Amtsrichterin des AG Neunkirchen verurteilt HUK-Coburg Allg. Vers-AG zur Zahlung der vorgerichtlich gekürzten Sachverständigenkosten mit Urteil vom 7.11.2013 – 13 C 420/13 (06) -.

Hallo verehrte Captain-Huk-Leser,

nachfolgend geben wir Euch ein weiteres Urteil gegen die HUK-Coburg Allgemeine Versicherung AG bekannt. Wieder ging es im Rechtsstreit um gekürzte Sachverständigenkosten, bei denen die HUK-Coburg meinte, diese eigenmächtig kürzen zu können. Wieder einmal hat sie im Ergebnis die Rechnung ohne das Gericht gemacht. Da klingt es wie Hohn, wenn der GDV mitteilt, dass die Versicherer den Schadensersatzanspruch des Geschädigten korrekt und schnell regulieren. In den Urteilsgründen ist allerdings zu beanstanden, dass die erkennende Amtsrichterin des AG Neunkirchen sich zu sehr auf das umstrittene Nebenkostenurteil des LG Saarbrücken berufen hat. Nach BGH sind weder der Schädiger noch das Gericht zu einer Preiskontrolle berechtigt, wenn der Geschädigte den Rahmen des Erforderlichen wahrt. Hierbei ist eindeutig auf die Ex-ante-Position des Geschädigten bei Beauftragung des Sachverständigen abzustellen. Von irgendwelchen umstrittenen Urteile des LG Saarbrücken hat regelmäßig der laienhafte Geschädigte keinerlei Kenntnis. Insoweit sind die Ausführungen der Amtsrichterin des AG Neunkirchen falsch und verstoßen gegen die BGH-Rechtsprechung. Lest aber selbst und gebt Eure Kommentare ab.  

Viele Grüße
Willi Wacker

13 C 420/13(06)                                                             Verkündet am 07.11.2013

Amtsgericht Neunkirchen

Urteil

Im Namen des Volkes

In dem Rechtsstreit

Kläger

gegen

1. …

2. HUK Coburg Allgemeine Versicherung vertr. d. d. Vorstand, Großherzog-Friedrich-Str. 40, 66109 Saarbrücken

Beklagte

hat das Amtsgericht Neunkirchen durch die Richterin am Amtsgericht … im schriftlichen Verfahren mit einer Erklärungsfrist bis zum 24.10.2013 am 07.11.2013 für Recht erkannt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 66,51 € sowie außergerichtliche Rechtsanwaltkosten in Höhe von 44,98 e, jeweils nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 20.04.2013, zu zahlen.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

5. Der Streitwert wird auf 66,51 € festgesetzt.

Tatbestand

{Von der Darstellung des Tatbestandes wird gem. § 313 a I ZPO abgesehen.)

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist begründet.

I.

Der Kläger macht restliche Schadensersatzansprüche ( Sachverständigenkosten ) aus einem Verkehrsunfallereignis vom 17.12.2012 geltend.

Ein solcher Restanspruch besteht auf Grundlage der §§ 7, 17 StVG, 823, 249 ff BGB, 115 VVG in Höhe von 66,51 €. Dieser Betrag ergibt sich durch Abzug des von der Beklagten bereits auf diese Position gezahlten Betrages in Höhe von 561,00 € vom von der Klägerin zu Recht geltend gemachten Gesamtbetrag in Höhe von 627,51 €,

Zunächst ist aufgrund der unstreitigen Haftung der Beklagten für das dem Anspruch zugrunde liegende Verkehrsunfallereignis zu 100 % die Beklagte grundsätzlich zu einem Ersatz aller aus dem Verkehrsunfall entstandenen Schäden verpflichtet. Die Sachverständigenkosten sind allerdings nur insoweit erstattungsfähig, als die geforderte Vergütung als erforderlicher Wiederherstellungsaufwand im Sinne des § 249 BGB anzusehen ist.

