Hallo verehrte Captain-Huk-Leser,
Nachstehend geben wir Euch ein Berufungsurteil des OLG Hamm zur fiktiven Schadensabrechnung und zur Verweisung auf eine von der eintrittspflichtigen Versicherung genannte Alternativwerkstatt bekannt. Die Richter des 24. Zivilsenates des OLG Hamm sahen die Verweisung auf eine Karosseriewerkstatt für den Geschädigten als unzumutbar an, weil ansonsten der Verlust von Ansprüchen aus der 30-jährigen Durchrostungsgarantie droht. Insoweit ein beachtenswertes Urteil. Der VI. Zivilsenat des BGH hatte bereits in seinem VW-Urteil (VI ZR 53/09) entschieden, dass auch bei einem über 3 Jahre alten Fahrzeug eine Verweisung auf eine freie Werkstatt unzumutbar ist, wenn dadurch der Verlust von Garantieansprüchen droht. Hier war die 30-jährige Durchrostungsgarantie der Mercedes-Benz AG bei einer Reparatur in der Alternativwerkstatt bedroht. Insoweit eine durchaus konsequente Entscheidung. Die Entscheidung bezüglich der Sachverständigenkosten kann man auch anders sehen. Lest selbst und gebt Eure Kommentare ab.
Viele Grüße
Willi Wacker
Oberlandesgericht Hamm
Im Namen des Volkes
Urteil
I-24U 147/12 OLG Hamm Verkündet am 19.09.2013
4 0 112/10 LG Bochum
In dem Rechtsstreit
des Herrn … ,
Klägers und Berufungsklägers,
gegen
1. Herrn … ,
2. die unbekannten Erben des verstorbenen … ,
3. HUK-Coburg Allgemeine Vers. AG, vertr. d. d. Vorstand, Saarlandstr. 25, 44139 Dortmund,
Beklagten und Berufungsbeklagten,
hat der 24. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm auf die mündliche Verhandlung vom 19.09.2013 durch den Richter am Oberlandesgericht … als Vorsitzenden und die Richter am Oberlandesgericht … und …
für R e c h t erkannt:
Auf die Berufung des Klägers wird das am 01.06.2012 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Bochum teilweise abgeändert:
Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 6.633,77 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 09 03.2010, abzüglich am 30.03.2010 gezahlter 4.133,99 Euro und am 05.10.2010 gezahlter 429,70 Euro zu zahlen. Die Beklagten werden ferner als Gesamtschuldner verurteilt, den Kläger von Rechtsanwaltskosten der Kanzlei von Essen & Pütz in Höhe von 511,30 Euro freizustellen.
Die weitergehende Klage bleibt abgewiesen.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits 1 Instanz tragen die Beklagten 88 % und der Kläger 12%.
Die Kosten des Rechtsstreits 2. Instanz tragen die Beklagten zu 75 % und der Kläger zu 25%.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe:
(Von einer Darstellung des Sachverhalts wird gem. §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 Satz 1, 543 ZPO abgesehen.)
I.
Die Berufung des Klägers hat zum überwiegenden Teil Erfolg und führt in dem erkannten Umfang zur Abänderung des angefochtenen Urteils.
1.
Neben den in zweiter Instanz nicht mehr streitigen Schadenspositionen des Klägers für die Wertminderung (500,00 €), die Sachverständigenkosten R. (615,00 €), den Nutzungsausfall (390,00 €) und die Unkostenpauschale (25,00 €) kann der Kläger Bruttoreparaturkosten in Höhe von insgesamt 5.103,77 € verlangen. Der Kläger kann die Reparaturkosten auf der Grundlage der in einer Daimler Benz Fachwerkstatt anfallenden Reparaturkosten ersetzt verlangen. Der Kläger braucht sich nicht auf eine Reparatur seines Fahrzeugs in der Karosseriefachwerkstatt H. verweisen zu lassen, auch wenn die Reparaturarbeiten dort in technisch gleichwertiger Weise wie in einer markengebundenen Fachwerkstatt ausgeführt werden können. Es sind keine greifbaren Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Kläger das Fahrzeug nicht stets in einer Daimler Benz-Werkstatt hat warten und reparieren lassen. Deshalb drohen dem Kläger auch bei Ausführung der Reparatur in der Karosseriewerkstatt H. Nachteile aufgrund eines Verlustes der 30-jährigen Durchrostungsgarantie des Fahrzeugherstellers. Auch im Hinblick auf diese Garantie ergibt sich kein Anhaltspunkt dafür, dass der Kläger maßgebliche Arbeiten an seinem Fahrzeug vor dem Unfallereignis nicht bei Daimler Benz hat ausführen lassen.
