Hallo, sehr geehrte Leserinnen und Leser des Captain-Huk-Blogs,
nachfolgend veröffentlichen wir für Euch hier und heute ein umfangreiches Urteil aus Landau in der Pfalz zu den restlichen Sachverständigenkosten gegen den VN der HUK-COBURG. Wieder war es diese in Coburg ansässige Kfz-Hafpflichtversicherung, die bei voller Haftung keinen vollen Schadensersatz geleistet hatte. Der das Schadensgutachten erstellende Sachverständige hatte bei kalkulierten Reparaturkossten von 8.308,25 € Sachverständigenkosten von 914,16 € berechnet. Bei dieser angemessenen Relation meinte die HUK-COBURG einen lächerlichen Betrag von 45,16 € kürzen zu müssen, obwohl nach der Rechtsprechung des BGH der Schädiger im Schadensersatzprozess nicht berechtigt ist, eine Preiskontrolle durchzuführen (BGH DS 2007, 144 = NJW 2007, 1450= VersR 2007, 560 = ZfS 2007, 507 ). Gleichwohl kürzt die HUK-COBURG von den berechneten 914,16 € 45,16 €. Als ob der Geschädigte diesen lächerlichen Betrag bei Erhalt der Rechnung als überteuert erkennen müsste? Sicherlich nein! Bei einer Schadenshöhe von über 8.300,– € erscheint ein Sachverständigenkostengesamtbetrag von 914,16 € als nicht zu beanstanden, und zwar auch aus der Sicht eines normalen, verständigen Geschädigten. Auf dessen Sicht kommt es an, und nicht auf die Sicht der regulierungspflichtigen HUK-COBURG, die meint, den von ihr zu erbringenden Schadensersatz aus einer selbst gefertigten Tabelle mit Namen Honorartableau festlegen zu können. Das hat das Gericht sauber herausgearbeitet und in einem – zugegebenermassen – umfangreichen Urteil festgehalten. Meiner Meinung nach handelt es sich hierbei um ein mustergültiges Urteil, bei dem § 249 BGB und seine Folgen strikt beachtet wurden. Was denkt Ihr? Gebt bitte Eure sachlichen Kommentare ab.
Viele Grüße
Willi Wacker
Aktenzeichen:
3 C 1445/14
Amtsgericht
Landau in der Pfalz
IM NAMEN DES VOLKES
Endurteil
(abgekürzt nach § 313a Abs. 1 ZPO)
In dem Rechtsstreit
…
– Klägerin –
gegen
… ( Versicherungsnehmer der HUK-COBURG )
wegen Schadensersatz
hat das Amtsgericht Landau in der Pfalz durch die Richterin P.-Kr. am 31.03.2015 auf Grund des Sachstands vom 31.03.2015 ohne mündliche Verhandlung gemäß § 495a ZPO für Recht erkannt:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 45,16 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 06.08.2014 zu bezahlen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Entscheidungsgründe
Gemäß § 495a ZPO bestimmt das Gericht das Verfahren nach billigem Ermessen. Innerhalb dieses Entscheidungsrahmens berücksichtigt das Gericht grundsätzlich den gesamten Akteninhalt.
Die Klage ist zulässig und begründet Der Klägerin steht ein Anspruch auf Zahlung weiterer 45,16 € aus §§ 7 Abs. 1, 17 Abs. 1, 18 Abs. 1 StVG i. V. m. § 249 BGB zu.
Die Einstandspflicht der Beklagten dem Grunde nach steht zwischen den Parteien außer Streit.
Unstreitig hat die Beklagte auch Schadensersatz für entstandene Sachverständigenkosten als diejenigen Kosten einer notwendigen Rechtsverfolgung im Sinne des § 249 BGB zu leisten. Vorgerichtlich wurden bereits 869,00 € durch die hinter der Beklagten stehende Haftpflichtversicherung HUK-Coburg gezahlt.
Gemäß § 249 BGB kann ein geschädigter Fahrzeugeigentümer vom Schädiger nur Ersatz derjenigen Sachverständigenkosten verlangen, die ein verständiger, wirtschaftlich vernünftig denkender Fahrzeugeigentümer in seiner Lage für zweckmäßig und notwendig halten durfte. Hierbei kann der Geschädigte auch Ausgleich der Kosten verlangen, die durch die erforderliche Beauftragung eines Sachverständigen zur Feststellung des Schadenshergangs, vor allem aber zur Schadenshöhe entstehen (vgl. BGH NJW 1974, 34). Die grundsätzliche Befugnis des Geschädigten, einen Sachverständigen zu beauftragen, steht zwischen den Parteien nicht in Streit, ein Bagatellschaden liegt nicht vor. Ohne Sachverständigenhilfe vermag der durch den Schädiger in diese Lage versetzte Geschädigte, nämlich die Voraussetzungen der vollständigen Restitution, in aller Regel nicht zu schaffen. Hierbei muss der Geschädigte auf dem Markt der Sachverständigen nicht nach dem besten oder preiswertesten forschen. Ihn trifft folglich keine Erkundigungsobliegenheit. Auch muss er vor Beauftragung eines Sachverständigen nicht mit dem Schädiger oder dessen Versicherer Rücksprache halten (vgl. Knorr in Geigel , Der Haftpflichtprozess, 26. Aufl. 2011, 3. Kapitel, RdNr. 118).
