Kaum zu glauben, aber in einem aktuellen Urteil hat das Amtsgerichts Hamburg-St. Georg mit Urteil vom 30.10.2013 (912 C 106/13) restliche Mietwagenkosten auf Schwacke-Basis dem Geschädigten zugesprochen. Die Fraunhofer Tabelle wird dabei abgelehnt. Dabei stützt sich das Gericht in seiner Entscheidung auf die banale aber um so zutreffendere Argumentation, dass der Streit um Schwacke oder Fraunhofer nicht auf dem Rücken des Geschädigten auszutragen ist, sondern diesem nicht das günstigere Ermittlungsergebnis vorzuhalten ist. Einfach, aber wahr!
Aus den Entscheidungsgründen:
Die Klägerin hat einen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung der restlichen Reparaturkosten in tenorierter Höhe.
1)
Hierbei ist zunächst festzuhalten, dass die Reparaturdauer nicht zu beanstanden ist.
Die Zeit, für welche der Ersatz von Mietwagenkosten verlangt werden kann, richtet sich grundsätzlich nach der Dauer der notwendigen Reparatur, wobei die Zeit für die Erstellung eines Schadensgutachtens sowie eine angemessene Überlegungsfrist mit einzurechnen ist (OLG Düsseldorf, Urteil vom 04.11.2005 – 1 U 93/03, Tz. 24)
Vorliegend ereignete sich der Unfall am 22.10.2012. Noch am gleichen Tag gab die Klägerin ein Sachverständigengutachten in Auftrag, welches ihr am 25.10.2012 zuging. Unter Berücksichtigung einer dann folgenden Überlegungsfrist hätte sie nach Auffassung des Gerichts ihren Wagen am 29.10.2012 in die Reparatur geben müssen. Unter Berücksichtigung der im Sachverständigengutachten angegebenen Reparaturdauer von maximal 6 Werktagen wäre ihr Wagen frühestens am 5.11.2012 fertig geworden. Hierbei ist allerdings zu berücksichtigen, dass Werkstatten nicht stets sofort mit der Reparatur beginnen können. Auch kann sich bei der Durchführung der Reparatur ein höherer Reparaturaufwand herausstellen. Mithin kann es zu Zeitverzögerungen kommen, so dass eine tatsächliche Reparaturdauer bis zum 8.11.2012 noch als erforderliche Reparaturzeit anzusehen ist. Umstände, die auf eine kürzere Reparaturdauer hindeuten könnten, sind von der Beklagtenseite nicht vorgetragen worden.
2)
Der von der Klägerin für ihren Mietwagen entrichtete Mietzins unterschreitet die ortsübliche Vergleichsmiete und ist damit in vollem Umfang ersatzfähig.
Als den nach § 249 BGB erforderlichen Herstellungsaufwand kann der Geschädigte nur Ersatz derjenigen Mietwagenkosten beanspruchen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in seiner Lage für zweckmäßig und notwendig halten durfte. Der Geschädigte ist hierbei nach dem aus dem Grundsatz der Erforderlichkeit hergeleiteten Gebot der Wirtschaftlichkeit gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren von mehreren möglichen den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen. Für die Anmietung eines Fahrzeuges bedeutet dies, dass der Geschädigte den ortsüblichen Normaltarif verlangen kann (grundsätzlich aber auch nur diesen, vgl. Palandt-Grüneberg, § 249 BGB Rn. 33).
Für die Ermittlung des Normaltarife stehen sowohl die so genannte „Schwackeliste“, als auch der „Fraunhofer-Mietpreisspiegel“ zur Verfügung. Welche dieser beiden Listen der Vorzug zu geben ist, ist in der Instanzrechtsprechung umstritten. Im Oberlandesgerichtsbezirk Hamburg wird der Fraunhofer-Mietpreisspiegel bevorzugt, in anderen Gebieten ist dagegen die Anwendung der Schwackeliste als vorzugswürdig anerkannt (vgl. die Nachweise in BGH NJW 2011, 1947, 1948). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (NJW 2011, 1947) sind sowohl die Schwackeliste, als auch der Fraunhofer-Mietpreisspiegel grundsätzlich zur Schätzung der erforderlichen Mietwagenkosten geeignet.
Das Gericht hält es für angemessen, auf die in diesem Fall höhere Werte aufweisende Schwackeliste abzustellen. Wenn schon keine Einigkeit unter den Juristen herrscht, kann dies dem Geschädigten eines Verkehrsunfalls nicht angelastet werden. Letztlich werden sowohl die Schwackeliste, als auch die Liste des Fraunhofer Instituts in gewissen Zeitabständen neu erstellt und weisen auch immer verschiedene Werte auf, so dass es sachgerecht erscheint, den Geschädigten nicht auch noch mit dem Risiko zu belasten, dass die eine oder andere Preiserhebung niedriger ausfällt.
