Mit Urteil vom 26.07.2014 (912 C 66/14) hat das Amtsgericht Hamburg-St. Georg die Halterin des bei der HUK-Coburg versicherten Fahrzeuges zur Zahlung durch die Versicherung gekürzter Sachverständigenkosten in Höhe von 35,83 € zzgl. Zinsen sowie den Kosten einer Halteranfrage verurteilt.
Ein im Ergebnis (fast) korrektes Urteil, dessen Begründung nachvollziehbar ist, auch die Entscheidung des BGH vom 11.02.2014, Az.: VI ZR 225/13 findet Eingang in das Urteil. Insbesondere stellt das Gericht klar, das es unzulässig ist, die Höhe der Nebenkosten im Verhältnis zu den Grundkosten prozentual oder in absoluter Höhe zu begrenzen. Die Richter des OLG Dresden mögen sich diese Beurteilung einmal zu Gemüte führen, statt nachzukarten auf eine vom Gesetz nicht gedeckte Art.
Zum Ende der Begründung fängt das Gericht allerdings an zu kreißen und gebiert eine Maus: Da nach Auffassung des Gerichts neben einer Kommunikationspauschale die Vereinbarung von Portokosten nicht zulässig sein soll (wieso eigentlich???), hat der Sachverständige keinen Anspruch auf diese Nebenkosten. WER bestimmt eigentlich, WAS autonome Vertragsparteien vereinbaren dürfen???
Aus den Entscheidungsgründen:
Der Kläger nimmt die Beklagte aus abgetretenem Recht auf Zahlung von Sachver-ständigenkosten in Anspruch. Er hatte nach einem Verkehrsunfall für die seinerzeit Geschädigte ein Gutachten erstellt. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die Beklagte für den Verkehrsunfallschaden mit einer Quote von 50 % haftet. Die Geschädigte hatte ihren Anspruch auf Erstattung der Sachverständigenkosten an den Kläger abgetreten.
Der Kläger hatte vorgerichtlich den Erlass eines Mahnbescheides gegen die Beklagte erwirkt. Hiergegen hatte die Haftpflichtversicherung der Beklagten Widerspruch eingelegt. Mit Beschluss vom 23.07.2014 hat das Gericht die Haftpflichtversicherung der Beklagten als nicht berechtigten Vertreter zurückgewiesen.
Die zulässige Klage ist überwiegend begründet.
1) Vorab ist festzuhalten, dass der Klage nicht im Wege steht, dass die Haftpflichtversicherung der Beklagten, welche den Widerspruch gegen den Mahnbescheid eingelegt hatte, als nichtberechtigter Vertreter zurückgewiesen worden ist. Die Zurückweisung war auszusprechen, weil die Haftpflichtversicherung der Beklagten nicht zu den Personen gehört, durch die sich die Beklagte gemäߧ 79 Abs. 2 S. 2 ZPO im Prozess vertreten lassen kann. § 79 ZPO gilt für das gesamte Verfahren vor dem Amtsgericht einschließlich des Mahnverfahrens (Zöller-Vollkommer, ZPO, 29. Aufl.,§79Rn.2).
Gemäߧ 79 Abs. 3 S. 2 ZPO sind allerdings Prozesshandlungen eines nicht vertretungsbefugten Bevollmächtigten bis zu seiner Zurückweisung wirksam. Die Zurückweisung der Haftpflichtversicherung durch Beschluss vom 23.07.2014 berührt damit die Wirksamkeit des von ihr zuvor erhobenen Widerspruches nicht.
