Hier ein aktuelles Beispiel, das die Perversität des Schadensmanagements vieler Versicherer exemplarisch aufzeigt. Ein alltäglicher Fall von widerspenstischer Schadensregulierung mit einer Arroganz, die ihresgleichen sucht.
Bei einem Schadensereignis vom 26.04.2012 in Karlsruhe wurde ein älterer Fiat Marea an der Felge vorn rechts deutlich beschädigt. Die Schädigerin, eine Versicherte der Allianz Versicherungs-AG, war gegen das geparkte Fahrzeug gefahren. Die an dem Fahrzeug montierten Felgen kamen ursprünglich aus dem Zubehörhandel. Die Erstzulassung des Fahrzeugs datiert aus dem Jahr 1996. Der Wiederbeschaffungswert lag bei EUR 1.500,00 .
Der Geschädigte (auch aus Karlsruhe) suchte daraufhin die nächstgelegene Fachwerkstatt auf, um den Schaden einschätzen zu lassen. Dort war man sich nicht sicher, ob noch weitere Schäden vorhanden sein könnten und schaltete (im Auftrag des Geschädigten) einen Kfz-Sachverständigen ein. Durch einfache Sichtprüfung konnte auch der weitere Schäden nicht ausschließen, so dass eine Fahrzeugvermessung durchgeführt wurde. Das Vermessungsprotokoll ergab keine unfallbedingten Veränderungen an der Vorderachsgeometrie.
Daraufhin kalkulierte der Sachverständige den Schadensumfang. Die Nachfrage beim Zubehörhandel ergab, dass diese Felge nicht mehr lieferbar sei. Auch eine weitere Recherche zu irgendwelchen Restlagerbeständen verlief ohne Ergebnis. Daraufhin kalkulierte der Sachverständige 4 neue Felgen im vergleichbaren unteren Preissegment (á EUR 75,00), nebst Montage sowie die Überprüfung des Reifens vorn rechts. Des weiteren wurde eine Vermessung der Achsgeometrie im Gutachten vorgesehen (die ja bereits stattgefunden hatte). Außerdem wurde aus Gründen der Sicherheit auf die Überprüfung der Lenkung hingewiesen. Basis für die Kalkulation der Reparaturkosten bildete eine nahegelegene Fiat-Markenwerkstatt gemäß BGH-Rechtsprechung (Entfernung ca. 10 km).
Der Schaden lt. Gutachten belief sich auf insgesamt EUR 522,00 netto (= EUR 621,18 brutto). Der Versand des Gutachten nebst Rechnung erfolgte an die Allianz Vers.-AG. Ein Rechtsanwalt zur Schadensregulierung wurde (aus Gründen der Kostenersparnis) nicht eingeschaltet.
Nach mehrmaliger Aufforderung durch den Geschädigten zur fiktiven Abrechnung rechnete die Allianz Versicherung den Schaden am 07.01.2013 ab. Grundlage hierfür war ein Prüfbericht unter Verwendung des Sachverständigengutachtens. Von den kalkulierten EUR 522,00 netto wurden EUR 9,00 für die Überprüfung des rechten Vorderreifens abgezogen. Ebenso wurden die UPE-Aufschläge in Abzug gebracht (10% = EUR 27,27). Auch bei den Lohnkosten wurden Abzüge vorgenommen. Grundlage hierfür war der Verweis auf die Stundenverrechnungssätze eines Referenzbetriebes (freier Karosseriebaubetrieb in Gaggenau), der sich in einer Entfernung von ca. 28 km !! zum Geschädigten befindet (= EUR 25,30). Letzte Kürzung erfolgte bei den Kleinteilen mit EUR 0,55.
Zur Auszahlung kamen somit EUR 459,88 netto.
Eine Unkostenpauschale wurde nicht erstattet, ebensowenig die Sachverständigenkosten in Höhe von EUR 273,70 brutto, da es sich nach der Auffassung der Allianz Versicherung um einen sog. „Einfachschaden“ handle.
