Hallo verehrte Captain-Huk-Leserinnen und -Leser,
heute geben wir Euch noch ein lesenswertes Urteil des AG Hohenstein-Ernstthal bekannt. Wie so oft ging es um restliche Sachverständigenkosten, die in diesem Fall die Allsecur Versicherung rechtswidrig gekürzt hatte. Da mittlerweile wohl alle Kfz-Haftpflichtversicherer die rechtswidrigen Kürzungen vornehmen, muss es eine entsprechende Absprache der Versicherer geben, denn dieses gleichförmige Kürzungsverhalten bei allen Versicherern ist kennzeichnend für ein abgesprochenes Verhalten. Insofern sollte tatsächlich die Kartellbehörde einmal tätig werden. Aber zurück zum Fall: Der (junge) Richter der 1. Zivilabteilung des AG Hohenstein-Ernstthal hat sich durch die Schriftsätze der beklagten Kfz-Haftpflichtversicherung nicht aus der Bahn bringen lassen und korrekt nach Recht und Gesetz entschieden. Wir meinen, dass es sich um eine super Entscheidung, in der die Grundsätze des Schadensersatzrechtes völlig korrekt umgesetzt wurden, handelt. Was meint Ihr? Gebt bitte Eure Stellungnahmen ab.
Viele Grüße
Willi Wacker
Amtsgericht
Hohenstein-Ernstthal
Zivilgericht
Aktenzeichen: 1 C 23/15
Verkündet am: 16.03.2015
IM NAMEN DES VOLKES
ENDURTEIL
In dem Rechtsstreit
…
– Kläger –
gegen
AllSecur Deutschland AG, Theodor-Stern-Kai 1, 60596 Frankfurt, vertreten durch den Vorstandsvorsitzenden Bernd Heinemann
– Beklagte –
wegen Schadensersatz
hat das Amtsgericht Hohenstein-Ernstthal durch Richter T.
auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 16.03.2015 am 16.03.2015
für Recht erkannt:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 101,98 Euro zzgl. Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 23.12.2014 sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren i.H.v. 70,20 Euro nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 13.01.2015 zu zahlen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteii ist vorläufig vollstreckbar.
4. Die Berufung wird nicht zugelassen.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf 101,98 EUR festgesetzt.
Tatbestand
Der Tatbestand entfällt gemäß § 313a ZPO.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist begründet. Der Kläger hat einen Anspruch auf Erstattung weiterer Sachverständigenkosten i.H.v. 101,98 Euro gemäß §§ 7 Abs. 1 StVG, 115 Abs. 1 VVG, 249ff BGB gegen die Beklagte. Die Sachverständigenkosten i.H.v. 781,47 Euro sind in voller Höhe erstattungsfähig.
Der Kläger klagt in zulässiger Weise aus abgetretenem Recht aufgrund der Abtretungsvereinbarung vom 07.11.2014 mit der Frau K. R. . Die Abtretung war auch wirksam. Ein wirksamer Abtretungsvertrag nach § 398 BGB setzt voraus, dass die abzutretende Forderung bestimmt oder zumindest bestimmbar ist. Dies ist hier der Fall gewesen. Da vorliegend kein Teil einer Forderungsmehrheit abgetreten wurde, war die Höhe und Reihenfolge der von der Abtretung erfassten Forderungen oder Teilforderungen auch nicht aufzuschlüsseln. Aus der Abtretung ist deutlich erkennbar, dass nur der Anspruch auf Erstattung der Sachverständigenkosten aus dem genannten Unfall abgetreten wurde. Es erfolgte gerade keine Abtretung der Ansprüche aus dem gesamten Unfall, mithin keine Abtretung einer Forderungsmehrheit.
Die Entscheidung des Rechtsstreits richtet sich deshalb ausschließlich danach, ob und in welchem Umfang die Zedentin /Geschädigte von der Beklagten Ersatz der ihm in Rechnung gestellten Gutachterkosten verlangen kann bzw. konnte. Die 100 %-ige Haftung der Beklagten dem Grunde nach für den durch den Verkehrsunfall vom 06.11.2014 verursachten Sachschaden ist unstreitig.
Gemäß § 249 Abs. 2 S. 1 BGB kann der Unfallgeschädigte als erforderlichen Herstellungsaufwand Ersatz derjenigen Gutachterkosten verlangen, die ein verständiger, wirtschaftlich und vernünftig denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten darf. Bei mehreren zur Verfügung stehenden Möglichkeiten zur Schadensbeseitigung ist der Geschädigte nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren von mehreren Möglichkeiten den wirtschaftlicheren Weg zur Schadensbehebung zu wählen. Er verstößt aber noch nicht allein deshalb gegen das Wirtschaftiichkeitsgebot, weil er einen Sachverständigen beauftragt, der teurer ist als andere Sachverständige. Ebenso wenig ist er ohne nähere Anhaltspunkte verpflichtet, die Rechnung des Sachverständigen kritisch zu prüfen (vgl. LG Stuttgart, Urteil vom 16. Juli 2014 – 13 S 54/14 -, Rn. 9, juris, AG Hohenstein-Ernstthal, Urteil vom 28. September 2012, Aktenzeichen 1 C 570/12).
