Direktorin des AG Vaihingen an der Enz urteilt zur fiktiven Abrechnung, zum UPE-Aufschlag, zu Verbringungskosten und zur merkantilen Wertminderung mit lesenswertem Urteil vom 10.10.2014 – 1 C 308/14 -.

Hallo verehrte Captain-Huk-Leser,

zum beginnenden Wochnende veröffentlichen wir für Euch hier noch ein Urteil aus Vaihingen an der Enz zum Thema fiktive Schadensabrechnung mit Geltendmachung fiktiver Verbringungskosten und UPE-Zuschläge sowie zur merkantilen Wertminderung bei einem 7 Monate alten Pkw. Nach dem Geschäftsverteilungsplan des Gerichts war in diesem Fall die Direktorin des Vaihinger Amtsgerichts zuständig. Sie hat bis auf ein paar kleine „Schnitzer“, z.B. in Bezug auf die überholte BGH-Rechtsprechung aus dem Jahr 1979 mit bis 100.000 km maximal, ein durchweg positives Urteil gesprochen. Gut fanden wir die Herausarbeitung der Grundsätze zur Geltendmachung der fiktiven Schadenspositionen Verbringungskosten und Ersatzteilaufschläge. Was meint Ihr? Lest bitte das Urteil und gebt dann anschließend Eure Kommentare ab.

Viele Grüße und ein schönes Wochenende.
Willi Wacker

Aktenzeichen: 1 C 308/14

Amtsgericht Vaihingen an der Enz

Im Namen des Volkes

Urteil

In dem Rechtsstreit

– Kläger

gegen

Württembergische Versicherung AG, vertreten durch d, Vorstand Norbert Heinen, Gutenbergstraße 30, 70176 Stuttgart

– Beklagte –

wegen Schadensersatz

hat das Amtsgericht Vaihingen an der Enz durch die Direktorin des Amtsgerichts B. am 10.10.2014 auf Grund des Sachstands vom 10.10.2014 ohne mündliche Verhandlung gemäß § 495a ZPO für Recht erkannt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 371,42 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 17.04,2014 sowie weitere 78,90 € nebst Zinsen in Hohe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 03.07,2014 zu zahlen.

2.        Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3.        Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung des Klägers durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf 371,42 € festgesetzt.

Tatbestand:

Der Kläger macht nach einem Verkehrsunfall vom 6.3.2014 in Sachsenheim den ihm entstandenen Fahrzeugschaden geltend. Die Beklagte ist unstreitig eintrittspflichtig. Der Kläger hat den Schaden gegenüber der Beklagten fiktiv auf der Grundlage des Sachverständigengutachtens des Ingenieurbüros … vom 24.3.2014 (Anl. K1/BI. 13) abgerechnet. Die Beklagte hat den Schadensbetrag aufgrund eines eigenen Prüfgutachtens (Anl. K2/BI. 25) um 371,42 € gekürzt, davon entfallen 221,42 € auf die Reparaturkosten und 150 € auf die Wertminderung.

Der Kläger beantragt – wie erkannt.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte meint, der bei den Ersatzteilen berücksichtigte Aufschlag von 15 % (83,06 €) sowie die Verbringungskosten (133,36 €) seien nur dann erstattungsfähig, wenn und soweit sie tatsächlich angefallen sind. Eine Wertminderung sei nicht zu zahlen, da bei ordnungsgemäßer Durchführung der Reparatur einschließlich Lackierungsarbeiten keinerlei Farbunterschiede zurückblieben. Solche Reparaturen würden auch an fertigen Fahrzeugen im Herstellerwerk vorgenommen, diese würden dann erlaubterweise als Neuwagen verkauft. Es handele sich hier um einen Schaden im Bagatellbereich, welcher keine Wertminderung rechtfertige.