Daneben kann der Kläger nach der umsatzsteuerpflichtigen Anschaffung eines Ersatzfahrzeuges in dem Umfang der geschuldeten Reparaturkosten die Erstattung der hierauf entfallenden Umsatzsteuer gem. § 249 Abs. 2 Satz 2 BGB verlangen. Hierbei kommt es nur darauf an, dass die Umsatzsteuer zur Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes angefallen ist, nicht aber darauf, auf welchem Weg der Geschädigte die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes herbeigeführt hat. Auch dann, wenn der Geschädigte das Wirtschaftlichkeitsgebot verletzt und einen unwirtschaftlicheren Weg zur Wiederherstellung wählt, erhält er gleichwohl aufgewendete Umsatzsteuerbeträge erstattet, deren Höhe jedoch begrenzt ist auf den Umsatzsteuerbetrag, der bei dem wirtschaftlich günstigeren Weg angefallen wäre (vgl. BGH Urteil vom 05.02 2013, VI ZR 363/11, NZV 2013, 229).
2.
Die weitergehende Berufung ist im Hinblick auf die Kosten für die gutachterliche Stellungnahme des Sachverständigen R. vom 15.04.2010 in Höhe von 458,15 € unbegründet. Die Kosten für die erst im Verlauf des Rechtsstreits eingeholte gutachterliche Stellungnahme als Erwiderung zu der seitens der Beklagten eingereichten Stellungnahme der Dekra, mit der ein Teil der Reparaturkosten und der Eintritt einer Wertminderung bestritten worden war, sind nicht als Kosten zweckentsprechender Rechtsverfolgung erforderlich Es war in diesem Stadium der Auseinandersetzung kaum zu erwarten, dass die Beklagten aufgrund der vom Kläger eingeholten Stellungnahme nach eigener sachverständiger Beratung noch von ihrem zur Schadenshöhe eingenommenen Standpunkt abweichen würden. Der Kläger benötigte diese Stellungnahme auch nicht dazu, um seinen prozessualen Standpunkt erst aufgrund der Stellungnahme durch schlüssigen Sachvortrag untermauern zu können.
Nach dem widerstreitenden Parteivortrag war es sicher zu erwarten, dass das Landgericht ein gerichtliches Sachverständigengutachten zur Klärung der Fragen des Schadenumfangs einholen würde. Auf dieser Grundlage hätte eine wirtschaftlich denkende Partei voraussichtlich davon abgesehen, eine mit weiteren Kosten verbundene privatgutachterliche Stellungnahme einzuholen.
II.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 a, 92 Abs. 1 Satz 1 2. Alternative, 97 ZPO.
Im Hinblick auf den im Verlaufe des Rechtsstreits erster Instanz gezahlten Betrag von 4.138,99 € tragen die Beklagten die auf diesen Teil der Klageforderung entfallenden Kosten des Rechtsstreits erster Instanz. Ohne die Zahlung der Beklagten wäre die Klage in Höhe dieses Betrages zulässig und begründet gewesen. Von der Kostentragungspflicht ist auch nicht unter Anwendung des Rechtsgedankens aus § 93 ZPO abzusehen. Denn es ist nicht ersichtlich, dass die Beklagten durch ihr Verhalten keine Veranlassung zur Klageerhebung gegeben hätten. Der Kläger hat den Klageschriftsatz am 10.03.2010 eingereicht. Zu diesem Zeitpunkt war bereits ein für die Beklagten ausreichender und angemessener Zeitraum verstrichen, in dem sich die Beklagten nach der Schadensmeldung des Klägers vom 09.02.2010 und der Bezifferung seines Schadens mit Schreiben vom 11.02.2010 mit dem Schadensfall hätten befassen und auf die Schreiben des Klägers reagieren können. Die beklagte Versicherung hat sich jedoch erst mit Schreiben vom 12.03.2010 und damit mehr als einen Monat nach der Schadensmeldung schriftlich an den Kläger gewandt und eine Prüfung des Sachverständigengutachtens angekündigt.
