Hallo verehrte Captain-Huk-Leser,
nachfolgend veröffentlichen wir hier ein Urteil aus Berlin-Mitte zu den restlichen Sachverständigenkosten aus abgetretenem Recht nach Veröffentlichung des BGH-Urteils vom 11.2.2014 – VI ZR 225/13 – gegen die Allianz Versicherung mit einer etwas seltsamen Begründung. Obwohl der VI. Zivilsenat des BGH entschieden hat, dass der Geschädigte BVSK nicht kennen muss, erwähnt das Gericht trotzdem noch BVSK. Bedenklich ist auch, dass das Gericht überhaupt noch die Höhe der Sachverständigenkosten prüft, wenn der Schädiger im Rahmen seiner Darlegungspflicht bezüglich der Schadensgeringhaltungspflicht beweisfällig geblieben ist. Und dann kommt auch noch wieder ein versteckter – aber entbehrlicher – Seitenhieb auf die Angemessenheit „…Kosten noch als erforderlich anzusehen“. Das zeigt aber, dass nach wie vor die Erforderlichkeit im Sinne des § 249 BGB fehlinterpretiert wird. Eigentlich bräuchte nur noch das BGH-Urteil vom 11.2.2014 abgeschrieben werden. Dort ist (fast) alles gesagt. So einfach könnte Rechtsprechung bei den Amts- und Landgerichten sein. Lest selbst und gebt bitte Eure Kommentare ab.
Viele Grüße und eine schöne Woche.
Willi Wacker
Amtsgericht Mitte
Im Namen des Volkes
Urteil gem. § 313a ZPO
Geschäftsnummer: 19 C 3155/13 Verkündet am: 26.03.2014
In dem Rechtsstreit
des Herrn … ,
Klägers,
gegen
die Allianz Versicherungs Aktiengesellschaft, vertreten durch den Vorstand Severin Moser, An den Treptowers 3, 12435 Berlin,
Beklagte,
hat das Amtsgericht Mitte, Zivilprozessabteilung 19, Uttenstraße 12 -17, 10179 Berlin,
auf die mündliche Verhandlung vom 26.03.2014 durch die Richterin am Amtsgericht …
f ü r R e c h t e r k a n n t :
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 111,62 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 11.12.2013 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Öffentliche Sitzung
des Amtsgerichte Mitte Berlin, den 26.03.2014
Zivilprozessabteilung 19
Geschäftszeichen: 19 C 3155/13
Gegenwärtig:
Richterin am Amtsgericht …
In dem Rechtsstreit
… ./. Allianz Verslcheruhgs Aktiengesellschaft
erschienen bei Aufruf
für den Kläger, Rechtsanwaltin P. ,
für die Beklagte und Rechtsanwaltskanzlei … B. L. D. , Rechtsanwalt B. .
Beklagtenvertreter überreicht Schriftsatz vom 25.03.2014, von dem die Klägervertreterin Abschriften erhält.
Klägervertreterin stellt den Antrag aus der Klageschrift, Bl. 1 d. A..
Beklagtenvertreter stellt den Antrag aus dem Schriftsatz vom 08.01.2014, Bl. 16 d. A..
Die Sach- und Rechtslage wurde mit den Erschienenen erörtert, insbesondere auch die neueste Entscheidung des BGH, Urteil vom 11.02.2014, VI ZR 225/13. Danach müsste der Schädiger darlegen und beweisen, dass der Geschädigte gegen seine Schadensminderungspflicht verstoßen hat. Dies sei der Fall, wenn der Geschädigte hätte erkennen können, dass der von ihm ausgewählte sachverständige Honorarsätze für seine Tätigkeit verlangt, die die in der Branche üblichen Preise deutlich übersteigen.
Klägervertreterin beantragt vorsorglich Erklärungsfrist auf den heute überreichten Schriftsatz.
Am Schluss der Sitzung erkannt und verkündet:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 111,62 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 11.12.2013 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Wesentlicher Inhalt der Entscheidungegründe gem. den §§ 495a, 313a Abs. 1 ZPO
Der Kläger hat bei unstreitig voller Haftung der Beklagten dem Grunde nach aus den §§ 7 StVG, 115 VVG, 823, 249, 398 ff BGB aus abgetretenem Recht den im Tenor zu 1) aufgeführten Zahlungsanspruch, denn bei den mit 648,23 Euro in Rechnung gestellten Sachverständigenkosten handelt es sich um erforderliche Kosten im Sinne von § 249 BGB zur Schadensbeseitigung.
Der Kläger ist aufgrund der Abtretung vom 26.7.2013 aktivlegitimiert. Der Geschädigte K. hat in dieser Erklärung unterzeichnet, dass sich das Sachverständigenhonorar nach der aktuellen Honorartabelle des Klägers einschließlich der darin enthaltenen Zuschlage bemisst. Insoweit ist eine Vereinbarung über die Höhe des Sachverständigenkosten zwischen dem Geschädigten und dem Kläger zustande gekommen.