Hier das Abrechnungsschreiben der Allianz Versicherungs-AG vom 07.01.2013:
Sehr geehrter Herr … ,
den unten genannten Zahlungsbetrag haben wir mit dem heutigen Datum auf das Konto, Nr. … , BLZ … überwiesen.
Der Betrag setzt sich wie folgt zusammen:
Kalkulierte Reparaturkosten 459.88 EUR
Zahlungsbetrag 459.88 EUR
Wir haben das Sachverständigengutachten erhalten und rechnen den Schaden anhand des beigefügten Prüfberichts ab. Ergeben sich bei Reparatur höhere, unfallbedingte Reparaturkosten, werden wir die Differenz gegen Vorlage entsprechender Nachweise erstatten.
Das Honorar des beauftragten Sachverständigen können wir nicht übernehmen.
Der Geschädigte ist verpflichtet, den Schaden so gering wie möglich zu halten, wenn für ihn, wie hier, aufgrund des Beschädigungsbildes erkennbar war, dass es sich um einen Einfachschaden am Fahrzeug handelt. Zur Feststellung von Schadenumfang und -höhe hätte die Erstellung eines Kostenvoranschlages ausgereicht. Mit der Beauftragung eines Sachverständigen wurde gegen die dem Geschädigten obliegende Schadenminderungspflicht verstoßen.
Sollten Sie noch Fragen haben, stehen wir Ihnen jederzeit gerne zur Verfügung – Ihre Zufriedenheit ist uns wichtig.
Mit freundlichen Grüßen
Ihre Allianz
Mit gleichen Datum erhielt der Sachverständige ein analoges Schreiben der Allianz bezüglich Verweigerung der Sachverständigenkosten:
Sehr geehrte Damen und Herren,
Das von Ihnen in Rechnung gestellte Honorar können wir nicht übernehmen.
Ihre Beauftragung durch den Geschädigten war zur Feststellung von Schadenumfang und -höhe nicht erforderlich, da es sich aufgrund des Beschädigungsbildes erkennbar um einen Einfachschaden handelt. Mit Ihrer Beauftragung hat der Geschädigte folglich gegen die Schadenminderungspflicht verstoßen. Die Schadenhöhe hätte auch durch Vorlage eines Kostenvoranschlages nachgewiesen werden können.
Mit freundlichen Grüßen
Ihre Allianz
Endgültige Zahlungsverweigerung der eintrittspflichtigen Versicherung? Was soll´s, dachte sich wohl der Sachverständige? Letztendlich haftet der Schädiger bzw. hier die Schädigerin für den vollständigen Ausgleich des Schadens, die dann per 26.01.2013 ein entsprechendes Anschreiben erhielt:
Sehr geehrte Frau … ,
bei der Regulierung des o.a. Unfallschadens wurden durch Ihre Versicherung nicht alle Schadenspositionen vollständig ausgeglichen. Unter anderem handelt es sich um die Kosten für das Sachverständigengutachten zur Feststellung des Fahrzeugschadens Ihres Unfallgegners in Höhe von EUR 273,70 (Anlage Rechnung vom 22.05.2012).
Nachdem die Beauftragung eines Sachverständigen veranlasst war (Verdacht auf Achsschaden), steht dem Geschädigten die Erstattung dieser Kosten gemäß § 249 BGB zu!
Die gegenständliche Forderung wurde am 27.05.2012 an uns abgetreten, so dass wir berechtigt sind, diese Forderung selbst geltend zu machen (Anlage Abtretungserklärung).
Ich bitte um Ausgleich des offenen Betrages bis zum 10.02.2013 und rege an, den Betrag ggf. bei Ihrer Haftpflichtversicherung gemäß AKB bzw. VVG zu regressieren.