Entscheidungsgründe:

I. Der Kläger hat gegen die Beklagte gemäß §§ 115 Abs. 1 VVG, 7 Abs. 1 StVG, § 17StVG, § 249 Abs. 2 S. 1 BGB einen Anspruch auf Ersatz der fiktiv berechneten UPE-Aufschläge und Verbringungskosten. Beides ist nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB zu ersetzen, weil der Geschädigte im Falle der Sachbeschädigung den zur Herstellung erforderlichen Geldbetrag geltend machen kann und hierfür auch UPE-Aufschläge und Verbringungskosten in Ansatz bringen darf. Was gemäß § 249 Abs. 2 S. 1 BGB als erforderlich gilt, richtet sich danach, wie sich ein verständiger, wirtschaftlich denkender Fahrzeugeigentümer in der Lage des Geschädigten verhalten darf (BGH Urt. vom 20.10.2009, Az. VI ZR 53/09, Rn. 8 m. w. N. ). Bei einer Abrechnung auf Gutachtensbasis ist daher dann von einer Ersatzfähigkeit der entsprechenden Position auszugehen, wenn ein öffentlich bestellter vereidigter (anerkannter) Kfz-Sachverständiger unter Berücksichtigung der örtlichen Gepflogenheiten zu dem Ergebnis gelangt, dass im Falle einer Reparatur in der Region bei markengebundenen Fachwerkstätten typischerweise UPE-Aufschläge und Verbringungskosten erhoben werden (OLG Düsseldorf, Urteil vom 06.03.2012 – 1 U 108/11).

1) Die Ersatzfähigkeit von UPE-Aufschlägen und Verbringungskosten ist streitig. Höchstrichterlich ist die Frage bislang nicht entschieden.

a) In der Rechtsprechung herrscht die Auffassung vor, dass UPE-Aufschläge und Verbringungskosten ersatzfähig sind, wenn und soweit sie regional üblich sind (vgl. OLG Düsseldorf, Az. 1 U 246/07 vom 16.6.2008, Rn. 59 ff. m. w. N,). Der Geschädigte kann sich grundsätzlich auf das der fiktiven Schadensberechnung zu Grunde liegende Gutachten beziehen (Mü-Ko-Oetker, § 249 Rn. 350; OLG Düsseldorf, aaO Rn, 64). Führe der Sachverständige darin aus, dass in der Region und bei dem entsprechenden Fabrikat typischerweise Ersatzteilzuschläge erhoben würden, so sei aufgrund dieses Gutachtens prima facie die Ersatzfähigkeit der Aufschläge zu bejahen. Der Sachverständige müsse eine Prognose über die voraussichtlich anfallenden Kosten abgeben; das Gutachten sei in Bezug auf die UPE-Aufschläge und Verbringungskosten nicht anders zu beurteilen als bezüglich sonstiger Schadensposten (LG Bochum, 5 S 163/07). Der Versicherer könne dies nur dann qualifiziert bestreiten, wenn er konkret nachweise, dass in der Region für die betreffende Marke jeweils keine Aufschläge erhoben würden; eine andere Betrachtung führe dazu, dass der Geschädigte letztlich doch konkret statt fiktiv abrechnen müsse.

b) Nach der gegenteiligen Auffassung sind UPE-Aufschläge und Verbringungskosten nur dann ersatzfähig, wenn sie tatsächlich angefallen sind oder nachgewiesen wurde, dass diese bei der Reparatur zwingend anfallen würden, diesen Nachweis könne der Geschädigte – anders als hinsichtlich der reinen Reparaturkosten – nicht schon mittels Sachverständigengutachtens erbringen, sondern es müsse konkret der Beweis für die Unausweichlichkeit der Ausgaben erbracht werden (Wagner, NZV 1999, 358 ff,; OLG Düsseldorf, 1 U 126/00 hinsichtlich der Verbringungskosten; LG Osnabrück, 3 S 413/08).

