AG München verurteilt Allianz Vers. AG zur Zahlung restlicher Sachverständigenkosten aus abgetretenem Recht mit kritisch zu betrachtendem Urteil vom 19.9.2013 – 343 C 13755/13 -.

Hallo verehrte Captain-Huk-Leser,

nachfolgend geben wir Euch für das Wochenende hier wieder ein Urteil aus München zum Thema Sachverständigenkosten bekannt. Zwar wurden die Sachverständigenkosten überwiegend zugesprochen, aber mit grottenfalscher Begründung. Bei der Klage durch den Sachverständigen wandelt sich der Schadensersatzanspruch in einen Werkvertragsanspruch um?  DAS hatten wir vor kurzem doch schon einmal?
 Die Versicherer finden immer einen dummen Richter (hier dumme Richterin), der bzw. die sich aufs Glatteis führen lässt. Dieses Mal waren es Anwälte der Allianz, die der – abwegigen – Ansicht waren und dies dem Gericht weißmachen wollten, dass mit der Abtretungsvereinbarung, mit der der  Schadensersatzanspruch des Geschädigten auf Erstattung der Sachverständigenkosten auf den Sachverständigen übertragen wird, sich der Schadensersatzanspruch in einen Werkvertzragsanspruch umwandelt.  Das lernen die Jurastudenten bereits im 2. Fachsemester im Kurs BGB Schuldrecht A.T., dass das falsch ist. Mit der Abtretung wandelt sich der übertragene Anspruch nicht um. Ein Schadensersatzanspruch bleibt ein Schadensersatzanspruch, auch wenn er nach der Abtretung vom Sachverständigen geltend gemacht wird. Lest aber selbst und gebt bitte Eure Kommentare ab. 

Viele Grüße und ein schönes Wochenende.
Willi Wacker

Amtsgericht München

Az.: 343 C 13755/13

IM NAMEN DES VOLKES

In dem Rechtsstreit

– Klägerin –

gegen

Allianz Versicherungs-AG, vertreten durch d. Vorstand Dr. Markus Rieß, Königinstraße 28, 80802 München

– Beklagte –

wegen Forderung

erlässt das Amtsgericht München durch die Richterin am Amtsgericht … am 19.09.2013 auf Grund des Sachstands vom 26.08.2013 ohne mündliche Verhandlung gemäß § 495a ZPO folgendes

Endurteil

I. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 200,41 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 01.05.2013 zu bezahlen, sowie die Klägerin von vorgerichtlichen Kosten in Höhe von 39,00 € freizustellen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin 37 % und die Beklagte 63 % zu tragen.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 314,53 € festgesetzt.

(abgekürzt nach § 313a Abs. 1 ZPO)

Entscheidungsgründe

Gemäß § 495 ZPO bestimmt das Gericht das Verfahren nach billigem Ermessen. Innerhalb dieses Entscheidungsrahmens berücksichtigt das Gericht grundsätzlich den gesamten Akteninhalt.

I.

Die Klage ist zum Teil begründet.

Im vorliegenden Fall klagt nicht der Unfallgeschädigte selbst, sondern der Sachverständige, der sich die Ansprüche hat abtreten lassen. Der Sachverständige selbst kann sich nicht darauf berufen, dass unter Umständen der Unfallgeschädigte nicht weiß, wie Sachverständigengutachtenskosten richtig zu berechnen sind und daher auch schutzwürdig ist, wenn er aus Unkenntnis zu viel an den Sachverständigen bezahlt. Denn in diesem Fall hätte der Unfallgeschädigte einen Regressanspruch auf Rückzahlung gegen den Sachverständigen nach § 812 BGB, den die leistungspflichtige Unfallversicherung, hier die Beklagte, sich abtreten lassen könnte. Diesen Gegenanspruch könnte die Beklagte bei einer Zuvielforderungen dem Sachverständigen entgegenhalten.

Deshalb kann die Klägerin in diesem Prozess von den Beklagten von vornherein nur das verlangen, was nach § 632 Abs. 2 BGB „ortsüblich und angemessen“ ist.

1. Die Beklagte hat vorgetragen, dass ihrer Auffassung nach das Honorar des Sachverständigen deutlich überhöht ist, auch was die Nebenkosten betrifft.

