AG Hattingen verurteilt VN der HUK-COBURG zur Zahlung der von der HUK-COBURG vorgerichtlich gekürzten Sachverständigenkosten aus abgetretenem Recht mit Urteil vom 21.10.2014 – 5 C 92/14 -.

Hallo verehrte Leserinnen und Leser des Captain-Huk-Blogs,

von Hamburg an der Elbe geht es weiter nach Hattingen an der Ruhr. Nachstehend geben wir Euch hier ein Urteil aus Hattingen zu den restlichen Sachverständigenkosten aus abgetretenem Recht bekannt. Da die eigentlich eintrittspflichtige Kfz-Haftpflichtversicherung, nämlich die HUK-COBURG, nicht vollständigen Schadensersatz bei einhundertprozentiger Haftung leistete, nahm der klagende qualifizierte Kfz-Sacherständige den Unfallverursacher direkt in Anspruch. So erfuhr der bei der HUK-COBURG Versicherte durch die Zustellung der Klageschrift, dass seine Kfz-Haftpflichtversicherung sich nicht an Recht und Gesetz hielt und dem Unfallopfer berechtigte Schadensersatzbeträge vorenthalten hatte. Mit dem Urteil erfuhr der Schädiger dann auch noch, dass seine HUK-COBURG die Kürzung der Schadensbeträge zu Unrecht, damit rechtswidrig, vorgenommen hatte. Lest selbst das Urteil und gebt bitte Eure Kommentare ab.

Viele Grüße und eine schöne Woche.
Willi Wacker

5 C 92/14

Amtsgericht Hattingen

IM NAMEN DES VOLKES

Urteil

In dem Rechtsstreit

des Herrn Sachverständigen Dipl. Ing. H. R. aus B,

Klägers,

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte D. I. u. P. aus A.

gegen

Frau … (VN der HUK-COBURG)

Beklagte,

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte D. E. & P. aus B.

hat das Amtsgericht Hattingen
im schriftlichen Verfahren gemäß § 495 a ZPO
am 21. Oktober 2014
durch den Richter am Amtsgericht K.
für   Recht   erkannt:

1.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger restliche Gutachterkosten in Höhe von 195, 12 € nebst Zinsen daraus in Höhe von 5 Prozentpunkten jährlich über dem Basiszinssatz seit dem 13.08.2011 zu bezahlen.

2.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 70,20 € nebst Zinsen daraus in Höhe von 5 Prozentpunkten jährlich über dem Basiszinssatz seit dem 18.03.2014 zu bezahlen.

3.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

4.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

5.
Die Berufung gegen das Urteil wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Das Absetzen eines Tatbestandes war gemäß § 313 a Abs, 1 Satz 1 ZPO entbehrlich.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist begründet.

Dem Kläger steht ein Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung von weiteren 195,12 € gemäß den §§ 7, 18 StVG, §§ 249, 398 BGB zu.
Die Haftung der Beklagten aufgrund des Verkehrsunfalls vom 15.07.2011 ist zwischen den Parteien dem Grunde nach unstreitig.

Der Anspruch auf Ersatz der Sachverständigenkosten ist zugunsten des Klägers ebenfalls dem Grunde nach gegeben und unstreitig.

Der Höhe nach hat der Kläger aber noch einen weiteren Anspruch auf Zahlung von weiteren 195,12 Euro gegen die Beklagte.

Zunächst einmal ist an der Berechnung des Sachverständigenhonorars nach der Schadenshöhe nichts auszusetzen. Der BGH führt hierzu in seinem Urteil vom 23.01.2007, Az.: VI ZR 67/07, aus, ein Kfz-Sachverständiger überschreite allein dadurch, dass er eine an der Schadenshöhe orientierte angemessene Pauschalierung des Honorars vornehme, die Grenzen der rechtlich zulässigen Preisgestaltung grundsätzlich nicht. Schadensgutachten dienten i.d.R. dazu, die Realisierung von Schadenersatzforderungen zu ermöglichen. Die richtige Ermittlung des Schadensbetrages werde als Erfolg geschuldet; hierfür hafte der Sachverständige. Deshalb trage eine an der Schadenshöhe orientierte angemessene Pauschalierung des Honorars dem nach der Rechtsprechung entscheidend ins Gewicht fallenden Umstand Rechnung, dass das Honorar des Sachverständigen die Gegenleistung für die Feststellung des wirtschaftlichen Wertes der Forderung des Geschädigten sei.