2) a) Nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB hat der Schädiger den zur Wiederherstellung der beschädigten Sache erforderlichen Geldbetrag zu zahlen. Als erforderlich sind diejenigen Aufwendungen anzusehen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten machen würde. Das Gebot zur wirtschaftlich vernünftiger Schadensbehebung verlangt jedoch vom Geschädigten nicht, zu Gunsten des Schädigers zu sparen oder sich in jedem Fall so zu verhalten, als ob er den Schaden selbst zu tragen hätte. Deshalb ist bei der Prüfung, ob der Geschädigte den Aufwand zur Schadensbeseitigung in vernünftigen Grenzen gehalten hat, eine subjektbezogene Schadensbetrachtung anzustellen. Dies bedeutet, dass Rücksicht auf die spezielle Situation des Geschädigten zu nehmen ist, insbesondere auf seine individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie auf die möglicherweise gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten.
Auch bei der Beauftragung eines Kfz-Sachverständigen darf sich der Geschädigte damit begnügen, den ihm in seiner Lage ohne weiteres erreichbaren Sachverständigen zu beauftragen. Er muss nicht zuvor eine Marktforschung nach dem Honorar günstigsten Sachverständigen betreiben. Nur wenn der Geschädigte erkennen kann, dass der von ihm ausgewählte Sachverständige Honorarsätze für seine Tätigkeit verlangt, die die in der Branche üblichen Preise deutlich übersteigen, gebietet das schadensrechtliche Wirtschaftlichkeitsgebot, einen zur Verfügung stehenden günstigeren Sachverständigen zu beauftragen.
Der Geschädigte genügt seiner Darlegungslast zur Schadenshöhe regelmäßig durch Vorlage einer Rechnung des von ihm in Anspruch genommenen Sachverständigen. Der Schädiger ist damit freilich nicht verpflichtet, dem Geschädigten die Rechnungsbeträge ohne Möglichkeit der Nachprüfung voll zu ersetzen. Dem Schädiger verbleibt in jedem Fall die Möglichkeit, darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen, dass der Geschädigte gegen seine Pflicht zur Schadensminderung aus § 254 Abs. 2 S. 1 Fall 2 BGB verstoßen hat, indem er bei der Schadensbeseitigung Maßnahmen unterlassen hat, die ein ordentlicher und verständiger Mensch zur Schadensminderung ergriffen hätte. Ein einfaches Bestreiten der Erforderlichkeit des ausgewiesenen Rechnungsbetrages reicht allerdings grundsätzlich nicht aus, um die geltend gemachte Schadenshöhe infrage zu stellen. Auch der Umstand, dass die vom Schadensgutachter abgerechneten Kosten die Gesetze der BVSK-Honorarbefragung übersteigen, rechtfertigt für sich genommen die Annahme eines Verstoßes des Geschädigten gegen seine Schadensminderungspflicht nicht (vergleiche zum Ganzen BGH NJW 2014, 1947 f.).
b) Vor diesem Hintergrund ist die vom Kläger in seiner Eigenschaft als Sachverständiger gestellte Rechnung – mit Ausnahme der Portokosten – nicht zu beanstanden.
Das Grundhonorar, die Fahrtkosten, die Kosten für die beiden Fotosätze sowie die Schreibkosten für die erste Ausfertigung des Gutachtens bewegen sich in dem Korridor HB V der BVSK-Honorarbefragung 2013. In diesem Korridor rechnen je nach Schadenshöhe zwischen 50 % und 60 % der BVSK-Mitglieder ab. Die abgerechneten Schreibkosten für die zweite Ausfertigung des Gutachtens liegen zwar oberhalb der Grenzen der genannten Honorarbefragung. Sie sind aber deshalb nicht zu beanstanden, weil quasi im Gegenzug die Schreibkosten für die Erstausfertigung im unteren Bereich des HB V Korridors angesiedelt sind.
In diesem Zusammenhang ist anzumerken, dass der Geschädigte im Rahmen des Schadensersatzanspruches grundsätzlich zwei Ausfertigungen des Gutachtens (einschließlich zweier Fotosätze) verlangen kann. Das Gutachten ist für den Geschädigten bei der Verfolgung seiner Ansprüche gegenüber der Gegenseite nur dann hilfreich, wenn er in der Lage ist, der Gegenseite eine Ausfertigung des Gutachtens vorzulegen.
