Mit Urteil vom 23.12.2009 (3 O 172/09) hat das LG Bonn die HUK-Coburg Versicherung zur Zahlung weiterer Mietwagenkosten in Höhe von 12.802,69 € zzgl. Zinsen verurteilt. Der Klage lagen insgesamt 36 Schadenfälle zugrunde. Auch hier gilt: Der Schwacke-Automietpreisspiegel ist bei der Schätzung einschlägig. Fraunhofer wird abgelehnt.
Aus den Entscheidungsgründen:
Die Klage ist begründet. Die Klägerin hat einen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung der restlichen Mietzinsansprüche, wie sie zuletzt in Ansehung der Übereinkunft der Parteien in der mündlichen Verhandlung vom 28.09.2009 im Schriftsatz vom 01.10.2009 berechnet worden sind.
Nach der bereits zitierten Übereinkunft ist zwischen den Parteien im Hinblick auf die streitgegenständlichen Rückstände noch streitig, ob die Klägerin ihrer Berechnung den sogenannten Modustarif nach EUROTAX-Schwacke hat zugrundelegen dürfen. Dem tritt die Kammer bei. Die Klägerin war nicht gehalten, die ausweislich der Untersuchung des Frauenhofer Instituts ermittelten niedrigeren Raten zugrunde zu legen. Vielmehr ist der Automietpreisspiegel 2008 nach Schwacke nach wie vor eine zur Ermittlung des maßgeblichen Normaltarifes taugliche Grundlage.
Gemäß § 249 Abs. 2 S. 1 BGB kann ein Geschädigter vom Schädiger den zur Schadenskompensation erforderlichen Geldbetrag verlangen. Zu den Kosten der Schadensbehebung nach einem Verkehrsunfall gehören grundsätzlich auch die Kosten für die Anmietung eines Ersatzfahrzeuges. Allerdings sind die Mietkosten nicht unbegrenzt erstattungsfähig, sondern nur soweit ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten sie für zweckmäßig und notwendig halten darf (BGH, Urteil vom 15.02.2005 – VI ZR 160/04; Urteil vom 19.04.2005 – VI ZR 37/94).
Dabei kann im Streitfalle das Gericht die Höhe des Schadens nach § 287 ZPO schätzen, wenn die Beweiserhebung in concreto einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordern würde. Dies bedeutet vorliegend, dass ein Sachverständiger die Automietpreise für die hier einschlägige Region im einzelnen feststellen müsste, was nur durch aufwändiges Befragen der Autovermieter möglich wäre. Dieser Aufwand wäre indessen unverhältnismäßig, da eine entsprechende Analyse des Marktes für das gesamte Bundesgebiet differenziert nach Postleitzahlen in dem Automietpreisspiegel 2008 nach Schwacke bereits erfolgt ist.
Entgegen der Ansicht der Beklagten ist der Schwacke Automietpreisspiegel 2008 im Modustarif nach dem Dafürhalten der Kammer nach wie vor für das jeweilige Postleitzahlengebiet eine geeignete Schätzgrundlage (vgl. auch BGH Urteil vom 24.06.2008 – VI ZR 234/07). Zwar mag sein, dass der Modus nicht den Durchschnittspreis wiederspiegelt, da bei der Erhebung nicht berücksichtigt wird, in welchem Umfang die Anmieter mit ihrem jeweiligen Angebot auf dem Markt vertreten sind. Gleichwohl dürfte er ein möglichst realistisches Abbild der Marktlage wiedergeben. Für die Schwacke-Liste spricht vor allem die große Anzahl an Befragungen und berücksichtigten Preisen, die Abbildung regionaler Unterschiede durch Differenzierung nach dreistelligen Postleitzahlenbezirken sowie die umfassende Berücksichtigung sämtlicher möglicher Preisbestandteile. Bei letzterem ist insbesondere auch zu berücksichtigen, dass sich die Erhebung von Schwacke – anders als die Untersuchung des Frauenhofer Instituts – nicht nur auf Internet und Telefonanmietungen beschränkt.