Dabei könne jedoch der Geschädigte vom Schädiger nach § 249 Abs. 2 BGB als erforderlichen Herstellungsaufwand nur die Kosten erstattet verlangen, die vom Standpunkt eines verständigen, wirtschaftlich denkenden Menschen in der Lage des Geschädigten zur Behebung des Schadens zweckmäßig und angemessen seien. Er sei nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen, sofern er die Höhe der für die Schadensbeseitigung aufzuwendenden Kosten beeinflussen könne. Dabei sei bei der Beurteilung, welcher Herstellungsaufwand erforderlich sei, auch Rücksicht auf die spezielle Situation des Geschädigten, insbesondere auf seine individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie auf die möglicherweise gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten zu nehmen. Auch sei der Geschädigte grundsätzlich nicht zu einer Erforschung des ihm zugänglichen Markts verpflichtet, um einen für den Schädiger und dessen Haftpflichtversicherer möglichst preisgünstigen Sachverständigen ausfindig zu machen, wobei für ihn allerdings das Risiko verbleibe, dass er ohne nähere Erkundigungen einen Sachverständigen beauftrage, der sich später im Prozess als zu teuer erweise.

Die Frage, ob das von der Klägerin berechnete Honorar zu teuer ist, muss entweder durch Durchführung einer Beweisaufnahme mit Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens ermittelt oder von dem Gericht gemäß § 287 ZPO geschätzt werden.

Vorliegend hält das Gericht eine Schätzung anhand der sogenannten BVSK-Honorarumfrage 2011 des Bundesverbandes der freiberuflichen und unabhängigen Sachverständigen für das Kraftfahrzeugwesen e. V. und der VKS/BVK Honorarumfrage 2012/2013 der Verbände der unabhängige Kraftfahrzeug-Sachverständigen e.V. und des Bundesverbandes öffentlich bestellter, vereidigter oder anerkannter qualifizierter Kfz-Sachverständiger e.V. für angemessen. Das Gericht   kommt unter Berücksichtigung der genannten Honorarumfragen zu folgendem Ergebnis:

Nach der aktuellen Honorarbefragung 2011 des BVSK berechnen 90% der BVSK-Mitglieder oberhalb des Wertes HB II und 95% unterhalb des Wertes HB III. Innerhalb dieses Bereiches wird also ganz überwiegend abgerechnet. Außerdem wird der sog. HB V Korridor angegeben, in dem immerhin 50 % bis 60 % der Mitglieder ihr Honorar berechnen, also ebenfalls die Mehrheit.

Die von dem Kläger abgerechneten Kosten liegen aber innerhalb dieser Werte, also unterhalb HB III bzw. innerhalb des HB Korridors oder allenfalls leicht darüber. Auszugehen ist insoweit von der Brutto-Schadenhöhe i. H. v. insgesamt 2.057,31 €. Danach beträgt das Grundhonorar für das Postleitzahlengebiet 4 nach HB III 336,00 €. Die Fahrtkosten pauschal liegen bei 33,18 €, die Post- und Telekommunikationspauschale bei 21,06 EUR und die Schreibkosten je Seite und Kopie bei 3,00 EUR zzgl. 1,24 EUR, also bei 4,24 EUR. Lediglich die Kosten i.H.v. 28,00 EUR für „fallspezifische EDV-Kosten“ lassen sich nicht zuordnen.