Die Klägerin konnte vorliegend bei der Institution des beauftragten Sachverständigen davon ausgehen, dass besondere Kenntnisse und Erfahrungen auf dem entsprechenden Sachgebiet vorhanden sind. Sie durfte als verständiger und wirtschaftlich denkender Mensch die Einschaltung des Sachverständigen nach seinen Erkenntnissen und Möglichkeiten und unter Abwägung gegen ihn zumutbare andere preiswertere Wege der Feststellung für geboten erachten (BGH VersR 2005, 380).
Die bezifferten Rechnungspositionen sind nicht.zu beanstanden, denn die vorgenommenen Kürzungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.
Zwar darf ein Geschädigter nicht auf Kosten des Schädigers jeden beliebigen Preis vereinbaren oder bezahlen. Jedoch können von dem Geschädigten keine Kenntnisse und Fähigkeiten erwartet werden bezüglich der Angemessenheit der Vergütung. Erst wenn für den Geschädigten sichtbar wird, dass der Sachverständige sein Honorar geradezu willkürlich festsetzt, Preis und Leistung also in einem auffälligen Missverhältnis zueinander stehen, kann ein Ausgleich gezahlter Aufwendungen oder Freistellung nicht mehr verlangt werden. Auch wenn dem Geschädigten ein Auswahlverschulden zur Last fällt oder er grobe und offensichtliche Unrichtigkeiten der Begutachtung oder der Vergütungsberechnung missachtet oder gar verursacht, ist ein Ausgleich nicht zu leisten (vgl. OLG Hamm, NZV 2001, 433). Danach sind aus den bereits genannten Gründen nun einmal auch objektiv überhöhte Rechnungen des Sachverständigen dem Geschädigten grundsätzlich zu erstatten (BGH a.a.O.). Dies gilt umso mehr, als dass der Sachverständige nicht Erfüllungsgehilfe des Geschädigten ist und ihm etwaige Fehler des Sachverständigen demzufolge nicht gemäß §§ 254 Abs. 2 Satz 2, 278 BGB zugerechnet werden können (vgl. OLG Naumburg a.a.O. und OLG Nürnberg a.a.O.).
Im Ergebnis wird der Geschädigte unter Zugrundelegung der o.g. Grundsätze daher nur in engen Ausnahmefällen tatsächlich das Risiko etwaiger überhöhter Rechnungen mit allen Konsequenzen zu tragen haben. Denn ein rechtlich relevantes und daher anspruchsminderndes Mitverschulden des Geschädigten, das ein solches Risiko zu begründen vermag, kann in diesem Fall allenfalls dann angenommen werden, wenn diesen ein Auswahlverschulden trifft, er mit dem Sachverständigen – im kollusiven Zusammenwirken – ein offensichtlich überhöhtes Honorar vereinbart hat, er offensichtliche Unrichtigkeiten der Begutachtung oder der Honorarberechnung missachtet oder ihm die Unangemessenheit der Vergütung bzw. ein offenkundiges Missverhältnis zwischen Preis und Leistung bzw. eine willkürliche Festsetzung des Honorars bei Auftragserteilung auch für ihn als Laien offensichtlich ins Auge hätte springen müssen (BVerfG, Beschl. v. 28.11.07, 1 BvR 1655/05, SP 2008, 162 f.; OLG Naumburg a.a.O.; OLG Düsseldorf, Urt. v. 16.06.08. 1-1 U 246/07, 1 U 246/07 – NJW Special 2008, 458 = SP 2008, 340 ff.; LG Saarbrücken, Urt. V. 10.02.11, 13 S 109/10, Bl. 58 ff. d.A. und LG Saabrücken, Urt. v. 21.02.08, 11 S 130/07 = SP 2003, 410 f.). Nur hierauf kann sich das dem Geschädigten verbleibende Risiko beziehen.
