Mit Datum vom 09.05.2015 (32 C 783/14) hat das AG Neumünster den bei der ADAC Autoversicherung versicherten Halter zur Zahlung weiterer Mietwagenkosten in Höhe von 366,79 € zzgl. Zinsen verurteilt.
Das Gericht legt das arithmetische Mittel zwischen dem Schwacke AMS (Automietpreisspiegel) und der (?) Fraunhofer Tabelle als Schätzungsgrundlage zugrunde. DIE Fraunhofer Tabelle gibt es jedoch nicht. Jährlich wird von dem Fraunhofer Institut eine Sammlung von ca. 20 Listen veröffentlicht, nach denen unter verschiedenen Vorgaben Preise ermittelt wurden. Konsequenterweiser wäre zunächst aus sämtlichen dieser Listen ein arithmetisches Mittel zu bilden. Statt dessen wird – wie auch bei anderen Gerichten üblich – kritiklos die von den Versicherungsanwälten vorgelegte Liste akzeptiert, die Preise ausschließlich auf der Basis von Internetpreisen ermittelt, und zwar bei den bundesweit sechs größten Vermietern. Unverständlicherweise weist das Urteil selbst auf dieses Problem hin, ohne es zu lösen. Erstritten wurde dieses Urteil von der Kanzlei Hamburger Meile.
Die Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage hat in der Sache teilweise Erfolg. Die Klägerin kann von dem Beklagten die Zahlung weiterer Mietwagenkosten beanspruchen, allerdings nicht in der von ihr geltend gemachten Höhe.
Anspruchsgrundlage für des Schadensersatzanspruchs sind §§ 7 Abs. 1, 17, 18 Abs. 1 und 3 StVG sowie §§ 823 ff. BGB. Nach den genannten Vorschriften haftet der Halter eines unfallbeteiligten Kraftfahrzeugs für die aus dem Unfall entstandenen Schäden. Die vollständige Haftung des Beklagten als Halter des unfallverursachenden Fahrzeugs für die der Unfallgegnerin entstandenen Schäden ist ebenso außer Streit wie der Umstand, dass die Geschädigte ihren Ersatzanspruch in Bezug auf die streitgegenständlichen Mietwagenkosten an die Klägerin abgetreten hat, so dass diese gemäß § 398 BGB Forderungsinhaberin geworden ist.
Nach § 249 Abs. 1 BGB hat der zum Schadensersatz Verpflichtete den Zustand herzustellen, der bestünde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre. Im Falle der Beschädigung einer Sache kann der Geschädigte nach § 249 Abs. 2 BGB statt der Herstellung dieses Zustandes den dafür erforderlichen Geldbetrag als Schadensersatz verlangen. Bei Verkehrsunfällen, in denen ein Fahrzeug beschädigt wird, gehören zu den Kosten der Schadensbehebung im Sinne des § 249 Abs. 2 BGB regelmäßig auch die Mietwagenkosten, die anfallen, um den Nutzungsausfall des beschädigten Fahrzeugs zu kompensieren. Diese Kosten sind jedoch wie alle übrigen Schadenspositionen nur in dem Umfang zu ersetzen, in dem ein verständiger, wirtschaftlich denkender Geschädigter sie für erforderlich halten darf, wobei der Geschädigte nicht gehalten ist, zugunsten des Schädigers zu sparen.
Das erkennende Gericht schließt sich in dieser Frage der Rechtsprechung an, nach der die Bildung eines Mittelwertes aus den größeren jeweils von den Parteien herangezogenen Mietwagenkostenerhebungen die geeignete Schätzmethode zur Schätzung der „erforderlichen“ Mietwagenkosten darstellt. Es ist überzeugend, dass sowohl der Schwacke-Mietpreisspiegel als auch die Fraunhofer-Erhebung jeweils unterschiedliche Vorzüge und Schwächen aufweisen, die davon ausgehen lassen, dass die tatsächlich regelmäßig erforderlichen Kosten ungefähr in der Mitte zwischen den jeweiligen unterschiedlichen Angaben liegen.
