Mit Urteil vom 20.06.2013 (6 S 254/2012) hat das Landgericht Köln die eigene Linie bestätigt und die Berufung der KRAVAG Versicherung gegen das erstinstanzliche Urteil des AG Leverkusen vom 27.07.2012 (25 C 311/11) zurückgewiesen, mit der die Versicherung auf Schwacke-Basis zur Zahlung weiterer Mietwagenkosten in Höhe 1.667,95 € verurteilt wurde.
Aus den Entscheidungsgründen:
Die zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet.
Das Amtsgericht hat die Beklagte zu Recht zur Zahlung restlicher Mietwagen aus abgetretenem Recht des Unfallgeschädigten verurteilt.
Mit dem Amtsgericht geht die Kammer von einer wirksamen Abtretung an die Klägerin aus. Ein Verstoß gegen das RDG liegt nicht vor. Auf die zutreffenden Ausführungen des Amtsgerichts, denen sich die Kammer anschließt, wird Bezug genommen.
Ein Geschädigter kann bei Beschädigung seines Fahrzeuges nach § 249 BGB Ersatz der Kosten für die Anmietung eines Ersatzfahrzeuges verlangen. Dabei ist als erforderlich nur der Aufwand anzusehen, den ein verständiger und wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und angemessen halten darf. Diesem Wirtschaftlichkeitsgebot kommt der Geschädigte in der Regel nach, wenn er für den auf dem örtlichen Mietwagenmarkt für ihn erhältlichen Normaltarif anmietet. Diesen örtlichen Normaltarif hat das Gericht nach § 287 ZPO zu schätzen und darf dafür auch Listen oder Tabellen heranziehen. Die Kammer folgt dem Amtsgericht, das hier die Schwacke-Liste herangezogen hat und den Normaltarif nach dem Modus der Liste ermittelt hat. Die Schwacke-Liste ist nur dann als Schätzungsgrundlage nicht geeignet, wenn durch konkrete Tatsachen aufgezeigt wird, dass geltend gemachte Mängel dieser Liste sich in dem zu entscheidenden Fall erheblich auswirken. Hierfür reichen die allgemeinen Bedenken gegen die Erhebungsmethode, die der Schwacke-Liste zugrunde liegt nicht, ebenso wenig der Umstand, dass die Frauenhofer-Liste deutlich günstigere Preise ausweist (vgl. zuletzt BGH, Urteil vom 18.12.2012, Az: VI ZR 316/11, m.w.Nw., zitiert nach Juris). Um die Eignung der Schwacke-Liste als Schätzgrundlage in Frage zu stellen, reicht es nach Auffassung der Kammer auch nicht, dass die Beklagte Screenshots von günstigeren Angeboten aus dem Internet vorgelegt hat.
Zum einen handelt es sich beim Internet um einen Sondermarkt, der nicht der Ermittlung des Normaltarifs auf dem örtlichen Markt zugrunde gelegt werden kann (vgl. BGH, Urteil v. 02.02.2010, Az.: VI ZR 7/09, zitiert nach Juris). Selbst wenn inzwischen eine Vielzahl von Personen über einen Internetanschluss verfügen mögen, heißt das nicht, dass diese auch alle Geschäfte über das Internet tätigen. Zudem betreffen die Angebote einen von der tatsächlichen Anmietung abweichenden Zeitraum und sind von daher schon nur eingeschränkt geeignet, den örtlichen Markt zur Unfallzeit widerzuspiegeln. Auch enthalten die Angebote den Zusatz „oder ähnlich“ bzw. „Beispielfahrzeug“, dh, das Angebot bezieht sich nicht auf ein Fahrzeug einer bestimmter Marke, sondern der Anbieter behält sich die Änderung nach Verfügbarkeit vor. Dabei kann bei einem Geschädigten durchaus ein berechtigtes Interesse bestehen, ein Fahrzeug eines bestimmten Typs und oder Models zu mieten, etwa weil der Fahrzeugtyp mit dem beschädigten identisch ist und die Bedienung ihm daher vertraut ist. Allein die Einordnung unter die Fahrzeugklasse stellt das nicht sicher. Auch ist nicht ersichtlich und wird auch nicht vorgetragen, ob die angebotenen Preise auch dann Geltung haben, wenn es bei der Durchführung der Reparatur zu unvorhergesehenen Verzögerungen kommt oder aber die Reparatur früher als geschätzt beendet werden kann, so dass eine Festlegung auf eine bestimmte Mietdauer oft nicht möglich ist (vgl. hierzu OLG Köln, Urteil v. 26.02.2013, Az.; 3 U 41/12). Die Beklagte legt ihren Vergleichsangeboten aber die nachträglich feststehende Zeit zugrunde. Dass eine Änderung der Mietzeit ohne Komplikationen zu den angegebenen Konditionen möglich ist, ist nicht erkennbar. Das Amtsgericht hat auch zu Recht darauf hingewiesen, dass Internetangebote häufig Vorlauffristen haben und deshalb in einer Unfallsituation wenig oder gar nicht geeignet sind, den akuten Bedarf zu decken. Schließlich ergibt sich aus den Angeboten auch nicht, inwieweit für Unfallgeschädigte oft notwendige Zusatzleistungen, wie etwa Abholen und Zustellen, bei diesen Angeboten möglich sind.