Nach diesen Grundsätzen hatte die Geschädigte keine Veranlassung, die Rechnung des Klägers anzuzweifeln und zu kürzen. Die Rechnung des Klägers enthielt gerade keine Anhaltspunkte, um an der Angemessenheit zu zweifeln. Es ist nicht ersichtlich, dass die Geschädigte über ein spezielles Sonderwissen verfügte. Der Differenzbetrag aus dem tatsächlich abgerechneten Sachverständigenhonorar und der von der Beklagten erfolgten Zahlung beträgt lediglich 101,98 Euro und ist daher nach Ansicht des Gerichts als geringfügig anzusehen. Es bestanden somit für die Geschädigte keine Anhaltspunkte, die Rechnung des Klägers kritisch zu prüfen.
Darüber hinaus steht dem Kläger gegen die Beklagten als Gesamtschuldner ein Anspruch auf Erstattung seiner außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 70,20 Euro aus §§ 280, 286 zu. Dabei war der Berechnung für die 1,3fache Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 W RVG ein Streitwert von 101,98 Euro zugrunde zu legen. Hinzu tritt die Post- und Telekommunikationspauschale nach Nr. 7002 W RVG.
Der Zinsanspruch ergibt sich gem. §§ 286, 288 BGB.
Prozessuale Nebenentscheidung: §§ 91, 708 Zf. 11, 713, 511 IV ZPO.
Veranlassung, die Berufung zuzulassen, bestand nicht. Die Entscheidung erschöpft sich in einer Beurteilung der Umstände des Einzelfalles auf der Grundlage der höchstrichterlichen Rechtsprechung und ist einer Verallgemeinerung nicht zugänglich.
Verurteilen genügt,langatmige Entscheidungsgründe sind überflüssig, denn es ist ein nicht für möglich gehaltener Krieg entbrannt.
Hermann K.
Hi, Willi Wacker,
„Insofern sollte tatsächlich die Kartellbehörde einmal tätig werden.“
Ist ja richtig. Zuständig wären in erster Linie die Berufsverbände der Kfz.-Sachverständigen. Jedoch glaube ich nicht, dass beispielsweise der Herr RA Fuchs vom BVSK da den ersten Stein werfen wird. Er wird überhaupt keinen Stein werfen, denn als versicherungsnaher Berufsverband mit Großbüros seiner Mitglieder, die auch von ihrem Wohlverhalten gegenüber der Assekuranz leben und insoweit mehr oder weniger abhängig sind, muss man über eine solche Möglichkeit nicht weiter grübeln. DEKRA, SSH und car-€xpert kommen auch nicht dafür infrage. Der BVS hat ebenfalls kein Interesse und auch keine ausreichenden Kenntnisse. Bliebe last not least der VKS mit seinem in der Sache sehr engagiertem RA Präsidenten RA Lutz Imhof über. Aber der kann eine solche anspruchsvolle Aufgabenstellung auch nur dann erfolgreich angehen, wenn dies von den Verbandsmitgliedern mitgetragen und gefördert wird. Außerdem wird ein Fachmann in Kartellrechtsfragen benötigt. Aber da, wo noch nicht einmal geläutet wird, öffnet auch keiner die Tür und die Kartellbehörde wird auch nicht jeden Tag auf das Internetportal captain-huk.de schauen, um die Aufforderung zu einem Tätigwerden zu bekommen. Auch hier gilt wieder die bekannte Devise: Nicht reden, sondern handeln. Oder sind fast alle Kfz.-Sachverständigen schon so unter den Einfluss von Repressalien der Assekuranz geraten, dass sie sich einfach nicht mehr trauen ? Das wäre ein Alarmsignal und zwar auch für die Justiz. Ich weiß aus meiner persönlichen Recherche, dass midestens 70 % der Kfz.-Sachverständigen, die arglos von Gerichten zur Erstattung von Gutachten in Anspruch genommen werden mehr oder weniger auch für beklagte Versicherungen arbeiten, solche Abhängigkeiten aber im Vorfeld nicht hinterfragt bzw. bekannt werden und der Gedanke an einer Besorgnis der Befangenheit überhaupt nicht erst aufkommt.
Egbert S.
dieser Krieg dauert nun schon 20 Jahre und er wird den 30-jährigen Krieg noch überdauern.
Nur wer sich strategisch darauf einrichtet,der wird nicht verlieren!