Nach der jüngsten Rechtsprechung des BGH im Urteil vom 11.02.2014, Az.: VI ZR 225/13 darf sich der Geschädigte damit begnügen, den ihm in seiner Lage ohne weiteres erreichbaren Sachverständigen zu Erstellung eines Gutachtens zur Ermittlung der Schadenshöhe zu beauftragen. Er muss nicht zuvor eine Marktforschung nach dem honorargünstigsten Sachverständigen betreiben. Ein Indiz für die Erforderlichkeit der Kosten bildet die Übereinstimmung des vom Geschädigten erbrachten Kostenaufwands mit der Rechnung und der ihr zugrunde liegenden getroffenen Preisvereinbarung, sofern diese nicht auch für den Geschädigten deutlich erkennbar erheblich über den üblichen Preisen liegt. Ein einfaches Bestreiten der Erforderlichkeit des ausgewiesenen Rechnungsbetrages reicht grundsätzlich nicht aus, um die geltend gemachte Schadenshöhe in Frage zu stellen. Vielmehr ist es Sache des Schädigers, darzulegen und zu beweisen, dass der Geschädigte mit der Beauftragung des Klägers zu dessen Vergütungskonditionen gegen seine Schadensminderungspflicht verstoßen hat, indem er bei der Schadenabeseitigung Maßnahmen unterlassen hat, die ein ordentlicher und verständiger Mensch zur Schadensminderung ergriffen hätte (vgl. BGH vom 11.2.2014, VI ZR 225/13),
Hier ist weder substantiiert vorgetragen noch erkennbar, dass der Kläger hatte erkennen können, dass der von ihm ausgewählte Sachverständige Honorarsätze für seine Tätigkeit verlangt, die die in der Branche üblichen Preise deutlich übersteigen. Von einem deutlichen Übersteigen kann hier auch schon deswegen nicht ausgegangen werden, weil die abgerechneten Kosten innerhalb der Preise der zum Beauftragungszeltraum gültigen Werte der BVSK-Honorerbefragung liegen. Dies spricht vielmehr dafür, dass es sich insoweit noch um die üblichen Kosten handelt, da sie überwiegend von einer Vielzahl befragter Sachverständigen verlangt werden. Gerade weil diese Kostenpositionen überwiegend verwendet werden, ist auch nicht von ungewöhnlichen Allgemeinen Geschäftsbedingungen im Sinne von § 305c BGB auszugehen, mit denen der Geschädigte nicht zu rechnen braucht.
Auch die Kostenposition „Restwertermittlung“ war ausdrücklich zwischen dem Geschädigten und dem Kläger vereinbart.
Nach alledem ist gerade nach der jüngsten BGH-Rechtsprechung die Höhe der in Rechnung gestellten Kosten noch als erforderlich anzusehen.
Zinsen sind erst ab Rechtshängigkeit begründet. Insoweit folgt der Zinsanspruch aus den §§ 246, 247, 288, 291 BGB. Soweit die klagende Partei Zinsen vor Rechtshängigkeit begehrt, hat sie einen früheren Verzugsbeginn nicht schlüssig vorgetragen, insbesondere ist durch fruchtlosen Ablauf der von ihr einseitig gesetzten Zahlungsfrist noch kein Verzug gemäß § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB eingetreten, denn hierfür ist eine vertragliche Vereinbarung erfordelich (vgl, BGH; Urteil vom 25.10.2000, VIII ZR 326/99, NJW 2001, 365 – 366; BGH, NJW 2008, 50).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den §§ 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.
Die Berufung wird nicht zugelassen, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordern, § 511 Abs. 4 ZPO.
Es gibt keine „in der Branche üblichen Preise“, denn Beweissicherungsgutachten sind individuelle Dienstleistungsprodukte und und allein die Schadenhöhe als Prognose ist nur ein Teil eines solchen Gutachtens. Der mindestens eben so wichtige andere Teil ist die Qualität sowie der Umfang der beweissichernden Tatsachenfeststellung und hierfür gibt es keine schematisierten Bewertungskriterien, wenn man einmal die sogenannten „Mindestanforderungen“ für verkehrsfähige Gutachten ausklammert.
Die Definition der Üblichkeit geht übrigens von einigen Randbedingungen aus, welche man bei solchen „Schadengutachten“ gerade nicht übereinstimmend vorfindet.