Insgesamt errechnet sich damit ein Betrag in Höhe von 458,96 €, zuzüglich 19 % MwSt. ein Betrag in Höhe von 546,16 €. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die BVSK-Honorarbefragung von 2011 stammt, also drei Jahre alt ist. Der von dem Kläger berechnete Betrag i.H.v. 551,42 EUR ist daher unter dem Gesichtspunkt einer Preisanpassung für drei Jahre nicht zu beanstanden.

Dieses gilt umso mehr, wenn die VKS/BVK Honorarumfrage 2012/2013 zugrundegelegt wird. Daraus ergibt sich bei einem Gegenstandswert bis 2.250,00 EUR brutto ein Grundhonorar-Korridor von 290,00 bis 418,00 EUR. Mit einem Grundhonorar i.H.v. 319,88 EUR liegt der Kläger dabei eher am unteren Rand. Dieses gilt auch für die Nebenkosten. So hat der Kläger eine Post- und Telekommunikationskostenpauschale i.H,v. 15,00 EUR geltend gemacht, nach der genannten Honorarumfrage ergibt sich jedoch ein Korridor von 8,00 EUR bis 26,25 EUR. Bei den Schreibkosten hat der Kläger je Seite 3,50 EUR geltend gemacht, nach der Honorarumfrage ergibt sich ein Korridor von 2,00 EUR bis 4,20 EUR. Ausgehend von dem nach dieser Honorarumfrage sehr niedrigen Grundhonorar ist auch nicht zu beanstanden, dass der Kläger fallspezifische EDV-Kosten i.H.v. 28,00 EUR und eine Stadtfahrtpauschale i.H.v. 35,00 EUR berechnet hat, da selbst unter Hinzurechnung dieser Positionen zu dem Grundhonorar sich ein Grundhonorar i.H.v. 382,88 EUR ergeben würde, das immer noch innerhalb des Grundhonorar-Korridors der Honorarumfrage 2012/2013 der VKS/BVK liegt.

An diesem Ergebnis ändert auch die von der Beklagten zitierte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes in dem Urteil vom 22.07.2014, Az. VI ZR 357 /13, nichts. Zwar ist der Beklagten zuzustimmen, dass der Bundesgerichtshof entschieden hat, dass revisionsrechtlich nicht zu beanstanden ist, dass das Landgericht Saarbrücken die BVSK-Honorarbefragung nicht für geeignet gehalten hat, die zu erwartenden Ansätze bei anfallenden Nebenkosten verlässlich abzubilden. Das Landgericht Saarbrücken, so der Bundesgerichtshof, hat das Ergebnis dieser Befragung in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise bereits deshalb nicht als geeignete Schätzgrundlage für die Nebenkosten angesehen, da sie nicht hinreichend aussagekräftig sei und relevante Fragen offen lasse. Allerdings hat der Bundesgerichtshof auch ausgeführt, dass das Landgericht Saarbrücken unter Hinweis auf die von ihm geführten zahlreichen Parallelverfahren ergänzend ausgeführt habe, die Sachverständigen würden auf dem regionalen Markt mit sehr uneinheitlichen Preisansätzen abrechnen. Das Landgericht Saarbrücken hat also die BVSK-Honorarbefragung nicht für geeignet gehalten, die zu erwartenden Ansätze bei anfallenden Nebenkosten verlässlich abzubilden, da das Landgericht Saarbrücken aufgrund vor ihm geführter zahlreicher Parallelverfahren festgestellt hatte, dass die Sachverständigen auf dem regionalen Markt im Bereich Saarbrücken mit sehr uneinheitlichen Preisansätzen abrechnen. Dieses hat das Amtsgericht Hattingen für den hiesigen regionalen Markt bislang nicht feststellen können. Insofern betrifft die Rechtsprechung des Landgerichts Saarbrücken und des Bundesgerichtshofes in dem mit dem Urteil vom 22.07.2014 entschiedenen Fall eine Entscheidung, die die spezifischen Besonderheiten des regionalen Marktes in Saarbrücken berücksichtigt, auf den vorliegenden Fall aber nicht zwingend anzuwenden ist. Außerdem hat der Bundesgerichtshof auch in seinem Urteil vom 22.07.2014 eindeutig festgestellt, dass das Gericht die Höhe der erforderlichen Sachverständigenkosten nach § 287 Abs. 1 ZPO schätzen kann, wenn der Schätzung tragfähige Anknüpfungspunkte zugrundeliegen. Vorliegend hat das Gericht sowohl die BVSK-Honorarbefragung 2011 berücksichtigt als auch die VKS/BVK Honorarumfrage 2012/2013. Damit hat das Gericht tragfähige Anknüpfungspunkte für seine Schätzung zur Verfügung gehabt.