Der Rechnung ist auch nicht aufgrund des Verhältnisses der Nebenkosten zu dem Grundhonorar zu beanstanden. Die in der Rechtsprechung vertretene Ansicht, die Nebenkosten dürften insgesamt einen bestimmten Betrag bzw. einen bestimmten Prozentsatz des Grundhonorars nicht überschreiten, teilt das Gericht nicht. Das Grundhonorar berechnet sich regelmäßig anhand der Schadenshöhe. Hierdurch wird gewährleistet, dass auch bei geringen Schadenshöhe zu einem wirtschaftlich vertretbaren Preis ein Gutachten erstellt werden kann. Damit ist aber noch nicht gesagt, dass sämtliche Kosten an die Schadenshöhe zu koppeln sind. Vielmehr liegt es im Ermessen des Gutachters, Nebenkosten nach dem angefallenen Aufwand abzurechnen. War dieser Aufwand im Einzelfall erforderlich im Sinne von § 249 BGB, hat ihn der Schädiger auch zu ersetzen. Damit verbietet sich die Einführung einer pauschalen Obergrenze für Nebenkosten bzw. deren pauschale Deckelung auf einen bestimmten Bruchteil des Grundhonorars.
Nicht zu ersetzen sind im vorliegenden Fall allerdings die Portokosten. Dies deshalb, weil bereits eine Kommunikationspauschale gesondert in Rechnung gestellt wird. Wird eine Pauschale für die Kommunikation als solche in Rechnung gestellt, sind hierunter sämtliche Wege der Kommunikation, also auch die Kommunikation auf dem Postwege zu verstehen. Portokosten sind damit bereits über die Kommunikationspauschale abgedeckt und können nicht gesondert in Rechnung gestellt werden.
Abzüglich der Portokosten i.H.v. 2,90 € netto beläuft sich die Rechnungssumme auf 387,95 € netto (461,66 € brutto). Da die Beklagte für die Unfallschäden unstreitig nur zu 50 % haftet, hat sie auch nur 50 % der Sachverständigenkosten zu ersetzen. Dies macht 230,83 € brutto. Abzüglich der bereits von der Versicherung der Beklagten gezahlten 195,00 € ergibt sich eine Restsumme von 35,83 € brutto. Diesen Betrag hat die Beklagte noch zu zahlen.
3) Die Kosten für die Einholung der Auskunft aus dem Verkehrsregister sind von der Beklagtenseite weder dem Grunde noch der Höhe nach bestritten worden. Die Beklagte hat demnach den geforderten Betrag von 5,10 € zu bezahlen.
4) Die Zinsforderung rechtfertigt sich unter dem Gesichtspunkt des Verzugs.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.
Soweit das AG HH-St. Georg.
„Nicht zu ersetzen sind im vorliegenden Fall allerdings die Portokosten. Dies deshalb, weil bereits eine Kommunikationspauschale gesondert in Rechnung gestellt wird. Wird eine Pauschale für die Kommunikation als solche in Rechnung gestellt, sind hierunter sämtliche Wege der Kommunikation, also auch die Kommunikation auf dem Postwege zu verstehen. Portokosten sind damit bereits über die Kommunikationspauschale abgedeckt und können nicht gesondert in Rechnung gestellt werden.“
Zunächst ist da wieder geprüft und die Sicht ex ante des Geschädigten ausgeklammert worden. Es kommt deshalb in diesem Punkt gerade nicht auf die Interpretation des des Gerichts an, wenn dieses offenbar davon ausgeht, das der Geschädigte das genau so hätte beurteilen müssen. Eine Fehleinschätzung im Quadrat und bei Aufklärungsbedarf wäre eine Nachfrage geboten gewesen, denn es ist zumindest denkbar, dass der Sachverständige in seiner Abrechnung unter Kommunikationskostenpauschale etwas anderes verstanden hat. Zumindest weist die gesonderte Berücksichtigung der Portokosten darauf hin.