Wie ausgeführt kann ein Geschädigter nach Auffassung der Kammer aber auch ohnehin nicht darauf verwiesen werden, sich ein Mietfahrzeug über eine Internetbuchung zu besorgen.
Allerdings behauptet die Beklagte, dass die von ihr für einen abweichenden Zeitraum vorgelegte Internetangebote auch telefonisch oder bei persönlicher Anmietung bei den örtlichen Stationen fürjedermann verfügbar waren. Sie beruft sich insoweit auf ein Sachverständigengutachten. Diesem Beweisantritt war nicht nachzugehen. Abgesehen von obigen Bedenken gegen die Vergleichbarkeit ist die Frage, ob ein bestimmtes Fahrzeug an einem bestimmten Tag oder Zeitraum an einer bestimmten Anmietstation zu bestimmten Bedingungen anmietbar war, keine mit speziellem Fachwissen zu beurteilende Frage, sondern eine Frage, die die Wahrnehmung vergangener Tatsachen betrifft und damit Wissen, das dem Zeugenbeweis unteleigt. Hierfür kommen im Zweifel nur Mitarbeiter der jeweiligen Mietstation in Betracht. Hierauf musste die Beklagte nicht hingewiesen werden, denn die Kammer hat der Beklagten in einem gleichgelagerten Fall einen entsprechenden Hinweis erteilt, worauf diese dem entgegengetreten ist, mit der Begründung, dass sie hierzu nicht verpflichtet sei. Die Kammer hält indes an ihrer Auffassung zur Abgrenzung der Tatsachenfeststellung und Beurteilung mittels Fachwissen fest.
Auch ist die Kammer der Auffassung, dass es nicht ausreicht, dass die Beklagte Tatsachen behauptet, um die Schwacke-Liste zu erschüttern sondern diese müssen auch nachgewiesen sein. Die Kammer vermag die gegenteilige Ansicht der Beklagten den von dieser angeführten Entscheidungen des Bundesgerichtshofs (zuletzt Urteil vom 18.12.2012, VI ZR 316/11, zitiert nach juris) nicht zu entnehmen. Vielmehr verlangt der BGH, dass sich das Gericht mit dem Vortrag auseinandersetzt.Dass allein die Vorlage derartiger Angebote aus dem Internet und die schlichte Behauptung, dass diese auch für persönliche Bestellungen Geltung gehabt hätten und verfügbar gewesen seien, dazu führen muss, dass die Schwacke-Liste nicht mehr angewandt wird, vermag die Kammer den Entscheidungen nicht zu entnehmen. So hat der BGH die Anwendung der Schwacke-Liste durch das OLG Stuttgart nicht beanstandet, obwohl auch dort Internet-Angebote zur Erschütterung der Schwacke-Liste vorgelegt worden waren (BGH Urteil vom 5.3.2013, VI ZR 245/11; OLG Stuttgart, Urteil vom 18.8.2011, 7 U 108/11, jeweils zitiert nach juris).
Danach begegnet im Streitfäll die Anwendung der Schwacke-Liste keinen Bedenken.
Die Klägerin kann auch die geltend gemachten Zulagen für einen zweiten Fahrer und für Winterreifen erstattet verlangen. An die insoweit vom Amtsgericht nach Durchführung der Beweisaufnahme durch Vernehmung der Zeugen X, Yund Z getroffenen Feststellungen ist die Kammer nach § 529 ZPO gebunden, da keine konkreten Anhaltspunkte vorliegen, die Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen könnten. Auch die Beweiswürdigung lässt keine Fehler erkennen. Die Kammer folgt insoweit auch der Beweiswürdigung des Amtsgerichts und nimmt auf die Ausführungen Bezug. Dies gilt auch, was die zusätzlichen Kosten der Haftungsbefreiung anbelangt. Auch diese sind zu erstatten. Die Kammer schließt sich auch insoweit den überzeugenden Ausführungen des Amtsgerichts an.