Mit freundlichen Grüßen
Die Schadenverursacherin schien zu diesem Zeitpunkt durchaus (noch) kooperativ und beantwortete das Schreiben per 04.02.2013 wie folgt:
Sehr geehrter Herr … ,
bitte haben Sie Verständnis, dass ich die Angelegenheit zunächst, d.h. gleich nach dem Erhalt Ihres Schreibens per mail meiner Versicherung zur Stellungnahme übermittelt habe. Mir ist der von Ihnen geschilderte Sachverhalt ja bisher neu. Ihre Fristsetzung zur Begleichung der noch offenen Rechnung ist deshalb sehr kurz gesetzt. Zumal ich Sie ja eigentlich auch nicht beauftragt habe. Ich bin weiterhin daran interessiert, dass angefallene Kosten beglichen werden, halte da aber wie Sie die Versicherung in der Pflicht.
Ich werde Sie über deren Rückmeldung auf dem Laufenden halten.
Mit freundlichem Gruß
Datumsgleich erhielt der Sachverständige ein erneutes Schreiben der Allianz mit folgendem Inhalt:
Sehr geehrte Damen und Herren,
wir nehmen Bezug auf Ihr Schreiben vom 26.01.2013 direkt an unsere VN. Wie Ihnen bereits am 07.01.2013 mitgeteilt, können wir uns an Ihren Kosten nicht beteiligen, da im Rahmen der Schadenminderungspflicht des Geschädigten eine Beauftragung Ihrerseits nicht notwendig war. Bitte richten Sie Ihre Rechnung nicht weiter an unsere Kundin oder uns, sondern ggf. direkt an den Auftraggeber.
Mit freundlichen Grüßen
Ihre Allianz
Zur nochmaligen Verdeutlichung der berechtigten Forderung erhielt die Versicherungsnehmerin der Allianz am 11.02.103 ein weiteres Schreiben des Sachverständigen:
Sehr geehrte Frau … ,
ich nehme Bezug auf Ihr Schreiben vom 04.02.2013. In der Anlage übersende ich ein Schreiben der Allianz Versicherung vom 04.02.2013 (Eingang hier 09.02.2013) als Beantwortung Ihrer Anfrage bei der Allianz. Die Allianz Versicherung sieht nach wie vor keine Verpflichtung zur Übernahme der Kosten für das Schadensgutachten.
Die diversen “Ansichten” der Allianz Versicherung zur Schadensabwicklung sind hinreichend bekannt, jedoch rechtlich nicht zutreffend. In der gegenständlichen Angelegenheit liegt ein klassischer Fall vor, bei dem der Geschädigte berechtigt war, ein Schadensgutachten einzuholen (Felgenbeschädigung => Verdacht auf Achs- bzw. Lenkungsschaden).
Auch der Wunsch der Allianz, Sie nicht weiter zu behelligen, entspricht nicht der Rechtslage.
Der Anspruch wurde abgetreten, wodurch er direkt beim Schadenverursacher geltend gemacht werden kann. Es gibt zwar das Recht, aber keine Verpflichtung, Geschädigtenansprüche direkt beim Haftpflichtversicherer geltend zu machen. Dies betrifft auch die Forderung zur Erstattung der Kosten für das Schadensgutachten (=Schadensposition).
Nach der “unwilligen” bzw. unvollständigen Regulierung Ihres Kfz-Haftpflichtversicherers habe ich mich deshalb (legitim) direkt an Sie gewandt. Nichtzuletzt um Ihrem Haftpflichtversicherer Gelegenheit zu geben, die Angelegenheit doch noch zufriedenstellend für alle Seiten zu erledigen.
Nachdem dies – auch nach Intervention Ihrerseits – wieder nicht gelungen ist, setze ich letzmalige Frist zur Anweisung des offenen Betrages in Höhe von EUR 273,70 bis zum 18.02.2013.
Vorsorglich weise ich daraufhin, dass wir nach Fristablauf – ohne vollständigen Zahlungsausgleich – das gerichtliche Mahnverfahren einleiten werden und dadurch weitere Kosten anfallen.