Mit freundlichen Grüßen
aus Bochum & Tangendorf
Ingenieurbüro Rasche
zum vierhundertfünfundneunzigtausendstenmal:
Die übliche Vergütung besteht bei Kfz-Schadensgutachten nicht in festen Sätzen oder Beträgen,sondern die übliche Vergütung besteht in BANDBREITEN (BGH v.10.10.2006 X ZR 42/06 unter Bezugnahme auf Staudinger/Peters,BGB Bearb.2003 §632 BGB Rn.38)
Sind die Berliner alle zu blöde um das endlich zu kapieren?
Was sind die üblichen Kosten für eine KFZ-Haftpflichtversicherung eines Golf VI 1,2 TSI ?
GENAU 19,68€ im Monat,was denn sonst!!—–oder vielleicht doch Bandbreiten von…. bis….??
Die Kritik kann ich nur bedingt gelten lassen.
Im Kern wird die Sache unter Bezug auf VI ZR 225/13 korrekt entschieden.
Falsch ist das Urteil beim Verzug.
Dem Gericht ist BGH VI ZB 22/08 unbekannt.
@ Ra Imhof 6.5.2014 8:29
Lieber Herr Rechtsanwalt Imhof,
da muss ich widersprechen. Im Kern hat das erkennende Gericht nicht korrekt entschieden, wenn es auf BVSK Bezug nimmt. Seit BGH VI ZR 225/13 ist BVSK als Maßstab out. Da nach BGH der Geschädigte BVSK nicht kennen muss, es aber auf die Kenntnis des Geschädigten im Zeitpunkt der Beauftragung ankommt, hat auch das Gericht grundsätzlich nicht nach BVSK zu messen. Also ist der Bezug auf BVSK eindeutig falsch.
BVSK kann auch nur ein Maßstab für die Kosten im Rahmen des Werkvertrages gemäß §§ 631, 632 BGB sein, nie ein Maßstab für die Erforderlichkeit im Sinne des § 249 BGB. Denn – worauf Du schon zu Recht in einem anderen Kommentar hingewiesen hast – Erforderlichkeit darf nicht mit Angemessenheit oder Üblichkeit verwechselt werden. Ein angemessener Betrag kann erforderlich sein. Aber auch ein unangemessener Betrag kann erforderlich im Sinne des § 249 BGB sein.
Sehr geehrter Herr Wacker
Sie haben das Urteil missverstanden,bitte nochmal genau lesen.
Der Verweis auf BVSK geschieht lediglich als Hilfserwägung.
Die hätte es zwar nicht gebraucht. Ich vermag daran aber auch nichts auszusetzen.
Lieber Herr Ra. Imhof,
das Gericht prüft nicht in einer Hilfserwägung, ob im konkreten Fall von einem deutlichen Übersteigen er üblichen Preise auszugehen ist. Das ist eine konkrete Überprüfung der berechneten Sachverständignkosten im Rahmen der Begründung.
Sei es aber, wie es ist. Hilfserwägung hin oder her. Nach BGH VI ZR 225/13 hat grundsätzlich BVSK nichts mehr in Urteilsgründen zu suchen, wenn es um die Schadensposition „Sachverständigenkosten“ geht.
Ich habe das Urteil gewissenhaft gelesen.
Also, Männekes,
wollt Ihr hier nun Haarspalterei betreiben, wer der Größte ist, oder ziehen wir gemeinsam das Boot aus dem tiefen Sand erfolgreich ins Fahrwasser ? Dann könnt Ihr wenigstens gemeinsam ein Lied anstimmen: „Schiff aohi, Schiff ahoi, glaaube mir, ich bleib dir treu.“ –
Vermeidet doch einfach diese kräftezehrende Reiberei und ich mache Euch den Vorschlag, dass wir uns lieber gemeinsam mindestens 2x im Jahr zu einem harmonischen Miteinander bei Pinkus-Müller in Münster treffen und dann eine Unternehmensbesichtigung bei der LVM anschließen, soweit uns das die Entscheidungsträger gewähren.
Das macht Sinn und sicher alle glücklich und zufrieden. Übrigens liegt im Norden von Münster auch ein respektabler Flugplatz, so dass es Hinderungsgründe kaum geben kann. Vielleicht können wir dann Hannes Quaterkamp auch noch als Fremdenführer gewinnen, also eine runde Sache, wenn Ihr bedenkt, warum wir uns auf http://www.captain-huk.de immer wieder zusammen finden und das sogar recht erfolgreich, wie ich meine.
Mit freundlichen Grüßen
D.H.
Hallo H.D.,
eigentlich sind wir im Prinzip gar nicht so weit weg. Das Gemetzel sollte beendet werden und die Kontrahenten sollten sich in Kassel am 10.5. auf dem Sachverständigentag die Hände reichen.
Die Sache steht im Vordergrund – und nicht irgendwelche persönlichen Anfeindungen, und die auch noch aus nichtigem Anlass. Begraben wir die Streitaxt.