Hallo verehrte Captain-Huk-Leserinnen und -Leser,
nachfolgend veröffentlichen wir hier und heute noch ein brandaktuelles Urteil aus dem Saarland zu den Sachverständigenkosten gegen die HUK-COBURG. Diese Versicherung behauptet wieder einmal ins Blaue hinein und bestreitet alles. Doch der erkennende Amtsrichter hat die Schliche der HUK-COBURG und ihrer Anwälte erkannt und in diesem Urteil angesprochen, dass kein sachlich fundierter Vortrag der beklagten Versicherung zu der Erkennbarkeit der behaupteten Überhöhung vorgebracht wurde. Mithin war das Vorbringen der HUK-COBURG sogar im Saarland mit der nicht BGH-konformen Rechtsprechung des LG Saarbrücken unerheblich. Aus diesem Urteil ergibt sich allerdings, dass das Berufungsurteil des LG Saarbrücken nicht rechtkräftig ist. Daher ist die Rechtsprechung des LG Saarbrücken zu den Nebenkosten nach JVEG auch nicht rechtskräftig. Allerdings scheint es so, dass die Richter im Saarland aufgrund der nicht mit der BGH-Rechtsprechung konformen Rechtsprechung ihrer Berufungskammer offensichtlich etwas irritiert sind? Die Kritik dieses Amtsrichters an der Rechtsprechung der Freymann-Kammer hätte auch noch klarer ausfallen können. Auf jeden Fall ist dieses Urteil ein Beweis dafür, dass die nachgeordneten Amtrichter nicht unbedingt der Freymann-Rechtsprechung folgen. Eine bittere Niederlage für die HUK-COBURG. Lest selbst das aktuelle Urteil des AG Saarlouis und gebt bitte Eure Kommentare ab.
Viele Grüße
Willi Wacker
28 C 1790/14 (70)
Amtsgericht Saarlouis
Urteil
I m N a m e n d e s V o l k e s
In dem Rechtsstreit
…
Kläger
gegen
…
Beklagte
wegen Forderung
hat das Amtsgericht Saarlouis
durch den Richter am Amtsgericht S.
im vereinfachtem Verfahren gemäß § 495a ZPO
am 9.3.2015
für Recht erkannt:
1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 186,55 € zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 7.7.2011 zu zahlen.
2. Die Beklagten tragen als Gesamtschuldner die Kosten des Rechtstreits.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet.
Der Kläger kann von der gemäß § 115 VVG für die Unfallfolgen aus dem Unfallgeschehen vom 15.06.2011 in Saarlouis im vollem Umfang ausgleichspflichtigen Beklagten Erstattung restlicher Sachverständigenkosten in geltend gemachter Höhe von 186,55 € verlangen.
Die Kosten der Schadenfeststellung sind Teil des nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB zu ersetzenden Schadens, mithin auch die Kosten von Sachverständigengutachten, soweit diese zu einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig sind (BGH NJW 2007, 1450 =DS 2007, 144).
Allerdings kann der Geschädigte nur die Kosten erstattet verlangen, die vom Standpunkt eines verständigen, wirtschaftlich denkenden Menschen in der Lage des Geschädigten zur Behebung des Schadens zweckmäßig und angemessen erscheinen. Nur wenn die mit dem Sachverständigen vereinbarten oder von diesem berechneten Preise für den Geschädigten erkennbar erheblich über den üblichen Preisen liegen, sind sie nicht geeignet, den erforderlichen Aufwand abzubilden (BGH, VersR 2014, 1141, Landgericht Saarbrücken, Urteil vom 19.12.2014, 13 S 109/14).
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes genügt der Geschädigte seiner Darlegungslast regelmäßig durch Vorlage einer Rechnung des von ihm zur Schadensbeseitigung in Anspruch genommenen Sachverständigen. Die tatsächliche Rechnungshöhe bildet bei der Schadenschätzung nach § 287 ZPO ein wesentliches Indiz für die Bestimmung des zur Herstellung erforderlichen Betrages im Sinne von § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB, sofern diese nicht auch für den Geschädigten deutlich erkennbar erheblich über den üblichen Preisen liegt (BGH in Versicherungsrecht 2014, 474). Deshalb obliegt es dem Schädiger, Umstände vorzutragen, aus welchen sich ergibt, dass der vom Geschädigten ausgewählte Sachverständige Honorarsätze für seine Tätigkeit verlangt, welche die in der Branche üblichen Preise deutlich übersteigen und dies dem Geschädigten auch erkennbar war.
