Hallo verehrte Captain-Huk-Leser,
damit der November nicht nur trostlos anfängt, wie einige zuvor eingestellte Urteile sich darstellen, veröffentlichen wir für Euch hier auch ein positives Urteil zu den Sachverständigenkosten gegen die HUK-COBURG. Diese Versicherung meinte, rechtswidrig nach eigenem Dafürhalten die vom Sachverständigen berechneten Kosten küürzen zu können. Eine gesetzliche Grundlage dafür hatte die HUK-COBURG nicht. Das von ihr selbst verfasste Honorartableu der HUK-COBURG ist keine Grundlage. Es wäre auch noch schöner, wenn der Schädiger eines Verkehrsunfalles aufgrund einer unerlaubten Handlung im Sinne der §§ 823 ff. BGB oder dessen Haftpflichtversicherer die Höhe des zu ersetzenden Schadensersatzes gemäß §§ 249 ff BGB selbst nach eigenem Dafürhalten bestimmen könnte? Das gibt unser deutsches Rechtssystem nicht her. Dementsprechend wurde diese Versicherung auch verurteilt, die rechtswidrig gekürzten Sachverständigenkosten verzinslich und kostenpflichtig zu zahlen. Eine prima Entscheidung, die auch zu Recht Bezug nimmt auf die BGH-Entscheidung vom 11.2.2014 – VI ZR 225/13 – ( BGH DAR 2014, 194 = NJW 2014, 1947 = VersR 2014, 474 = r+s 2014, 203 = DS 2014, 90). Diese Entscheidung ist der HUK-COBURG bestens bekannt, denn sie war ja selbst involviert. Das Urteil wurde erstritten und eingereicht durch die Kanzlei Michael Brand aus München. Lest selbst und gebt bitte Eure Kommentare ab.
Viele Grüße
Willi Wacker
Amtsgericht München
Az.: 334 C 2229/14
IM NAMEN DES VOLKES
In dem Rechtsstreit
…
– Kläger –
gegen
…
– Beklagte –
wegen Schadensersatz
erlässt das Amtsgericht München durch die Richterin am Amtsgericht W. am 30.04.2014 auf Grund des Sachstands vom 30.04.2014 ohne mündliche Verhandlung gemäß § 495a ZPO folgendes
Endurteil
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 146,89 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 08.11.2013 nebst Mahnkosten in Höhe von 2,50 € zu bezahlen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Die Berufung wird zugelassen.
(abgekürzt nach § 313a Abs. 1 ZPO)
Entscheidungsgründe
Gemäß § 495a ZPO bestimmt das Gericht das Verfahren nach billigem Ermessen. Innerhalb dieses Entscheidungsrahmens berücksichtigt das Gericht grundsätzlich den gesamten Akteninhalt.
Die Klage ist vollumfänglich begründet.
Vorliegend macht der Unfallgeschädigte den Schadensersatzanspruch auf Bezahlung der vollen Sachverständigenkosten gegenüber der Beklagten geltend.
Die Kosten für die Einholung eines Sachverständigengutachtens sind für den Geschädigten eines Unfalles grundsätzlich gemäß § 249 I BGB ersatzfähig. Dabei ist gemäß § 249 BGB entscheidend, welche Aufwendungen „ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und geboten halten darf“ (BGHZ 115, 364/369).
Bei der Beauftragung eines Kfz-Sachverständigen darf sich der Geschädigte damit begnügen, die ihm in seiner Lage ohne weiteres erreichbaren Sachverständigen zu beauftragen. Er muss nicht zuvor eine Marktforschung nach dem honorargünstigsten Sachverständigen betreiben (BGH vom 11.2.2014, VI ZR 225/13).
Dabei ist der Sachverständige nicht Erfüllungsgehilfe des Unfallgeschädigten. Die Sachverständigenkosten sind daher in der Regel voll erstattungsfähig, es sei denn die Rechnung wäre in einer Weise überhöht, dass der Unfallgeschädigte als Laie die Überhöhung erkennen hätte müssen und als wirtschaftlich denkender Mensch die Sachverständigenrechnung nicht bezahlt hätte.
Solange der Geschädigte also den Rahmen des zur Wiederherstellung erforderlichen wahrt, sind weder der Schädiger noch das Gericht berechtigt, eine Preiskontrolle durchzuführen. Dies gilt auch für die Höhe des Sachverständigenhonorars (vgl. LG München I, 17 S 24136/10 vom 13.1.2012 m. w. N.). Insbesondere ist das Gericht auch nicht berechtigt, anhand einer Honorarumfrage eines Sachverständigenverbandes die vom Sachverständigen in Rechnung gestellten Kosten zu kürzen (BGH vom 11.2.2014, VI ZR 225/13).