2) Der Kläger kann vorliegend Ersatz der fiktiven Verbringungskosten sowie der UPE-Aufschläge verlangen, weil der Kläger durch das von ihm vorgelegte Sachverständigengutachten dargelegt hat, dass beide Schadenspositionen wie regional üblich in der markengebundenen Fachwerkstatt angefallen wären.

a)  Der Kläger durfte bei der fiktiven Schadensberechnung insgesamt die Reparaturkosten einer markengebundenen Fachwerkstatt zugrunde legen, weil sein Fahrzeug im Unfallzeitpunkt erst gut 7 Monate alt war. Den Ausgangspunkt für diese rechtliche Beurteilung bildet die Rechtsprechung des BGH zum Ersatz der Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt. Danach leistet der Geschädigte bei einer fiktiven Abrechnung dem Gebot zur Wirtschaftlichkeit im Allgemeinen Genüge und bewegt sich in den für die Schadensbehebung nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB gezogenen Grenzen, wenn er der Schadensabrechnung die üblichen Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt zugrunde legt, die ein von ihm eingeschalteter Sachverständiger auf dem allgemeinen regionalen Markt ermittelt hat (BGH, Urteil vom 20.10.2009 VI   ZR 53/09 ). Zwar muss sich der Geschädigte, der mühelos eine ohne weiteres zugängliche günstigere und gleichwertige Reparaturmöglichkeit hat, auf diese verweisen lassen (BGH a. a. O.). Der zur Herstellung erforderliche Geldbetrag im Sinne des § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB umfasst nicht nur die Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt, sondern auch die UPE-Aufschläge und Verbringungskosten in eine Lackiererei, wenn und soweit sie regional üblich sind. Dabei reichen dahingehende Feststellungen eines öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen aus. Führt nämlich ein öffentlich bestellter und vereidigter Kfz-Sachverständiger in seinem Gutachten aus, dass in der Region bei einer entsprechenden Markenwerkstatt im Falle einer Reparatur typischerweise UPE-Aufschläge erhoben werden, ist bei einer Abrechnung auf Gutachtenbasis eine Ersatzfähigkeit dieser Aufschläge gegeben. Entsprechendes gilt für Fahrzeugverbringungskosten (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 16.6.2008 1
U 246/07).

b)  Hiervon ausgehend kann der Kläger sowohl den Ersatz des 15 %-igen Aufschlages sowie der Verbringungskosten verlangen. Denn er darf den Schaden an seinem im Schadenszeitpunkt erst rund sieben Monate alten Pkw der Marke BMW so berechnen, als hätte er das Fahrzeug in einer markengebundenen Fachwerkstatt reparieren lassen. Dabei wären aber sowohl der Aufschlag als auch die Verbhngungskosten angefallen. Der Sachverständige … hat die letztgenannte Position durch manuelle Eingabe individuell für den vorliegenden Fall kalkuliert, der Zuschlag der vorgesehenen Reparaturfirma auf die Ersatzteilpreise sei berücksichtigt und aus der Kalkulation ersichtlich, dort heißt es: „Ersatzteile: Inkl. 15 % Aufschlag“. Der von der Beklagten aufgezeigte Widerspruch, die vorgesehene Reparaturwerkstatt sei in dem Gutachten doch gar nicht bezeichnet, löst sich auf, wenn man die Kalkulation des Sachverständigen so versteht, dass er die regional üblichen Gepflogenheiten zugrundegelegt hat.

