Sehr geehrte Captain-Huk-Leser,
nachfolgend veröffentlichen wir ein Urteil der Richterin am Landgericht F., die als Dezernentin an der 23. Zivilabteilung des AG Lahnstein ( Rheinland-Pfalz ) Recht spricht. Wie so oft ging es um gekürzte Sachverständigenkosten. Unter Bezugnahme auf das Grundsatzurteil des BGH vom 23.1.2007 – VI ZR 67/06 – (BGH NJW 2007, 1450 = BGH DS 2007, 144 mit zust. Anm. Wortmann) hat die erkennende Richterin der Hauptsacheklage zugesprochen. Bedauerlicherweise wurde der Feststellungsantrag abgewiesen. Lest bitte selbst das Urteil und gebt Eure Kommentare ab. Das Urteil wurde dem Autor eingesandt durch die Herren RAe. Dr. Imhof und Partner aus Aschaffenburg.
Mit freundlichen Grüßen
Willi Wacker
Aktenzeichen: 23 C 199/14
Amtsgericht Lahnstein
IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
In dem Rechtsstreit
der Frau M. F. aus B.
– Klägerin –
Prozessbevollmächtigte: RAe. Dr. Imhof und Partner, Aschaffenburg
g e g e n
Herrn S. D. aus B. (VN der LVM-Versicherung)
– Beklagter –
Prozessbevollmächtigte: RAe. H., H. aus H.
wegen Schadensersatzes aus Verkehrsunfall
hat das Amtsgericht Lahnstein durch die Richterin am Landgericht F. am 14.10.2014 ohne mündliche Verhandlung mit Zustimmung der Parteien gemäß § 128 II ZPO nach Ablauf der Schriftsatzfrist bis zum 30.9.2014 für Recht erkannt:
1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 44,71 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18.4.2013 sowie weitere 8,33 € zu zahlen.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand:
Die Parteien streiten über die Erstattungsfähigkeit von Gutachterkosten anlässlich eines Verkehrsunfalls. Von der Darstellung des Tatbestandes im Übrigen wird gemäß § 313 a ZPO abgesehen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist hinsichtlich des Hauptantrags begründet, hinsichtlich des Feststellungsantrages unbegründet.
1. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Zahlung der restlichen Sachverständigenkosten in Höhe von 44,71 € gemäß §§ 7, 17 StVG, 249 BGB.
Die Alleinhaftung des Beklagten dem Grunde nach anlässlich des Auffahrunfalls vom xx.3.2013 auf der Bundesstraße B 261 bei Bad Ems ist unstreitig. Die Aktivlegitimation der Klägerin ergibt sich aus § 1006 BGB, da die Klägerin zum Unfallzeitpunkt im Besitz des Pkw war und zusätzlich den Kaufvertrag hinsichtlich des Erwerbs vorgelegt hat. Dass in Vollzug des Kaufvertrages die Übereignung auch an sie stattfand, wird seinerseits durch den Besitz indiziert.
Die Begründetheit des Anspruchs ergibt sich aus Folgendem:
Nach § 249 II 1 BGB hat der Schädiger den zur Wiederherstellung der beschädigten Sache erforderlichen Geldbetrag zu zahlen. Hierzu zählen auch die Kosten eines zur Feststellung der Schadenshöhe erstellten Sachverständigengutachtens. Für die Erstattungsfähigkeit der hierfür entstandenen Kosten ist im Rahmen des im Schadensrecht geltenden Prinzips der Schadensminderungspflicht des Geschädigten maßgebend, ob eine für den Geschädigten erkennbare Abweichung der Kosten vom Marktüblichen vorlag, ob der Geschädigte eine Pflicht hat, die Preise auf dem Markt zu vergleichen und ob er die Preisgestaltung aufgrund dieser Erkenntnisse beeinflussen kann (vgl. BGH NJW 2007, 1450 = DS 2007, 144 m. Anm. Wortmann). Massstab ist ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten (ständ. Rspr. des BGH).
Im vorliegenden Fall ist es bereits fraglich, ob die Grundsätze der Schadensminderungspflicht überhaupt ansatzweise tangiert sind, wenn die Vorstellungen der Parteien lediglich um 44,71 € divergieren. Diese Differenz ergibt sich auch nur dadurch, dass die Versicherung der Beklagten (die LVM-Versicherung Münster) meint, ihrerseits einen Betrag von pauschal 100,– € für die Nebenkosten zugrundelegen zu können. Woraus sich die Höhe der Pauschale ergeben soll, ist nicht ersichtlich. Es könnten genau so gut 120,– € oder 140,– € sein.
