AG Wiesbaden verurteilt mit sehr guter Begründung die DA Allgem. Vers. AG zur Zahlung restlicher, abgetretener Sachverständigenkosten mit Urteil vom 8.1.2014 – 93 C 2523/13 (32) -.

Hallo verehrte Captain-Huk-Leserinnen und Leser,

von Ansbach geht die Urteilsreise weiter zurück nach Hessen. Wir stellen Euch hier noch ein positives Urteil aus Wiesbaden zu den Sachverständigenkosten aus abgetretenem Recht gegen die DA Allgemeine Versicherungs AG vor. Der erkennende Richter liest offenbar hier in diesem Blog mit. Auf jeden Fall zitiert er die BGH-Entscheidung in der Zeitschrift „Der Sachverständige“ mit der zutreffenden Anmerkung von RA. Lutz Imhof.  Eine sehr gut herausgearbeitete Begründung hat der erkennende Richter für die DA Allgemeine Versicherungs AG gefunden, wie wir meinen. Lest aber selbst das Urteil des Amtsgerichts Wiesbaden vom 8.1.2014 und gebt bitte Eure Kommentare ab.

Viele Grüße
Willi Wacker

Amtsgericht Wiesbaden

Aktenzeichen: 93 C 2523/13 (32)

Urteil
I m  Na m e n  d e s  V o l k e s

In dem Rechtsstreit

Kläger

gegen

DA Deutsche Allgemeine Versicherung AG vertr. d. d. Vorstand Joachim Abel und Norbert Wulff, Oberstedter Straße 14, 61440 Oberursel

Beklagte

hat das Amtsgericht Wiesbaden durch den Richter Dr. D. im vereinfachten Verfahren nach § 495 a ZPO ohne mündliche Verhandlung für Recht erkannt:

1.   Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger Euro 64,93 nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 12. März 2013 zu zahlen.
2.   Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten der Kanzlei … in Höhe von Euro 39,00 freizustellen.
3.   Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
4.   Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
5.   Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
6.   Die Berufung wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Auf die Abfassung eines Tatbestandes wird gemäß § 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO verzichtet.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist bis auf einen Teil der Nebenforderung begründet.

Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung restlicher Euro 64,93 aus §§ 7 Abs. 1 StVG, 823 Abs. 1, 249, 398 BGB, 115 Abs. 1 VVG.

Die Kosten eines Sachverständigengutachtens gehören zu den mit dem Schaden unmittelbar verbundenen und gem. § 249 BGB auszugleichenden Vermögensnachteilen, soweit die Begutachtung zur Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs erforderlich und zweckmäßig ist (BGH, NJW 2005, 356 unter II 5a; BGH, NJW-RR 1989, 953 unter B). Dabei kommt es darauf an, ob ein verständig und wirtschaftlich denkender Geschädigter nach seinen Erkenntnissen und Möglichkeiten die Einschaltung eines Sachverständigengutachtens für geboten erachten durfte (BGH, NJW 2005, 356). Dies ist dann anzunehmen, wenn der Geschädigte nicht allein in der Lage ist, seinen Schaden zu beziffern (OLG Jena, MDR 2008, 211). Dies ist hier der Fall. Am Fahrzeug der Zedentin entstanden laut dem Gutachten Reparaturkosten von rund Euro 10.000,00. Bereits nach der Höhe war es der Zedentin nicht zuzumuten, ihre Rechte ohne voriges Gutachten geltend zu machen, insbesondere da auf Grund der Höhe von mannigfaltigen und nicht unerheblichen Beschädigungen ausgegangen werden musste. Die Reparaturkosten bewegen sich evident außerhalb des sog. Bagatellrahmens (vgl. BGH DS 2012, 167).