Es ist nicht die Aufgabe des Geschädigten, Preisvergleiche anzustellen oder etwa den billigsten Sachverständigen auszuwählen (so auch BGH NJW 2007, 1450; so auch Landgericht München I, Urteil vom 01.09.2011, 19 S 7874/11). Selbst wenn die Rechnung insgesamt oder einzelne Positionen tatsächlich überteuert sein sollten, trägt das Risiko hierfür grundsätzlich nicht der Geschädigte. Auf eine Auseinandersetzung mit dem Gutachter muss er sich insoweit nicht einlassen (vgl. z.B. AG Bochum, Urteil vom 6.12.1995, 70 C 514/95). Es ist also nicht die Aufgabe des Geschädigten, einzelne Positionen der Rechnung nach Überhöhung/Plausibilität zu durchforsten.
Die Gesamtgebühren von 569,89 € brutto erscheinen im Hinblick auf die vom Sachverständigen ermittelten Reparaturkosten in Höhe von netto 1.292,52 € und den hier zusätzlich noch zu treffenden Feststellungen zum Wiederbeschaffungswert nicht als so unangemessen hoch, dass der Unfallgeschädigte als Laie bei der Bezahlung gegen die ihm obliegende Schadensminderungspflicht des § 254 BGB verstoßen hätte (vgl. auch BGH vom 11.2.2014, VI ZR 225/13 hier betrugen die Sachverständigenkosten sogar deutlich über 50 % der Reparaturkosten).
Auch bezüglich der vorliegend im Streit stehenden Nebenkosten kann das Gericht keinen Verstoß des Unfallgeschädigten gegen seine Pflicht zur Schadensminderung aus § 254 Abs. 2 Satz 1 Fall 2 BGB erkennen. Allein der Umstand, dass die vom Gutachter abgerechneten Nebenkosten die sich aus der BVSK ergebenden Höchstsätze gegebenenfalls überschreiten, rechtfertigt nicht die Annahme, dass der Unfallgeschädigte bei der Bezahlung der Rechnung gegen seine Schadensminderungsobliegenheit verstoßen hätte. Insbesondere aber musste ihm bei Empfang der Rechnung nicht bewusst sein, welche Tätigkeiten vom Grundhonorar nach der Honorarumfrage des Sachverständigenverbandes mitumfasst sein sollten. So dürfte der normale Laie in Bezug auf Sachverständigenkosten von dem Begriff der „Audatex-Abfrage“ noch nicht gehört haben, geschweige denn wissen müssen, dass diese normalerweise vom Grundhonorar um-fasst ist. Im übrigen gilt auch hier, dass nach der neuesten BGH-Rechtsprechung das Gericht nicht berechtigt ist, anhand einer Honorarumfrage eines Sachverständigenverbandes die vom Sachverständigen in Rechnung gestellten Kosten zu kürzen (BGH vom 11.2.2014, VI ZR 225/13).
Lediglich Personen, die sich ständig mit der Angemessenheit von Sachverständigenkosten beschäftigen, fällt auf, dass der Sachverständige im konkreten Fall im Vergleich zu anderen Sachverständigen teuer ist. Dem Unfallgeschädigten als Laien in dieser Hinsicht, welcher zudem nicht verpflichtet war, Preisvergleiche anzustellen, um einen möglichst günstigen Sachverständigen ausfindig zu machen (BGH NJW 2007, 1450), musste dies nicht auffallen.
Es liegen keinerlei Anhaltspunkte vor, dass sich dem Unfallgeschädigten eine Überhöhung der Gebühren des Sachverständigen hätte aufdrängen müssen mit der Folge, dass er dessen Rechnung hätte zurückweisen müssen.
Die Beklagte kann daher auch dem Kläger gegenüber keinen Verstoß gegen die Schadensminderungsobliegenheit geltend machen.
Das Gericht ist zudem der Auffassung, dass die Beklagte nicht rechtlos gestellt ist. Es bleibt ihr unbenommen, sich den Anspruch des Geschädigten gegenüber dem Sachverständigen abtreten zu lassen. Das Landgericht München I hat in einem Urteil vom 01.09.2011, 19 S 7874/11, ausgeführt, dass sich die Beklagte „gegen ein ihrer Ansicht nach überhöhtes Honorar (…) in einem Schadensersatzprozess gegen den Sachverständigen wehren kann, entweder aus dem Gutachtensvertrag (Werkvertrag mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter) oder durch Abtretung der Ansprüche des Geschädigten gegen den Sachverständigen.“
Der Kläger kann daher die Zahlung der restlichen Sachverständigenkosten verlangen. Die Klage ist begründet.
Die Verurteilung zur Zahlung der Nebenforderung gründet sich auf §§ 280 Abs. 2, 286, 288 BGB.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in den §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.
Die Zulassung der Berufung erfolgte gemäß § 511 Abs. 4 Nr. 1 ZPO.
1) Kein Auswahlverschulden und 2) kein Verstoß gegen die Schadengeringshaltungspflicht sind die schadenersatzrechtlichen Gesichtspunkte auf der einen Seite, die Position „ex ante“ des Geschädigten auf der anderen Seite. Mehr muß nicht sein und die Vokabel „Gebühren“ sollte deshalb auch folgerichtig endlich entsorgt werden.
Lohengrin