Amtsrichterin des AG Halle (Saale) verurteilt die HDI-Versicherung zur Zahlung der kompletten Mietwagenkosten und der Verbringungs- bzw. Abschleppkosten aus abgetretenem Recht mit Urteil vom 11.6.2014 – 102 C 1948/12 -.

Hallo verehrte Captain-Huk-Leser,

zum beginnenden Wochenende geben wir Euch heute noch ein interessantes Mietwagen- und Verbringungskostenurteil bzw. Abschleppkostenurteil aus Halle an der Saale bekannt. Um den typischen Fall von Verbringung, der Fahrt vom Karosseriebetrieb bzw. der Werkstatt zum Lackierer, handelt es sich hier nicht. Vielmehr handelt es sich um die Abschleppfahrt von der Unfallstelle bis zum Werkshof des Klägers, wo das Unfallfahrzeug begutachtet werden konnte. Interessant an dem Urteil ist in der Begründung die Argumentation der HDI, der „H ilft D ir I mmer“-Versicherung, die behauptete, bei zwei großen Mietwagenunternehmen hätte der Geschädigte günstigere Mietfahrzeuge anmieten können, trägt dann aber selbst vor, dass die Büros  am Unfalltage bereits geschlossen hatten. Was soll man von einem derart grotesken Vortrag bei Gericht halten? Sollte die erkennende Richterin am Amtsgericht auf den Leim geführt werden? Dann stellt sich wieder die Frage nach dem versuchten Prozessbetrug. Oder sollte nur ins Blaue hinein argumentiert werden? Dann ist der Vortrag so oder so unerheblich. Das hat die erkennende Amtsrichterin sauber erkannt und deshalb die vollen, noch offenen Kosten aus abgetretenem Recht zugesprochen. Lest selbst und gebt bitte Eure Kommentare ab. Nur Mut.

Viele Grüße
Willi Wacker

Amtsgericht                                                                  verkündet am: 11.06.2014
Halle (Saale)

Geschäfts-Nr.:
102 C 1948/12

Im Namen des Volkes
Urteil
In dem Rechtsstreit

des Herrn …

Kläger

gegen

HDI Direkt Versicherung AG, vertr. d. d. Vorstand, d. vertr. d. d. Vorstandsvorsitzenden, Eisenbahnstraße 1-3, 04315 Leipzig

Beklagte

hat das Amtsgericht Halle (Saale) auf die mündliche Verhandlung vom 23.05.2014 durch die Richterin am Amtsgericht …

für Recht erkannt:

1.) Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.874,43 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 4 % seitdem 28.01.2012 zu zahlen.

2.) Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

3.) Das Urteil ist gegen eine Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

und beschlossen:

Der Streitwert wird wie folgt festgesetzt:

bis zum 18.09.2012: 2.225,48 €
ab 19.09.2012:         1.874,43 €

Tatbestand

Der Kläger begehrt Schadensersatz aus abgetretenem Recht.

Dem liegt ein Verkehrsunfall vom 28.01.2012 zugrunde, bei welchem das Fahrzeug Opel Astra mit dem amtlichen Kennzeichen … der Geschädigten S. R. durch das bei der Beklagten haftpflichtversicherte Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen … (Halter T. P.) beschädigt wurde. Das Fahrzeug wurde nach dem Unfall, einem Samstagnachmittag, auf das Gelände des Klägers geschleppt, dort sachverständig begutachtet und von dort aus am 03.02.2012 nach Vorliegen des Gutachtens in die Reparaturwerkstatt der Geschädigten gebracht. Für diese Verbringung rechnete der Kläger einen Betrag in Höhe von 193,80 € ab (Anlage K 1). Die Geschädigte trat ihren diesbezüglichen Schadensersatzanspruch gegenüber der Beklagten mit Abtretungserklärung vom 03.02.2012 (Anlage KS 8) an den Kläger abgetreten. Die Geschädigte mietete weiterhin bei dem Kläger für die Zeit vom 28.01.2012 bis zum 21.02.2012 ein Mietfahrzeug an und fuhr damit im fraglichen Zeitraum 6.677 km. Der Kläger berechnete hierfür mit Rechnung vom 17.02.2012 und vom 24.02.2012 (Anlagen K 3 und K 4) insgesamt 2.031,68 €. Ihren Anspruch auf Erstattung der notwendigen Mietwagenkosten gegen die Beklagte trat die Geschädigte mit Abtretungserklärung vom 28.01.2012 (Anlage K 8) an den Kläger ab.

