Hallo verehrte Captain-Huk-Leser,
zum Wochenanfang geben wir Euch heute wieder ein Urteil aus Leipzig zu den Sachverständigenkosten aus abgetretenem Recht gegen die HUK-Coburg – hier in diesem Fall: die HUK 24 -AG – bekannt. Im Ergebnis ist das Urteil zwar wieder richtig, aber die Begründung ist meines Erachtens zu umständlich und angemessenheitsorientiert. Es kann nur immer wieder wiederholt werden, dass es im Schadensersatzprozess auf werkvertragliche Gesichtspunkte nicht ankommt. Entscheidend ist die Erforderlichkeit im Sinne des § 249 BGB. Lest aber selbst und gebt bitte Eure Kommentare ab.
Viele Grüße und eine schöne Woche.
Willi Wacker
Amtsgericht Leipzig
Zivilabteilung I
Aktenzeichen: 111 C 7779/13
Erlassen am: 03.12.2013
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
In dem Rechtsstreit
…
gegen
HUK 24 AG, vertr.d.d. Vorstand, Bahnhofsplatz, 96450 Coburg
– Beklagte –
wegen Forderung
hat das Amtsgericht Leipzig durch
Richterin arn Amtsgericht …
im vereinfachten Verfahren gemäß § 495a
für Recht erkannt:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 104, 22 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 Abs. 1 BGB hieraus seit dem 12. Januar 2013 sowie als Nebenforderung 3,00 EUR vorgerichtliche Mahnkosten zu bezahlen.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf 104,22 EUR festgesetzt.
Tatbestand
Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 313a Abs. 1 ZPO abgesehen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist vollumfänglich begründet.
Die Klägerin hat gemäß §§, 7, 17 StVG, 115 VVG, 249, 398 BGB einen Anspruch auf Bezahlung von 104,22 EUR.
Die Klägerin ist aktivlegitimiert.
Selbst wenn die Unterschrift des Geschädigten auf der Anlage K 2 (Bl. 11 d.A.) erst das Angebot zum Abschluss des Vertrages darstellen sollte, hat die Klägerin dieses spätestens mit der Klageerhebung konkludent angenommen.
Darüber hinaus stellt das nunmehrige Bestreiten der Aktivlegitimation durch die Beklagte ein widersprüchliches Verhalten dar (§ 243 BGB), welches rechtlich unbeachtlich ist. Die Beklagte hat bereits einen nach ihrer Meinung gerechtfertigten abschießenden Betrag in Höhe von 453,78 EUR auf das Sachverständigenhonorar bezahlt und nicht lediglich einen Vorschuss. Dadurch hat die Beklagte ein sogenanntes Anerkenntnis in sonstiger Weise abgegeben (vgl. Geigel, der Haftpflichtprozess 25. Aufl., Rdzff. 27 zu Kapitel 38).
In der Hauptsache hat sich an der Argumentation der Beklagtenseite nichts geändert, so dass das Gericht sich aufgrund der Vielzahl der diesbezüglichen bereits entschiedenen Fälle auf folgende Ausführungen beschränkt:
Hinsichtlich der Sachverständigenkosten hat der Geschädigte mit der Klägerin einen Werkvertrag abgeschlossen. Hierbei wurde ausweislich der Anlage K 1, Blatt 10 der Akte, die auf der Rückseite des Auftrages abgedruckte Honorartabelle und Preisliste als Vergütung vereinbart.
Dem Einwand der Beklagten, die Rechnung sei nicht prüffähig, kann nicht gefolgt werden. Die Abrechnung entspricht der Vereinbarung des Geschädigten mit der Klägerin. Allein hierauf hat sich die Prüffähigkeit der Rechnung zu beziehen.
Dass die Beklagten die Preisvereinbarung als solche für nicht angemessen erachtet, stellt keine Frage der Prüffähigkeit der Rechnung dar.
