Hallo verehrte Captain-Huk-Leser,
zum Wochenabschluss geben wir Euch noch ein Restsachverständigenkostenurteil aus München gegen die ERGO Versicherung bekannt. Wieder einmal musste ein freier Sachverständiger gegen den eintrittspflichtigen Kfz-Haftpflichtversicherer aus abgetretenem Recht klagen, weil die eintrittspflichtige Versicherung nicht gewillt war, den Schaden nach Recht und Gesetz zu regulieren. Wieder sollte der Geschädigte um seine berechtigten Schadensersatzansprüche nach einem unverschuldeten Verkehrsunfall geprellt werden. In diesem Fall hat die regulierungspflichtige Versicherung die Rechnung ohne die im Verkehrsrecht erfahrene Amtsrichterin der Abteilung 341 C des AG München gemacht. Folgerichtig wurde die beklagte ERGO-Versicherung zur Zahlung der gekürzten Sachverständigenkosten mit Zinsen und Gerichts- und Anwaltskosten verurteilt. Mit dem Urteil steht auch fest, dass die Kürzung rechtswidrig war. Eine Peinlichkeit für eine Versicherung, nämlich rechtswidrig den Schaden eines Unfallgeschädigten reguliert zu haben, finde ich. Lest selbst und gebt Eure Kommentare ab.
Viele Grüße und ein schönes Wochenende mit einem 3. Advent Willi Wacker
Amtsgericht München
Az.: 341 C 19410/13
IM NAMEN DES VOLKES
In dem Rechtsstreit
…
– Kläger –
gegen
ERGO Versicherung AG,
– Beklagte –
wegen Schadensersatz
erlässt das Amtsgericht München durch die Richterin am Amtsgericht … am 23.10.2013 auf Grund des Sachstands vom 23.10.2013 ohne mündliche Verhandlung gemäß § 495a ZPO folgendes
Endurteil
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 431,93 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 28,03.2013 zu bezahlen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 431,93 € festgesetzt.
(abgekürzt nach § 313a Abs. 1 ZPO)
Entscheidungsgründe
Gemäß § 495a ZPO bestimmt das Gericht das Verfahren nach billigem Ermessen. Innerhalb dieses Entscheidungsrahmens berücksichtigt das Gericht grundsätzlich den gesamten Akteninhalt.
Die zulässige Klage ist zum Teil begründet.
Der Kläger hat gegen die Beklagte einen weiteren Schadensersatzanspruch in Höhe von 431,93 EUR.
Unstreitig haftet die Beklagte für die Schäden aus einem Verkehrsunfall vom 27.02.2013.
Die Aktivlegitimation steht fest aufgrund der wirksamen Abtretung der des Schadensersalzanspruchs der Geschädigten an den Kläger.
Streitig war allein, ob noch ausstehende Sachverständigenkosten von 431,93 € erstattungsfähig sind oder nicht, ob also insgesamt Sachverständigenkosten von 991,93 € (brutto) ersetzt werden müssen (560,00 € wurden vorgerichtlich bezahlt).
Entscheidend für die Erstattungsfähigkeit der Sachverständigenkosten durch den Schädiger ist nicht, ob der Sachverständige nach dem zwischen ihm und dem Geschädigten geschlossenen Werkvertrag einen Anspruch auf die in Rechnung gestellten Gebühren hat; dies wird bei den vorgerichtlich bei der Abwicklung von Haftpflichtschäden abgerechneten Gebühren oftmals nicht der Fall sein. Entscheidend dafür ist nämlich meist mangels Honorarvereinbarung die übliche Vergütung gemäß § 632 Abs. 2 BGB. Der Sachverständige hat daher in der Regel nur Anspruch auf Ersatz der üblichen Gebühren.
Bei der hier zu entscheidenden Frage, welche Sachverständigengebühren der Geschädigte vom Schädiger ersetzt verlangt werden kann, ist der Beurteilungsmaßstab ein anderer.
Entscheidend ist gemäß § 249 BGB, welche Aulwendungen „ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und geboten halten darf‘ (BGHZ 115,364/369).
Ein in Relation zur Schadenshöhe berechnetes Sachverständigenhonorar kann grundsätzlich als erforderlicher Herstellungsaufwand i.S.d. §249 BGB erstattet verlangt werden (BGH NJW 2007, 1450; so auch Landgericht München I, Urteil vom 01.09.2011, 19 S 7874/11). Allein dadurch, dass ein Sachverständiger eine an der Schadenshöhe orientierte angemessene Pauschalierung des Honorars vornimmt, überschreitet er die Grenzen zulässiger Preisgestaltung grundsätzlich nicht (BGH NJW 2006, 2472; so auch Landgericht München I, Urteil vom 01.09.2011, 19 S 7874/11). Zu einer Erforschung des ihm zugänglichen Markts, um einen möglichst preisgünstigen Sachverständigen ausfindig zu machen, ist ein Geschädigter grundsätzlich nicht verpflichtet (BGH NJW 2007,1450; so auch Landgericht München I, Urteil vom 01.09.2011, 19 S 7874/11 ).