Die Untersuchung des Frauenhofer Instituts bietet keinen Anlass, von der Anwendung des Schwacke-Automietpreisspiegels abzusehen. Auch wenn die Erhebung auf einer anonymen Befragung beruht und von diesem Ansatz her gegenüber der des Schwacke-Automietpreisspiegels vorzugswürdig erscheint, spricht gegen die Übernahme der Ergebnisse des Frauenhofer Instituts jedoch, dass die Untersuchungen mit der Differenzierung nach zwei Ziffern der Postleitzahl bei weitem nicht so breit gestreut waren, wie sie es bei den nach drei Postleitzahlgebieten strukturierten Ermittlungen von Schwacke gewesen sind. Die Frauenhofer Untersuchungen geben zum weit über-wiegenden Teil nur Auskunft über sechs Internetanbieter. Marktkonformer dürfen dagegen jene Preise sein, die breit gestreut, möglichst ortsnah und unter der Prämisse eingeholt worden sind, dass der Wagen möglichst sofort zur Verfügung stehen muss. Darüber hinaus hat die Frauenhofer-Studie Preise für Aufschläge oder Zuschläge, welche wesentliche Teile eines Endpreises darstellen können, unberücksichtigt gelassen. Es ist gerichtsbekannt, dass eine Vielzahl von regional und überregional tätigen Mietwagen-Unternehmen im hiesigen Bezirk für die hier streitigen Nebenleistungen entsprechende Zuschläge verlangen, weswegen nur unter Berücksichtigung dieser weiteren, für die Betroffenen oft notwendigen Zusatzleistungen ein realer Marktpreis ermittelt werden kann. Den Vorteil, den die Anonymität der Anfragen des Frauenhofer Instituts bieten mag, steht somit das im Verhältnis zur Schwacke-Liste geringere Ausmaß der Datenerfassung gegenüber. Eine Gesamtbetrachtung führt daher nicht zu dem Ergebnis, dem Schwacke-Automietpreisspiegel die Grundlage als im Rahmen des § 287 ZPO geeigneten Schätzungsmaßstab zu entziehen.
Hierbei bleibt die Kammer auch angesichts der – insoweit im hiesigen Oberlandesgerichtsbezirk vereinzelt gebliebenen – Rechtsprechung des 6. Zivilsenates des Oberlandesgerichts Köln in seinem Urteil vom 21.08.2009.
Soweit der 6. Zivilsenat dort die Auffassung vertritt, die Studie des Frauenhofer Instituts „Marktpreisspiegel Mietwagen Deutschland 2008″ sei derjenigen der Autoren des Schwacke-Mietpreisspiegels 2008 in einem wesentlichen Punkt überlegen, nämlich der Anonymisierung der Datenerhebung durch Telefonanrufe und Internetfrage, so wird dieser Standpunkt von der erkennenden Kammer nicht geteilt. Vielmehr steht das erkennende Gericht mit dem 13. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln (vgl. den Beschluss vom 20.04.2009, 13 U 6/09) sowie dem 11. Zivilsenat (Beschluss vom 12.05.2009, 11 U 219/08) auf dem Standpunkt, dass die Vorteile der Anonymisierung die bereits oben aufgezeigten Nachteile nicht zu kompensieren vermögen. Dies bedeutet, dass der Schwacke-Mietpreisspiegel 2008 nach wie vor eine taugliche Schätzgrundlage für die Ermittlung des zu ersetzenden Schadens nach §287 ZPO darstellt.
Vor diesem Hintergrund war die Klage nach Maßgabe des im Schriftsatz vom 01.10.2009 gestellten Antrages zuzusprechen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1 S. 1 ZPO; diejenige zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 709 S. 1 ZPO.
Streitwert: 15.498,95 € bis zum 09.10.2009 (Zustellung des Schriftsatzes vom 01.10.2009 bei dem Bevollmächtigten der Beklagten); 12.802,69 € für die Zeit danach.
Soweit das LG Bonn.