Nur wenn der Geschädigte erkennen kann, dass der von ihm ausgewählte Sachverständige die branchenüblichen Preise deutlich übersteigende Honorarsätze für seine Tätigkeit verlangt, gebietet es das schadenrechtliche Wirtschaftlichkeitsgebot, einen zur Verfügung stehenden günstigeren Sachverständigen zu beauftragen. Allein der Umstand, dass die vom Schadengutachter abgerechneten Kosten die aus der BVSK-Honorarbefragung ersichtlichen Höchstsätze überschreiten, führt aber weder dazu, dass die geltend gemachten Kosten von vornherein aus dem Rahmen des nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB für die Schadenbehebung erforderlichen Geldbetrages fallen, noch rechtfertigt sich daraus die Annahme eines Verstoßes des Geschädigten gegen seine Pflicht zur Schadenminderung nach § 254 Abs. 2 Satz 1 Alt 2 BGB (BGH Versicherungsrecht 2014, 474).
Unter Anwendung dieser Rechtsgrundsätze ist – ebenso wie in einem anderen zwischen den Parteien geführten Rechtsstreit 28 C 1284/14 Amtsgerichts Saarlouis – auch vorliegend festzustellen, dass die Beklagte nicht ausreichend darlegt, weshalb die Geschädigte nach ihren subjektiven Erkenntnismöglichkeiten die Rechnung des Sachverständigen … vom 22.6.2011 als unbillig oder jedenfalls erkennbar wesentlich überhöht ansehen musste.
Nach der schadenrechtlich gebotenen subjektbezogenen Betrachtungsweise wären hierzu Ausführungen erforderlich gewesen, weshalb der Geschädigten gerade als Laie die Überhöhung zwingend hätte auffallen müssen und der Sachverständige vorliegend im Vergleich zu einem repräsentativen Durchschnitt der Kfz .Gutachter nicht nur wesentlich, sondern deutlich erkennbar erheblich über den üblichen Preisen abrechnet (BGH VI ZR 225/13 Rn. 8). Die Beklagte trägt hierzu lediglich pauschal vor, dass die Überhöhung „einem Laien auf Anhieb erkennbar“ sei.
Soweit die Beklagte die Vorlage der vertraglichen Vereinbarungen des Geschädigten mit dem Sachverständigen verlangt, wurde der Auftrag vom 16.6.2011 seitens des Klägers vollständig vorgelegt (33-38 GA).
Soweit die Beklagte – weitgehend formularmäßig – auch im vorliegenden Rechtsstreit weiterhin bestreitet, dass neben einem Grundhonorar Nebenkosten gesondert berechnet werden können, ist eine solche Berechnungsweise längstens höchstrichterlich (BGH VI ZR 357/13) als auch durch die saarländischen Gerichte ( Saarländisches Oberlandergericht, 4 U 61/13, 4 U 46/14, Landgericht Saarbrücken 13 S 109/14) anerkannt bzw. akzeptiert.
Einzelne angegriffenen Nebenkostenpositionen, wie etwa Fahrtkosten lassen sich, was die Entfernungsangaben anbelangt, aus der Honorarrechnung nachvollziehbar belegen. Die gesonderte Berechnung einer EDV-Abrufgebühr ist auch nach der Rechtsprechung des Landgerichts Saarbrücken berechtigt (Urteil vom 29. Dezember 2014, 13 S 109/14).
Soweit letztgenannte Entscheidung weiterhin ihrer bisherigen Rechtsprechung festhält, wonach der Geschädigte regelmäßig – nur – von der Erforderlichkeit des angefallenen Grundhonorars ausgehen kann, wenn es sich innerhalb des Honorarkorridors bewegt, in welchem nach der BVSK-Honorarbefragung je nach Schadenhöhe zwischen 50 und 60 % der befragten BVSK-Mitglieder ihr Honorar berechnen und liegt das Grundhonorar des Sachverständigen … vorliegend über diesem Höchstsatz. Ebenso hat das Landgericht in dieser Entscheidung bezüglich der konkret abgerechneten Nebenkostenpositionen eine Prüfung der Angemessenheit maßgeblich im Vergleich zum Justizvergütungs- und Entschädigungsgesetz (JVEG) vorgenommen und ist hiernach im zu entscheidenden Fall zu einer erkennbaren Überhöhung und einer Kürzung einzelner Kostenpositionen gekommen.