Die Berechnung des Sachverständigenhonorars in Anlehnung an den Schadensbetrag ist nach herrschender Meinung in der Rechtsprechung und insbesondere nach der bisherigen Rechtssprechung des Landgerichts Saarbrücken nicht zu beanstanden. Mehr noch: Das Gericht ist zu einer Preiskontrolle im Detail erst gar nicht berechtigt, wenn der Geschädigte den Rahmen des zur Wiederherstellung erforderlichen wahrt (BGH VersR 2007, 560 f = NJW 2007, 1450ff = ZfS 2007, 507 = DS 2007, 144).

Zwar darf ein Geschädigter auf Kosten des Schädigers nicht jeden beliebigen Preis vereinbaren. So lange für ihn allein als Laien jedoch nicht erkennbar ist, dass der Sachverständige sein Honorar geradezu willkürlich festsetzt, Preis und Leistung in einem auffälligen Missverhältnis zueinander stehen oder dem Geschädigten selbst ein Auswahlverschulden zur Last fällt, kann der Geschädigte vom Schadiger den Ausgleich gezahlter Aufwendungen bzw. Freistellung hiervon verlangen.

Nach der Rechtssprechung des Bundesgerichtshofes kann der Geschädigte eines Verkehrsunfalls als erforderlichen Wiederherstellungsaufwand gem. §§ 249 ff BGB die Kosten erstattet verlangen, deren Aufwendung ein verständiger und wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten als zweckmäßig und notwendig erachten darf. Das aus dem Grundsatz der Erforderlichkeit sich ergebende Wirtschaftlichkeitsgebot gebietet hierbei, dass der Geschädigte im Rahmen des ihm Zumutbaren von mehreren in Betracht kommenden Wegen zur Schadensbehebung den wirtschaftlicheren wählt.

Jedoch ist der Geschädigte gerade nicht verpflichtet, sich bei anderen Sachverständigen nach deren Preisen zu erkundigen, bevor er einen Auftrag erteilt, denn der Geschädigte ist nach der Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 07.05.1996, VI ZR 138/95, Urteil vom 23.01.07, VI ZR 67/06) grundsätzlich nicht zu einer Erforschung des ihm zugänglichen Marktes verpflichtet, um einen für den Schädiger und dessen Haftpflichtversicherung möglich preisgünstigen Sachverständigen ausfindig zu machen.

Bei der Beurteilung, welcher Wiederherstellungsaufwand erforderlich ist, ist auch Rücksicht „auf die spezielle Situation des Geschädigten, insbesondere auf seine individuellen Erkenntnis – und Einflussmöglichkeiten“ Rücksicht zu nehmen. (BGH a.a.O) Da es jedoch für das KFZ-Sachverständigenhonorar gerade an einheitlichen Abrechnungsmodalitäten, geschweige denn an allgemein zugänglichen Preislisten, die einen Vergleich der anfallenden Kosten ermöglichen würden, mithin an verbindlichen Richtgrößen für die Honorarbemessung fehlt, wird der Geschädigte in aller Regel von der Erforderlichkeit der anfallenden Sachverständigenkosten ausgehen dürfen.

Nur soweit für den Geschädigten als Laie erkennbar ist, dass der Sachverständige sein Honorar quasi willkürlich festsetzt und Preis und Leistung in einem auffälligen Missverhältnis zueinander stehen, oder dem Geschädigten selbst ein Auswahlverschulden zur Last fällt oder er offensichtliche Unrichtigkeiten der Begutachtung oder der Honorarberechnung missachtet, kann er vom Schädiger nicht mehr vollständigen Ausgleich gezahlter Aufwendungen bzw. Freistellung verlangen (OLG Düsseldorf NJW Special 2008, 458; OLG Hamm NZV 2001, 433; DAR 1997, 275; OLG Nürnberg OLGR 2002, 471).

Im vorliegenden Fall liegen keine Anhaltspunkte für ein Auswahlverschulden der Geschädigten durch die Auswahl des Klägers bei Beauftragung des Sachverständigen vor. Auch steht die Höhe des geltend gemachten Honorars nicht derart in einem Missverhältnis zur Schadenshöhe, dass der Geschädigten ein offenkundiges Missverhältnis hätte auffallen müssen. Insbesondere hält sich das veranschlagte Grundhonorar im Rahmen des Korridors HB III der BVSK-Honorarbefragung, die zulässigerweise für die Beurteilung des Kriteriums der erkennbaren Überhöhung herangezogen werden kann (gefestigte Rechtsprechung des LG Saarbrücken, bspw. Urteil vom 08.06.2012, Az. 13 S 135/11 m.w.N.).