Selbst wenn die Rechnung insgesamt oder einzelne Positionen tatsächlich überteuert sein sollten, trägt das Risiko hierfür grundsätzlich nicht der Geschädigte.
Auf eine Auseinandersetzung mit dem Gutachter muss er sich insoweit nicht einlassen (vgl. z.B. AG Bochum, Urteil vom 6.12.1995, 70 C 514/95).
Das Landgericht München I hat in einem Urteil vom 01.09.2011, 19 S 7874/11 , ausgeführt, „dass der Geschädigte grundsätzlich nicht verpflichtet ist, einen möglichst preisgünstigen Sachverständigen ausfindig zu machen.
Gegen ein ihrer Ansicht nach überhöhtes Honorar kann sich die Beklagte in einem Schadenser-satzprozess gegen den Sachverständigen wehren, entweder aus dem Gutachtensvertrag (Werkvertrag mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter) oder durch Abtretung der Ansprüche des Geschädigten gegen den Sachverständigen.“
Der Sachverständige ist auch kein Erfüllungsgehilfe des Geschädigten, dessen etwaiges Verschulden ihm zugerechnet würde (vgl. z.B. OLG Naumburg, Urteil vom 20.1.2006, 4 U 49/05).
Es ist also weder Aufgabe des Geschädigten, Preisvergleiche anzustellen oder den billigsten Sachverständigen auszuwählen, noch ist es Aufgabe des Geschädigten, einzelne Positionen der Rechnung nach Überhöhung/Plausibiiität zu durchforsten.
Dies wäre nur der Fall, falls eine eventuelle Überhöhung derart evident wäre, also soweit vom Angemessenen in einem Maß abweicht, dass eine Monierung vom Geschädigten verlangt werden kann.
Das Gericht orientiert sich für die Angemessenheit der Sachverständigen kosten an der BVSK-Honorarbefragung für die Jahre 2010/2011. Der Bundesgerichtshof (BGH, Urteil vom 23.1.2007, VI ZR 67/06) hat ausgeführt, soweit sich ein Gutachter auf allgemeine Tabellen beziehe, die von anerkannten Berufsverbänden ermittelt worden seien, wie dem BVSK, der DEKRA oder der IHK, sei zu vermuten, dass der Gutachter einen angemessenen Marktpreis in Ansatz gebracht habe. (Das Landgericht München I hat in einem Urteil vom 01.09.2011 ( 19 S 7874/11 ) ausgeführt: „Die Angriffe der Beklagten gegen die vom Amtsgericht bei der Ermittlung des üblichen Honorars zugrunde gelegte BVSK-Honorarbefragung greifen nicht. Diese Tabelle findet in der Rechtsprechung breite Anerkennung und hat in der Praxis für die Ermittlung der üblichen und konkreten Honorarhöhe besondere Bedeutung. Die dort genannten Sätze – auch für Nebenkosten -geltend als üblich.)
Im vorliegenden Fall überschreitet die Sachverständigenrechnung bzgl. des Grundhonorars nicht erheblich den Rahmen dessen, was nach der BVSK-Honorarbefragung für die Jahre 2010/2011 als normal angesehen werden kann. Bei der vom Sachverständigen ermittelten Schadenshöhe (hier: Reparaturkosten 3.543,- EUR netto zzgl. 500,- EUR Wertminderung) berechnen zwischen 50% und 60% der BVSK-Mitglieder ein Grundhonorar zwischen 452 € und 497 € netto. Der Betrag von 485 € (netto), den der Sachverständige angesetzt hat, ist daher keinesfalls für den Laien, der in der Regel keine Kenntnis von einer Honorarbefragung hat, erkennbar überhöht.
Bezüglich der Nebenkosten ist eine Pauschalierung ebenfalls zulässig. Diese Nebenkosten können neben dem Grundhonorar geltend gemacht werden. Sie können auch einen nicht unerheblichen Anteil an den Gesamtgutachtenskosten ausmachen, ohne dass dies gegen die Pflicht zur Schadensminderung verstößt.
