AG HH-Bergedorf verurteilt die bei der HUK-Coburg versicherte Halterin zur Zahlung der gekürzten Sachverständigenkosten (408 C 7/13 vom 03.11.2014)

Mit Urteil vom 03.11.2014 (408 C 7/13) wurde die Versicherungsnehmerin der HUK Coburg Versicherung durch das Amtsgericht Hamburg-Bergedorf, nach immerhin 1 3/4 Jahren Verfahrensdauer, zur Zahlung weiterer 65,01 € zzgl. Zinsen verurteilt. Geltend gemacht wurden ebenfalls vorgerichtliche RA-Kosten, die nicht zugesprochen wurden. Das Gericht nimmt zwar auch zur Problematik des Bagatellschadens Stellung, die Kostenentscheidung ist jedoch hanebüchen: wegen der Abweisung der Klage hinsichtlich der Nebenforderung mit einer völlig daneben liegenden Begründung werden die Kosten verquotelt. Erstritten wurde die Entscheidung von der Kanzlei Hamburger Meile.

Die Entscheidungsgründe:

Die Klage hat im tenorierten Umfang Erfolg. Sie ist zulässig und im tenorierten Umfang begrün­det.

Dem Kläger steht gegen die Beklagte aus abgetretenem Recht gemäß §§ 7 StVG, 398 BGB ein Anspruch auf Ersatz weiterer Sachverständigenkosten in Höhe von 65,01 € zu. Der Schadenser­satzanspruch ist durch die Abtretung gemäß der Anlage K2 auf den Kläger übergegangen. Soweit die Beklagtenseite nunmehr mit Schriftsatz vom 21. Oktober 2014 die Abtretung und damit die Ak­tivlegitimation bestreitet, war dieses Vorbringen nicht mehr zu berücksichtigen. Das Gericht hatte eine Frist zur Einreichung von Schriftsätzen auf den 12. Juli 2013 gesetzt. Sofern nun neue Ver­teidigungsmittel vorgebracht werden, sind diese unbeachtlich (§§ 495a, 296a ZPO).

Die Haftung der Beklagten gegenüber dem Zedenten aus dem Verkehrsunfall vom xx.xx.2012 ist dem Grunde nach unstreitig.

Die vom Kläger geltend gemachten Sachverständigenkosten in Höhe von insgesamt 421,01 € sind nach Auffassung des erkennenden Gerichts erforderlich im Sinne des § 249 Abs. 2 BGB.

Ein Geschädigter kann von dem Schädiger nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB als Herstellungsauf­wand den Ersatz der objektiv erforderlichen Sachverständigenkosten verlangen. Als erforderlich sind diejenigen Aufwendungen anzusehen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten machen würde. Bei der Prüfung, ob der Geschädigte den Aufwand zur Schadensbeseitigung in vernünftigen Grenzen gehalten hat, ist eine subjektbezogene Scha­densbetrachtung anzustellen, das heißt Rücksicht auf die spezielle Situation des Geschädigten, insbesondere auf seine individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie auf die mögli­cherweise gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten zu nehmen. Der Geschädigte darf sich bei der Beauftragung eines Kfz-Sachverständigen damit begnügen, den ihm in seiner Lage ohne weiteres erreichbaren Sachverständigen zu beauftragen. Er muss nicht zuvor eine Marktfor­schung nach dem honorargünstigsten Sachverständigen betreiben (vgl. BGH, Urteil vom 11. Fe­bruar 2014, Az.: VI ZR 225/13). Indes ist der vom Geschädigten aufzuwendende Betrag nicht notwendig mit dem zu ersetzenden Schaden identisch. Liegen die mit dem Sachverständigen ver­einbarten oder von diesem berechneten Preise für den Geschädigten erkennbar erheblich über den üblichen Preisen, so sind sie nicht geeignet, den erforderlichen Aufwand abzubilden (vgl. BGH, Urteil vom 22. Juli 2014, Az.: VIZR 357/13).