Mit freundlichen Grüßen
Die Schädigerin fühlte sich wohl nicht mehr zuständig (oder vielleicht auch überfordert durch die unterschiedlichen Rechtsansichten), da nur noch ein weiteres Schreiben der Allianz Vers. per 15.02.2013 erfolgte:
Sehr geehrte Damen und Herren,
wir nehmen Bezug auf Ihr Schreiben vom 26.01.2013 direkt an unsere Kundin Frau … . Wie wir Ihnen bereits mitgeteilt haben, zuletzt am 04.02.2013, war die Einholung eines Gutachtens aufgrund der geringen Schadenhöhe nicht notwendig. Bei Bagatellschäden sieht die Rechtssprechung die Einschaltung eines Sachverständigen als nicht wirtschaftlich an. Der Anspruchsteller hat demnach nicht im Rahmen der Schadenminderungspflicht gehandelt, die Kosten sind vom Unfallverursacher und seiner Versicherung nicht zu zahlen. Wir lehnen Ihre Kosten daher ab und fordern Sie auf von weiteren Schreiben gegen unsere Kundin Abstand zu nehmen. Wenden Sie sich ggf. an Ihren Auftraggeber.
Mit freundlichen Grüßen
Ihre Allianz
Der Sachverständige scheint wohl einer von der „hartnäckigen Sorte“, der dem Wunsch der Allianz dann nur teilweise nachgekommen ist. Zwar wurde die Kundin der Allianz nicht mit weiteren Schreiben behelligt. Dafür gab es aber per 20.02.2013 einen Mahnbescheid durch das Amtsgericht Stuttgart gegen die Versicherungsnehmerin der Allianz.
Gegen diesen Mahnbescheid wurde dann am 01.03.2013 (wie erwartet) durch die Allianz Vers. AG Widerspruch eingelegt. Nachdem die Allianz Vers. nicht zu dem Kreis der Prozessbevollmächtigten gehört, worauf sie bereits von mehreren Gerichten in der Vergangenheit hingewiesen wurde, gab es seitens des Sachverständigen per 20.03.2013 folgende Mitteilung an das Mahngericht:
Sehr geehrte Damen und Herren,
in der o.a. Mahnsache wurde Widerspruch erhoben.
Der Widerspruch erfolgte durch die
Allianz Deutschland AG Privat Kraftschaden
Theodor-Stern-Kai 1, 60596 FrankfurtDie Allianz erklärte sich hierbei als Prozessbevollmächtigte der Schuldnerin.
Die Allianz Deutschland AG ist jedoch nicht selbst beklagte Partei.
Die Allianz Deutschland AG ist deshalb auch nicht berechtigt, Erklärungen für die Beklagte abzugeben. Sie müsste, um Erklärungen für die Schuldnerin abgeben zu können, zu den nach § 79 ZPO benannten Vertretungsberechtigten gehören. Dies ist jedoch nicht der Fall (Anlage § 79 ZPO sowie Beschlüsse des AG Stuttgart, AG Dieburg u. AG Gelnhausen).Die Widerspruchsanzeige ist daher wg. fehlenden Rechts nicht beachtlich. Der Widerspruch gilt nach Ablauf der Widerspruchsfrist – ohne rechtsverbindliche und fristgerechte Widerspruchserklärung der Schuldnerin – nunmehr als verfristet.
In der Anlage übersende ich den Antrag auf Erlass eines Vollstreckungsbescheids mit der Bitte um Berücksichtigung.
Mit freundlichen Grüßen
Daraufhin erging am 16.04.2013 folgender Beschluss durch das AG Stuttgart:
Geschäftsnummer: 13-8910602-08-N
Amtsgericht Stuttgart
MahnabteilungBeschluss
vom 16. April 2013In der Mahnsache:
Antragsteller
…
gegen
Antragsgegner
…
Rechtsbehelf eingelegt: 01.03.13 durch:
Allianz Deutschland AG privat Kraftschaden
Theodor-Stern-Kai 1, 60596 Frankfurt
Geschäftszeichen: …wird die Allianz Versicherungs-Aktiengesellschaft als Bevollmächtigte der Antragsgegnerin
zurückgewiesen
Gründe:
Die Allianz Versicherungs-AG ist als Vertreterin der Antragsgegnerin zurückzuweisen, da sie gemäß § 79 Abs. 3 ZPO nicht vertretungsberechtigt ist. Sie gehört nicht zu den in § 79 ZPO abschließend aufgeführten vertretungsberechtigten Personen.
