AG Fürstenwalde urteilt im Sachverständigenverfahren zu Gunsten des Versicherungsnehmers, der bei durch Versicherung blockiertem Verfahren einen weiteren Sachverständigen benennt, der das Verfahren zu Ende führt, mit Urteil vom 23.7.2014 – 26 C 340/13 -.

Hallo verehrte Captain-Huk-Leserinnen und -Leser,

jetzt kurz nach Weihnachten veröffentlichen wir für Euch ein weiteres aktuelles Urteil zum Sachverständigenverfahren. Nach Angaben des Einsenders, eines anerkannten Kfz-Sachverständigen aus Brandenburg, hat in diesem Fall die Concordia Versicherung versucht, das Sachverständigenverfahren hier komplett zu blockieren. Wegen der Regelungen in den AKB konnte dies jedoch kurzfristig und erfolgreich mit einem weiteren, durch den Versicherungsnehmer benannten Ausschussmitglied, zu Ende geführt werden. Auch danach blieb die besagte Versicherung bei ihrer kompletten Verweigerungshaltung und musste – wie so oft – erst zur Bezahlung durch das örtlich zuständige Amtsgericht Fürstenwalde verurteilt werden. Interessant ist in der Urteilsbegründung auch, dass das Gutachten, das der Sachverständige des Verscherungsnehmers zur Verfahrenseinleitung fertigen musste, ebenfalls voll in die Kostentragungspflicht der Versicherung fiel. Wenn die Versicherung im Sachverständigenverfahren den Verfahrensfortgang blockiert, kann dies dennoch mit einem weiteren Sachverständigen, den der Versicherungsnehmer benennt, zu Ende geführt werden und die Versicherung muss auch dessen Kosten tragen, so könnte das nachfolgend veröffentlichte Urteil überschrieben werden. Lest selbst und gebt bitte Eure Kommentare ab.

Viele Grüße und noch schöne Tage bis zum Jahreswechsel
Willi Wacker

Az.:    26 C 340/13

Amtsgericht Fürstenwalde/Spree

Im Namen des Volkes

Urteil

In dem Rechtsstreit

– Kläger –

gegen

Concordia Versicherungsgesellschaft a. G., vertreten durch den Vorstand, Karl-Wiechert-Allee 55, 30625 Hannover

– Beklagte –

hat das Amtsgericht Fürstenwalde/Spree durch den Richter am Amtsgericht S. auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 23.07.2014 für Recht erkannt:

1.         Die Beklagte wird verurteilt,  an den Kläger 798,11 € nebst Zinsen in Hohe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 17.10.2013 zu zahlen.

2.         Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von den Kosten des Sachverständigen A. , in Höhe von 373,18 € freizustellen.

3.         Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von den Kosten des Sachverständigen Q. , in Höhe von 560,09 € freizustellen.

4.         Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

5.         Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.

6.         Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Streitwert: 1.731,38 €

Tatbestand:

Die Parteien streiten um restliche Forderungen des Klägers aus einem Versicherungsfall in der Kaskoversicherung. Der Kläger hatte sein Fahrzeug Mitsubishi Colt mit dem amtlichen Kennzeichen … bei der Beklagten kaskoversichert. Am 08.08.2013 erlitt das Fahrzeug einen Hagelschaden. Die Beklagte ermittelte über den Sachverständigen S. die Schadenshöhe mit 1,418,57 € netto und zahlte unter Abzug der vertraglichen Selbstbeteiligung von 150,00 € an den Kläger 1.289,57 €. Der Kläger, der zunächst einen Kostanvoranschlag über die Reparaturkosten in Höhe von 1.448,27 € netto bei der Beklagten eingereicht hatte, zweifelte nunmehr die Schadenshöhe an und beauftragte er im Auftrage des Klägers den Sachverständigen Q. mit der Prüfung der Schadenshöhe und erforderlichenfalls mit der Einleitung des Sachverständigenverfahrens. Der Sachverständige Q. ermittelte mit Gutachten vom 30.03.2013 die Schadenshöhe auf 2.237,66 € netto und forderte die Beklagte mit Schreiben vorn 04.09.2013 auf, ihr Ausschussmltglied für das Sachverständigenverfahren zu benennen. Für den Fall der nicht rechtzeitigen Benennung benannte er den Sachverständigen A. als zweites Ausschussmitglied. Wegen der Einzelheiten des Schreibens vom 04.09.2013 wird auf Blatt 16 der Akte verwiesen. Daneben forderte der Kläger die Beklagte mit Anwaltsschrelben vom 10.09.2013 zur Zahlung der sich aus dem Gutachten des Sachverständigen Q. ergebenden restlichen Reparaturkosten auf. Die Beklagte verwies mit Schreiben vom 12.09.2013 auf das angebliche Fehlen von Meinungsverschiedenheiten zur Schadenshöhe, verlangte für den Fall einer Schadenserweiterung eine Nachbesichtigung und benannte „vorsorglich für den Fall, dass eine gerichtliche Überprüfung ergeben sollte, dass ein Sachverstandigenverfahren gleichwohl durchzufuhren ist“, den Sachverständigen S. als Ausschussmitglied. In der Folge traten die Sachverständigen Q. und A. am 07.10.2013 als Sachverständigenausschuss zusammen und bezifferten mit Protokoll vom 07.10.2013 die erforderlichen Reparaturkosten auf 2.237,68 € netto. Wegen der Einzelheiten des Protokolls wird auf Blatt 22 der Akte verwiesen. Die Beklagte lehnte die Zahlung der weiteren Reparaturkosten ebenso wie die Erstattung der Sachverständigenkosten ab.

Der Kläger hält das Ergebnis des Sachverständigenverfahrens für verbindlich, insbesondere da die Beklagte ihr Ausschussmitglied nicht rechtzeitig benannt habe. Auch die Kosten des Sachverständigen Q. für sein Gutachten zur Höhe der Reparaturkosten seien erstattüngsfähig.

Der Kläger beantragt,

1.        die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 798,11 € nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 17.10.2013 zu zahlen.

2.         die Beklagte zu verurteilen, an den Sachverständigen A. , 373,18 € zu zahlen, hilfsweise den Kläger von diesen Kosten gegenüber dem Sachverständigen freizustellen.

3.         die Beklagte zu verurteilen, an den Sachverständigen Q. , 560,09 € zu zahlen, hilfsweise den Kläger von diesen Kosten gegenüber dem Sachverständigen freizustellen.

Die Beklagte beantragt,

Die Klage abzuweisen.

Sie hält die Voraussetzungen für die Durchführung eines Sachverständigenverfahrens nicht für gegeben, insbesondere well es keine Meinungsverschiedenheit zur Schadenshöhe gegeben habe. Bei Einschaltung des Sachverständigen Q. sei der Schadensfall bereits reguliert gewesen. Der Sachverständige Q. habe zudem weitere Beschädigungen am Fahrzeug aufgelistet, die nicht Grundlage der Regulierung gewesen seien. Das Sachverständigenverfahren sei nicht erforderlich gewesen und sei im übrigen nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden. Die Kosten des Sachverständigen Q. seien auch nicht Kosten des Sachverständigenverfahrens.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Terminsprotokoll vom 23.07.2014 verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist im wesentlichen auch begründet. Hinsichtlich der im Wege der gewillkürten Prozessstandschaft verfolgten Zahlungsansprüche an die Sachverständigen Q. und A. ist die Klage zum Teil unbegründet.

Der Kläger hat gegen die Beklagte Anspruch auf Erstattung der geltend gemachten restlichen Reparaturkosten, wie sie von den Sachverständigen Q. und A. am 07.10.2013 ermittelt und von der Beklagten bislang noch nicht bezahlt worden sind (§ 1 VVG, Ziffer A. 2. 1, A. 2.3., A. 2. 7., A. 2. 17 AKB). Über den Eintritt des Versicherungsfalls zwischen den Parteien besteht kein Streit.

