Hallo verehrte Captain-Huk-Leser,
zum Wochenende geben wir Euch hier ein weiteres erfreuliches Urteil aus Berlin zur fiktiven Abrechnung bekannt. Zutreffend hat die Einzelrichterin der Berufungskammer 43 S des Landgerichts Berlin den Verweis in dem Prüfbericht der Firma Carexpert auf eine günstigere Alternativwerkstatt zur markengebundenen Fachwerkstatt als nicht ausreichend dargelegt und bewiesen erachtet. Wie hier bereits vielfach erwähnt, reicht es nicht aus, lediglich günstigere Stundensätze der Alernativwerkstatt anzugeben. Denn damit ist noch nichts zur gleichwertigen Reparatur gesagt, die der Sachverständige seiner Kalkulation zugrunde gelegt hat. Damit folgt das LG Berlin der mittlerweile wohl herrschenden Rechtsauffassung zur Darlegungspflicht des Schädigers und der eventuellen Beweispflicht bezüglich der behaupteten Gleichwertigkeit der behaupteten billigeren Reparatur. Das Darlegen und Beweisen, das der VI. Zivilsenat des BGH ausdrücklich im Leitsatz b.) des Urteils vom 20.10.2009 – VI ZR 53/09 – aber auch im Urteil vom 14.5.2013 – VI ZR 320/12 – aufgeführt hat, wurde geflissentlich von den Versicherern der Schädiger gerne unter den Tisch gekehrt. Die Bezugnahme nur auf den Prüfbericht der Dienstleister alleine reicht nicht. Das gilt auch für Eurogarantbetriebe, wenn die qualitative, gleichwertige Repartatur dort bestritten ist, denn auch in Eurogarantbetrieben können mehr Arbeitsstunden anfallen als in der Markenfachwerkstatt, deren Preise und Arbeitszeiten der Sachverständige in seinem Gutachten zugrunde gelegt hat.
Insoweit kann dann die Reparatur dort nicht günstiger sein. Nur wenn ein konkretes, verbindliches Reparaturangebot der Alternativwerkstatt vorliegt, dann hat der Schädiger ausreichend dargelegt und gegebenfalls bewiesen. Ein solches konkretes und verbindliches Angebot der im Prüfbericht der Firma Carexpert benannten Werkstatt lag nicht vor. Also hat der Schädiger nicht ausreichend dargerlegt. Insoweit ein schlüssiges und in sich stimmiges Urteil des LG Berlin. Das Urteil wurde erstritten und der Redaktion eingereicht durch Frau Rechtsanwältin Simeonova aus 10787 Berlin. Lest selbst und gebt auch an diesem Wochenende bitte Eure Kommentare ab.
Viele Grüße und ein schönes Wochenende.
Willi Wacker
Landgericht Berlin
Im Namen des Volkes
Urteil
Geschäftsnummer: 43 S 10/13 __ ___ verkündet am: 24.07.2013
. 109 C 3146/12 Amtsgericht Mitte
In dem Rechtsstreit der …
Klägerin und Berufungsklägerin,
gegen
R + V Allgemeine Versicherung AG,
vertreten durch den Vorstandsvorsitzenden
Dr. Norbert Rollinger, den Vorstand Frank-Henning Florian,
Heinz-Jürgen Kallerhoff, Hans-Christian Marschler,
Rainer Neumann und Peter Weiler,
Niedersachsenring 13, 30163 Hannover,
Beklagte und Berufungsbeklagte,
hat die Zivilkammer 43 des Landgerichts Berlin in Berlin – Mitte, Littenstraße 12-17, 10179 Berlin, auf die mündliche Verhandlung vom 24. Juli 2013 durch die Richterin am Landgericht … als Einzelrichterin
f ü r R e c h t e r k a n n t :
1. Auf die Berufung der Klägerin wird das am 11.12.2012 verkündete Urteil des Amtsgerichts Mitte -109 C 3146/12 – geändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 805,39 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 06.03.2012 zu zahlen.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 ZPO, § 26 Nr. 8 EGZPO abgesehen.