Unter Zugrundelegung des von der Klägerin geltend gemachten Zeitraumes von 15 Tagen für eine Ersatzbeschaffung ergibt sich nach dem Schwacke-Mietpreisspietjel der vom Amtsgericht ermittelte Betrag von insgesamt 1.667,95 €. (Grundtarif: 2 x 1 Woche: 941,90 €; 1 x 1 Tag: 81,05 ; Haftungsbefreiung 2 x 1 Woche: 294,- €; 1 Tag: 21,- €; Zulage für 15 Tage Winterreifen: 150,- € ; Zulage für 15 Tage zweiter Fahrer: 180,- €). Die Erstattung von Zustellungs- und Abholungskosten hat das Amtsgericht nicht zuerkannt wie auch nicht die Berechtigung eines erhöhten Unfalltarifs. Abzüglich der gezahlten 308,- € verbleibt damit ein noch zu erstattender Betrag von 1.359,95 €. ,
Was die Dauer der Mietwagenkosten anbelangt, sind auch die von der Klägerin geltend gemachten 15 Tage für eine Ersatzbeschaffung zugrundezulegen. Grundsätzlich kann der Geschädigte zwischen Reparatur und Ersatzbeschaffung frei wählen. Von dem Schädiger zu erstatten sind jedoch nur die ggf. bei einer Reparatur anfallenden niedrigeren Kosten (vgl. BGH, Urteil v.05.02.2013, zitiert nach juris). Bei dem Vergleich zwischen den Kosten bei Reparatur und bei Ersatzbeschaffung ergibt sich hier jedoch, dass die vom Geschädigten vorgenommene Abrechnung sogar die günstigere ist. Nach Meinung der Kammer wären auch bei Durchführung einer Reparatur zehn ersatzfähige Ausfalltage zu berücksichtigen gewesen. Der Unfall war an einem Mittwoch. Das Gutachten wurde unverzüglich zwei Tage später, an einem Freitag, erstattet. Mit der Reparatur hätte am Montag begonnen werden können, so dass sich unter Berücksichtigung von fünf Reparaturtagen ein Ausfall von zehn Tagen ergibt. Unter Berücksichtigung von zehn Ausfalltagen bei Reparatur ist jedoch hier die kostengünstigere Abrechnung gewählt worden. Auf der Grundlage der oben festgestellten ersatzfähigen Positionen und der Höhe würden sich Mietwagenkosten in Höhe von insgesamt 1.144,10 € ergeben. Der Schaden hätte sich bei Reparatur auf insgesamt 7.471,93 € (Reparatur und Mietwagenkosten) belaufen, während auf der Basis der Ersatzbeschaffung insoweit insgesamt 6.967,95 € zu erstatten sind.
Das Amtsgericht hat auch zu Recht und mit zutreffender Begründung wegen der Anmietung eines klassentieferen Fahrzeuges keinen weiteren Abzug von 15 % im Rahmen eines Vorteilsausgleiches gemacht.
Die Zinsen stehen der Klägerin gemäß §§ 284, 286 BGB zu.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
Soweit das LG Köln.
Hallo Babelfisch,
ein überzeugendes Berufungsurteil der Zivilkammer des LG Köln.
Die Kammer hat zutreffend die immer wieder von den Versicherern im Nachhinein vorgelegten Internetangebote als Tarife aus dem Sondermarkt Internet abgelehnt. Im Übrigen können im Nachhinein vorgelegte Angebote nicht die Preissituation im Anmietzeitpunkt widerspiegeln. Aber gerade darauf kommt es an.
Der von der Versicherung angebotene Beweis durch Sachverständigengutachten ist ungeeignet. Was soll ein Sachverständiger zu Tatsachen bestätigen? Völlig zu Recht ist die Berufungskammer daher dem angebotenen Sachverständigenbeweisantrag nicht gefolgt.
Auch dieses Berufungsurteil zeigt einmal mehr, dass die allgemein gehaltenen Einwände der Versicherungen gegen Schwacke nicht greifen. Der Schädiger muss, will er die Verletzung der Schadensgeringhaltungspflicht vortragen, schon dementsprechend darlegen, nachweisen und beweisen. Die Versicherer bzw. die Schädiger sind im Rahmen des § 254 BGB in der Darlegungs- und Beweislast. Das hat das Berufungsgericht schön und nachvollziehbar dargestellt. Ein schönes Berufungsurteil, das der Versicherungswirtschaft nicht schmecken wird, zumal wenn es einer breiten Öffentlichkeit bekannt gegeben wird.
Mit freundl. koll. Grüßen
Willi Wacker