Es ist auch nicht grundsätzlich zu beanstanden, dass der Sachverständige ein pauschales Grundhonorar und daneben noch zusätzliche Nebenkosten geltend macht.

Keinesfalls ist zunächst dem bereits zitierten BGH-Urteil zu entnehmen, dass eine angemessene Pauschalierung des Honorars voraussetze, dass sämtliche Nebenkosten in der zugrunde gelegten Pauschale enthalten sein müssen. Auch das Landgericht Saarbrücken hat in seiner Entscheidung vom 10.02.2012 (13 S 109/10) festgestellt, dass neben der Pauschale grundsätzlich weitere Nebenkosten abgerechnet werden können, ohne dass im Ergebnis eine Erstattungsfähigkeit der Kosten grundsätzlich verneint werden kann.

Vorliegend handelt es sich bei den in der Rechnung enthaltenen Nebenkosten auch jedenfalls im Verhältnis zwischen den Klageparteien nicht um Aufwendungen, Vielmehr sind diese Einzelpositionen eines von dem Kläger gegen die Beklagte verfolgten Schadensersatzanspruchs. Die Ersatzpflicht kann aus den oben genannten Gründen daher nur verneint werden, soweit aus Sicht des Klägers erkennbar überhöhte Beträge angerechnet werden.

Mit überzeugender Begründung hat das Berufungsgericht im Hinblick auf verschiedene Kosten festgestellt, dass es sich hierbei tatsächlich nicht um Nebenkosten handle, sondern um versteckte weitere Honorarteile. Es müsse bei einer pauschalierten Abrechnungsweise davon ausgegangen werden können, dass mit dem „Grundhonorar“ auch tatsächlich die eigentliche Ingenieurleistung abgegolten werde. Originäre Bestandteile dieser Ingenieurleistung dürften daher nicht als sogenannte Nebenkosten gesondert in die Berechnung einfließen. Separate Kosten für die Nutzung von Datenbanken zur Bewertung oder Kalkulation, Schreibkosten sowie Kosten für die Anfertigung von Lichtbilder seien aus diesem Grund neben dem Grundhonorar nicht erstattungsfähig. Nach zutreffender Beurteilung des Berufungsgerichts ist eine solche Abrechnungsweise auch für den Laien ersichtlich unrichtig. Die ursprüngliche Rechnung vom 20.12.2012 wäre daher um die Positionen „Schreibkosten“ sowie „Audatex Abrufe“ zu kürzen gewesen.

Auch der Laie kann nämlich jedenfalls ohne weiteres erkennen, dass die separate Berechnung von Kosten, die eigentlich originärer Bestandteil der Ingenieurleistung wären einer pauschalen Abrechnungsweise orientiert an der Schadenshöhe im Regelfall widerspricht und damit die Rechnung als unrichtig erkennen.

Auch in Bezug auf die festgestellte Notwendigkeit einer Deckelung der Höhe der tatsächlich erstattungsfähigen Nebenkosten ist dem Urteil des Berufungsgerichts zu folgen. Bei den Nebenkosten wie Fahrtkosten, Porto- und Telefonkosten, Kosten für das Drucken, Vervielfältigen und Heften der Gutachtenausfertigungen ist auch der Laie ohne weiteres zu einer Prüfung der Angemessenheit der veranschlagten Kosten in der Lage, da es insoweit gerade nicht an Vergleichsmöglichkeiten am Markt fehlt.