Den Klägern trifft allerdings die Kostenlast hinsichtlich des erstinstanzlich geltend gemachten Nutzungsausfalls. Zwar wäre die Klage auch insoweit zulässig und begründet gewesen. Jedoch haben die Beklagten insoweit durch ihr Verhalten keine Veranlassung zur Klageerhebung gegeben, weil der Kläger erst im Verlauf des Rechtsstreits erster Instanz durch die Anschaffung des Ersatzfahrzeuges seinen weiteren Nutzungswillen bezüglich des beschädigten Fahrzeugs dokumentiert hat.
Die weiteren prozessualen Nebenentscheidungen ergeben sich aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
III.
Der Anspruch auf Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten ergibt sich auf der Grundlage der nach einem Streitwert von bis 7.000,00 € und einem 1,3fachen Gebührensatz zu berechnenden Rechtsanwaltsgebühr.
Hallo, Willi Wacker,
ein interessantes Urteil zur Nichterforderlichkeit einer ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme aus einer Sichtweite ex post juristischer Experten. Auch hier stellt sich die Frage, ob der Geschädigte und sein Anwalt vorausahnend erkennen mußten, dass eine Entkräftung der Einwendungen nutzlos sein würde und deshalb die Einholung der hier angesprochenen Stellungnahme als ein Verstoß gegen die Schadengenringhaltungsverpflichtung zu werten war. Ich habe auf Grund der hier in der Vergangenheit eingestellten Urteile gegenläufige Entscheidungsgründe in Erinnerung, kann aber auch allein aus logischen Erwägungen den richterlichen Gedankengang nicht nachvollziehen. Hier wird nach richterlichen Vorstellungen dem Geschädigten eine Art „Idealverhalten“ abverlangt, für das jedwede tragfähige Grundlage fehlt und schadenersatzrechtlich halte ich deshalb die gegebene Begründung für realitätsfremd. Aber die Dritt beklagte ist ja nun einmal eine, wenn nicht die BEAMTENVERSICHERUNG, und da kann man ja auch schon einmal zubilligend eine andere Sichtweite ins Feld führen, wenn auch auf Kosten bzw. zu Lasten der Klägerpartei.
Mit freundlichem Gruß
G.v.H.
Auf Grund des Kommentars des Herrn G.v.H. habe ich einmal meine Datei durchforstet und folgende Unterlagen gefunden:
„BGH entscheidet mit Beschluß vom 20.12.2011 – VI ZB 17/11 – zur Erstattungsfähigkeit des von einer Partei eingeholten und in den Prozess eingebrachten Privatgutachtens im Rahmen des Kostenfestsetzungsverfahrens.
Hallo verehrte Captain-Huk-Leser,
zwischenzeitlich hatte der BGH fast kaum von der Öffentlichkeit bemerkt, zwei
Entscheidungen gefällt, die auch die Sachverständigen, die Rechtsanwälte und die
Geschädigten interessieren dürften. Fangen wir mit dem Beschluss des VI. Zivilsenates des BGH vom 20.12.2011 – VI ZB 17/11 – an. Der BGH hat zwar zu dem § 91 ZPO entschieden, in den Leitsätzen aber klar gemacht, dass es bei der Erstattungsfähigkeit der Kosten eines Privatgutachtens auf die Ex-ante-Sicht ankommt.
Diese Entscheidung hat m.E. auch Auswirkungen darauf, wenn der eintrittspflichtige Kfz-Haftpflichtversicherer für eine seiner günstigeren Positionen ein Gutachten vorlegt, der Geschädigte dann zur vollen Wahrnehmung seiner Belange eine ergänzende Stellungnahme bzw. ein Gegengutachten in Auftrag geben und in den Prozessstoff einfügen darf.
Dabei ist für die Beurteilung der Notwendigkeit auf den Zeitpunkt der Beauftragung des Privatgutachters abzustellen. Wenn der Geschädigte in diesem Zeitpunkt die Einholung eines Privatgutachten als sachdienlich ansehen durfte, weil er sonst nicht zu dem für ihn negativen Sachvortrag Stellung nehmen kann, so sind die Kosten des ergänzenden Gutachtens auch dann von der unterlegenen Partei zu tragen, wenn die Ausführungen im Privatgutachten nicht im Urteil Einfluss genommen haben. Denn auf die Ex-post-Betrachtung kommt es nicht an.
Entscheidend ist, was ein verständiger und wirtschaftlich vernünftiger Mensch in der Lage der entsprechenden Partei aus der Ex-ante-Sicht für erforderlich ansah.