Der Zugrundelegung der Schwackeliste steht auch nicht entgegen, dass die Beklagtenseite unter Anführung der Angebote zweier großer Autovermieter vorgetragen hat, dass die Klägerin vorliegend ein Fahrzeug zu einem günstigeren Preis hätte anmieten können. Selbst wenn dies der Fall sein sollte, wäre damit die Schwackeliste nicht als ungeeignete Schätzgrundlage anzusehen. Das Gericht hat bei seiner Schätzung das in der Schwackeliste angegebene arithmetische Mittel zu Grunde gelegt. Dies beinhaltet zwangsläufig, dass es auch günstigere Preise geben kann. Der Schwacke-Automietpreisspiegel deckt eine erhebliche Bandbreite an unterschiedlichen Preisen ab, unter anderem auch sehr niedrige Preise (vgl. LG Dortmund NJW-RR 2012, 663,664f).
Gemessen an der Schwackeliste beträgt der ortsübliche Mietpreis für ein Fahrzeug der Gruppe 4 (in welche das Fahrzeug der Klägerin einzuordnen ist) für eine Woche 583,61 € brutto. Für den Anmietzeitraum von 17 Tagen sind dies 1.417,33 € brutto. Abzüglich ersparter Eigenaufwendungen in Höhe von 5% (dazu Palandt-Grüneberg, § 249 BGb Rn. 36) sind dies 1.346,46 brutto. Gezahlt hat die Klägerin lediglich 1.221,78 € brutto, und damit weniger als die ortsübliche Vergleichsmiete für den genannten Zeitraum.
Auf die Frage, ob der von der Klägerin angemietete Wagen über Winterreifen oder eine Vollkaskoversicherung verfügte, kommt es mithin nicht an, da der Mietpreis auch ohne diese Extras voll erstattungsfähig ist
3)
Die geforderten Zinsen auf die Hauptforderung ergeben sich aus §§ 288 Abs. 1, 291 ZPO.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.
Soweit das AG HH-St. Georg.
Hallo Babelfisch,
ein schönes Urteil pro Schwacke.
Es überzeugen die Ausführungen des Gerichts zur Erforderlichkeit. Wenn schon keine Einigkeit unter den Juristen herrscht, kann dies dem Geschädigten eines Verkehrsunfalls nicht angelastet werden, wenn er sich nach den Preisen des Mietwagenunternehmers richtet und diese für erforderlichen Wiederherstellungsaufwand betrachtet, wobei es immer auf die Ex-ante-Sicht, also im Zeitpunkt der Beauftragung, ankommt. Die im Nachhinein vorgelegten Internetangebote sind ohnehin unerheblich. Die dort angegebenen Zeiten und Werte liegen häufig weit von der Unfall- und Anmietzeit entfernt. Im Schadensersatzrecht kommt es hinsichtlich der Erforderlichkeit bei den Mietwagenkosten und auch bei den Abschleppkosten und Sachverständigenkosten immer auf den Zeitpunkt der Beauftragung an. Welches Unfallopfer kennt schon Schwacke oder Fraunhofer? Fraunhofer vielleicht jetzt dadurch, dass jetzt bekannt wurde, dass Fraunhofer dafür Gelder erhält, dass es für ausländische Staaten wissenschaftlich Waffensysteme und Sprengstoffe testet.
Ebenso gefällt mir die Aussage, dass der Streit um Schwacke oder Fraunhofer nicht auf dem Rücken des Geschädigten auszutragen ist. Hier gelten die gleichen Regeln wie bei den erforderlichen Sachverständigenkosten. Der Schädiger hat die nach Ansicht des Geschädigten aus seiner subjekt-bezogenen Betrachtungsweise zu beurteilenden erforderlichen Mietwagenkosten auszugleichen und kann dann den Vorteilsausgleich suchen (vgl. dazu Imhof/Wortmann DS 2011, 149 ff. hinsichtlich der Sachverständigenkosten). Dann wird der Streit über die Höhe der Mietwagenkosten nicht auf dem Rücken des Geschädigten ausgetragen. Was für die Sachverständigenkosten gilt, könnte auch für die Mietwagenkosten gelten.
Auf jeden Fall ein insgesamt schönes Urteil.
Mit freundl. koll. Grüßen
Willi Wacker