Sehr geehrte Leserinnen und Leser des Captain-Huk-Blogs,
heute geben wir Euch ein aktuelles Urteil des Amtsrichters der Zivilprozessabteilung 95 C des Amtsgerichts Lüdenscheid vom 23.3.2015 bekannt. Wieder war es die VHV Allg. Versicherung AG, die meinte, rechtswidrig die berechneten – und bezahlten – Sachverständigenkosten nach eigener Einschätzung kürzen zu können. Auch in diesem Fall hat die beklagte Kfz-Haftpflichtversicherung mit Sitz in Hannover die Rechnung ohne das erkennende Gericht gemacht. Da halfen auch nicht ellenlange Schriftsätze der Versicherungsanwälte. Zutreffend hat das Gericht auf die Grundsatzurteile des BGH in NJW 2007, 1450 (= BGH DS 2007, 144 m. Anm. Wortmann) und BGH NJW 2014, 1947 (= BGH DS 2014, 90) abgestellt. Lest selbst und gebt bitte Eure Kommentare ab.
Mit freundlichen Grüßen und schöne Ostertage
Willi Wacker
95 C 125/14
Amtsgericht Lüdenscheid
IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
In dem Rechtsstreit
des Herrn ….
– Klägers –
Prozessbevollmächtigte: RAe. B & F aus H.
g e g e n
die VHV Allgemeine Versicherung AG, vertr. d.d. Vorstand, Constantinstraße 90 in 30177 Hannover
– Beklagte –
Prozessbevollmächtigte: RAe. D. E. & P. aus H.
hat das Amtsgericht Lüdenscheid im schriftlichen Verfahren nach § 495a ZPO durch den Richter am Amtsgericht K. am 23.3.2015 für Recht erkannt:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 126,51 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30.10.2014 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand:
Von der Wiedergabe des Tarbestandes wird gemäß § 313a ZPO abgesehen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist im Wesentlichen begründet.
1. Die Beklagte ist dem Kläger nach den §§ 115 VVG, 7, 17 StVG zum Ersatz der von der Sachverständigen … berechneten und vom Kläger bezahlten Vergütung verpflichtet.
a) Bei Beschädigung einer Sache hat der Geschädigte gemäß § 249 II 1 BGB Anspruch auf den zur Herstellung erforderlichen Geldbetrag. Hieru zählen auch die Kosten eines von ihm beauftragten Sachverständigen, wenn er die Einschaltung eines Sachverständigen, was hier unstreitig der Fall war, für erforderlich halten durfte. Bei der Auswahl des Sachverständigen ist der Geschädigte grundsätzlich frei. Er ist berechtigt, einen qalifizierten Gutachter seiner Wahl zu beauftragen. Er ist nicht verpflichtet, den Markt zu erforschen, um einen für den Schädiger möglichst preisgünstigenSachverständigen ausfindig zu machen (BGH NJW 2007, 1450 unter 2 c Rd-Nr 16, Rd.-Nr. 17; BGH NJW 2014, 1947 Rd-Nr.7; BGH NJW 2014, 3151 unter Rd-Nr. 14). Die Sachverständige … ist eine solche qualifizierte Sachverständige.
b) Beauftragt der Geschädigte einen qualifizierten Gutachter, dann sind ihm die hierdurch entstehenden Kosten zu ersetzen. Vereinbart er mit dem Sachverständigen eine Vergütung, dann entspricht der zur Herstellung erforderliche Geldbetrag in der Regel dieser Vergütung. Vereinbart er – wie hier – keine Vergütung, dann ist der objektiv erforderliche Geldbetrag zu erstatten. Dabei ist nach der Rechtsprechung des BGH Rücksicht auf die spezielle Situation des Geschädigten zu nehmen. Hat der Geschädigte – wie hier – den Sachvrständigen bezahlt, dann entspricht der aufgewandte Betrag daher in der Regel dem erforderlichen Aufwand, es sei denn, der vom Sachverständigen berechnete Preis liegt für den Geschädigten erkennbar erheblich über den üblichen Preisen ( siehe: BGH NJW 2014, 3151, 3153 unter Rd-Nr. 16 und 17).
c) Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger eine etwaige erhebliche Überhöhung der von der Sachverständigen … geforderten Vergütung erkennen konnte, liegen nicht vor. Ebenso wenig wie der Geschädigte zur Markttforschung verpflichtet ist, kann von ihm erwartet werden, dass er sich dem Streit zwischen Sachverständigen und Versicherern um die übliche Vergütung und die Aussagekraft der BVSK-Honorarbefragungen befasst. Die Rechnung vom 14.10.2014 enthält keine Auffälligkeiten, die den Kläger von der Bezahlung hätten abhalten müssen. Alle Rechnungspositinen sind, für sich genommen, plausibel. Über die Frage, inwieweit gesondert geltend gemachte Positionen durch das „Grundhonorar“ abgegolten sind, braucht sich der Geschädigte keine Gedanken zu machen.
d) Ein Verstoß des Klägers gegen die Schadensminderungspflicht gem. § 254 II 1 BGB ist nicht ersichtlich.
Nach Abzug der von der Beklagten geleisteten Zahlung bleibt ein Restbetrag von 121,51 € (460,53 € – 339,02 €).
2. Im Rahmen ihrer Schadensersatzpflicht gem. § 249 II 1 BGB hat die Beklagte dem Kläger ferner eine Pauschale von weiteren 5,– € zu zahlen. Dass der Geschädigte kleinere unfallbedingte Schäden pauschalieren darf, ist zwischen den Parteien nicht umstritten und entspricht ständiger Rechtsprechung auch des Bundesgerichtshofs (Nachweise im Urteil des BGH vom 8.5.2012 – VI ZR 37/11 unter Rd-Nr. 11). Streitig ist nur ie Höhe. Diese unterliegt der Schätzung des Gerichts nach § 287 ZPO. Im Landgerichtbezirk Hagen, zu dem das Amtsgericht Lüdenscheid gehört, wird die Pauschale üblicherweise auf 25,– € geschätzt. Damit stehen noch 5,– € aus.
3. Die Forderung des Klägers in Höhe von damit insgesamt 126,51 € ist gemäß § 288 I BGB antragsgemäß zu verzinsen.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 II ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf den §§ 708 Nr. 11 und 713 ZPO.
5. Ein Grund für die Zulassung der Berufung nach § 511 IV ZPO besteht nicht.
Soweit das Urteil des Amtsrichters des AG Lüdenscheid. Gebt jetzt bitte Eure sachlichen Kommentare ab.
Konstantin Wecker hatte es uns eindringlich vorgesungen: „Dann steh auf und misch dich ein — sage NEIN!“
Gottfried Gänseklein