Die Beklagte muss sich  am  Ergebnis des Sachverständigenverfahrens zur Schadenshöhe festhalten lassen (Ziffer A. 2. 17 AKB). Ein Sachverständigenverfahren war durchzuführen, weil eine Meinungsverschiedenheit zur Schadenshöhe vorlag. Eine solche Meingungsverschiedenheit liegt auch vor, wenn Streit über das Vorliegen von einzelnen Beschädigungen am Fahrzeug besteht, denn solche Fragen sind ebenso wie Fragen zur Kausalität oder Umfang der erforderlichen Reparaturkosten einer technischen Beurteilung durch Sachverständige zugänglich und damit selbstverständlich auch dem Streit über die Schadenshöhe zuzuordnen. An einer Meinungsverschiedenheit fehlte es auch nicht deshalb, weil die Beklagte nach Vorlage eines Kostenvoranschlages durch den Kläger die Reparaturkosten selbst überprüft und reguliert hatte, ehe der Sachverständige Q. durch den Kläger eingeschaltet wurde. Denn es liegt nicht in der Kompetenz des Versicherers festzulegen, wann ein Versicherungsfali vollständig reguliert und abgeschlossen ist. Auch der Versicherungsnehmer darf die Ragulierungsentscheidung des Versicherers selbstverständlich überprüfen. Wenn sich hierbei möglicherweise noch weitere, zuvor nicht festgestellte Schäden ergeben, ist deren Regulierung nicht etwa ausgeschlossen. So war es auch vorliegend, als der Sachverständige Q. mit Gutachten vom 30.08.2013 weitere Fahrzeugschäden feststellte und die Reparaturkosten höher als bisher kalkulierte. Für ein Sachverständigenverfahren ist nur dann kein Raum mehr, wenn der Versicherungsnehmer die Regulierung des Versicherers vorbehaltlos entgegen genommen hatte (vgl. Prölls/Martin, Varsicherungsrecht, § 84 VVG, Rz. 9). Davon kann vorliegend    anhand des Regulierungsschreibens der Beklagten vom 21.08.2013, dem Auftrag an den Sachverständigen Q. vom 23.08.2013 und dem Aufforderungsschreiben des Sachverständigen vom 04.09.2013 aber nicht ausgegangen werden. Das Sachverständigenverfahren ist vorliegend auch ordnungsgemäß durchgeführt worden. Der Kläger hatte durch Auftrag vom 23.08.2013 (Bl. 12 d. A.) dem Sachverständigen Q. mit der Einleitung des Sachverständigenverfahrens beauftragt und bereits für den Fall des fruchtlosen Fristablaufs im Sachverständigenverfahren den Sachverständigen A. als weiteres Ausschussmitglied benannt. Die Beklagte hingegen benannte innerhalb der Frist gemäß Ziffer A. 2. 17. 2 AKB kein eigenes Ausschussmitglied, so dass der Sachverständigenausschuss mit den Sachverständigen Q. und A. ordnungsgemäß besetzt war und am 07.10.2013 zusammentreten durfte. Soweit die Beklagte mit Schreiben an den  Kläger bzw. dessen  Prozessbevollmächtigten vom  12.09.2013 den Sachverständigen S. „vorsorglich für den Fall, dass eine gerichtliche Überprüfung ergeben sollte, dass ein Sachverständigenverfahren gleichwohl durchzuführen ist“ benannt hatte, war diese Benennung unwirksam, da unter einer unzulässigen aufschiebenden Bedingung stehend. Das Schiedsgutachterverfahren nach Ziffer A. 2, 17 AKB soll gerade gerichtliche Auseinandersetzungen zur Schadenshöhe vermeiden und eine zeitnahe Schadensregulierung ermöglichen. Dem läuft die von der Beklagten formulierte Bedingung, dass erst für den Fall, dass ein gerichtliches Verfahren zu dem  Ergebnis kommt,  dass die Voraussetzungen für ein Sachverständigenverfahren vorliegen, ein Sachverständiger benannt werde, diametral entgegen und würde die Durchführung eines Sachverständigenverfahrens ohne vorherigen Rechtsstreit unmöglich machen. Eine solche unzulässige aufschiebende Bedingung führt aber zur Unwirksamkeit der Sachverständigenbenennung insgesamt, wie dies auch bei Rechtsgeschäften mit   unmöglichen oder nichtigen aufschiebenden Bedingungen eintritt. Nachdem der Sachverständigenausschuss die erforderlichen Reparaturkosten auf netto 2.237,68 € bestimmt, die Beklagte bereits 1.289,57 € reguliert hatte, bleibt Sie unter Abzug der Selbstbeteiligung von 150,00 € noch zur restlichen Zahlung in Höhe von 798,11 € (2.237,68 € minus 150,00 € minus 1.289,57 €) verpflichtet. Verzugszinsen hieraus sind gemäß §§ 286, 288 BGB in gesetzlicher Hohe zu entrichten.