Gründe
Die zulässige Berufung der Klägerin ist begründet, denn das Amtsgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Der Klägerin steht gegen die Beklagte aus dem streitgegenständlichen Verkehrsunfall ein restlicher Schadensersatzanspruch gem. § 115 VVG zu.
Die Klägerin kann die Zahlung von 805,39 € als restliche Reparaturkosten netto bei der von ihr vorgenommenen fiktiven Schadensabrechnung entsprechend dem von ihr eingeholten Sachverständigengutachten vom 21. Februar 2012 von der Beklagten begehren. Die von dem Sachverständigen bei seiner Kalkulation ermittelten Stundensätze der regional ansässigen Fachwerkstatt … , in Potsdam und die von dieser Fachwerkstatt erhobenen UPE von 8,2 % darf die Klägerin ihrer fiktiven Schadensabrechnung zugrunde legen.
Sie muss sich von den Beklagten nicht auf die im Prüfbericht der carexpert GmbH vom 24. Februar 2012 benannten Alternativwerkstätten und deren günstigere Stundensätze verweisen lassen. Insofern gilt Folgendes:
Der Geschädigte darf, sofern die Voraussetzungen für eine fiktive Schadensberechnung vorliegen, dieser grundsätzlich die üblichen Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt zugrunde legen, die ein von ihm eingeschalteter Sachverständiger auf dem allgemeinen regionalen Markt ermittelt. Allerdings ist unter Umständen ein Verweis des Schädigers auf eine günstigere Reparaturmöglichkeit in einer mühelos und ohne weiteres zugänglichen anderen markengebundenen „freien“ Fachwerkstatt möglich, wenn der Schädiger darlegt und ggf. beweist, dass eine Reparatur in dieser Werkstatt vom Qualitatsstandard her der Reparatur in einer markengebundenen Fachwerkstatt entspricht und der Geschädigte keine Umstände aufzeigt, die ihm eine Reparatur außerhalb der markengebundenen Fachwerkstatt unzumutbar machen (BGH vom 14. Mai 2013 – VI ZR 320/12 -). Mit dem Prüfbericht von carexpert hat die Beklagte der Klägerin eine gleichwertige Reparaturmöglichkeit, auf die die Klägerin sich hätte einlassen müssen, nicht nachgewiesen. Denn ein konkretes Angebot, auf das die Klägerin „mühelos“ hätte zugreifen können, lag nicht vor. Vielmehr hätte die Klägerin bei den von der Beklagten benannten Werkstätten erst einmal umfangreich eigene Initiative entfalten müssen, um festzustellen, ob in der genannten Werkstatt tatsächlich eine für sie günstigere Reparaturmöglichkeit besteht. Das Angebot hätte vielmehr so konkret sein müssen, dass der Geschädigte, ähnlich der Lage bei abweichenden (höheren) Restwertgeboten, tatsächlich nur noch zugreifen muss; nur dann kann von einer „mühelos“ zugänglichen Alternative gesprochen werden. Hierfür wird es grundsätzlich eines verbindlichen Reparaturangebots der aufgezeigten Werkstatt bedürfen (LG vom 18. Juli 2011 – 43 S 41/11 -). Ein solches konkretes Angebot hat die Beklagte der Klägerin nicht mitgeteilt. Auch die in dem Sachverständigengutachten … vom 21. Februar 2012 berücksichtigten UPE-Aufschläge hat die Beklagte zu erstatten, da sie in der genannten markengebundenen Fachwerkstatt an dem Ort, an dem die Reparatur auszuführen wäre, anfallen (vgl. auch KG vom 10. September 2007 – 22 U 224/06 -).
Die Kostenentscheidung folgt gem. § 91 Abs. 1 ZPO.
Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich gem. §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Sache nicht von grundsätzlicher Bedeutung ist und weder die Einheitlichkeit der Rechtsprechung noch die Fortbildung des Rechts eine Entscheidung des Bundesgerichtshofes erfordern (§ 543 Abs. 2 ZPO).