Eine solche Erkenntnismöglichkeit, die dem Geschädigten zum Nachteil gereichen kann, kann aber von einem Laien, regelmäßig nicht verlangt werden (LG Saarbrücken, Urt. v. 10.02.11, 13 S 109/10, Bl. 58 ff: d.A. und LG Saarbrücken Urt. v. 21.02.08, 11 S 130/07 = SP 2008, 410 f.). Weil es bei Sachverständigengutachten an einheitlichen Abrechnungsmodalitäten, geschweige denn an allgemein zugänglichen Preislisten, die einen Vergleich der anfallenden Kosten überhaupt ermöglichen würden, mithin an verbindlichen Richtgrößen für die Honorarbemessung fehlt, wird der Geschädigte in aller Regel auch von daher von der Erforderlichkeit der anfallenden Sachverständigenkosten ausgehen dürfen (LG Saarbrücken, a.a.O. m.w.N.), während Willkür des Sachverständigen und/oder ein kollusives Zusammenwirken des Geschädigten mit dem Sachverständigen zum Nachteil des Schädigers und des Haftpflichtversicherers eher eine statistische Randerscheinung sein dürfte, die vom Schädiger bzw. Haftpflichtversicherer zudem auch substantiiert darzulegen und nachzuweisen wäre.
Hinsichtlich der vorgenannten Punkte hat die Beklagte keine Einwendungen vorgebracht. Es gibt demnach keine Anhaltspunkte dafür, dass gravierende Mängel bezüglich der Sachverständigenkosten gegeben sind. Die von der Klägerin dargestellten Kosten bezüglich der Pauschale, der Schreibgebühren, Kopierkosten, Porto und Telefon sind ebenfalls ersetzbar. Der Geschädigte kann von dem Schädiger erst dann nicht mehr vollständigen Ausgleich gezahlter Aufwendungen verlangen, wenn für ihn erkennbar ist, dass der Sachverständige willkürlich abrechnet Hierzu hat die Beklagtenseite keinen Vortrag gebracht. Aus dem Gutachten vom 21.07.2014 ergibt sich auch, dass Begutachtungsort des unfallbeschädigten Fahrzeuges und Sitz des Sachverständigen ortsverschieden sind, so dass auch die Geltendmachung einer Fahrtkostenpauschale nicht zu beanstanden ist.
Die Sachverständigenkosten i.H.v. insgesamt 914,16 € brutto betragen im Verhältnis zum festgestellten Schaden i.H. der Reparaturkosten in Höhe von 8.308,25 € brutto gerade mal 11 %. Die Kosten stehen demnach schon von daher zum Schaden nicht erkennbar außer Verhältnis.
Die hinter der Beklagten stehende Haftpflichtversicherung hat bis auf die Klagesumme vollständig auf die Sachverständigenkosten bezahlt. In Streit stehen noch 45,16 €. Von einer eindeutig erkennbar überhöhten Forderung des Sachverständigen ist demnach gerade nicht auszugehen. Aber nur auf diese hinreichend eindeutige Erkennbarkeit der Überhöhung aus der ex-ante Sicht eines objektiven Dritten in der Rolle des Rechnungsempfängers als Laien kommt es vorliegend an.
Es spielt letztlich vorliegend auch keine Rolle, ob sich die Klägerin vor der Beauftragung des Sachverständigen überhaupt nicht erkundigt hat oder nur bei wenigen anderen Sachverständigen, insbesondere hätte der Geschädigte auch bei völlig unterbliebener vorheriger Erkundigung seine Schadensminderungspflicht nicht verletzt. Denn davon abgesehen, dass sich für einen großen Teil der Sachverständigen, wenn nicht sogar für den überwiegenden Teil derselben die Kosten der Begutachtung (jedenfalls die Höhe der Grundvergütung, die in aller Regel den Hauptanteil der Sachverständigenkosten ausmacht) doch gerade erst auf Grundlage der erst nach Begutachtung festgestellten Schadenshöhe beurteilen lassen, hat die Beklagte nicht dargelegt, zu welchem Ergebnis derartige Erkundigungen hätten führen können, insbesondere hat er auch nicht dargelegt, an welchen ortsnahen Sachverständigen der Geschädigte sich hätte wenden können, bei dem die Kosten niedriger ausgefallen wären und warum.
Da der geschädigte Zedent demnach mangels gegenteiliger Anhaltspunkte den Rahmen des zur Wiederherstellung Erforderliche i.S.d. § 249 BGB gewahrt hat, waren weder der Beklagte noch das Gericht berechtigt, eine Preiskontrolle durchzuführen, weshalb eine solche zu unterbleiben hat.
Demnach steht der Klägerin der mit dem Klageantrag geltend gemachte Anspruch in voller Höhe zu.
Der Zinsausspruch beruht auf §§ 280, 286, 288 BGB. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in den §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.