Da im vorliegenden Fall eine Vereinbarung zwischen dem Geschädigten und der Klägerin getroffen wurde, kommt es auf die Frage, welche übliche Vergütung im Sinne des § 632 Abs. 2 BGB geschuldet ist bzw. darauf, ob dann wenn sich keine übliche Vergütung feststellen lassen sollte, ein Kfz-Sachverständiger berechtigt wäre, sein Honorar im Rahmen billigem Ermessens anhand der Schadenshöhe zu bestimmen, nicht an.
Soweit sich die Parteien eines Werkvertrages auf einen bestimmten Werklohn geeinigt haben, kann es nicht Sache des Gerichts sein, den Sachverständigen vorzuschreiben, in welcher Art er seine Preiskalkulation vorzunehmen hat.
Angebot und Nachfrage bestimmen in den Grenzen des § 138 BGB die Preisbildung auf dem Markt. Anhaltspunkte dafür, dass der abgeschlossene Werkvertrag eine sittenwidrige Preisvereinbarung enthält und damit nach § 138 BGB nichtig ist, sind nicht ersichtlich.
Die Beklagte hat zur Sittenwidrigkeit bzw. Unwirksamkeit der Honorarabrede nicht substantiiert vorgetragen. In der BVSK Befragung 2011, welche als Anlage B 4 von der Beklagten vorgelegt wurde, ergibt aus der Legende unten auf der Anlage B 4 (Bl. 55 d.A.) hinsichtlich des HB5 Korridors, dass etwa 50 – 60 % der BVSK Mitglieder ihre Honorare bei einer Schadenshöhe von 2.750,00 EUR netto in einer Spanne von 370,00 EUR bis 409,00 EUR berechnen (jeweils netto). Im vorliegenden Fall hat der Sachverständige ein Grundhonorar von 398,00 EUR netto abgerechnet, welches selbst bei Zugrundelegung der Ausführungen der Beklagtenseite sich noch im Rahmen der üblichen Spanne bewegt und demzufolge nicht als sittenwidrig eingestuft werden könne.
Angesichts der werkvertraglichen Vereinbarung hat das Gericht den erforderlichen Wiederherstellungsaufwand gemäß § 249 auch nicht nach § 287 ZPO zu schätzen, so dass es auf die Rechtsauffassung des Amtsgerichts Coburg, Urteil vom 05.12.2012, Az.: 12 C 882/12, ob der übliche und angemessene Betrag des Grundhonorars am ehesten durch den Mittelwert aus den Werten der Tabelle HB II und HB IV der Anlage B 4 zugrundezulegen ist, mangels Entscheidungserheblichkeit dahinstehen kann.
Auch die von der Klägerin geltend gemachten Nebenkosten sind sämtlichst der Höhe nach vereinbart, so dass es auf die Mittelwertargumentation der Beklagten nicht ankommt.
Die Sachverständigenhonorarurteile, die von der Beklagtenseite als Anlage B1, Blatt 43 ff. der Akte betgeführt wurden, betreffen sämtlichst nicht den hiesigen Gerichtsbezirk, so dass nicht erkennbar ist, inwieweit diese Entscheidungen Berücksichtigung finden sollten.
Lediglich der Vollständigkeit halber wird ausgeführt, dass selbst, wenn sämtlicher Vortrag der Beklagtenseite als wahr unterstellt werden könnte, dem Geschädigten kein Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht gemäß § 254 BGB vorgeworfen werden kann. Dafür wäre die Beklagtenseite beweisbelastet. Dass die Honorarerhöhung ggf. für den Geschädigten erkennbar war, ist weder dargelegt noch ersichtlich. Da es nahezu einhellige Rechtssprechung im Gerichtsbezirk des Amts- und Landgerichtes Leipzig ist, dass das Sachverständigenhonorar der Klägerin zu ersetzen ist, kann der Geschädigte auf diese seit Jahren gefestigte Rechtssprechung vertrauen ohne sich ein Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht vorwerfen lassen zu müssen.
Die Entscheidung hinsichtlich der Nebenforderungen ergibt sich aus §§ 280, 286, 286 BGB.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
Die Entscheidung hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 713 ZPO.