Zunächst erachtet das erkennende Gericht die Sachverständigenkosten nicht deswegen nicht für einen erforderlichen und damit nicht erstattungsfähigen Schaden, weil ein offensichtlicher Bagatellschaden vorliegt. Ein solcher liegt nach Auffassung des erkennenden Gerichts hier nicht vor. Das erkennenden Gericht folgt der Auffassung, wonach die Bagatellschadensgrenze in einem Bereich von etwa 700 € anzusiedeln ist (vgl. BGH, Urteil vom 30. November 2004, Az.: VI ZR 365/03). Dieser Betrag ist hier überschritten. Im Übrigen ist einem Geschädigten auch bei einer geringen Schadenshöhe – die ohnehin im Zeitpunkt der Entscheidung, ob man einen Sachver­ständigen mit der Schadensfeststeliung beauftragt oder nur einen Kostenvoranschlag einholt, nicht absehbar ist – das Risiko, dass der Unfallgegner bzw. dessen Haftpflichtversicherung einen Kostenvoranschlag als unzureichend erachtet, nicht zuzumuten. Auch besteht gerade bei älteren Fahrzeugen mit hoher Laufleistung bei den Geschädigten auch immer ein Interesse daran, die Relation zwischen Reparaturschaden und Totalschaden feststellen zu lassen, was ausschließ­lich über ein Gutachten möglich ist (vgl. LG Darmstadt, Urteil vom 05. Juli 2013, Az.: 6 S 34/13).

Gemessen an den eingangs genannten Maßstäben hatte der Zedent gegen die Beklagte einen Anspruch auf Erstattung von Sachverständigenkosten in Höhe von insgesamt 421,01 €, auf die die Beklagte bislang nur 356 € gezahlt hat, so dass also noch ein Zahlungsanspruch von 65,01 € besteht. Weder die Höhe des Grundhonorars noch die Nebenforderungen liegen erkennbar erheb­lich über den üblichen Preisen. Das erkennende Gericht hält den HB V- Korridor der (zur Zeit des Unfalls aktuellen) BVSK-Honorarbefragung 2010/2011 sowohl hinsichtlich des Grundhonorars als auch der Nebenkosten für eine geeignete Vergleichsgrundlage.

Wie der Rechnung vom 27. August 2012 (Anlage K4) zu entnehmen ist, bewegen sich alle Rech­nungspositionen innerhalb des Korridors. Die Beanstandung der Beklagten im Hinblick auf die pauschal berechneten Fahrtkosten vermag nicht zu verfangen. So sieht der HB V- Korridor für Fahrtkosten pauschal eine Spanne von 22,16 € bis 28,99 € vor, so dass die angesetzten 22,16 € die untere Grenzen markieren. Der Vortrag, die Fotokosten seien überhöht, da der durchschnittli­che Preis für ein digitales Foto der Größe DIN A4 nur 1,40 € betrage und auf eine DIN A4 Seite sogar 2 Fotos gedruckt seien, vermag ebenfalls nicht zu verfangen. Die angesetzten Kosten für Fotos liegen im Korridor. Auch hält das erkennende Gericht die Kosten für weitere Fotos für erfor­derlich, da ausweislich der Rechnung eine Ausfertigung des Gutachtens für die Versicherung und eine für den Kunden erstellt wurde. Auch bewegen sich die Kosten für die weiteren Fotos im Rah­men des Korridors. Auch können nach Auffassung des erkennenden Gerichts Schreibkosten und Kosten für weitere Fotos gesondert als Nebenkosten berechnet werden. Dass diese Kosten ge­ring sein mögen, steht dem nicht entgegen. Dies gilt auch für die Kommunikationspauschale. Nach Auffassung des erkennenden Gerichts können diese Kosten auch neben dem Grundhono­rar verlangt werden. So weist auch die BVSK-Honorarbefragung als Nebenkosten eine Pauschale für Porto und Telefonkosten aus.