Es ist daher auch zulässig, dass der Geschädigte Sachverständigenkosten ersetzt verlangt, die sich aus Positionen wie Fahrt-, Foto-, Porto-/Telefonkosten etc. errechnen. Entsprechend ist in der genannten BVSK-Honorarbefragung auch eine isolierte Aufzählung von Nebenkosten enthalten, die regelmäßig von Sachverständigen in ihren Abrechnungen in Rechnung gestellt werden. Dies beinhaltet z.B. auch Schreibkosten, Fahrtkosten, Kosten für Lichtbilder und für Porto und Telefon. Solche Positionen sind im Rahmen der Sachverständigenkosten regelmäßig erstattungsfähig und zwar auch pauschal, unabhängig davon, ob sie im konkreten Fall tatsächlich in dieser Höhe angefallen sind.
Nach der o.g. BVSK-Honorarbefragung berechnen 50-60% der BVSK-Mitglieder für die Nebenkosten:
– Fahrtkosten 0,94 € bis 1,08 € pro km
– Fahrtkosten pauschal 22,16 € bis 28,99 €
– Lichtbilder pro Bild 2,06 € bis 2,57 €
– Porto/Telefon pauschal: 13,59 € bis 18,88 €
– Schreibkosten je Seite: 2,47 € bis 3,75 €
– Schreibkosten je Kopie: 2,28 € bis 2,80 €
Die vom Sachverständigen angesetzten Nebenkosten überschreiten damit der Höhe nach nicht wesentlich die Summe, welche nach der BVSK-Liste von 50-60% der Mitglieder höchstens verlangt werden.
Soweit der Sachverständige zusätzlich zur Abrechnung der Fahrtkosten per km eine Fahrtkostenpauschale in Höhe von 28,00 EUR geltend gemacht hat, wurde in der Klage auf Geltendmachung genau dieser Position ausdrücklich verzichtet.
Die gesonderte Abrechnung von Montagekosten ist für den Laien keinesfalls erkennbar unangemessen. Die Kernaufgabe des Sachverständige ist die Begutachtung, nicht die Zerlegung des Fahrzeugs.
Die Geschädigte hat daher im Rahmen des Schadensersatzes Anspruch auf Ersatz von Sachverständigenkosten in Höhe von 991,93 EUR brutto. Der Anspruch ändert sich durch die Abtretung nicht.
Daher hat der Kläger unter Berücksichtigung der vorgerichtlich geleisteten Zahlung noch einen Anspruch auf Zahlung von noch 431,93 €.
Verzug bestand, von der Beklagten nicht bestritten, ab 28.03.2013. Ab diesem Zeitpunkt an hat der Kläger Anspruch auf Verzugszinsen, § 286 BGB. Die Höhe des Zinsanspruchs ergibt sich aus § 288 BGB.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.
Der Streitwert ergibt sich aus der Klageforderung.
Hej, Wiili Wacker,
wenn auch die Richterin des AG München richtige Überlegungen angestellt hat, muss angemerkt werden, dass hier „Gebühren“ gewiß nicht im Streit gestanden haben.
Ein Schönheitsfehler in diesem Urteil ist auch der schadenersatzrechtrlich völlig unnötige „Vergleich“ mit einer Verbandserhebung, die Vergangenheitsdaten ausweist. Die Begründung zur Heranziehung einer solchen Tabelle vermag
ebenfalls nicht zu überzeugen.
Bis bald
Luminator
Hallo Luminator,
auch mir war das Wort „Sachverständigengebühren“ in den Urteilsgründen aufgefallen. Ich hatte schon häufig darauf hingewiesen, dass es solche gar nicht gibt. Diese Wortschöpfung stammt aber von der HUK-Coburg und wird auch heute noch in ihren Abrechnungsschreiben und in ihren Schriftsätzen verwandt. Es dauert eben etwas länger, bis sich die Nachricht, dass es keine „Sachverständigengebühren“ gibt, bis ins hinterste Bayern nach Coburg verbreitet hat. Die Verantwortlichen in Coburg sollten sich hinter die Ohren schreiben, dass es nur Sachverständigenkosten gibt. Aber diese kann der Geschädigte nach der BGH-Rechtsprechung grundsätzlich vom Schädiger nach einem unverschuldeten Verkehrsunfall beanspruchen.
Andererseits ist zu vermuten, dass die „Sachverständigengebühren“ bewußt von der HUK-Cobrug gebraucht werden, um dem Unfallopfer zu suggerieren, es gäbe eine einheitliche „Gebühren-“ Ordnung für Sachverständige, was natürlich nicht stimmt und wiederum bewußte Irreführung der Versicherung ist. Lediglich bei Behörden und Ämtern werden Gebühren erhoben. Auch Private dürfen Gebühren erheben, wenn sie sogenannte Beliehene sind, wie der Bezirksschornsteinfegermeister.
Aber trotzdem vielen Dank für den Hinweis.
Mit freundlichen Grüßen
Willi Wacker