Sehr geehrter Willi Wacker,
in diesem Fall komme ich zu einer anderen Beurteilung, denn das Urteil enthält viele Einzelpunkte, die schadenersatzrechtlich oftmals nicht angesprochen werden und eine überwiegend angemessenheitsorientierte Betrachtung sehe ich ebenfalls nicht. Indes halte ich folgende Ausführungen für beachtlich:
>>> „Dem Einwand der Beklagten, die Rechnung sei nicht prüffähig, kann nicht gefolgt werden. Die Abrechnung entspricht der Vereinbarung des Geschädigten mit der Klägerin. Allein hierauf hat sich die Prüffähigkeit der Rechnung zu beziehen.
Dass die Beklagten die Preisvereinbarung als solche für nicht angemessen erachtet, stellt keine Frage der Prüffähigkeit der Rechnung dar.“
>>> „Soweit sich die Parteien eines Werkvertrages auf einen bestimmten Werklohn geeinigt haben, kann es nicht Sache des Gerichts sein, den Sachverständigen vorzuschreiben, in welcher Art er seine Preiskalkulation vorzunehmen hat.“
>>> „Angebot und Nachfrage bestimmen in den Grenzen des § 138 BGB die Preisbildung auf dem Markt. Anhaltspunkte dafür, dass der abgeschlossene Werkvertrag eine sittenwidrige Preisvereinbarung enthält und damit nach § 138 BGB nichtig ist, sind nicht ersichtlich.“
>>> Angesichts der werkvertraglichen Vereinbarung hat das Gericht den erforderlichen Wiederherstellungsaufwand gemäß § 249 auch nicht nach § 287 ZPO zu schätzen, so dass es auf die Rechtsauffassung des Amtsgerichts Coburg, Urteil vom 05.12.2012, Az.: 12 C 882/12, ob der übliche und angemessene Betrag des Grundhonorars am ehesten durch den Mittelwert aus den Werten der Tabelle HB II und HB IV der Anlage B 4 zugrundezulegen ist, mangels Entscheidungserheblichkeit dahinstehen kann.
Auch die von der Klägerin geltend gemachten Nebenkosten sind sämtlichst der Höhe nach vereinbart, so dass es auf die Mittelwertargumentation der Beklagten nicht ankommt. “
>>> „Die Sachverständigenhonorarurteile, die von der Beklagtenseite als Anlage B1, Blatt 43 ff. der Akte beigeführt wurden, betreffen sämtlichst nicht den hiesigen Gerichtsbezirk, so dass nicht erkennbar ist, inwieweit diese Entscheidungen Berücksichtigung finden sollten.“
>>> „Lediglich der Vollständigkeit halber wird ausgeführt, dass selbst, wenn sämtlicher Vortrag der Beklagtenseite als wahr unterstellt werden könnte, dem Geschädigten kein Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht gemäß § 254 BGB vorgeworfen werden kann. Dafür wäre die Beklagtenseite beweisbelastet. “
Zusammengefaßt halte ich dieses Urteil für richtungsweisend, denn es räumt mit vielen Urteilsplagiaten auf, wie die Ausführungen und Überlegungen dieses Amtsrichters zeigen. Er hat den Finger in die Wunde gelegt und alles das angesprochen, was beachtenswert ist. Kurzum: EINE MUSTERVORLAGE!
G.v.H.
@ G.V.H. EINE MUSTERVORLAGE!
Angesichts der werkvertraglichen Vereinbarung hat das Gericht den erforderlichen Wiederherstellungsaufwand gemäß § 249 auch nicht nach § 287 ZPO zu schätzen ..
…. so und nicht anders!
Hallo, Virus,
danke für die Ergänzung.
G.v.H.
@ G.v.H.