…
Rechtspfleger
Danach erging Vollstreckungsbescheid, der am 24.04.2013 der Schädigerin zugestellt wurde. Gegen diesen Vollstreckungsbescheid des Mahngerichts Stuttgart wurde Einspruch eingelegt durch eine Rechtsanwaltskanzlei aus Stuttgart!! Daraufhin erfolgte die Abgabe des Verfahrens vom Mahngericht Stuttgart an das Amtsgericht Karlsruhe, das nach den üblichen Schriftsätzen im schriftlichen Verfahren am 27.08.2013 folgendes Urteil verkündete:
Aktenzeichen:
5 C 221/13Verkündet am
27.08.2013Amtsgericht Karlsruhe
Im Namen des Volkes
Urteil
In dem Rechtsstreit
…
– Kläger –
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte Dennig & Kollegen, Kriegsstraße 246, 76135 Karlsruhe
gegen
…
– Beklagte –
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte F. T. & P. GbR, Stuttgart
wegen Schadensersatz
hat das Amtsgericht Karlsruhe
durch die Richterin …
am 27.08.2013 nach dem Sach- und Streitstand vom 20.08.2013 ohne mündliche Verhandlung
gemäß § 495a ZPOfür Recht erkannt:
1. Der Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts Stuttgart vom 17.04.2013 (Geschäftszeichen 13-8910602-08-N ) bleibt aufrechterhalten.
2. Die Beklagte hat die weiteren Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 273,70 € festgesetzt.
(abgekürzt nach § 313a Abs. 1 ZPO)
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist insgesamt begründet. Der Kläger kann von der Beklagten aus abgetretenem Recht Schadensersatz in Höhe von 273,70 € verlangen. Die Sachverständigenkosten waren für den geschädigten Zedenten zur Ermittlung des Schadensumfangs und der anfallenden Reparaturkosten erforderlich (sogleich I.). Der Vollstreckungsbescheid hätte, nachdem die Haftpflichtversicherung der Beklagten fristgerecht Widerspruch gegen den Mahnbescheid vom 21.03.2013 einlegte, zwar nicht erlassen werden dürfen, der Vollstreckungsbescheid stützt sich jedoch auf eine begründete Forderung und war mithin nicht aufzuheben (sogleich II.).
I.
Der Kläger kann von der Beklagten gemäß §§ 7 Abs. 1, 18 Abs. 1 StVG, 249 Abs. 1, 398 S. 1, 2 BGB die Erstattung von Sachverständigengebühren verlangen.
1.
Die vollumfängliche Haftung der Beklagten für Schäden, die dem Geschädigten … infolge des Unfalls am 26.04.2012 in Karlsruhe entstanden sind, ist unstreitig. Aufgrund der vorgelegten, an den Geschädigten … adressierten Ausfertigung des Sachverständigengutachtens (AS 111 ff), einer an den Geschädigten gerichteten Rechnung (AS 131) sowie insbesondere einer durch den Geschädigten unterzeichneten Abtretungserklärung zugunsten des Klägers (AS 129), steht die Auftragserteilung durch den Geschädigten an den Kläger zur Überzeugung des Gerichts fest.Die Beklagte hat gemäß § 249 Abs. 2 S. 1 BGB den zur Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands erforderlichen Geldbetrag zu zahlen. Dazu zählen auch die zur Ermittlung des Schadensumfangs erforderlichen Kosten; somit auch die Sachverständigenkosten. Der Geschädigte durfte einen Sachverständigen mit der Begutachtung des entstandenen Schadens beauftragen. Der Geschädigte ist in der Wahl der Mittel zur Schadensbehebung grundsätzlich frei. Er darf zur Schadensbeseitigung grundsätzlich den Weg einschlagen, der aus seiner Sicht seinen Interessen am besten zu entsprechen scheint, so dass er im Regelfall berechtigt ist, einen qualifizierten Gutachter seiner Wahl mit der Erstellung des Schadensgutachtens zu beauftragen (Palandt, Kommentar zum BGB, 72. Auflage, § 249, Rn. 58).