Der Kläger behauptet, das Fahrzeug sei nach dem Unfall nicht mehr verkehrssicher gewesen. Da sich der Unfall an einem Samstagnachmittag ereignet habe, als die Werkstatt der Geschädigten geschlossen gewesen sei, sei das Fahrzeug zunächst auf das Gelände des Klägers geschleppt und von dort wenige Tage später in die Reparaturwerkstatt verbracht worden.

Der Kläger hat mit seiner Klage zunächst einen Betrag in Höhe von 2.225,48 € geltend gemacht. Nach einer Teilzahlung der Beklagten in Höhe von 351,05 € auf die Mietwagenrechnung vom 17.02.2012 (K 3) haben die Parteien den Rechtsstreit insoweit übereinstimmend für erledigt erklärt.

Nunmehr beantragt der Kläger,

wie erkannt.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie behauptet, eine Verbringung des Fahrzeuges und eine Anmietung eines Ersatzfahrzeuges bis zum Beginn der Reparatur sei nicht notwendig gewesen, da das Fahrzeug fahrbereit gewesen sei. Im Übrigen behauptet die Beklagte, die Anmietung eines Ersatzfahrzeuges für den fraglichen Zeitraum sei zu deutlich günstigeren Tarifen (Beispiele Sixt und Avis) möglich gewesen.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens. Wegen des Ergebnisses wird Bezug genommen auf das schriftliche Gutachten des Sachverständigen Diplom-Ingenieur … vom 17.12.2013.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist begründet.

Der Kläger hat gegen die Beklagte aus abgetretenem Recht gemäß §§ 7 Abs. 1 StVG, 115 VVG in Verbindung mit § 398 BGB einen Anspruch auf Zahlung in Höhe von 1.874,43 €, da die Beklagte im Rahmen ihrer Schadensersatzpflicht nach dem Unfall vom 28.01.2012 sowohl die vom Kläger in Rechnung gestellten Verbringungskosten in Höhe von 193,83 € als auch die restlichen Mietwagenkosten für den Zeitraum vom 28.01. bis zum 21.02.2012 zu erstatten hat. Nach der Teilzahlung der Beklagten auf die Mietwagenrechnung vom 17.02.2012 (Anlage K3) stehen daraus noch 1.229,06 € offen. Zuzüglich der Forderung aus der Mietwagenrechnung vom 24.02.2012 (K 4) in Höhe von 451,57 € ergibt sich insgesamt der zuerkannte Betrag in Höhe von 1.874,43 €.
Die Verbringungskosten und die Mietwagenkosten für den fraglichen Zeitraum stellen einen nach § 249 Abs. 2 BGB erstattungsfähigen Schaden dar. Die Zedentin hat ihr Fahrzeug nach dem Unfall aufgrund der Beschädigungen bis zum Abschluss der Reparatur nicht mehr im Straßenverkehr genutzt. Im Ergebnis des Sachverständigengutachtens steht fest, dass der Zedentin eine weitere Nutzung des beschädigten Fahrzeuges im Straßenverkehr auch nicht zumutbar war. Das Fahrzeug war zwar fahrbereit und den Ausführungen des Sachverständigen zufolge gemessen an den HU-Richtlinien auch „verkehrssicher“. Der Sachverständige hat jedoch auch festgestellt, dass sich der äußerst fehlgestellte Stoßfänger jederzeit unvorhersehbar hätte lösen und auf die Fahrbahn fallen können, was zu einer Gefährdung des nachfolgenden Verkehrs geführt hätte. Unter diesen nunmehr feststehenden Umständen war die Zedentin berechtigt, das beschädigte Fahrzeug durch den Kläger in ihre Werkstatt bringen zu lassen und bis zur Reparatur auf ein Ersatzfahrzeug auszuweichen.

An dem Fahrbedarf der Zedentin im streitgegenständlichen Zeitraum besteht angesichts der mit dem Mietwagen gefahrenen 6.677 km (Km-Stand bei Anmietung 17.108 km -Anlage K 3; Km-Stand bei Rückgabe 23.785 km -Anlage K4) kein Zweifel.