@ virus
Das Gericht muss schon im Rahmen der Schadenshöhenschätzung nach § 287 ZPO prüfen, ob das berechnete Honorar in der berechneten Höhe erforderlich im Sinne des § 249 BGB ist. Denn der Geschädigte kann mit dem beauftragten Sachverständigen im Rahmen des Werkvertrages nicht jeden beliebigen Honorarbetrag vereinbaren. Diese Prüfung im Rahmen des § 287 ZPO hat aber auch gar nichts mit einer Preiskontrolle zu tun. Wahrt der Geschädigte den Rahmen des zur Schadensbeseitigung Erforderlichen, so ist eine Preiskontrolle untersagt (vgl. BGH NJW 2007, 1450 ff.). Das erkennende Gericht muss daher feststellen, ob der Rahmen des zur Schadensbeseitigung Erforderlichen überschritten ist oder nicht. Nur dann, wenn der Rahmen des zur Schadensbeseitigung Erforderlichen eingehalten ist, was aber das Gericht positiv feststellen muss, z.B. durch Schätzung gemäß § 287 ZPO, dann – und erst dann – ist eine Preiskontrolle untersagt.
So einfach, wie es sich virus in seinem obigen Kommentar vorstellt, so einfach ist es nicht!!
@Willi…..das werden wohl so manche wieder nicht verstehen (wollen)…..
Hallo, Willi Wacker,
das offensichtlich immer wieder als unvermeidbar favorisierte Schätzen ist m.E. entbehrlich, wie es dieses Urteil mit folgendem Ausschnitt der Entscheidungsgründe doch beispielgebend zeigt:
„Angesichts der werkvertraglichen Vereinbarung hat das Gericht den erforderlichen Wiederherstellungsaufwand gemäß § 249 auch nicht nach § 287 ZPO zu schätzen, so dass es auf die Rechtsauffassung des Amtsgerichts Coburg, Urteil vom 05.12.2012, Az.: 12 C 882/12, ob der übliche und angemessene Betrag des Grundhonorars am ehesten durch den Mittelwert aus den Werten der Tabelle HB II und HB IV der Anlage B 4 zugrundezulegen ist, mangels Entscheidungserheblichkeit dahinstehen kann. “
Die gegebene Begründung ist auch einleuchtend. Würde man anders verfahren, bedeutete dies mit der Favorisierung von einem subjektiven Bewertungsmaststabs sich von der allein zulässigen gesetzlichen Methode der Erkenntnis des Schadenersatzes nach § 249 BGB zu lösen.. Ein solches Schätzen ist vorrangig subjektiv geprägt und hat weder mit dem realen Schaden noch mit dem Gesetz etwas zu tun, denn das wäre sehr einfach, weil der Richter „wertet“ und damit die „Lösung“ hat.
MONITOR
Der BGH hat es im Urteil vom 23.1.07 (VI ZR 67/06) in Rn. 13 doch ziemlich klar gesagt:
@ G.v.H.
Beachtung sollte auch die nachfolgende Begründung des Richters finden:
Angebot und Nachfrage bestimmen in den Grenzen des § 138 BGB die Preisbildung auf dem Markt. Anhaltspunkte dafür, dass der abgeschlossene Werkvertrag eine sittenwidrige Preisvereinbarung enthält und damit nach § 138 BGB nichtig ist, sind nicht ersichtlich.
(mehr zu Sittenwidrigkeit § 138 BGB kann hier nachgelesen werden: http://ruessmann.jura.uni-sb.de/bvr2003/Vorlesung/sittenwi.htm
Das Gericht „erschlägt“ mit dieser Erkenntnis/Ausführung Zahlungsverweigerungen wie z.B. von der Allianz: „Die Nebenkosten haben wir auf Basis der aktuellen Rechtsprechung auf die angemessenen Werte gekürzt.“
Kfz-Sachverständige agieren als Freiberufler (wie ja auch jeder Versicherer) „am Markt“. Kein Druckerhersteller, kein Farbpatronenanbieter, kein IT-Spezialist, kein Autoverkäufer, kein Nichts und Niemand gibt einem Kfz-Sachverständigen Nachlässe, weil die Versicherungswirtschaft meint, sich an diesen Berufsstand schadlos halten zu können. Ich wünschte mir, dass sich Richter und Richterinnen dies mehr bewusst machten.