Diese Entscheidung ist nach Kenntnis des erkennenden Gerichtes noch nicht rechtskräftig geworden. Gegen dieseEntscheidung sind auch gewichtige Bedenken ausgeführt worden (vergleiche hierzu Amtsgerichte Saarlouis, Urteil vom 30. 01. 2015, 26 C 1583/14). Gerade auch im Hinblick auf unterschiedliche Entscheidungen unterinstanzlicher Saarländischer Gerichte (Amtsgericht Saarlouis aaO, Amtsgericht Saarlouis, Urteil vom 13.10.2013, 29 C 995/14, Amtsgericht Völklingen, Urteil vom 3.12.2014, 5 C 206/14), insbesondere auch des Landgerichts Saarbrücken einerseits und des Saarländischen Oberlandesgerichtes andererseits ( a.a.O.), vermag das erkennende Gericht jedenfalls zur Zeit nicht festzustellen, dass mit der Berechnung vorliegender Kostenpositionen für den Geschädigten eine erkennbare Überhöhung von Kosten einhergeht. Hier kann dem Kläger kein besserer Wissensstand und bessere Erkenntnismöglichkeiten unterstellt werden als den mit der Materie rechtlich befassten vorgenannten Entscheidungsträgern.
Die Berufung war nicht zuzulassen, da nicht dargelegt, zu welcher Rechtsfrage dies erfolgen soll. Zudem macht die Beklagte lediglich weitgehend „bausteinartige“ Ausführungen und lediglich hierbei insbesondere nicht dar ob sie sich bei dem aussergerichtlich regulierten Zahlbetrag bzw. deren Berechnung an die Rechtsprechung der zuständigen Berufungskammer orientierte, was allerdings offenbar nicht der Fall ist.
Der Zinsanspruch folgt aus §§ 288 Abs. 1, 286 BGB.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit findet ihre gesetzlichen Grundlagen in den §§ 708 Nummer 11, 713 ZPO.
„Hier kann dem Kläger kein besserer Wissensstand und bessere Erkenntnismöglichkeiten unterstellt werden als den mit der Materie rechtlich befassten vorgenannten Entscheidungsträgern.“
So ist es! Und genau aus diesem Grund ist es weder dem Schädiger noch dem Gericht zuzugestehen, zum Schadensersatzanspruch eine Überprüfung des Sachverständigen-Honorars vorzunehmen.
Was mich an den Honorarkürzungen seitens der Versicherer insbesondere stört. Es wird seitens des Gutachters gewissenhaft gearbeitet. So gewissenhaft, dass die Kfz-Versicherer viel Geld für „Prüfberichte“ mit dem Ziel der Schadensersatzkürzung in die Hand nehmen müssen. Aus diesem Grund wird demselben Gutachter, wenn es um seine eigenen Belange geht, ungerechtfertigte Bereicherung unterstellt.
Das Risiko des tatsächlichen Unfallschadens ist zwar zu 100 % in die Versicherungsprämie einkalkuliert (sollte es zumindest), wird aber tatsächlich nur zu einem geringen Prozentsatz vom Versicherer getragen.
Womit wir es also zu tun haben, ist eine „Selbstbeteiligung“ des Geschädigten und/oder des Schädigers in der Kfz-Haftpflicht des Schädigers, ohne gesetzliche Grundlage.
Ich frage daher mal in die Runde, wer schreibt einen Aufsatz zum Thema:
„Selbstbeteiligung nach unverschuldetem Verkehrsunfall?“
oder
„Betrogene Verkehrsunfallopfer durch „unfallflüchtige“ Kfz-Versicherer?“
(Gliederung: Rechtsanspruch – Rechtsprechung – Praxis)
@ virus
„Selbstbeteiligung nach unverschuldetem Verkehrsunfall?“
Den Begriff der Selbstbeteiligung kennt in der Regel nur die Kaskoversicherung. Bei der kommt es aber auf den unverschuldeten Verkehrsunfall in der Regel nicht an, da der unverschuldete Verkehrsunfall grundsätzlich Thema der Haftpflichtversicherung ist.
Also, das Thema ist schon verkehrt.
Im Haftpflichtschadensrecht ist allenfalls eine Verletzung der Schadensgeringhaltungspflicht gem. § 254 II BGB denkbar, wenn das Unfallopfer Teile seines Schadens selbst tragen soll.
@ Willi Wacker says:
24. März 2015 at 18:16
“ Also, das Thema ist schon verkehrt. “
Hi Willi,
Du siehst nur streng nach juristischen Definitionen !
Werde etwas lockerer und sieh mal durch die Brille des normal denkenden Menschen.
Ist Dir nicht aufgefallen was in Anführungszeichen steht?
Hier ist doch klar ersichtlich, dass eine „vermeintliche Selbstbeteiligung“ welche es selbstverständlich im Haftpflichtfall nicht geben kann/darf, in der Form von rechtswidrigen Schadenkürzungen etabliert werden sollte. Ist das nicht eine „zynische Art der Selbstbeteiligung“ im Haftpflichtfall?
Ich würde so ein Aufsatzthema super finden, falls es jemand kapiert um was es eigentlich geht.