Hallo verehrte Captain-Huk-Leserinnen und -Leser,
nachfolgend veröffentlichen wir hier ein prima Urteil aus Freising zu den Sachverständigenkosten. Geklagt hatte der Geschädigte gegen die VHV Versicherung. Dabei richtete sich der Kläger nach dem Grundsatzurteil des BGH vom 11.2.2014 – VI ZR 225/13 -, das leider in der Urteilsbegründung nicht erwähnt wird. Aber die Amtsrichterin führt zu Recht aus, dass das von der Beklagten angeführte BGH-Urteil VI ZR 357/13 auf den zu entscheidenden Fall nicht anwendbar ist. In dem Fall BGH VI ZR 357/13 ging es nämlich um restlichen Schadensersatz aus abgetretenem Recht, das der Sachverständige gegen den Schädiger geltend macht, wobei der Annahme der Abtretung eine Abtretung an Erfüllungs statt zugrunde lag. Die erkennende Amtsrichterin macht hier alles richtig, tritt dabei kräftig dem JVEG ans Schienbein und verweist am Ende auf den Forderungsausgleich. Sie ist damit eine der wenigen, die noch den vollen Durchblick hat und offensichtlich weiß, was Recht ist. Lest bitte selbst das Urteil und gebt Eure Kommentare ab.
Viele Grüße und ein schönes Wochenende.
Willi Wacker
Amtsgericht Freising
Az.: 7 C 1370/14
IM NAMEN DES VOLKES
In dem Rechtsstreit
…
– Kläger –
gegen
VHV Allgemeine Versicherung AG, vertreten durch d. Vorstand, Constantinstraße 40, 30177 Hannover
– Beklagte –
wegen Schadensersatz
erlässt das Amtsgericht Freising durch die Richterin am Amtsgericht G. am 21.01.2015 ohne mündliche Verhandlung gemäß § 495a ZPO folgendes
Endurteil
I. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klagepartei 424,94 € nebst Zinsen hieraus in Hohe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18.02.2014 zu bezahlen.
II. Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 424,94 € festgesetzt.
Von der Abfassung eines Tatbestands wird gemäß § 313 a Abs. 1 ZPO abgesehen
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist vollumfänglich begründet.
Der Kläger kann von der Beklagten weiteren Schadensersatz in Höhe von 424,94 € beanspruchen. Gemäß § 249 Abs. 2 BGB kann bei Beschädigung einer Sache statt der Herstellung der dazu erforderliche Geldbetrag ersetzt verlangt werden. Die Haftung dem Grunde nach ist unstreitig. Die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Schadensfeststellung war in Anbetracht der Höhe des festgestellten Schadens auch erforderlich. Das heißt, dass auch die Sachverständigenkosten prinzipiell von der Beklagten auszugleichen sind. Die Sachverständigenkosten werden in der Höhe als erforderlich angesehen, die der Geschädigte zum Zeitpunkt der Beauftragung für erforderlich halten durfte. Zur Marktforschung ist der Geschädigte nicht verpflichtet. Die zwischen dem Geschädigten und dem Sachverständigen vereinbarten bzw. vom Sachverständigen abgerechneten Honorarsätze stellen solange den erforderlichen Herstellungsaufwand gemäß § 249 Abs. 2 BGB dar, als sich für den Geschädigten nicht aufdrängt, dass einzige Positionen erkennbar überhöht abgerechnet werden. Dies ist vorliegend bei keiner der beanstandenden Positionen der Fall. Dass der Geschädigte einen Sachverständigen aus Zierndorf beauftragte, obwohl er selbst in Fürth wohnt, ist nicht zu beanstanden, da das Fahrzeug bei der Werkstatt in Zierndorf stand und deswegen auch nur Fahrtkosten für 1,5 km abgerechnet wurden. Die Kosten von 1,10 € je gefahrenen Kilometer sind ebenfalls nicht zu beanstanden. Es ist für den Geschädigten nicht erkennbar offensichtlich, dass dieser Betrag zu hoch ist. Der Hinweis der Beklagtenseite auf das JVEG verfängt insoweit nicht. Zum einen sind die Sätze des JVEG