Die Beauftragung eines Sachverständigen ist für einen verständigen, wirtschaftlich denkenden Geschädigten indessen nicht erforderlich, sofern es sich um einen reinen Bagatellschaden handelt. Die Ermittlung des Reparaturumfangs und der Reparaturkosten kann bei einem offensichtlichen Bagatellschaden ohne weiteres durch eine Reparaturwerkstatt erfolgen. Ein Indiz für die fehlende Erforderlichkeit ist eine geringe Schadenshöhe. Es verbietet sich jedoch, die Erforderlichkeit allein anhand einer festen Betragsgrenze zu bemessen: Für die Frage, ob der Schädiger die Kosten eines Gutachtens zu ersetzen hat, ist nicht allein darauf abzustellen, ob die durch die Begutachtung ermittelte Schadenshöhe einen bestimmten Betrag überschreitet oder in einem bestimmten Verhältnis zu den Sachverständigenkosten steht, denn zum Zeitpunkt der Beauftragung des Gutachters ist dem Geschädigten diese Höhe gerade nicht bekannt (BGH, Urteil vom 30. November 2004 – VI ZR 365/03 , Juris). Maßgeblich ist, ob anhand des Schadensbildes für den Geschädigten ersichtlich ist, dass es sich nur um einen Bagatellschaden handelt. Dies war vorliegend nicht der Fall: Infolge des Unfalls wurde die Felge des klägerischen Fahrzeugs beschädigt. Nach dem unbestrittenen Vortrag der Klägerseite brachte der Geschädigte sein Fahrzeug vor Erteilung des Gutachterauftrags zu der Reparaturwerkstatt … . Seitens der Reparaturwerkstatt wurde ihm mitgeteilt, dass der Schadensumfang nicht abschließend eingeschätzt werden könne und sich insbesondere nicht abschließend feststellen ließe, ob weitere, die Sicherheit des Fahrzeugs beeinträchtigende Schäden vorhanden seien. Sofern der Schadensumfang für eine Reparaturwerkstatt nicht abschätzbar ist, muss dies erst recht für einen Geschädigten als Laien gelten, sodass die Beauftragung eines Sachverständigen erforderlich ist (LG Darmstadt, Urteil vom 14.12.2012, 6 S 132/12; AG Schwerte, Urt. v. 12.08.1985, 2 C 459/85, zitiert nach juris).
II.
Ein Vollstreckungsbescheid hätte nicht erlassen werden dürfen, da gegen den Mahnbescheid ein Widerspruch durch die Haftpflichtversicherung eingelegt wurde, bevor diese zurückgewiesen wurde. Prozesshandlungen, die vor ihrer Zurückweisung nach § 79 Abs. 3 S.2 ZPO erfolgen, sind wirksam. Dies ändert jedoch nichts an der getroffenen Entscheidung, da die Forderung des Klägers begründet war.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in den §§ 708 Nr, 11, 713 ZPO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 3 ZPO, 63 Abs. 2 GKG.
…
Richterin
Bleibt nur noch zu ergänzen, dass der Sachverständige der Schadenverursacherin eine Abschrift des Urteils übermittelt hat, da die Erfahrung zeigt, dass viele Versicherungsanwälte die Versicherungsnehmer nicht mit entsprechenden Informationen zu den laufenden Verfahren versorgen? Falls doch – doppelt genäht hält bekanntlich besser?
An diesem Beispiel kann man wieder recht gut erkennen, wie auch beim „Branchenprimus“ um jeden lächerlichen Cent gekämpft wird. Letztendlich ist der Kunde der Allianz der Dumme, der als Verurteilter im Rubrum „verewigt“ wird und nicht die Allianz Vers.-AG. Bei diesem Fallbeispiel ist eine Versicherte wieder voll „ins offene Messer“ gelaufen.
Wenn mir so eine „Sauerei“ passiert wäre, würde ich sofort, bzw. bei der nächsten Fristgelegenheit, sämtliche Versicherungen bei der Allianz kündigen und alle Freunde, Verwandte und Bekannte gleich mit. Tiefer kann das Ansehen einer Versicherung beim Versicherten wohl nicht sinken, oder?