Die Parteien wurden bereits darauf hingewiesen, dass das Amtsgericht München ein Gutachten zum Sachverständigenhonorar eingeholt hat. (Das Gutachten selbst ist zu umfangreich, um es in Kopie den Vertretern übersenden. Gegebenenfalls wird darum gebeten, Akteneinsicht in die Entsprechendeakte zu nehmen). Der vom Gericht beauftragte Gutachter gab an, dass der BSVK mit 800 Mitgliedern der größte Verband freier Sachverständiger ist. Auch die Werte, die in den Honorartabellen anderer Verbände angegeben wurden (VKS und SSH) bewegen sich in demselben Rahmen. Folglich sind die Preise, die in der BSVK-Honorarbefragung enthalten sind, eine geeignete Schatztgrundlage für die Angemessenheit des hier streitgegenständlichen Sachverständigenhnorars.

2. Daraus ergibt sich hier Folgendes:

Sowohl das geltend gemachte Grundhonorar, als auch alle anderen Einzelpreise für Fotos, Schreibkosten und Kilometer entsprechen jeweils exakt dem obersten Wert des Honorarkorridors III. der BSVK-Honorarbefragung 2010/2011. Die Klägerin hat unbestritten vorgetragen, dass der Sachverständige über langjährige Berufserfahrung verfügt. Deshalb sind die einzelnen Beträge seiner Rechnung noch gerade im akzeptablen Rahmen.

Nachdem alle Sachverständigen, auch die Sachverständigen anderer Verbände, Pauschalen für Schreibkosten, Fotokosten, Porto-, Telefon- und Fahrtkosten berechnen, darf auch der Sachverständige der Klagepartei dies tun. In allen Tabellen werden für diese Positionen mehr als die reinen Sachkosten (z.B. für eine Kopie) in Rechnung gestellt. Dies ist deshalb grundsätzlich nicht zu beanstanden. Die Klägerin hat auch zu Recht darauf hingewiesen, dass neben den Materialko-sten auch die Lohnkosten hier eine Rolle spielen.

3. Nur hinsichtlich der Fahrtkosten kann die Beklagte hier Einwände erheben. Der Unfallgeschädigte hat seine Schadensminderungspflicht verletzt, wenn er einen Sachverständigen beauftragt, der so weit vom Besichtigungsort des Fahrzeugs entfernt ist. Auch wenn zwischen dem Unfallgeschädigten und dem Sachverständigen hier ein besonderes Vertrauensverhältnis bestanden haben sollte, berechtigt ihn dies nicht, der Beklagtenseite Fahrtkosten dieser Höhe aufzubürden. Dem Kläger wäre zumutbar gewesen, einen Sachverständigen zu beauftragen, der im näheren Umkreis liegt. Deshalb werden bei den Fahrtkosten maximal 50 km als angemessen angesehen. Errechnet man aus diesem Wert die Fahrtkosten und die Mehrwertsteuer beträgt die angemessene Rechnung 883,47 €. Unter Berücksichtigung der vorgerichtlichen Zahlung in Höhe von 683,06 € kann die Klägerin noch 200,41 € verlangen.

3. Hinsichtlich der Rechtsanwaltskosten ergibt sich aus dem geänderten Streitwert eine Forderung in Höhe von 39 €.

4. Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 286, 288 BGB. Hinsichtlich des Freistellungsanspruchs ist der Zinsantrag jedoch nicht berechtigt. Denn solange die Klagepartei keine Rechnung erhalten hat und nicht zahlen muss, ist die Forderung nicht einmal fällig

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 ZPO.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gemäß §§ 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 3 ZPO.

Urteilsliste “SV-Honorar” zum Download >>>>>

Dieser Beitrag wurde unter Abtretung, Allianz Versicherung, Haftpflichtschaden, Sachverständigenhonorar, Urteile abgelegt und mit , , , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

6 Antworten zu AG München verurteilt Allianz Vers. AG zur Zahlung restlicher Sachverständigenkosten aus abgetretenem Recht mit kritisch zu betrachtendem Urteil vom 19.9.2013 – 343 C 13755/13 -.