Eine Anspruchskürzung kommt auch nicht deswegen in Betracht, weil die Nebenkosten etwa 63 % des Grundhonorars ausmachen. Es wird nicht vorgetragen und ist auch nicht ersichtlich, dass der Zedent von vornherein hätte erkennen können, dass der Kläger nach Behauptung der Beklag­ten überhöhte Nebenkosten ansetzen würde. Allein weil die Nebenkosten etwa 63 % des Grund­honorars ausmachen, fallen sie nicht aus dem Rahmen des für die Behebung des Schadens er­forderlichen Geldbetrags (vgl. BGH, Urteil vom 11. Februar 2014, Az.: VI ZR 225/13, wo die Ne­benforderungen – nach Berechnung des erkennenden Gerichts – einen noch höheren Prozentan­teil im Verhältnis zum Grundhonorar ausgemacht haben).

Zudem ist ein etwaiger Verstoß des Zedenten gegen seine Schadensminderungspflicht nicht er­sichtlich.

Der Zinsanspruch hinsichtlich der Hauptforderung folgt aus §§ 286 Abs. 2 Nr. 3, 288 BGB.

Ein Anspruch auf Freihaltung hinsichtlich der Kosten für eine Halterabfrage steht dem Kläger nicht zu. Insoweit hat der Kläger den Kostenanfall bereits der Höhe nach nicht belegt.

Zuletzt steht dem Kläger ein Anspruch auf Freihaltung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 39 € aus §§ 280, 286 BGB nicht zu. Die vorgerichtliche Zahlungsaufforderung erach­tet das erkennende Gericht nicht als zweckentsprechende Maßnahme der Rechtsverfolgung. Verzugsbeginn liegt hier nach Auffassung des erkennenden Gerichts in der Leistungsverweige­rung der Beklagten bzw. der Haftpflichtversicherung, die mit Schreiben vom 31. August 2012 (An­lage B3) eine weitere Zahlung als 356 € ablehnte. Liegt eine solche jedoch vor, ist eine weitere vorgerichtliche Zahlungsaufforderung in der Regel überflüssig und sind die hierdurch entstande­nen Kosten mithin nicht zu ersetzen (vgl. hierzu Ernst, in: MünchKomm BGB, 6. Aufl. 2012, § 286 Rn. 156). So liegt der Fall nach Auffassung des erkennenden Gerichts hier. Auch eine Zahlungs­aufforderung an die Beklagte persönlich gerichtet, war nicht mehr erforderlich.

Auch nach dem Vortrag des Klägers in der Anspruchsbegründung, wonach Verzug nach Zahlungsaufforderung durch die Prozessbevollmächtigten des Klägers mit Schreiben vom 20. Sep­tember 2012 mit Fristsetzung zum 27. September 2012, spätestens mit dem 28. September 2012 eingetreten sein soll (was im Widerspruch zum Klagantrag steht, mit welchem Zinsen be­reits ab 01. September 2012 gefordert werden), sind die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten nicht zu erstatten. Denn diesen Vortrag unterstellt und einen Verzugseintritt durch Leistungsver­weigerung nicht angenommen, befand sich die Beklagte mit der Zahlung der restlichen Sachver­ständigenvergütung im Zeitpunkt des Tätigwerdens des Rechtsanwaltes mit Schreiben vom 20. September 2012 noch nicht in Verzug, so dass ein Anspruch aus §§ 280, 286 BGB für die die an­waltliche Tätigkeit bereits deshalb ausscheidet.

Die Kostenentscheidung beruht auf 92 Abs. 1 ZPO. Das Gericht berücksichtigt dabei sowohl Haupt- als auch Nebenforderungen (vgl. Herget, in: Zöller, ZPO, 30. Aufl. 2014, § 92 Rn. 3).

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 11, 713 ZPO.