II. Der Kläger hat auch Anspruch auf die geltend gemachte Wertminderung (150 €).

a)  Nach ständiger Rechtsprechung des BGH handelt es sich beim merkantilen Minderwert um eine Minderung des Verkaufswerts, die trotz völliger und ordnungsgemäßer Instandsetzung eines bei einem Unfall erheblich beschädigten Kraftfahrzeuges allein deshalb verbleibt, weil bei einem großen Teil des Publikums, vor allem wegen des Verdachts verborgen gebliebener Schäden, eine den Preis beeinflussende Abneigung gegen den Erwerb unfallbeschädigter Kraftfahrzeuge besteht. Diese Wertdifferenz stellt einen unmittelbaren Sachschaden dar (BGHZ 27, 181, 182, 184 f.; 35, 396, 397 f.; VI ZR 139/60; VI ZR 72/65; BGHZ 82, 338, 343 f.; BGHZ 161, 151-161 ). Der Ausgangspunkt dieser Rechtsprechung, daß auf dem Gebrauchtwagenmarkt Unfallfahrzeuge einen geringeren Preis erzielen als unfallfreie, weil verborgene technische Mängel nicht auszuschließen sind und das Risiko höherer Schadensanfälligkeit infolge nicht fachgerechter Reparatur besteht, trifft trotz aller Fortschritte der Reparaturtechnik nach wie vor zu, zumal die technische Entwicklung im Fahrzeugbau insoweit auch höhere Anforderungen stellt (BGHZ 161, 151-161).

b)  Die von der Beklagten vorgetragenen Erwägungen stehen dem Anspruch des Klägers nicht entgegen.

aa) Der Anspruch auf Wertminderung besteht unabhängig von einer ordnungsgemäßen Durchführung der Reparatur, er setzt diese vielmehr denknotwendig voraus. Verbleibt nach der Reparatur ein Farbunterschied, so handelt es sich um einen – möglicherweise geringfügigen – Mangel.

bb) Die vom Kläger alternativ vorgenommene Berechnung anhand des BVSK-Modells bedarf keiner näheren Erörterung, da der Kläger seinen Anspruch nicht auf diese gestützt hat. Er hat vielmehr die vom Sachverständigen ermittelte Wertminderung i.H.v. 150 € verlangt. Die Beklagte greift vorliegend nicht die geltend gemachte Höhe an, sondern erachtet eine Wertminderung überhaupt nicht für gerechtfertigt.

cc) Im vorliegenden Fall ist der Ansatz einer Wertminderung geboten, da der Schaden die Erheblichkeitsgrenze von 1.000 € überschreitet und daher offenbarungspflichtig ist. Gerade bei einem erst 7 Monate alten Fahrzeug mit einer Laufleistung von knapp 11.000 km stellt der potentielle Käufer kritische Anforderungen und wird den reparierten Unfallschaden zum Anlass nehmen, sein Gebot zu reduzieren bzw. die Preisvorstellung des Verkäufers nach unten zu korrigieren. Der BGH hat in einer älteren Entscheidung einmal erwogen (VI ZR 16/79), bei Personenkraftwagen eine Fahrleistung von 100.000 km als obere Grenze für den Ersatz eines merkantilen Minderwerts anzusetzen, weil solche PKW im allgemeinen nur noch einen derart geringen Handelswert hätten, dass ein messbarer Minderwert nach Behebung der Unfalfschäden nicht mehr eintrete. Für den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass der Markt gerade bei vergleichsweise jungen Fahrzeugen besonders sensibel auf reparierte Unfallschäden reagiert.

III.  Da der geltend gemachte Zahlungsanspruch in voller Höhe bestand, kann der Kläger auch Ersatz der geltend gemachten Anwaltskosten in voller Höhe verlangen. Wegen der Schadenshöhe ist die Gebührenberechnung des Klägers zu Grunde zu legen.

IV.  Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 91 ZPO, der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Urteilsliste “Fiktive Abrechnung u. SV-Honorar” zum Download >>>>>

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  1. Iven Hanske sagt:

    Sehr gutes Urteil was für Rechtssicherheit sorgen könnte, da das Für und das Wieder super ausgearbeitet wurde. Ich hätte zwar noch mehr Argumente aber bei dem Alter des Fahrzeuges und ohne Kürzungsdienstleister sind die Entscheidungsgründe ausreichend.

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