Zu „angemessene Werte“. Welche Haftpflichtprämie ist eigentlich angemessen? Die der HUK oder die der Allianz? Oder der Durschnitt von beiden? Wie sähe der Versicherungsschutz aus, wenn der Vertrag bei der Allianz läuft, der Versicherungsnehmer jedoch nur den HUK-Beitrag bezahlt, weil er diesen als „angemessen“ hält? Auch darüber sollten Richter mal nachdenken.
Zu „Basis der aktuellen Rechtsprechung“. Der Versicherer beruft sich nach telefonischer Nachfrage auf das (Fehl)Urteil LG Saarbrücken. G.v.H., Du weißt schon – Nebenkosten von 100 Euro sind erstattungsfähig – kürzt aber die Nebenkosten auf 51,00 Euro. Dazu fällt einem dann nichts mehr ein.
Und weiter: „Entsprechend der gegeben Dichte an Sachverständigen ist davon auszugehen, dass der Anspruchsteller innerhalb von 25 km einen vertrauensvollen Gutachter beauftragen kann. Der gefahrene Kilometer ist mit 1,00 Euro zu erstatten.“ und zahlt auf den geltend gemachten Betrag von 41,40 Euro für die Entfernung von 16 km 25 Euro anstatt dann doch zu zahlender 50,00 Euro.
Ich meine, wer m. E. so betrügerisch agiert, dem gehört seitens des Gesetzgebers die Zulassung – Kfz-Haftpflichtverträge (im Auftrag des Staates) verkaufen zu dürfen – entzogen?
Abschließend meine Bitte an alle. Jedes Kürzungsschreiben (nicht nur) der Allianz an die Redaktion senden. Die BaFin steht gerade unter Beobachtung.
@ @Willi…..das werden wohl so manche wieder nicht verstehen (wollen)…..
Zu Recht nicht!
Siehe: AG Leipzig verurteilt HUK 24- AG zur Zahlung restlicher Sachverständigenkosten aus abgetretenem Recht mit Urteil vom 3.12.2013 – 111 C 7779/13 -. eingestellt von Willi Wacker.
Zitat aus der Urteilsbegründung: „Angesichts der werkvertraglichen Vereinbarung hat das Gericht den erforderlichen Wiederherstellungsaufwand gemäß § 249 auch nicht nach § 287 ZPO zu schätzen, ..“
Hallo MONITOR,
schau Dir BGH VI ZR 67/06 an. Dort hat m.E. der BGH überzeugend aufgebröselt, wie die „Erforderlichkeit“ i.S.d. § 249 BGB gesehen werden muss.
Die Begründung in dem von Dir herangezogenen Urteil des AG Leipzig mit dem Hinweis auf die werkvertragliche Vereinbarung überzeugt mich nicht. Was ist, wenn die (Werkvertrags-)Parteien ein horrendes Honorar vereinbaren, ist dann das Gericht gehindert, die Höhe des Schadens (sprich: die Höhe der Sachverständigenkosten!) im Rahmen des geltend gemachten Schadensersatzanspruchs im Sinne des § 249 BGB zu schätzen? – Doch wohl kaum!
Also muss das erkennende Gericht bei der Festlegung, was erforderlich ist und was nicht mehr erforderlich ist, schätzen. Bei der Schätzung ist das Gericht nach der Rechtsprechung des BGH besonders freigestellt.
Ja was denn nu?
Einerseits wird (jahrelang) rauf und runter argumentiert, dass auch überhöhtes Sachverständigenhonorar im Rahmen des Schadensersatzes ohne wenn und aber bezahlt werden muss (so lange sich der geforderte Betrag nicht im Bereich des offensichtlichen Wuchers befindet), da es über den Weg des Vorteilsausgleiches durch den Schädiger (Versicherung) ohne weiteres wieder zurückgefordert werden kann – wobei die Beweislast dann beim Schädiger liegt.
Und nun kann der Richter wieder nach § 287 ZPO schätzen, ob das Honorar „angemessen“ bzw. ob es erforderlich weil angemessen ist?
So langsam beißt sich die eine oder andere Katze hier selbst in den Schwanz – oder eine Katze der anderen?