Allein schon von daher ist Deine Frage, Babelfisch, m.E. durchaus berechtigt, denn dem Unfallopfer ist auch eine „falsche“ Abrechnung des Sachverständigen nicht anzulasten und in diesem Punkt war die Abschweifung des Gerichts von der tatsächlichen Aufgabenstellung entbehrlich. Schade, leider schadenersatzrechtlich nicht konsequent zu Ende gedacht, denn es ist nicht Aufgabe der Gerichte, auf dieser Spur über die Zulässigkeit der Ausgestaltung einer Rechnung zu bestimmen.
G.Ö.
„WER bestimmt eigentlich, WAS autonome Vertragsparteien vereinbaren dürfen-“
Hier und da ein „Vollpfosten“ in schwarzer Robe? Wer denn sonst? In manchen Teilen Frankens und im Saarland übrigens eine weit verbreitete Spezies.
„Wird eine Pauschale für die Kommunikation als solche in Rechnung gestellt, sind hierunter sämtliche Wege der Kommunikation, also auch die Kommunikation auf dem Postwege zu verstehen. Portokosten sind damit bereits über die Kommunikationspauschale abgedeckt und können nicht gesondert in Rechnung gestellt werden.“
Was ist das denn für eine verquirlte S…? Da sucht irgend ein „Wichtigtuer“ krampfhaft nach einer Möglichkeit, etwas abzuziehen und was kommt dann dabei heraus? Er kürzt das Sachverständigenhonorar um die Portokosten in Höhe von 2,90 Euro.
Und das im Schadensersatzprozess??? Bravo, setzen 7!!!!!
Selbstverständlich konnte der Geschädigte schon bei Beauftragung (ex ante) erkennen, dass der Sachverständige 2,90 Euro Portokosten berechnet und dies ohne Zweifel in der Kommunikationspauschale enthalten sein muss? Deshalb hätte er für diese Position mit dem Sachverständigen bestimmt auch einen Rechtsstreit bis zum BGH führen müssen? Bei diesem Weitblick konnte der Geschädigte bestimmt auch vorhersehen, dass ihm ein Richter Schrott im Urteil unterjubelt?
So viel Unverständnis zum Schadensersatzrecht ist einfach unglaublich. Insbesondere wenn man die Lösung durch die BGH Urteile VI ZR 67/06 und VI ZR 225/13 auf dem Tablett serviert bekommt. Schlimmer gehts nimmer!
Manchmal könnte man den Eindruck gewinnen, die Richter neiden den Sachverständigen das Honorar? Frust als Triebfeder im Richteramt ist jedoch völlig uncool.
„Die in der Rechtsprechung vertretene Ansicht, die Nebenkosten dürften insgesamt einen bestimmten Betrag bzw. einen bestimmten Prozentsatz des Grundhonorars nicht überschreiten, teilt das Gericht nicht.
Das Grundhonorar berechnet sich regelmäßig anhand der Schadenshöhe. Hierdurch wird gewährleistet, dass auch bei geringen Schadenshöhe zu einem wirtschaftlich vertretbaren Preis ein Gutachten erstellt werden kann.
Damit ist aber noch nicht gesagt, dass sämtliche Kosten an die Schadenshöhe zu koppeln sind. Vielmehr liegt es im Ermessen des Gutachters, Nebenkosten nach dem angefallenen Aufwand abzurechnen. War dieser Aufwand im Einzelfall erforderlich im Sinne von § 249 BGB, hat ihn der Schädiger auch zu ersetzen.
Damit verbietet sich die Einführung einer pauschalen Obergrenze für Nebenkosten bzw. deren pauschale Deckelung auf einen bestimmten Bruchteil des Grundhonorars.“
Vor dem Hintergrund dieser klaren Überlegungen, ist die Sache mit dem Porto doch fast nebensächlich, wenn auch schadenersatzmäßig nicht nachvollziehbar.
H.R.