Der „Schwacke-Mietpreisspiegel“ bietet zwar wegen des größeren Umfangs der Erhebung bei Außerachtlassung von Internetangeboten eine breitere und auch örtlich differenziertere Erhebungsgrundlage. Dies kann unter Umständen ein wesentlicher Faktor sein, da sich der Geschädigte nur auf den allgemein zugänglichen Markt verweisen lassen muss. Entscheidender Nachteil der „Schwacke“-Erhebung ist jedoch die – zu Recht – stets angeprangerte Offenkundigkeit des Verwendungszwecks der Preisabfrage. Wegen des erheblichen, auf der Hand liegenden Interesses von Mietwagenunternehmen an der Ermittlung hoher durchschnittlicher Mietwagenpreise besteht die naheliegende Gefahr einer Manipulation der Ergebnisse durch deutlich überhöhte Angaben, aus der sich erhebliche Zweifel an der Zuverlässigkeit des „Schwacke-Mietpreisspiegels“ als einziger Schätzgrundlage ergeben. Bereits aufgrund der allgemeinen Lebenserfahrung erscheint ein Mietpreis von 1.104,08 € für einen Kleinwagen und die Dauer von 15 Tagen teuer.
So hat die „Fraunhofer“-Erhebung demgegenüber den Vorteil, dass sie auf Grund einer anonymen Abfrage von Mietwagenpreisen besser die konkrete Anmietsituation wiedergibt und Umfragemanipulationen auf diese Weise vermeidet. Andererseits basiert ein großer Teil der Abfrage wiederum auf Internet-Angeboten, die in der Regel günstiger sein mögen als die vor Ort direkt erhältlichen Angebote.
Der beschädigte Fiat Punto der Geschädigten fällt in die Mietwagenklasse 2, nach den Tabellenwerken beträgt – von den Parteien weitestgehend übereinstimmend errechnet – der durchschnittliche Anmietpreis nach „Schwacke“ 1.184,56 € brutto und nach „Fraunhofer“ 477,64 € brutto. Daraus ergibt sich ein arithmetisches Mittel von 831,10 €. Das Gericht hält es für gerechtfertigt, wegen der besonderen, sehr kurzfristigen Anmietsituation, in der die Geschädigte nur sehr bedingt zum Preisvergleich in der Lage gewesen sein dürfte, auf dieses Mittel einen Zuschlag von 10 % vorzunehmen, so dass sich auf dieser Schätzgrundlage ein „erforderlicher“ Mietpreis von 914,21 € ergibt. Hinzuzurechnen sind die angemessenen Preise für die Anlieferung und Abholung des Mietwagens, zusammen 50,00 €, so dass zugunsten der Geschädigten bzw. nunmehr der Klägerin als Zessionarin Mietwagenkosten in Höhe von insgesamt 964,21 € erstattungsfähig sind. Abzüglich der bereits regulierten Summe von 597,42 € verbleibt der tenorierte Betrag, der noch zur Zahlung an die Klägerin aussteht.
Der Zinsanspruch der Klägerin ergibt sich aus §§ 288 Abs. 1, 286 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3 BGB.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO.
Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.
Soweit das AG Neumünster.
Hallo Babelfisch,
die Argumentation des erkennenden Gerichts bezüglich des Mittelwertes zwischen Schwacke und Fraunhofer überzeugt mich nicht. Es kommt eindeutig auf die Ex-ante-Sicht des Unfallopfers im Zeitpunkt der Anmietung an. In diesem Zeitpunkt kennt der Geschädigte weder Fraunhofer noch Schwacke und erst recht nicht den Mittelwert aus beiden Tabellen. Er hat in der Regel – unmittelbar nach dem Unfall – auch keine Möglichkeit über Internet Preisvergleiche vorzunehmen.
Wenn beide Tabellen, wie das Gericht zu Recht feststellt, ihre Schwachstellen haben, dann hat die Mittelwertberechnung erst recht Schwachstellen, denn Schwachstelle plus Schwachstelle durch zwei macht keine geeignete Berechnungsgrundlage.
Das ganze Gehampele, hervorgerufen durch den VI. Zivilsenat des BGH, bezüglich der „erforderlichen“ Mietwagenkosten ist mit dem Grundsatz der Schadenswiedergutmachung nicht vereinbar. Die Rechtsprechung misst die aus der Ex-ante-Sicht des Geschädigten zu betrachtenden „erforderlichen“ Wiederherstellungskosten im Sinne des § 249 II BGB aus der Ex-Post-Sicht. Und das ist unzulässig, denn dann wird die Sicht des „klugen“ Gerichts an die Stelle des Unfallopfers unmittelbar nach dem unverschuldeten Unfall gestellt.