Für die Schadenverursacherin dürfte die Sache damit aber noch nicht ausgestanden sein. Die Kürzung des Fahrzeugschadens durch einen „Prüfbericht“ steht ja nach wie vor im Raum nebst fehlender Unkostenpauschale. Sofern sich die Allianz auch hier wieder (aus der sicheren Deckung) sperren sollte, gibt es wohl ein weiteres Urteil gegen die Versicherungsnehmerin der Allianz?
Auch aus „sicherer Deckung“ könnte es für die Allianz trotzdem noch unangenehm werden, da dem Geschädigten bisher nicht mitgeteilt wurde, was mit seinen Daten alles geschehen ist und ob diese auch wieder gemäß BDSG gelöscht wurden? Spätestens durch den „Prüfbericht“ dürften die Daten bei Control Expert „aktenkundig“ sein? Siehe hierzu auch das Urteil des AG Bremen vom 12.03.2013.
Darüber hinaus wurde das Gutachten offensichtlich eingescannt und an Dritte weitergegeben = unerlaubte Vervielfältigung und Weitergabe von urheberrechtlich geschützten Materials?
Da könnte noch so manche Überraschung auf die Allianz warten?
Unterm Strich – oder betriebswirtschaftlich betrachtet – war dieses Gutachten für den Sachverständigen natürlich eine „Null- bzw. satte Minusnummer“. Ob sich das für die Allianz aber letztendlich „gelohnt“ hat, muss man stark in Frage stellen. Nach Episoden wie dieser entsteht – nichtzuletzt durch entsprechende Internet-Veröffentlichungen – ein vielfach höher „Schaden“ für die Allianz, der möglicherweise doch noch irgendwann zum Umdenken anregt?
In der Zusammenfassung könnte man deshalb durchaus zum Schluß kommen:
Hoffentlich nicht Allianz versichert?
Eine nachahmenswerte Vorlage. Danke.
scouty
De HUG hätt doch do üwwerhaubdnix bezzahld!
So é ald Felsche is doch nixmer werd,hädde die gemäänt un gabudd is sowieso nix.
Un….ob denneihrn Veschisserrungsnemmer vegglaacht werd is denne doch voll worschd!
Grüß Gott Hans Dampf,
ein lesens- und vor allem beachtenswerter Beitrag.
Nachahmung ist gefragt.
Servus
Aigner Alois
Vielen Dank für den informativen Beitrag. Kann man für alle Kürzungen übernehmen. Was wird die Allianz dieser öffentlich gemachte Spaß nun kosten? 100.0000, 500.000, 1 Mio, 5 Mio Euro …? Das Internet vergisst bekanntlich nichts.
Ein Mosaikstein im FAIRPLAY. Wer hätte das gedacht ?
Gunnar
Die Allianz gehört genau zu den Versicherern, die stets behaupten, es handle sich immer nur um „Einzelfälle“. Das trifft hier jedoch wieder nicht zu. Schreiben der Allianz zum sogenannten „Einfachschaden“ gibt es inzwischen zu Hauf.
@Gunnar
Das sog. Fairplay der Allianz gilt doch nur im Verhältnis Allianz – Werkstatt? Der Umkehrschluss ist demnach das Unfairplay bei der restlichen Schadensabwicklung. Dazu passt der obige Beitrag wie die Faust aufs Auge.
Hallo Karle,
die Behauptungen der Allianz mit den Einzelfällen kennen wir doch von dem Fernsehbericht von Christoph Lütgert. Da hieß es auch immer, das sind nur Einzelfälle.
Aber die vielen Einzelfälle machen dann eine Systematik.
Der größte Versicherer trtt in die Fußstapfen des größten Kfz-Versicherers. Also: Allianz folgt HUK-Coburg.
Leider hat auch das AG Karlsruhe wieder den falschen Begriff „Sachverständigengebühren“ benutzt. Wann ist der falsche Begriff denn mal ausgemerzt?