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
VI ZB 17/11
vom
20. Dezember 2011
in dem Rechtsstreit
a) Die Beurteilung der Erstattungsfähigkeit der Kosten für die Einholung eines
Privatgutachtens hat sich daran auszurichten, ob eine verständige und wirtschaftlich vernünftig denkende Partei die Kosten auslösende Maßnahme ex ante als sachdienlich ansehen durfte.
b) Die Erstattungsfähigkeit solcher Kosten setzt nicht zusätzlich voraus, dass das
Privatgutachten im Rahmen einer ex-post-Betrachtung tatsächlich die Entscheidung des Gerichts beeinflusst hat.
BGH, Beschluss vom 20. Dezember 2011 – VI ZB 17/11 – LG Frankenthal (Pfalz)
AG Neustadt a.d. Weinstraße
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 20. Dezember 2011 durch den
Vorsitzenden Richter Galke, die Richter Wellner, Pauge und Stöhr und die Richterin von Pentz beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Beklagten wird der Beschluss der 1. Zivilkammer des
Landgerichts Frankenthal (Pfalz) vom 21. Februar 2011 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Beschwerdegericht zurückverwiesen.
bb) Auch hinsichtlich der Einholung des Ergänzungsgutachtens des Privatsachverständigen im Berufungsverfahren hat die Beschwerdekammer bei der
Beurteilung der Sachdienlichkeit rechtsfehlerhaft eine ex-post-Betrachtung vorgenommen.“
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1. BGH IV ZR 57/08 – Auch bei Vorlage eines gerichtlich eingeholten Gutachtens
müssen Privat- / Parteigutachten im Prozess berücksichtigt werden.
Ja, da wundert man sich dann schon, wie ein ansonsten renommiertes OLG sich solche Entscheidungsgründe konnte einfallen lassen, was die Erstattungsverpflichtung der sogar durch die Beklage zu 3) mutwillig ausgelösten Gutachterkosten angeht. Man sieht einmal wieder, was die Betrachtung der Kehrseite der Medaille für Erkenntnisse vermittelt, die das OLG ersichtlich aber nicht berücksichtigt hat.
J.U.
Anm. der Redaktion:
Siehe auch BGH VI ZB 59/12 vom 26.02.2013
Hallo J.U.,
gerade aufgrund der von Dir angeführten BGH-Entscheidungen bin ich auch der Ansicht, dass die Entscheidung des OLG Hamm zu den Stellungnahmekosten falsch ist. Im Vorwort hatte ich bereits erwähnt, dass man diesen Punkt der Entscheidung durchaus auch anders sehen kann. Aber es ist gut, dass Du die BGH-Entscheidungen angeführt hast.
Mit freundl. Grüßen
Willi Wacker
Tja,wieso sollen OLG-Richter gescheiter sein als die Klägervertreter,die offenbar hier die einschlägige BGH-Rechtsprechung nicht vorgetragen haben?
Im BGH-Fall war bereits ein gerichtliches Gutachten eingeholt worden, es wurde sodann ein Privatgutachter beauftragt, um zu diesem gerichtlichen Gutachten Stellung nehmen zu können. Die daraus resultierenden Kosten konnten als im Rahmen der Kostenfestsetzung (sozusagen als Kosten des Verfahrens) geltend gemacht werden. Wenn während eines Prozesses eine Partei zu einem gerichtlichen Gutachten nur Stellung beziehen kann, wenn es sich kostenpflichtig externe Sachkunde „einkauft“, dann sollen diese Kosten auch erstattet werden müssen (vgl. Rn. 13).
Beim Urteil des OLG Hamm war der Sachverhalt anders. Hier wurde offensichtlich während des Prozesses eine kostenpflichtige Stellungnahme zum vorgerichtlich erstellten Gegengutachten der DEKRA in Auftrag gegeben, obwohl sicher zu erwarten war, daß das Landgericht ein gerichtliches Gutachten in Auftrag geben würde.
Für dieses gerichtliche Gutachten ist das vorgerichtliche Gegengutachten der DEKRA irrelevant. Dann aber ist (eine erst während des schon laufenden Prozesses eingeholte) Stellungnahme zu dem DEKRA-Gutachten überflüssig. Der Kläger hätte zunächst das (zu erwartende) gerichtliche Gutachten abwarten und sich dann mit diesem auseinandersetzen sollen.
Ich halte diese Argumentation des OLG für nachvollziehbar…