Soweit die Beklagte behauptet, die Zedentin hätte bei anderen Vermietern zu deutlich niedrigeren Preisen anmieten können, hat sie hierzu nicht substantiiert vorgetragen, weshalb dem Beweisangebot, zu den erreichbaren Mietpreisen ein Sachverständigengutachten einzuholen, nicht zufolgen war. Die beiden Internetangebote vom 19.07.2012, welche die Beklagte vorgelegt hat, können einen substantiierten Vortrag zu der Frage, welche Mietpreise der Zedentin am Nachmittag des 28.01.2012 ohne vorherige Anmeldung bei anderen Vermietern zugänglich gewesen wären, nicht ersetzen.

Der 28.01.2012 war ein Samstag. Ausweislich des von der Beklagten vorgelegten Sixt-Angebotes ist die Sixt-Station in Halle samstags nur bis 12:00 Uhr geöffnet, so dass der Zedentin eine Anmietung bei diesem Vermieter schon aus diesem Grunde nicht möglich gewesen wäre.

Das am 19.07.2012 von der Beklagten eingeholte Internetangebot von Avis wäre zu den dort ausgewiesenen Preisen erst am Folgetag (20.07.) ab 17:00 Uhr verfügbar gewesen. Auch aus diesem Angebot kann deshalb nicht geschlussfolgert werden, es wäre der Zedentin ohne Weiteres möglich gewesen, am Nachmittag des Unfalltages sofort zu den im Internet angebotenen Preisen ein Ersatzfahrzeug anzumieten.

Die beiden Beispielangebote von Sixt und Avis beziehen sich zudem auf feste Mietzeiträume von 6 bzw. 24 Tagen. Die Zedentin konnte jedoch am Unfalltag nicht wissen, wie lange sie ihr Fahrzeug nicht würde nutzen können, da eine Begutachtung der Schäden und des voraussichtlichen Reparaturaufwandes noch nicht erfolgt waren.

Die Zedentin hätte also – soweit Avis oder Sixt überhaupt am Nachmittag des 28.01.2012 ein Ersatzfahrzeug hätten zur Verfügung stellen können – nur auf unbestimmte Zeit anmieten können. Welche Preise ihr in diesem konkreten Fall von Sixt und Avis angeboten worden wären, hat die Beklagte nicht vorgetragen.
Ein Abzug für eine Eigenersparnis ist nicht gerechtfertigt, da der Kläger für den Mietwagen den Tarif einer niedrigeren Fahrzeuggruppe (Gruppe B statt C) berechnet hat, wie sich aus den Rechnungen ergibt.

Ob das Fahrzeug derZedentin vollkaskoversichert war, kann dahinstehen. Selbst wenn dies nicht der Fall gewesen sein sollte, schuldet die Beklagte als Schadensersatzbetrag die Kosten für die Anmietung eines vollkaskoversicherten Fahrzeuges. Bei den auf dem Markt verfügbaren Mietfahrzeugen handelt es sich regelmäßig um neue hochwertige Fahrzeuge, so dass das Schadensrisiko weitaus höher liegt, als bei einem älteren Fahrzeug mit hoher Laufleistung. Dieses Schadensrisiko hat jedoch nicht der Geschädigte zu tragen, welcher unverschuldet in die Situation geraten ist, ein hochwertiges Fahrzeug anmieten zu müssen.

Der Zinsanspruch folgt aus §§ 280 Abs. 1 und 2, 286 BGB.

Die Kostenentscheidung beruhtauf §§ 91, 91a ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.

Und jetzt bitte Eure Kommentare.

Urteilsliste “Mietwagenkosten” zum Download >>>>>

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  1. Gerd M. sagt:

    Bemerkenswert, dass die Richterin ganz ohne Schwacke und Fraunhofer auskommt. Die Rechnung des Mietwagenunternehmens indiziert bereits die Erforderlichkeit der Mietwagenkosten. Wenn der Schädiger die Geschädigte auf eine kostengünstigere Anmietmöglichkeit im Rahmen des § 254 BGB hinweisen wollte, hätte er die Möglichkeit günstigerer Tarife für den Unfalltag darlegen und beweisen müssen. Das hat er nicht. Er hat ins Blaue hinein Angebote vorgelegt, die für den Geschädigten gar nicht angenommen werden konnten, weil dann bereits die Filialen geschlossen waren bzw. erst hätten am nächsten Tag angenommen werden können. Wollte die Beklagtenseite nur bluffen? Schon peinlich für die HDI!

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