Erforderlich heißt doch, ob die Einholung eines Gutachtens ERFORDERLICH zur Beseitigung des Schadens war. Die Erforderlichkeit richtet sich demzufolge auf die Beauftragung eines Gutachters, also letztendlich auf die Beurteilung, ob ein Bagatellschaden vorlag oder nicht. Die „Schätzung“ nach 287 ZPO greift bestenfalls bei der sog. Wuchergerenze: „Konnte der Geschädigte ex ante erkennen, dass das Honorar quasie willkürlich oder im Bereich des Wuchers angesiedelt ist“. Konnte er ex ante nicht erkennen, dann ist hier Ende der § 287 ZPO-Fahnenstange im Rahmen Schadensersatzprozess.
Jede andere Betrachtung führt zu dem Angemessenheitsmist, der uns fast täglich mit irgendwelchen Urteilen aufgetischt wird. Als oberstes Gebot sollte man stets den vollständigen Schadensausgleich des Geschädigten im Fokus haben. Das ist den Gerichten im Bereich der Mietwagenrechtsprechung zwar völlig entglitten, sollte man bei anderen Schadenspositionen aber um so mehr und mit entsprechender Vehemenz verteidigen.
Hallo, Karle,
Du warst mit Deinem Kommentar schneller als ich. Genau in den von Dir angesprochenen Punkten teile ich Deine Einschätzung und dann noch §249 BGB, die ex ante Sicht des Geschädigten und sonst nichts mehr. Die Erforderlichkeit wird immer wieder – auch in Urteilen – auf die Höhe der Gutachterkosten bezogen und führt dann zu einer vermeintlich notwendigen Überprüfung. Mit Vorlage einer Kostennote gibt es nichts zu mehr zu „schätzen“, denn ansonsten hätte sich der BGH den Hinweis sparen können, was auch die Regulierungsverpflichtung für überhöhte Honorare angeht und letztlich auch das Verbot der Überprüfung. Und das letztlich großzügiges Schätzen sich auf willkürliches Festsetzen beschränkt, ist in einer Reihe von Urteilen nachzulesen. Man stelle sich einmal vor, dass eine solche Praxis auch bei angefallenen Reparaturkosten greifen würde. Die Antwort kann jeder selbst finden.
Noch einen schönen Abend
MONITOR
Hallo, Willi Wacker,
die Anwendung des § 287 ZPO ist bekanntlich nur zulässig, wenn und soweit genaues Erkennen unmöglich ist. Soweit jedoch Anhaltspunkte vorliegen oder ermittelt werden können, sind diese genau zu erkennen und aus ihnen ist die streitgegenständliche Zahlengröße so genau wie möglich zu erschließen. Die Anwendung des § 287 ZPO ist mit Vorlage einer Rechnung jedoch entbehrlich, weil es damit nicht an einer genauen Erkenntnismöglichkeit vor dem Hintergrund des § 249 BGB mangelt und damit für eine „Pauschalierung“ schadenersatzrechtlich keine Grundlage gegeben ist.
Gruß
MONITOR
@ Karle
Ich würde es so auf den Punkt bringen: Die “Erforderlichkeit” ist nicht der Preis. Die “Erforderlichkeit” hat einen (Markt)Preis. Liegt der (Markt)Preis für das Angebot bzw. die Nachfrage der Dienstleistung, hier “Erstattung Kfz-Schaden-Gutachten” in den Grenzen des § 138 BGB, dann hat weder der Schädiger noch ein Gericht “den Rechnungsbetrag aufgrund des Werksvertrages – als vom Geschädigten geltend zu machende Schadensposition – zu schätzen bzw. gar zu kürzen.
Ein Beispiel eines “Markt”Preises außerhalb von § 138 BGB kann hier nachgelesen werden:
http://deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/2014/01/14/teurer-weihrauch-fuer-43-hochaemter-ard-zahlt-10-millionen-euro-an-jauch/
@ virus 14.1.2014 21.50
Was nun der Marktpreis bzw. Marktwert von Günther Jauch mit den Sachverständigenkosten zu tun haben soll, das erschließt sich mir weder aus dem verlinkten Artikel noch aus dem Kommentar.