Hinsichtlich der Schätzung in Bezug auf die üblichen Kosten der Herstellung von Gutachtenausfertigungen in ausreichender Anzahl inklusive der hierin eingebundenen Lichtbilder liegt im zitierten Urteil eine nachvollziehbare Berechnung für durchschnittliche Kosten in Höhe von bis zu 50,00 € vor. Hinzu kommen Kosten für Porto und Telefon in Höhe von bis zu 15,00 €. Das Gericht schließt sich dieser Schätzung im Rahmen des § 287 ZPO an. Hieraus ergibt sich – dies hat das Berufungsgericht inzwischen klar gestellt – dass bis zu einer Gesamthöhe von 100,00 € an vom Sachverständigen berechneten Nebenkosten (soweit es sich tatsächlich um Nebenkosten handelt, vgl. oben) der Geschädigte nicht davon ausgehen muss, dass überhöhte Nebenkosten abgerechnet werden. Eine Preiskontrolle hinsichtlich der Höhe einzelner grundsätzlich abrechenbarer einzelner Nebenkostenpositionen hingegen hat nicht stattzufinden (Landgericht Saarbrücken, Urteil vom 08.06.2012 Az. 13 S 135/11, bislang nicht veröffentlicht). Vorliegend rechnete der Sachverständige an solchen weiteren Nebenkosten in der Rechnung vom 20.12.2012 insgesamt 133,06 € ab.

Allerdings sind der neuen Rechnung vom 14.12.2012 – welche den Gegenstand der Klage bildet – nur Nebenkosten in Höhe von 100,00 € der Berechnung zugrunde gelegt.

Aus der genannten Rechnung ergibt sich ein Gesamtbetrag in Höhe von 444,00 € zuzüglich MWSt, folglich 528,36 €, + 100,00 €- 628,36 €, Gezahlt wurden von der Beklagten bislang 561,00 €. Die verbleibenden 66,51 € bilden die Klageforderung.

Aus Verzugsgesichtspunkten schuldet die Beklagte Verzinsung des Betrages aus §§ 286, 288 I BGB nach Ablauf der der Beklagten gesetzten Zahlungsfrist (19.04.2013) und somit ab dem 20.04.2013.

Auch die Kosten der Rechtsverfolgung – hier in Höhe von 44,98 € geltend gemacht – sind als adäquat kausaler Folgeschaden grundsätzlich erstattungsfähig. Der genannte Betrag ist verzugsbedingt ebenso wie die Hauptforderung ab dem 20.04.2013 zu verzinsen gem. §§ 286, 288 I BGB.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 II Nr, 1 ZPO.

IV.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.

V.

Der Streitwert ist in Anwendung des § 3 ZPO entsprechend der bezifferten Hauptforderung festzusetzen.

VI.

Für die Zulassung der Berufung bestand vorliegend angesichts der oben aufgeführten gefestigten Rechtsprechung des Berufungsgerichts und mangels des Vorliegens von Umständen des Einzelfalles, die dem vorliegenden Fall eine dies rechtfertigende grundsätzliche Bedeutung verleihen, kein Anlass.

Urteilsliste „SV-Honorar“ zum Download >>>>>

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  1. F-W Wortmann sagt:

    Das Urteil begegnet der Kritik. Zunächst stellt die Amtsrichterin unter Hinweis auf die bestehende Rechtsprechung des BGH fest, dass „das Gericht zu einer Preiskontrolle im Detail erst gar nicht berechtigt ist, wenn der Geschädigte den Rahmen des zur Wiederherstellung erforderlichen wahrt (BGH VersR 2007, 560 f = NJW 2007, 1450ff = ZfS 2007, 507 = DS 2007, 144).“ Dann allerdings prüft die Amtsrichterin in Anlehnung an das umstrittene „Nebenkostendeckelungsurteil“ des LG Saarbrücken die Nebenkosten. Das ist ein Widerspruch. Erforderlich ist das, was der Geschädigte aus seiner laienhaften Ex-Ante-betrachtung im Zeitpunkt der Beauftragung für notwendig erachten durfte. Und das war die Beauftragung eines freien qualifizierten Kfz-Sachverständigen seiner Wahl. Wenn er selbst den Schaden nicht beziffern kann, dann sind nach der Rechtsprechung des BGH die Kosten des von ihm eingeschalteten Sachverständigen erforderlicher Wiederherstellungsaufwand, wenn eine vorherige Begutachtung des Schadens zweckmäßig erscheint. Mithin hätte das Gericht kurz und knapp die Entscheidung abfassen können.
    Ein guter Anfang war zu erkennen, dann allerdings folgte das Abgleiten in unsägliche saarländische Rechtsprechung.

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