Urteilsliste “Fiktive Abrechnung” zum Download >>>>>
Siehe auch: CH-Beitrag vom 08.01.2014
Mich wundert, dass man sich über das unsinnige Urtei des AG Ratzeburg, trotz der positiven Kommentare von Herrns RA. Schepers und der Liedparadie aus dem Bundestag, so ellenlang ausläßt, aber dieses positive Urteil des LG Berlin unbeachtet läßt.
Meine Herren, haben Sie mal festgestellt, was das LG Berlin, immerhin ein Landgericht, über die Verweisung festgestellt hat. Die Verweisung allein aufgrund eines Prüfberichtes ist für den Geschädigten unzumutbar, wenn nicht ein konkretes verbindliches Angebot der freien Werkstatt, die in dem Prüfbericht oder von der Versicherung angegeben wurde, vorgelegt wird. Damit ist doch die gängige Verweisungspraxis der Versicherungen, allen voran die HUK-Coburg mit ihrem Langenfelder „Prüfexperten“, aus den Angeln gehoben. Über dieses Urteil und seine positiven Folgen muss man sich auslassen.
W.W. hat im Vorspann recht, wenn er anführt, daß mit dem Prüfbericht alleine der Versicherer seiner Darlegungspflicht nicht nachgekommen ist. Wenn der Geschädigte noch eigene Erkundigungen einholen muß, dann ist die freie Werkstatt nicht mehr ohne Weiteres mühelos erreichbar. Ein klasse Urteil. Es stärkt die Rechte des Fiktivabrechners.
Wetten, daß dieses Urteil nicht in der Versicherungsrecht veröffentlicht wird. Bei dem Urteil des AG Ratzeburg bin ich mir da schon eher sicher. Und bei dem Urteil des LG Saarbrücken noch mehr. Es ist daher gut, daß wenigstens dieser Blog hier die guten Urteile veröffentlicht. Macht daher weiter so, Jungs.
Servus
Aigner Alois
Hallo, Alois,
alles schön der Reihe nach, denn aufgeschoben ist nicht aufgehoben und in weniger als 3 Tagen ist dieses Urteil immerhin schon 1755 x aufgerufen worden. Ich selbst habe es mit meinem Verteiler 148 Rechtsanwälten zugänglich gemacht und die verbreiten es weiter im Kollegenkreis, da bin ich mir ganz sicher.
Gruß vom
Gamsjager
Hallo, Alois,
das von Dir angesprochene Urteil des LG Berlin ist inzwischen schon tausendfach verbreitet worden und Du kannst selbst prüfen, wie oft es hier auf diesem Internetportal von http://www.captain-huk allein schon aufgerufen worden ist. Es ist in der Tat für die fiktive Abrechnung ein beachtenswertes Urteil, weil es damit aufräumt, sich an unbedeutenden Punkten festzuklammern und den gesunden Menschenverstand an der Garderobe abzugeben. Man darf aber nicht vergessen, auch darauf hinzuweisen, dass der Erfolg auch durch die bildhafte Umsetzung und somit durch die Qualität einer Klage mitbestimmt wird. Man muß halt mit großem Erfolgswillen ständig bemüht sein, das Gebäude der Scheinargumentationen zum Einsturz zu bringen und wie Du siehst, gelingt das zunehmend.-
Mit freundlichen Grüßen
G.v.H.
Ähnlich wie das LG Berlin hat jetzt auch das AG München entschieden. Die Richterin des AG München hat sogar bei einem 11 Jahre alten Wagen eine Verweisung verneint, weil die Versicherung, die DA Deutsche Allgemeine Vers.-AG in Oberursel, nicht ausreichend dargelegt hat, dass die Reparatur in der Ersatzwerkstatt tatsächlich preisgünstiger ist. (Siehe: AG München Urt. vom 4.9.2013 Az. 343 C 16478/13)