Soweit die Einholung eines Sachverständigengutachtens dem Grunde nach erforderlich ist, gilt dies auch für die Höhe der Kosten (vgl. hierzu BGH DS 2012, 167 mit Anm. Imhof). Grundsätzlich muss der Schädiger bzw. dessen Versicherung auch überteuerte Gutachterkosten tragen. Etwas anderes kann im Hinblick auf § 249 BGB nur dann gelten, wenn sich die Kosten für den Geschädigten erkennbar in einem überhöhten Rahmen bewegt haben. Grundsätzlich ist der Schädiger nach § 249 BGB nur dazu verpflichtet, dasjenige zu ersetzen, was zur Restitution auch tatsächlich notwendig und
erforderlich ist. Der Geschädigte hat hierbei das Wirtschaftlichkeitsgebot zu wahren. Er ist danach gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen, sofern er die Höhe der für die Schadensbeseitigung aufzuwendenden Kosten beeinflussen kann. Dabei ist bei der Beurteilung, welcher Herstellungsaufwand erforderlich ist, auch Rücksicht auf die spezielle Situation des Geschädigten, insbesondere auf seine individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie auf die möglicherweise gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten zu nehmen (vgl. BGH NJW 1992, 302; NJW2005, 1108; NJW2005, 3134). Zu beachten ist, dass dem Einzelnen in der Regel ein Überblick über die Preise von Leistungen eines Sachverständigen fehlt. Anders als bei bekannteren Dienstleistungen wie bspw. der Anmietung eines Ersatzwagens fehlt dem Geschädigten in aller Regel ein Maßstab für die veranschlagten Kosten durch den Sachverständigen. Zu Markterkundigungen ist er jedoch nicht gehalten (vgl. BGH NZV 2007, 455). Diese würden ohnehin nur äußerst schwerlich zu einem vergleichbaren Maßstab führen, da gerade in Bezug auf die Qualität und den Leistungsumfang Unterschiede zwischen den einzelnen Sachverständigen gegeben sind.

Anders als die Beklagte meint, führt diese Rechtsprechung nicht dazu, dass ein Freifahrtschein für Sachverständige ausgestellt würde, wonach diese nach freiem Belieben ihre Preise festsetzen könnten. Eine Grenze ist nämlich auch für den marktunerfahrenen Geschädigten dann erreicht, wenn dieser zur Preiserhöhung in entscheidenem Maße beigetragen; hat (bspw. durch Beauftragung eines ortsfernen Gutachters) oder sich die Preisüberhöhung ihm evident hätte ergeben müssen. Keiner dieser Fälle ist hier gegeben. Die Geschädigte hat ihren Wohnsitz in Hochheim, eine Beauftragung eines Wiesbadener Sachverständigen war insoweit unschädlich. Auch eine Überhöhung, die sich der Zedentin unweigerlich hätte aufdrängen müssen, ist hier nicht ersichtlich. Im vorliegenden Fall betrugen die in Rechnung gestellten Euro 544,71 gerade einmal 5,5 Prozent der veranschlagten Reparaturkosten. Zudem kürzte die Beklagte den ausgezahlten Betrag um gerade einmal zwölf Prozent des veranschlagten Honorars. Dem unerfahrenen Kunden ergibt sich in diesem Prozentbereich in der Regel nicht ohne Weiteres, ob der geforderte Betrag um diesen Satz zu hoch ist oder nicht. Schließlich bewegt sich der geforderte Betrag im Honorarkorridor der BVSK-Honorarbefragung 2011. Auch im Hinblick auf die geforderten Nebenkosten (Telefon, Bilder etc.) ergibt sich nichts anderes. Soweit die Beklagte bestreitet, dass die geforderten Fahrtkosten angefallen seien, dringt sie damit nicht durch: Eine Kürzung dieses Postens kommt nach Ansicht der erkennenden Gerichtes nur dann in Betracht, wenn die Zedentin hätte erkennen müssen, dass dieser Kostenpunkt nicht gerechtfertigt gewesen wäre. Hierfür ist jedoch nichts ersichtlich.