Aber sachlich auf den Kommentar eingehend, erwidere ich, dass der (Markt)Preis vom Gericht festgestellt werden muss, und dies geschieht im Rahmen der Schätzung gem. § 287 ZPO, indem sich das Gericht der Hilfe von Tabellen und Listen oder sachverständige Hilfe bedient.
Woher soll das Gericht sonst den Rahmen des Wuchers abstecken können?
@Willi Wacker
„Aber sachlich auf den Kommentar eingehend, erwidere ich, dass der (Markt)Preis vom Gericht festgestellt werden muss, und dies geschieht im Rahmen der Schätzung gem. § 287 ZPO, indem sich das Gericht der Hilfe von Tabellen und Listen oder sachverständige Hilfe bedient.“
Diese These ist schadensersatzrechtlich falsch!
Das Gericht hat das SV-Honorar NUR aus der Sicht des Geschädigten zu betrachten (BGH). Und der hatte zum Zeitpunkt der Beauftragung (und auch selbst nach Eingang der Rechnung) weder Listen, Tabellen oder irgend einen Honorarsachverständigen, der die Höhe des SV-Honorars überprüft.
„Woher soll das Gericht sonst den Rahmen des Wuchers abstecken können?“
Genau wie der Geschädigte auch. Aus dem „hohlen Bauch“ heraus = § 287 ZPO. Ist das Gericht (ohne Listen und/oder SV-Gutachten) nicht in der Lage, Wucher freiweg zu erkennen, dann hat der Geschädigte alles richtig gemacht und keine Sorgfaltspflicht verletzt.
So einfach kann Schadensersatzrecht sein.
Die „Ottingsche Fehlinterpretation“ zieht sich inzwischen durch die gesamte Rechtsprechung. Erforderlich ist eben nicht was angemessen ist. Erforderlich ist nur, was zur Beseitigung des Schadens ERFORDERLICH ist. Erforderlichkeit ist eine Maßnahme und kein Prüfmaßstab.
Die Maßnahme ist in der Regel die Einholung eines Sachverständigengutachtens. Die Höhe der SV-Rechnung hat hiermit gar nichts zu tun => Verweis auf Vorteilsausgleich.
@ Karle: Erforderlich ist eben nicht was angemessen ist.
Hallo Karle,
richtig ist: Was angemessen ist, ist auf jeden Fall erforderlich. Aber auch das, was unangemessen ist, kann erforderlich sein. Und was erforderlich ist, hat der BGH in VI ZR 67/06 gut aufgebröselt. Lies dir noch einmal genau BGH VI ZR 67/06 durch. Und da hat der BGH auch den Hinweis auf die im Rahmen des Schadensersatzanspruchs vorzunehmende Schadenshöhenschätzung gegeben. Und mit dem Hinweis auf BGH kann man dann auch die Diskussion beenden.
Der Hinweis auf den Vorteilsausgleich geht in diesem Zusammenhang insoweit fehl, als der Schädiger im Rahmen der Rückforderung vermeintlich überhöhter Sachverständigenkosten auf diesen verwiesen ist, damit er bei Ausgleich der vollen erforderlichen Sachverständigenkosten nicht rechtlos ist. Nur weil dem Schädiger die Möglichkeit des Vorteilsausgleichs eingeräumt ist, muss er nicht jeden beliebig vereinbarten Preis erstatten.
Schadensersatz ist eben nicht immer so einfach, wie du vielleicht denkst.
Guten Tag Karle,
der Richter in Recklinghausen hat es m.E. in dem heute veröffentlichten Urteil mit der Erforderlichkeit und mit der Schätzung gem. § 287 ZPo richtig gemacht. Schau Dir mal das heute veröffentlichte Urteil aus Recklinghausen an.
„Erforderlich ist nur, was zur Beseitigung des Schadens ERFORDERLICH ist. Erforderlichkeit ist eine Maßnahme und kein Prüfmaßstab.