Die Beklagte ust auch nicht etwa von der Leistungspflicht frei, weil der Kläger seine Obliegenheiten aus dem Versicherungsvertrag verletzt hätte. Dies würde voraussetzen, dass der Kläger trotz eigener Kenntnis von Umständen zum Schadensumfang der Beklagten keine Mitteilung hiervon gemacht hätte. Bereits daran fehlt es vorliegend, da selbst nach dem Vorbringen der Beklagten erst das Gutachten des Sachverständigen Q. vom 30.08.2013 sich zu weiteren Beschädigungen am Fahrzeug verhielt. Das diese dem Kläger schon vorher bekannt gewesen seien, behauptet selbst die Beklagte nicht.

Daneben schuldet die Beklagte auch die Erstattung der Kosten des Sachverständienverfahrens gamäß Ziffer A, 2. 17, 4 AKB in geltend gemachter Höhe. Allerdings schuldet die Beklagte insoweit nur die mit den Hilfsanträgen verfolgte Freistellung des Klägers von den Forderungen der Sachverständigen A. und Q. , weil der Kläger keinen eigenen Anspruch auf Zahlung an die Sachverständigen hat und auch zum Vorliegen eines rechtlichen Eingeninteresses an der Geltendmachung eines fremden Rechts im eigenen Namen nichts vorgetragen hat. Zu den Kosten des Sachverständigenverfahrens gehören im vorliegenden Fall auch die Kosten für die Einholung des Gutachtens des Sachverständigen Q. vom 30.08.2013 vor Einleitung des Sachverständigenverfahrens. Insoweit gilt nichts anderes, als bei dem durch das Landgericht Frankfurt (Oder) 2012 entschiedenen Fall, wonach der Versicherungsnehmer jedenfalls bei verfahrensökonomischem Verhalten durch Verwendung des Gutachtens vor Einleitung des Sachverständigenverfahrens auch im Sachverständigenverfahren selbst diese Kosten als Kosten des Sachverständigenverfahrens erstattet verlangen kann (vgl. LG Frankfürt (Oder), NJW – RR 2013, S, 603).

Die prozessualen Nebenentscheidungen gründen auf §§ 92 Abs, 2 und 709 ZPO.

Urteilsliste “SV-Honorar” zum Download >>>>>

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  1. betroffener Versicherungsmakler sagt:

    1.zunächst einen Kostenvoranschlag über die Reparaturkosten in Höhe von 1.448,27 €
    2.Die Beklagte ermittelte über den Sachverständigen S. die Schadenshöhe mit 1,418,57 €
    3. Der Sachverständige Q. ermittelte mit Gutachten vom 30.03.2013 die Schadenshöhe auf 2.237,66 €
    Also muß im Kaskofall der Versicherungssachverständige (S) den Schaden nicht selbst ermitteln (Betrugsversuch ?), sondern nur den Kostenvoranschlag prüfen und auch noch etwas kürzen, obwohl die Werkstatt offensichtlich hier schon einen Teil der Hagelschäden übersehen hatte ! Erst wenn dann einer von mehr als 10 000 mal ausnahmsweise damit nicht einverstanden ist, wird ihm nach erfolgter Klage zur Frage, ob überhaupt eine Meinungsverschiedenheit besteht, das (ohnehin schwer zu führende) vertragliche Sachverständigenverfahren überhaupt erst in Aussicht gestellt.
    Deutschland wie weit bist du und Deine Versicherungen runter gekommen, das es sogar den Kommentatoren hier vollständig die Sprache dazu verschlagen hat. Ob es nach diesem Urteil wenigstens 2015 wieder bergauf geht, ist daher dennoch äußerst fraglich.

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