An diesem Ergebnis ändert auch der Vortrag der Beklagten durch Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 06.10.2014 nichts, denn das Gericht hat bereits ausgeführt, dass ausgehend von dem nach der VKS/BVK Honorarumfrage 2012/2013 sehr niedrigen Grundhonorar es nicht zu beanstanden ist, dass der Kläger eine Stadtfahrtpauschale in Höhe von 35,00 € berechnet hat, da selbst unter Hinzurechnung dieser Position zu dem Grundhonorar sich ein Grundhonorar ergibt, dass immer noch innerhalb des Grundhonorar-Korridors der Honorarumfrage 2012/2013 der VKS/BVK liegt. Daran ändert auch eine dritte und vierte Ausfertigung des Gutachtens nichts. Im Ergebnis bedeutet dies, dass der Kläger mit seinen Gesamtkosten im angemessenen Rahmen bleibt und deshalb seine Rechnung nicht zu beanstanden ist. Hätte der Kläger nicht eine dritte und vierte Ausfertigung berechnet und auch keine Stadtfahrtpauschale in Höhe von 35,00 €, stattdessen aber sein Grundhonorar höher angegeben, so wäre dieses aus den oben genannten Gründen ebenfalls nicht zu beanstanden gewesen.
Nach alledem ist die Klage hinsichtlich der Hauptforderung begründet.

Der Zinsanspruch und der Anspruch hinsichtlich der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten ist gemäß den §§ 286, 288 Abs. 1 BGB begründet.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus den §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.

Die Berufung gegen das Urteil wurde nicht zugelassen, da die Voraussetzungen des § 511 Abs. 4 ZPO nicht vorliegen, da die vorliegende Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordern.

Urteilsliste “SV-Honorar” zum Download >>>>>

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2 Antworten zu AG Hattingen verurteilt VN der HUK-COBURG zur Zahlung der von der HUK-COBURG vorgerichtlich gekürzten Sachverständigenkosten aus abgetretenem Recht mit Urteil vom 21.10.2014 – 5 C 92/14 -.

  1. Franz H. sagt:

    Hei Willi,

    im obigen Urteil hat der Amtsrichter des AG Hattingen die Reichweite des BGH-Urteils VI ZR 357/13 auf die Besonderheiten des Saarlandes begrenzt. Damit zeigt sich, dass es sich bei VI ZR 357/13 um eine Einzelfallentscheidung handelt.

    Massgeblich dürften das vom Gericht zitierte Grundsatzurteil VI ZR 67/06 sowie das nicht zitierte Grundsatzurteil VI ZR 225/13 sein.

  2. Anna sagt:

    Hallo, W.W.
    Die Entscheidungsgründe lassen vermuten, dass es sich hier um einen in der Sache erfahrenen Richter handelt, der sich durch den gegnerischen Vortrag nicht dazu hat verführen lassen, die schadenersatzrechtlich zu beachtende Erforderlichkeit der Nebenkosten abschweifend noch lang und breit unter werkvertraglichen Gesichtspunkten zu diskutieren.

    Vielmehr hat er zutreffend den Gesamtbetrag der abgerechneten Gutachterkosten in den Vordergrund gestellt.
    Liebe Silvestergrüße
    und ein erfolgreiches
    neues Jahr
    Anna

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