Bei der Berechnung der Kosten des Sachverständigen begegnet es nach Ansicht des Gerichts angesichts der Höhe des Grundbetrages auch keinen Bedenken, wenn der Sachverständige diesen Grundbetrag pauschaliert hat. Hierbei kann dahinstehen, ob die von der Klägerin vorgelegte VKS/BVSK-Honorarumfrage anwendbar ist oder nicht. Zum einen hat der BGH dies nur für solche Fälle bislang abgelehnt, in denen eine Kürzung des Sachverständigenhonorars aufgrund der Überschreitung des Maximalbetrages der Tabelle erfolgt ist. Der hiesige Sachverständige hat sich aber sowohl hinsichtlich des Grundhonorars als auch der Nebenkostenn jeweils im mittleren Bereich der Betragsrahmen bewegt. Zum anderen ergibt auch eine Kontrollüberlegung im Rahmen des § 287 ZPO, dass der Sachverständige sich mit seiner Rechnung innerhalb des zu tolerierenden Rahmens hält. Der Sachverständige wird sowohl im Interesse des Geschädigten als auch des Schädigers tätig. Seine Schadensermittlung und seine Schadensberechnung ermöglichen erst einen Schadensausgleich. Von daher kommt der Tätigkeit des Sachverständigen regelmäßig ein hoher wirtschaftlicher Wert zu (vgl. AG Dieburg Urt. v. 20.2.2013 – 20 C 1308/12 -, zitiert bei juris). Es ist insoweit nicht zu beanstanden, wenn der Sachverständigefür sein Honorar 30 % des Sachschadens ansetzt (vgl. AG Dieburg aaO, Rz. 17). Diesen Maßstab zugrunde gelegt, dem sich das erkennende Gericht anschließt, liegt die Summe von Grundhonorar und Nebenkosten in diesem Fall innerhalb eines solchen Rahmens. Es bedarf somit auch nicht der Entscheidung, ob die Nebenkosten vereinzelt abgerechnet werden können, wenn andererseits das Grundhonorar pauschaliert ist. Zudem ist auch dies eine umstrittene Rechtsfrage, die dem Laien nicht abgefordert werden kann.
In diesem Zusammenhang verfängt auch die Argumentation des Beklagten nicht, dass die Klägerin kein Vergleichsangebot eingeholt hat. Hält sich das Honorar, wie vorliegend, im angemessenen Rahmen, ist ein solches Unterlassen nicht kausal für die Schadenshöhe.
Schließlich ist hinsichtlich der Erkennbarkeit der Höhe der Nebenkosten auch zu berücksichtigen, dass der Laie aufgrund der üblichen Beauftragung eines Handwerkers neben der Arbeitsleistung auch mit Materialkosten und Fahrtkosten rechnet. Wenn diese nunmehr in einer Sachverständigenrechnung ebenfalls explizit aufgelistet sind, ist dies für den Geschädigten somit keine Besonderheit. In der Rechtsprechung wurde zudem wiederholt darauf hingewiesen, dass es der gegnerischen Haftpflichtversicherung unbenommen ist, sich etwaige Regressansprüche gegenüber dem Sachverständigen wegen überhöhter Abrechnung abtreten zu lassen (vgl. LG Bonn Az. 5 S 148/11; AG München Az. 343 C 29295/13). Dem schließt sich die Vorsitzende an. Den Geschädigten mit solch generellen rechtlichen Überlegungen (vereinzelte Nebenkosten trotz Pauschalierung des Grundhonorars, Anwendbarkeit von Honorarvergleichstabellen, Angemessenheit von Kilometerpauschalen) zu überlasten, entspräche nicht der konkreten Eilsituation für den Geschädigten und würde das Prinzip der Schadensminderungspflicht überfrachten.
2. Soweit die Klägerin Kosten der Einwohnermeldeamtsauskunft geltend macht, sind diese zum einen nicht bestritten und zum anderen der Höhe nach nachgewiesen.
Der Zinsanspruch der Klägerin hinsichtlich der Hauptforderung ergibt sich ebenfalls aus dem Gesichtspunkt des Verzuges gemäß §§ 286, 288 BGB.
3. Soweit die Klägerin darüber hinaus Feststellung begehrt, dass die Gerichtskosten ab dem Zeitpunkt der Einzahlung bis zur Stellung des Kostenfestsetzungsantrages zu verzinsen seien, ist die Klage insoweit abzuweisen. Zwar ist bereits entschieden, dass ein solcher Anspruch dem Grunde nach besteht (vgl. LG Hamburg Urt. v. 4.6.2013 – 302 O 92/11; a.A. LG Erfurt Urt. v. 25.1.2013 – 9 O 958/12). Letztlich bedarf aber auch dies vorliegend nicht der Festlegung, denn die Klägerin hat sich in ihrem Vortrag darauf beschränkt, die Möglichkeit der Feststellun als solche zu erörtern. Konkreter Vortrag zum tatsächlichen Zinsschaden hat sie jedoch nocht gehalten (OLG Jena Urt. v. 25.9.2013 – 7 U 180/13 -).
4. Die Kostenfolge ergibt sich aus § 91 ZPO, diejenige der vorläufigen Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.
Rechtsbehelsbelehrung: ……
Soweit das Urteil aus Lahnstein. Und nun bitte Eure Kommentare.