dem Geschädigten wohl kaum bekannt gewesen und zum anderen regelt das JVEG auch nur, welche Kosten im Rahmen von Gerichtsverfahren in welcher Höhe abgerechnet werden und welche nicht. Das Beträge, die darüber liegen, nicht mehr erforderlich und somit überhöht sein sollen, ergibt sich nicht. Für den Geschädigten musste sich auch nicht aufdrängen, dass die Abrechnung von Fahrtzeit neben Fahrtkosten gegebenenfalls unberechtigt ist. Auch die Kosten für die Lichtbilder, die Schreibkosten für den Vorabbericht an die Werkstatt für die Schreibarbeiten und das Büromaterial waren für den Geschädigten nicht offensichtlich überhöht. Für den Geschädigten musste sich auch nicht aufdrängen, dass zwar Lichtbildseiten für die Handakte für 5,20 € möglicherweise nicht erforderlich sind. Ob der Sachverständige berechtigterweise nach Lichtbildseiten abrechnen muss oder je Lichtbild abrechnen darf ist für den Geschädigten bei der ex-ante-Betrachtung nicht ersichtlich. Auch der Vorabbericht an die Werkstatt ist nicht per se offensichtlich unbegründeterweise abgerechnet worden. Von den meisten Gerichten wird die Fertigung eines Gutachtens im Original sowie die Übergabe einer Kopie für erforderlich und angemessen gehalten. Ob darüber hinaus weitere zwei Kopien vom Sachverständigen kostenpflichtig angefertigt werden dürfen oder nicht ist in den Instanzgerichten strittig und wird sehr unterschiedlich beurteilt. Jedenfalls musste sich auch hier für den Geschädigten nicht aufdrängen, dass diese Position gegebenenfalls zu unrecht abgerechnet wird. Der Schädiger bzw. die dahinter stehende Versicherung hat prinzipiell die Möglichkeit sich Rückforderungsansprüche des Geschädigten gegenüber dem Sachverständigen abtreten zu lassen und direkt gegen den Sachverständigen vorzugehen. Der Streit darüber, ob Fotokosten in einer Höhe von 2,45 €, 1,00 €, 0,55 € oder Ähnliches berechtigt sind oder nicht könne jedoch nicht auf dem Rücken des Geschädigten ausgetragen werden. Ebenso verhält es sich mit den anderen von der Beklagtenseite vorgebrachten Einwänden gegen die streitgegenständliche Abrechnung.
Das von der Beklagtenseite zitierte Urteil des BGH, Aktenzeichen VI ZR 357/13 erging dann auch in einem Rechtsstreit, den ein Sachverständiger gegen den Schädiger bzw. der dahinter stehenden Haftpflichtversicherung führte und ist bereits aus diesem Grund für den vorliegenden Fall nicht einschlägig. Der Beklagtenseite ist auch nicht zuzustimmen, wenn sie der Meinung ist, dass der Kläger lediglich einen Freistellungsanspruch hätte. Der Kläger hat gemäß § 249 Abs. 2 BGB einen Anspruch auf Entschädigung in Geld.
Die Beklagte befand sich mit der Zahlung auch seit 18.02.2014 in Verzug. Die Forderung war der Beklagten bereits am 13.01.2013 bekannt gegeben worden. Am 27.01.2014 rechnete die Beklagte ab und zahlte auf die Sachverständigenkosten 1.121,58 €. Im weiteren Schreiben vom 07.02.2014 wurde die Beklagte nochmals zur Zahlung der Sachverständigenkosten aufgefordert. Das Schreiben vom 07.02.2014 war somit nicht das erste Anforderungsschreiben mit Schadensbezifferung. Eine weitere Frist als zehn Tage war der Beklagten auch nicht mehr zuzubilligen, da die Beklagte bereits mit Schreiben vom 13.01.2013 zur Zahlung aufgefordert war und sich auch bereits Gedanken um ihre Ausgleichspflicht gemacht hat, was sich aus dem Schreiben vom 27.01.2014 ergibt. Der Anspruch auf Zahlung von Verzugszinsen ab 18.02.2014 ist also gemäß den §§ 288, 286 BGB begründet.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf den §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.