherung aber noch viel teurer zu stehen kommen. Z.B. wenn der Sachverständige die “Gleichwertigkeit” der benannten Billigwerkstätten vor Ort überprüfen muss. Versicherer benennen oftmals Werkstäten, die bis zu 50 km oder mehr vom Geschädigten entfernt sind. Und das dann noch in alle 4 Himmelsrichtungen? Da kann eine umfangreiche Stellungnahme mit entsprechenden Reisekosten auch recht schnell in den Bereich von einem Tausender oder mehr gehen.“
Genau das wird von den Ausgeschlafenen schon seit längerem praktiziert, sofern sich die Gelegenheit dazu ergibt. Bei der Kürzung auf billgere Werkstätten werden die benannten Buden (vor Ort) auf die behauptete Gleichwertigkeit untersucht mit dem entsprechenden Kostenaufwand.
@ Karle
Diesmal tatsächlich. Sorry dafür.
@ Schepers
guter Ansatz,geht aber besser!
Das Gutachten an die vom Versicherer benannte Verweisungswerkstatt schicken und anfragen, zu welchem Preis der Schaden dort behoben werden könnte.
Wenn ich mich totlachen könnte,wäre ich schon dutzendmal gestorben,denn die Antwort lautet regelmässig,dass man selbstverständlich in der Lage sei,zu den geschätzten Kosten gem. Gutachten zu reparieren,der Geschädigte solle doch bitte gleich vorbeikommen.
Diese Antwort legen sie dann dem Versicherer vor.
Folge:Es kommt gleich Geld,oder man wendet die Vogel-Strauss-Politik an und dann kannste locker Klagen.
Bitte auch mal selber ausprobieren!
Klingelingelingelts?
@Glöckchen:
Wie genial ist das denn??????
@ Glöckchen
am Besten, sich das schriftlich per Fax bestätigen lassen, dann ist auch bewiesen, dass die von der Versicherung benannten reduzierten Preise auf einer Sondervereinbarung beruhen, und derartige Preise aufgrund von Sondervereinbarungen hat der BGH als nicht marktgerechte Preise eingestuft, auf die kein Geschädigter vewiesen werden kann (vgl. BGH VI ZR 53/09).
Aber an sonsten prima Idee. Sollte Schule machen.
Ich habe das Klingeling gehört.
@ Glöckchen
Danke für die Anregung, habe ich heute gleich mal praktiziert. Gutachten rübergefaxt und um verbindliches Reparaturangebot gebeten. 22 Minuten später (!) hatte ich das Angebot handschriftlich per Fax. Stundensätze so, wie von Versicherung angegeben, keine UPE-Zuschläge, und damit brutto 200,- € billiger als Gutachten brutto. Aber immerhin brutto 600,- € teurer als die Versicherung. Denn Farbmusterbleche, Beilackierung und Abdeckungsarbeiten wollte zwar die Versicherung streichen, die Referenzwerkstatt scheint diese wohl dennoch für erforderlich zu halten. 🙂
Seis drum, Fahrzeug wird sowieso repariert, aber in einer Werkstatt, die das Vertrauen des Mandanten genießt. Und dann wird nach Rechnung reguliert 🙂
@Schepers
da war die Partnerwerkstatt aber schon informiert und die Verweisung durch die Versicherung war schon erfolgt,oder?
@ Babelfisch
AG Saarlouis soll den Schädiger nach unzureichender Reparatur in der Partnerwerkstatt auf die Differenz zu den Reparaturkosten gem. Gutachten verurteit haben.
Wie geil ist das denn?
@ Glöckchen
Ob die Werkstatt von der konkreten Verweisung schon wußte, ist mir nicht bekannt. Aber ich bin sicher, daß die Werkstatt grundsätzlich weiß, welche Preise die Versicherung angibt…
@ Glöckchen
Die Idee fand ich interessant und habe es auch mal gleich ausprobiert. Das Ergebnis: 7 Seiten langer Kostenvoranschlag, eine völlige Neuberechnung, die Reparaturkosten im Ergebnis aber sogar ca. 1 € billiger als im Kürzungsbericht berechnet. Und… eine Rechnung über die Erstellung eines Kostenvoranschlags in Höhe von 10% der Bruttoreparaturkosten + MwSt. Toll!
Inzwischen hat die Versicherung – nach meiner üblichen Stellungnahme zu den Kürzungen und dem Hinweis auf die Berliner Rechtsprechung – die Kürzung vollständig nachgezahlt, so dass ich die Rechnung für die Erstellung des Kostenvoranschlags auch nicht an die Versicherung zur Zahlung weiter leiten kann.
War also keine so tolle Idee 🙁