Es kommt in diesem Zusammenhang auch nicht auf die Einholung eines Sachverständigengutachtens darüber an, ob die veranschlagten Kosten ortsüblich oder angemessen sind. Der Beklagten ist zwar zuzugestehen, dass ein Werklohn immer im angemessenen Verhältnis zur erbrachten Leistung zu stehenden hat, wobei die Ortsüblichkeit eine entscheidende Rolle einnimmt, vgl. § 632 Abs. 2 BGB. Gleichwohl kommt es hierauf in dem hier zu entscheidenden Verhältnis nicht an. Wenn man den Geschädigten nämlich auf die Ortsüblichkeit verweisen würde, würde man diesem zumindest mittelbar eine Markterkundigung auferlegen, die er jedoch nicht vornehmen muss. Würde man auch im Rahmen des § 249 BGB auf die Ortsüblichkeit abstellen, müsste sich der Geschädigte vor der Wahl eines Sachverständigen verschiedene Angebote einholen, um so ermitteln zu können, ob sich das von ihm favorisierte Angebot im Rahmen der örtlichen Konkurrenz bewegt. Im Rahmen des § 249 BGB ist jedoch allein die individuelle Erkenntnis- und Einsichtsmöglichkeit des Einzelnen entscheidend (vgl. oben).

Daran ändert auch nichts, dass hier der Sachverständige nach § 398 BGB selbst die Honorarkosten geltend macht. Einerseits bleibt die Forderung durch die Abtretung inhaltlich identisch (vgl. BeckOK-Rohe, § 398, Rn. 60). Andererseits wurde hier die Forderung zur Sicherheit von der Geschädigten an den Kläger abgetreten. Soweit der Kläger im Prozess unterliegt, besteht für die Geschädigte die Gefahr, von diesem im Innenverhältnis in Anspruch genommen zu werden. In diesem Zusammenhang ist mithin im Rahmen des § 249 BGB auf den Erkenntnishorizont der Geschädigten abzustellen.

Der Anspruch auf Freistellung von außergerichtlichen Anwaltskosten besteht unter dem Gesichtspunkt des Verzuges §§ 280, 286, 249, 257 BGB. Mit Schreiben vom 24. Januar 2013 (vgl. Bl. 11 d.A.) lehnte die Beklagte eine weitergehende Zahlung ab, § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB. Nach Eintritt des Verzuges wurden die jetzigen Prozessbevollmächtigten des Klägers tätig und mahnten den offenen Betrag außergerichtlich mit Schreiben vom 28. Februar 2013 an. Zuzusprechen war jedoch nur eine 1,3-fache Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 W RVG. Die Sache war hier weder überdurchschnittlich umfangreich noch entsprechend anspruchsvoll. Die Überschreitung der Gebühr lässt sich auch nicht mit der sogenannten Toleranzrechtsprechung begründen. Eine solche Rechtsprechung gibt es nicht. Dies verstieße sowohl gegen den Wortlaut als auch gegen den Sinn und
„Zweck des gesetzlichen Gebührentatbestandes in Nummer 2300 der Anlage zum RVG (BGH, Urteil vom 11.07.2012, AZ: VIII ZR 323/11). Hierauf musste das Gericht nicht hinweisen, § 139 Abs. 2 ZPO. Neben der Geschäftsgebühr war schließlich auch die Pauschale nach Nr. 7002 W RVG zuzusprechen.

Der Anspruch auf Zinsen beruht unter dem Gesichtspunkt des Verzuges nach §§ 280, 286 Abs. 1., 288 BGB, nachdem die bis zum 11. März 2013 gesetzte Zahlungsfrist fruchtlos verstrichen ist.

Die Berufung war nicht zuzulassen. Es liegt kein Fall des § 511 Abs. 4 ZPO vor. Weder liegt hier eine Rechtssache von grundsätzlicher Bedeutung vor, noch ist die Berufung für die Fortbildung: des Rechts oder der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nötig. Der Bundesgerichtshof hat sich bereits in mehreren Entscheidungen zur Frage der Erforderlichkeit von Sachverständigenkosten geäußert. Das erkennende Gericht weicht mit seiner Rechtsprechung weder von der Rechtsauffassung des Bundesgerichtshofes ab, noch liegt auf Grund der Rechtsprechungslinie des Bundesgerichtshofes eine unklare Rechtslage vor.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 2, 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO. Insoweit war der Kläger nur zu einem geringen Teil einer Nebenforderung unterlegen.

Dr. D. ,                                                                                                   Ausgefertigt
Richter                                                                                                  Wiesbaden, 8. Januar 2014

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