  1. G. K. sagt:

    Hallo, Willi Wacker,

    do legst di glatt nieder, was die Überlegungen in diesem Urteil angeht. Aber auch hier gilt wieder zu beachten, dass man nicht weiß, w i e w a s vorgetragen wurde. Gleichwohl hat die Richterin bis auf die Fahrtkosten den Klageanspruch zuerkannt und auch bei dieser Position ist nicht bekannt, wie diese begründet bzw. in Frage gestellt wurde. Unglücklich ist sicherlich, dass die Richterin hier nur eine Fahrtstrecke von 50 km zugebilligt hat für die damit verbundenen Fahrtkosten. Eine solche Einschränkung gibt es noch nicht einmal nach dem Justizvergütungsgesetz und muß aus grundsätzlichen Erwägungen und Beobachtungen auch als wenig lebensnah angesehen werden. Beispielsweise vergleiche man das nur einmal mit Gepflogenheiten in anderen freien Berufen. Der von einer Versicherung beauftragte Sachverständige fährt manchmal 200 km und auch noch deutlich mehr, um Spuren an einem Unfallfahrzeug zu sichern, die auf die Schadenersatzleistung Einfuß haben könnten. Auch Tierärzte und Architekten, Brandsachverständige usw. haben oft bis zum Begutachtungsobjekt Entfernungen zu überwinden, die um ein Mehrfaches den hier angesprochenen „Grenzwert“ übersteigen. und alle fahren bestimmt nicht kostenlos und bei allen wird man auch nicht einen Verstoß gegen die Schadengeringhaltungspflicht unterstellen können. So ist mir gerade im Falle der Beklagten aus der Vergangenheit bekannt, dass diese einen Ihrer Sachverständigen von Düsseldorf bis in den Raum Hamm hat fahren lassen, um dort nur eine beschädigte Windschutzscheibe zu begutachten. Offensichtlich wird hier mit zweierlei Maß gemessen. Es entspricht oft aber auch der Erfahrung, daß beispielsweise im Umkreis von 30 km kein einziger qualifizierter, praxiserfahrener und versicherungsunabhängig arbeitender Kfz-Sachverständiger verfügbar ist. Muß bei einer solchen Konstellation der Geschädigte aus Gründen der Schadengeringhaltungspflicht sich damit begnügen auf einen anderen Sachverständigen ausweichen zu müssen ? Von daher ist das Urteil in den Entscheidungsgründen leider nicht nachvollziehbar. Die Grundsätze der BGH-Rechtsprechung haben überdies keine Beachtung gefunden.

    Mit freundlichem Gruß

    G.K.

  2. Klemens sagt:

    Hei G.K. ,
    wie wahr, wie wahr.
    mit freundl.Grüßen
    aus Landkreis Harburg

  3. RA Schepers sagt:

    Die Parteien wurden bereits darauf hingewiesen, dass das Amtsgericht München ein Gutachten zum Sachverständigenhonorar eingeholt hat. (Das Gutachten selbst ist zu umfangreich, um es in Kopie den Vertretern übersenden. Gegebenenfalls wird darum gebeten, Akteneinsicht in die Entsprechendeakte zu nehmen).

    ??? Was ist das ???
    Ikea-Prinzip? Outsourcing? Neue Form des rechtlichen Gehörs?

  4. mindamino sagt:

    >Ikea-Prinzip? Outsourcing? Neue Form des rechtlichen Gehörs?

    Ich erhielt ein zweites in einem Zivilverfahren Versäumnisurteil, einfach so.
    Ich legte Beschwerde ein, weil mir keine Ladung zugestellt worden sei. Das Landgericht entschied, dass dem so ist und verwies das Verfahren zur erneuten Entscheidung zurück an das Amtsgericht.
    Richter H. vom AG-Minden lud mich in dem Gerichtsverfahren zur mündlichen Verhandlung, ohne dass ich eine Klagebegründung erhalten hatte. Ich fragte bei Gericht an ob eine solche existiere und bat um deren Zusendung.
    In der mündlichen Verhandlung wurde ich verurteilt, weil ich mir Klageschriften und Klagebegründungen selbst bei Gericht zu beschaffen habe und „da kann auch ihre Eingabe vom .. nicht helfen!“.
    Ausserdem durfte ich für das Verfahren am Landgericht auch noch Gerichtskosten bezahlen, obwohl das Verfahren Gerichtskostenfrei hat sein müssen.

    Auf den Hinweis, dass ein solches Gutachten vorliege kann man sich also sogar noch freuen.

  5. RA Schepers sagt:

    @ mindamino

    Gehörsrüge, Rechtsweg ausschöpfen, und wenn das immer noch nicht hilft, BVerfG

  6. Dipl.-Ing. Harald Rasche sagt:

    Sehr geehrter Herr RA Schepers,
    in besonders gelagerten Fällen sollte es wohl veranlaßt sein, diesen Schritt nicht zu scheuen, wenn „innovative“ Eimschätzungen zum Schadenersatzrecht irritieren und möglicherweise nicht von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abgedeckt werden.

    Mit freundlichen Grüßen
    aus Bochum & Tangendorf
    Dipl.-Ing. Harald Rasche

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert