Hallo verehrte Captain-Huk-Leser,
nachstehend geben wir Euch hier wieder ein Urteil aus Halle an der Saale zu den restlichen Sachverständigenkosten gegen die HUK-COBURG bekannt. Erneut musste die Amsrichterin der 99. Zivilabteilung des AG Halle an der Saale gegen die HUK-COBURG entscheiden, weil diese die berechneten Sachverständigenkosten – trotz 100-prozentiger Haftung – nicht vollständig regulierte. Dieses Urteil der Amtsrichterin ist nicht ganz so abenteuerlich wie das, das wir am 15.5.2014 hier im Blog veröffentlicht hatten. Wieder wurde die Angemessenheit geprüft, obwohl aufgrund der zitierten BGH-Rechtsprechung bekannt sein düfte, dass im Schadensersatzprozess grundsätzlich werkvertragliche Angemessenheitsgesichtspunkte keine Rolle spielen dürfen. Falsch ist auch der Freistellungsausspruch. Der Anpruch auf Freistellung hat sich wegen der engültigen und ernsthaften Zahlungsverweigerung der HUK-COBURG in einen Zahlungsanspruch umgewandelt. Lest aber selbst und gebt auch über das Wochenende bitte Eure Kommentare ab.
Viele Grüße und ein schönes Wochenende.
Willi Wacker
Amtsgericht Verkündet am: 09.04.2014
Halle (Saale)
Geschäfts-Nr.:
99 C 3535/12
Im Namen des Volkes
Urteil
In dem Rechtsstreit
des Herrn …
Kläger
gegen
Firma HUK-Coburg Allgemeine Versicherung AG vertr. d. d. Vorstand Wolfgang Flaßhoff, Bahnhofsplatz 1, 96444 Coburg
Beklagte
hat das Amtsgericht Halle (Saale) auf die mündliche Verhandlung vom 22.01.2014 durch die Richterin am Amtsgericht …
für Recht erkannt:
1.) Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger hinsichtlich der Kosten für die Erstellung des Sachverständigengutachtens des Kfz-Sachverständigenbüros … , über einen Betrag i.H.v. 161,67 € freizustellen.
2.) Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3.) Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
4.) Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 313a Abs. 1 ZPO abgesehen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist überwiegend begründet.
Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Freistellung von den noch offen stehenden Sachverständigenkosten des Sachverständigenbüros … i.H.v. 161,67 € gemäß §§ 7, 17, 18 StVG, § 823 Abs. 1 BGB, § 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG, weil der Kläger als Unfallgeschädigter insoweit mit einer Verbindlichkeit belastet ist, die zu dem gemäß § 249 BGB zu ersetzenden Schaden gehört.
Soweit die Beklagte die Eigentümerstellung des Klägers hinsichtlich des durch den Verkehrsunfall vom 09.02.2012 beschädigten Kraftfahrzeuges, hinsichtlich dessen die Einstandspflicht der Beklagten als Haftpflichtversicherung des Unfallgegners dem Grunde nach zu 100 % unstrittig ist, bestritten hat, hat der Kläger vorgetragen, dass er das beschädigte Fahrzeug ursprünglich 1999 als Firmenfahrzeug gekauft und für seine Firma – Transport im Nahverkehr – genutzt hatte und dass mit Beginn der Altersrente im September 2005 die Firma aufgegeben und das Fahrzeug in den Privatbesitz des Klägers übertragen wurde. Damit hat der Kläger aus Sicht des Gerichtes seiner sekundären Darlegungslast zu den Umständen seines Besitz- und Eigentumserwerbs genüge getan. Zudem hat er hierfür Beweis durch Vernehmung seiner Ehefrau angeboten. Soweit aufgrund dessen zu Gunsten des Klägers die Eigentumsvermutung gemäß § 1006 Abs. 2 BGB greift, ist die Beklagte für den Beweis des Gegenteils dieser Vermutung beweisbelastet. Nachdem der Kläger als Vermutungsbegünstigter hier auch zu den Umständen seines Besitzerwerbes konkret vorgetragen hat, hätte die Beklagte als beweisbelastete Partei nunmehr den Hauptbeweis führen müssen (vgl. LG Mönchengladbach, Urteil vom 12.11.2013, Az. 1 O 255/11, zitiert nach juris, dort Tz. 18). Dies ist nicht erfolgt. Die zu Gunsten des Klägers sprechende Eigentumsvermutung gemäß § 1006 Abs. 2 BGB ist daher nicht widerlegt.
Zwischen den Prozessparteien ist zudem ein Schadenersatzanspruch des Unfallgeschädigten streitgegenständlich. Prüfungsmaßstab ist daher, ob die Sachverständigenkosten zum erforderlichen Herstellungsaufwand gemäß § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB gehören, also Kosten darstellen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten als zweckmäßig und angemessen zur Schadensbehebung ansehen durfte (vgl. BGHZ 115, 364, 369; 160, 377; 162, 161, 165). Der Geschädigte ist hierbei grundsätzlich nicht zu einer Erforschung des ihm zugänglichen Marktes verpflichtet, um einen für den Schädiger und dessen Haftpflichtversicherer möglichst preisgünstigen Sachverständigen ausfindig zu machen (vgl. BGH, Urteil vom 23.01.2007, Az. VI ZR 67/07, NJW 2007, 1450; BGHZ, 163, 362, 367 f.). Der Geschädigte kann vom Schädiger nur dann den vollständigen Ausgleich seiner dem Sachverständigen gezahlten Aufwendungen bzw. Freistellung hiervon nicht mehr verlangen, wenn für ihn erkennbar ist, dass der Sachverständige sein Honorar geradezu willkürlich festsetzt, Preis und Leistung in einem auffälligen Missverhältnis zueinander stehen oder dem Geschädigten selbst ein Auswahlverschulden zur Last fällt (OLG Naumburg, Urteil vom 20.01.2006, Az. 4 U 49/05, zitiert nach juris). Damit schuldet der Schädiger dem Geschädigten den unter Berücksichtigung der individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten des Geschädigten objektiv zur Schadensbehebung erforderlichen Herstellungsaufwand (LG Saarbrücken, Urteil vom 10.02.2012, Az. 13 S 109/10, zitiert nach juris).
Im Hinblick darauf begegnet zunächst das vom Sachverständigen in der Rechnung vom 14.02.2012 (Bl. 16 der Akte) abgerechnete Grundhonorar auch in Ansehung der sich aus der BVSK-Honorarbefragung 2010/2011 ergebenden Beträge keinen Bedenken. Konkrete Einwände gegen die Höhe des vom Sachverständigen abgerechneten Grundhonorars hat die Beklagte auch nicht vorgetragen.
Der Sachverständige kann zudem in werkvertraglich zulässiger Weise neben dem „Grundhonorar“ für die eigentliche Sachverständigentätigkeit „Nebenkosten“ nach ihrem konkreten Anfall berechnen (BGH, Urteil vom 04.04.2006, Az. X ZR 80/05, NZV 2007, 182 ff.).
Selbst wenn sich hierbei aus dem von beiden Prozessparteien vorgelegten Sachverständigengutachten vom 13.02.2011 kein konkretes Restwertangebot eines Anbieters ergibt, ist der Kläger gleichwohl von dem insoweit ihm gegenüber vom Sachverständigen in Rechnung gestellten Betrag freizustellen. Ausweislich der Seite 13/14 des Gutachtens vom 13.02.2012 (Bl. 141 der Akte) hat der Sachverständige dort ausgeführt, den ausgewiesenen Restwert (Veräußerungswert) auf der Basis des gewöhnlichen Geschäftsverkehrs und in Zusammenarbeit mit der lokalen Restwertbörse ermittelt zu haben. Anhaltspunkte dafür, weshalb der Kläger angesichts dieser aus dem Gutachten hervorgehenden Erklärung des Sachverständigen von einer willkürlichen Festsetzung des Honorars hätte ausgehen können oder müssen, hat die Beklagte weder vorgetragen noch sind diese sonst ersichtlich geworden. Angesichts des hierfür in Rechnung gestellten Betrages i.H.v. 30,80 € netto kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger hier von einem auffälligen Missverhältnis zwischen Preis und Leistung ausgehen muss bzw. ein solches vorliegt.
Dass dem Kläger als Geschädigten eine Gutachtenabschrift mit Farbfotokopien zugesandt wurde, hat der Kläger mit Schriftsatz vom 10.10.2013 unter Vorlage der entsprechenden Gutachtenabschrift belegt. Selbst wenn hier, wie sich aus der von der Beklagten vorgelegten Anlage A 6 (Bl. 67 der Akte) ergibt, das Gutachten der Beklagten vom Sachverständigen elektronisch zugesandt wurde, der Sachverständige die weitere, dem Kläger gegenüber in Rechnung gestellte Gutachtenabschrift nebst Fotoanlage in seinem Sachverständigenbüro archivierte und das Gericht davon ausgeht, dass Letzteres zu der bereits im Grundhonorar des Sachverständigen erfassten originären Gutachtertätigkeit gehört, hat die Beklagte Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger hier die willkürliche Geltendmachung dieser Kosten erkennen konnte oder dies ihm als Laien bekannt war, weder vorgetragen noch ist dies sonst ersichtlich geworden. Da es jedoch hier auf die Frage der Erkennbarkeit einer etwaigen willkürlichen Geltendmachung von Sachverständigenkosten für den Unfallgeschädigten ankommt, die, wie dargelegt, hier nicht ersichtlich ist, hat die Beklagte den Kläger auch von den insoweit abgerechneten Sachverständigenkosten freizustellen. Ein auffälliges Missverhältnis zwischen Preis und Leistung hat sich unter Zugrundelegung der auch vom Kläger in Bezug genommenen BVSK-Honorarbefragung 2010/2011 auch nicht ergeben. Unter Berücksichtigung von Deckblatt und Inhaltsverzeichnis sind auch jeweils 16 Seiten für Original und Kopie ersichtlich geworden.
Dass das Fahrzeug des Geschädigten nach dem Verkehrsunfall in nicht verkehrssicherem Zustand war und an der Unfallstelle besichtigt wurde, ergibt sich aus der vom Kläger vorgelegten Gutachtenkopie mit Lichtbildanlage (Band I, Bl. 127-146 der Akte). Auch hinsichtlich der Fahrtkosten kann angesichts der Werte der BVSK-Honorarbefragung daher weder eine willkürliche Geltendmachung dieser Kosten noch ein auffälliges Missverhältnis zwischen Preis und Leistung gesehen werden.
Das Gericht sieht auch die für Schreib-, Büro-, Porto-, Telefon-, EDV- und Datenbankkosten Beträge unter Berücksichtigung der BVSK-Honorarbefragung 2010/2011, die angesichts der Teilnahme von 635 Sachverständigenbüros als repräsentativ und geeignete Schätzgrundlage angesehen werden kann, nicht als offensichtlich überhöht im Sinne der diesbezüglichen Rechtsprechung des OLG Naumburg an. Danach kann sich der Schädiger gegenüber dem Geschädigten auf eine Überhöhung der Sachverständigenkosten regelmäßig nicht berufen, sofern keine Anhaltspunkte des Geschädigten bei der Beauftragung des Sachverständigen vorliegen und die Höhe des geltend gemachten Honorars nicht derart in einem Missverhältnis zur Schadenshöhe oder zur Höhe der späteren Reparaturkosten steht, dass dies dem Geschädigten als offenkundiges Missverhältnis hätte auffallen müssen (OLG Naumburg, NJW-RR 2006, 1029, 1030 f.; LG Halle, Az. 2 S 289/11, Urteil vom 09.03.2012 sowie LG Halle, Az. 2 S 15/12, Urteil vom 13.04.2012 unter Bezugnahme auf die zitierte Entscheidung des OLG Naumburg).