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6 Antworten zu AG HH-Bergedorf verurteilt die bei der HUK-Coburg versicherte Halterin zur Zahlung der gekürzten Sachverständigenkosten (408 C 7/13 vom 03.11.2014)

  1. BORIS sagt:

    Guten Morgen, Babelfisch,
    mich fasziniert immer wieder die Vielfalt der irrwitzigen Einwendungen der Beklagten, die einfach so tun, als gäbe es in der BRD kein Grundgesetz und keine Rechtsordnung. Ich bin mal gespannt, ob die es im Verlauf der nächsten Jahre auch noch hinkriegen, den § 249 BGB zu entsorgen bzw. einen ganz anderen Sinn zu geben. Das eine oder andere offene Ohr beim BGH ist nach dem aktuellen Stand ja wohl unverkennbar.

    BORIS

  2. Plattfisch sagt:

    Hallo, Babelfisch,selbst mein laienhaftes Rechtsverständnis sagt mir, dass die verweigerten vorgerichtlichen Kosten eigentlich auch zum Schadenersatz gehören. Was wäre denn gewesen, wenn nur der VN verklagt worden wäre?
    Plattfisch

  3. Plattfisch sagt:

    Lieber LVM-Vorstand, der folgenschwere Satz aus den Entscheidungsgründen des Urteils des AG HH-Bergedorf sollte doch zu der Überlegung Anlass geben, ob das Zauberspiel Ihrer KH-Sachadenabteilung noch zeitgemäß ist, denn die fatale rechtfertigende „Begründung“ für Honorarkürzungen ist inzwischen einfach out unter Berücksichtigung des folgenden Hinweises:

    „Eine Anspruchskürzung kommt auch nicht deswegen in Betracht, weil die Nebenkosten etwa 63 % des Grundhonorars ausmachen.“

    Einfach mal logisch nachdenken und abwägen, was wirklich wichtig ist. Wollt Ihr denn, dass die zwangsweise verklagten Versicherungsnehmer Euren Repräsentanten das auf´s Brot schmieren und eine weitgreifende Negativreklame für Euch machen ? Ein Urteil bekommen die ganz bestimmt und werden dann merken, dass sie von der LVM als Kanonenfutter mißbraucht wurden. War lehrreich alles in der Geschichte schon mehr als einmal da. Aber wenn Sie dagegen immun sind, gegen unsere Rechtsordnung und gegen das Grundgesetz zu verstoßen und sich das nicht eingestehen wollen, so wird auch dieser wohlmeinende Fingerzweig nicht helfen können.

    Dennoch ein besinnliches Wochenende
    und freundliche Grüße
    aus dem schönen Hamburg

    Plattfisch

  4. G.v.H. sagt:

    Hallo, Plattfisch, viel besser ist doch noch die folgende Passage aus den Entscheidungsgründen:

    „Allein weil die Nebenkosten etwa 63 % des Grund­honorars ausmachen, fallen sie nicht aus dem Rahmen des für die Behebung des Schadens er­forderlichen Geldbetrags (vgl. BGH, Urteil vom 11. Februar 2014, Az.: VI ZR 225/13, wo die Nebenforderungen – nach Berechnung des erkennenden Gerichts – einen noch höheren Prozentan­teil im Verhältnis zum Grundhonorar ausgemacht haben).“

    Das hat das Gericht zutreffend erkannt und als Steilvorlage aufgegriffen. Damit werden letztlich alle behaupteten Überhöhungen ad absurdum geführt und das HUK-Coburg-Honorartableau 2012 als schadenersatzrechtlich ohne Bedeutung zutreffend eingeordnet. Ob DA-Direct, Zurich, LVM, ALLIANZ, Allsecur,HUK-Coburg oder wie sie sonst noch heißen mögen sind damit Gesetzesbrecher abgestempelt. Wie war das ansonsten noch mit der Strafverfolgung bei Versuchen, das Grundgesetz zu unterwandern ?

    G.v.H.

  5. Babelfisch sagt:

    @Plattfisch 9:02 Uhr: dann wäre die Klage abgewiesen worden. Der VN (=Versicherungsnehmer) schuldet KEINEN Schadensersatz. Daher wurde ausschließlich die HALTERIN verklagt.

  6. D.M. sagt:

    Jetzt höre ich schon den Aufschrei aus der Versicherungskommune: „Herr Wellers, übernehmen Sie.“
    D.M.

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