Die Maßnahme ist in der Regel die Einholung eines Sachverständigengutachtens. Die Höhe der SV-Rechnung hat hiermit gar nichts zu tun => Verweis auf Vorteilsausgleich.“
Hallo, Karle,
vielen Dank für diesen Gedanken, bei dem ich keinen Widerspruch sehe. So wäre es m.E. zu praktizieren.
Gruß
Heidrun L.
vgl. BGH VI ZR 67/06, Rn. 13 (oben schon zitiert):
Welcher Finanzierungsbedarf ist aus ex-ante-Sicht (des Geschädigten) zur Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes erforderlich? Weiß man nicht, muß man schätzen. Wenn nachher (= ex post) Rechnungen vorgelegt werden (= tatsächlicher Aufwand), sind diese Rechnungen ein Indiz für den ex ante zu schätzenden Finanzierungsbedarf.
Wenn die Rechnungen unangemessen hoch sind, kann der Finanzierungsbedarf für die Wiederherstellung entsprechend höher sein, muß er aber nicht.
Wo die Grenze liegt, hat der BGH noch nicht klar gesagt (glaube ich). Da es sich um Schätzungen handelt, und die Tatsacheninstanzen bei § 287 ZPO einen größeren Spielraum haben, wird der BGH sich bei dieser Frage wohl auch zurückhalten.
(Nicht nur dogmatisch) spannend ist auch die Grenzziehung zwischen § 254 BGB (Mitverschulden) und § 249 BGB (Erforderlichkeit). Bei den Mietwagenkosten stellt der BGH eher auf Erforderlichkeit ab, bei SV-Kosten auf Mitverschulden? Wo da nach BGH die Grenze liegen soll, ist mir nicht ganz klar…
Herr Schepers
das verstehe ich nicht!
Wonach wollen sie denn beurteilen welcher Geldbetrag im konkreten Fall angemessen ist wenn es nicht einmal eine Honorarrahmenordnung ( wie etwa die HOAI für Architekten und Ingenieure ) für die Honorare von Kfz-Sachverständigen gibt?
Mietpreise kann ihr Mandant an jeder Ecke vergleichen,aber Reparaturkosten oder Gutachterkosten?
Hier fehlt doch jeglicher Vergleichsmassstab.
Und nach welchen Anhaltspunkten soll denn ein Richter die konkret berechneten Gutachterkosten schätzen,wenn dem Geschädigten jegliche Vergleichsmöglichkeiten fehlen und dem Richter übrigens genauso?
Ich meine,dass sich manche Gerichte mit §287 ZPO lediglich selbst einen Hebel konstruieren ihre Denkfaulheit auszuleben und die Sache schnell und unkompliziert vom Tisch zu bekommen.
Haben Sie diese Vorschrift schon einmal ganz gelesen?
Haben Sie schon einmal von der Möglichkeit Gebrauch gemacht,den klagenden Sachverständigen als Partei zur Erforderlichkeit der Gutachterkosten gem §287 I,3 vernehmen zu lassen?
Das ist jedenfalls erleichtert möglich und die allermeisten Gerichte würden einen sochen Beweisantrag sicher nicht einfach übergehen.
Man sollte dem Sachverständigen immer die Gelegenheit besorgen seine Rechnung vor Gericht zu erläutern.
Fehlschätzungen der Gerichte und fehlerhafte Klageabweisungen liessen sich so vielleicht verringern.
@ Paulchen
„Man sollte dem Sachverständigen immer die Gelegenheit besorgen seine Rechnung vor Gericht zu erläutern.“
Wie bist Du denn drauf?
Ich sehe das als reinen Zynismus an.
Vieleicht überlegen sich manche Herren Rechtsanwälte wie es wäre, wenn sie jedes mal nach beendeter Arbeit ihr Honorar einklagen müssten und das kostenlos, mit ungewissen Ausgang.
Das was den Sachverständigen hier in Deutschland widerfährt zeigt den Zustand eines Staates an, der sich nach den Banken u. Versicherungen orientiert und nicht nach Recht u. Ordnung.
Ich kenne aus früherer Zeit keine so eklatant widersprüchliche Rechtsprechung, wie sie in den letzten Jahren verbrochen wird.