Mit einem Betrag in Höhe von 191,77 € für gezahlte Abschleppkosten kann die Beklagte nicht hilfsweise gegen den hier geltend gemachten Freistellungsanspruch des Klägers aufrechnen. Die Beklagte hat den Anspruch des Klägers auf Erstattung der Abschleppkosten, die sie gemäß Abrechnungsschreiben vom 22.02.2002 bereits gezahlt hat, anerkannt, so dass ihr ein diesbezüglicher Rückzahlungsanspruch nicht zusteht.
Die Beklagte hat den Kläger daher unter Berücksichtigung der bereits erbrachten Zahlungen auf die Gutachterkosten noch in Höhe von 161,67 € von den Kosten des Gutachtenbüros … freizustellen.
Die Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten der Rechtsanwälte … i.H.v. 27,07 € nebst Verzugszinsen seit Rechtshängigkeit kann der Kläger von der Beklagten jedoch nicht verlangen. Die Beklagte hat vorgetragen und durch Vorlage der Anwaltskostenrechnung vom 17.04.2012 (Anl. A8, Bl. 69 der Akte) und des Abrechnungsschreiben der Beklagten vom 24.04.2012 (Anl. A 9, Bl. 70 der Akte) belegt, dass die Prozessbevollmächtigten des Klägers ihr gegenüber unter Zugrundelegung eines Gegenstandswertes von 3.841,15 € und einer 1,3 Geschäftsgebühr nebst Post- und Telekommunikationspauschale sowie Umsatzsteuer 402,82 € abgerechnet hatten und die Beklagte den Klägervertretern diesen Betrag von 402,82 € auch überwiesen hatte. Dies ist auch unstrittig. Insoweit hat der Kläger auf den Vortrag der Beklagten, dass hier eine Saldierung der erfolgten Zahlung der Beklagten notwendig gewesen wäre, mit seinem Schriftsatz vom 06.09.2013 auch nicht schlüssig vorgetragen, inwieweit der hier zur Freistellung noch geforderte Betrag in dieser Abrechnung nicht berücksichtigt wurde und ein Gebührensprung eintreten würde. Die Abrechnung vom 17.04.2012 ist unter Zugrundelegung eines Gegenstandswertes von 3.841,15 € erfolgt. Ausweislich der vom Klägern vorgelegten Aufforderungsschreiben wurde von der Beklagten Schadenersatz i.H.v. 2.825,00 € für den Wiederbeschaffungswert des Fahrzeuges abzüglich des Restwertes, 70,00 € für Ab- und Anmeldungskosten, 25,00 € allgemeine Unkostenpauschale, 191,77 € Abschleppkosten und 742,67 € Sachverständigenkosten gefordert. Dies ergibt einen Gesamtbetrag i.H.v. 3.854,44 €. Sofern die Rechtsanwaltskosten daher nach einem Gegenstandswert i.H.v. 3.841,15 € gegenüber der Beklagten abgerechnet wurden und die Beklagte hierauf auch den Rechnungsbetrag von 402,82 € an die Klägervertreter gezahlt hat, ist davon auszugehen, dass damit im abgerechneten Gegenstandswert sämtliche vom Kläger von der Beklagten geforderten Schadenersatzpositionen enthalten sind, weil sich anderweitiges weder aus dem Vortrag des Klägers noch aus den von ihm vorgelegten Unterlagen ergibt. Dann ist aber mit den gezahlten 402,82 € auch die vorgerichtliche anwaltliche Tätigkeit für den hier noch offen stehenden Freistellungsanspruch in Höhe von 161,67 € Gutachterkosten bereits bezahlt.
Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 711, 713 ZPO.