Schwacke, Fraunhofer und Mittelwert haben mit den Grundsätzen des Schadensersatzrechts nichts zu tun.
Noch einen schönen Sonntag
Willi Wacker
„Wegen des erheblichen, auf der Hand liegenden Interesses von Mietwagenunternehmen an der Ermittlung hoher durchschnittlicher Mietwagenpreise besteht die naheliegende Gefahr einer Manipulation der Ergebnisse durch deutlich überhöhte Angaben, aus der sich erhebliche Zweifel an der Zuverlässigkeit des „Schwacke-Mietpreisspiegels” als einziger Schätzgrundlage ergeben.“
Geht´s noch? Werden Urteile heutzutage auf Annahmen und Spekulationen aufgebaut? Diesen Mist kann man in vielen Urteilen so oder so ähnlich lesen. Da fällt einem wirklich nichts mehr dazu ein.
„Bereits aufgrund der allgemeinen Lebenserfahrung erscheint ein Mietpreis von 1.104,08 € für einen Kleinwagen und die Dauer von 15 Tagen teuer.“
Dieser Richter hat offensichtlich keine allgemeine Lebenserfahrung und wohl noch nie ein Fahrzeug selbst angemietet, geschweige denn sich in die Lage eines Unternehmers versetzt, der sowohl sämtliche Kosten (nebst Steuern) berücksichtigen und darüber hinaus einen Überschuss generieren muss. EUR 1.104,08 / 15 ergibt einen Tagessatz von EUR 73,60 brutto = EUR 61,95 netto. Und das mit Vollkasko usw. = aus betriebswirtschaftlicher Sicht für einen Fiat Punto völlig korrekt.
EUR 477,64 / 15 nach Fraunhofer ergibt EUR 31,10 brutto pro Tag = EUR 26,13 netto. Die allgemeine Lebenserfahrung sagt, dass hier „Betrüger“ bei der Erstellung von Mietwagenlisten am Werk sind. Und so etwas wird dann von einem deutschen Gericht noch geadelt, indem man Werte dieser Liste zur Kürzung von Mietwagenkosten heranzieht? Pfui Teufel!!
Außerdem wird von sämtlichen „Fraunhofer-“ oder „Mittelwertgerichten“ die BGH-Rechtsprechung sowieso völlig fehlinterpretiert. In keinem BGH-Urteil steht, dass die Instanzgerichte Mietwagenkosten willkürlich KÜRZEN sollen. Da steht nur, dass man Listen zur Schätzung heranziehen KANN. Und zwar zur Schätzung, ob sich die Mietwagenkosten – aus Sicht des Geschädigten (also ex-ante) – im Bereich des Erforderlichen halten. Hier wie überall gilt, dass der Geschädigte eine Überhöhung hätte erkennen müssen. Konnte er das hier? Nein konnte er nicht, da ein Fiat Punto in der freien Vermietung ohne Vorbuchung einschl. Haftungsbefreiung ohne weiteres im Bereich von 70 oder 80 Euro brutto / Tag liegt. Zum Preis der Fraunhofer Liste kann man bestenfalls subventionierte Werkstattwagen (Inspektionsersatzwagen) anmieten. Den Rest der Zeche zahlt hierbei also die Autowerkstatt.
Die Verantwortung für die gesamte Misere liegt jedoch trotzdem beim BGH, da die Mietwagenrechtsprechung offensichtlich so (link) aufgebaut wurde, dass die Instanzrichter fest der Meinung sind, man solle die Mietwagenkosten willkürlich kürzen. Für entsprechende Formulierungen wurde schon vor vielen Jahren seitens der Versicherungswirtschaft mächtig (und offensichtlich erfolgreich) an der BGH-Schraube gedreht. Weiter ging es dann mit der Rechtsprechung zur fiktiven Abrechnung (3-Jahres-Frist, Euro-Garant, Werksrabatt usw.) und neuerdings mit irgendwelchen blöden (missverständlichen) Bemerkungen in der Rechtsprechung zu den Sachverständigenkosten (VI ZR 357/13). Wenn man dann noch hergeht, und die verantwortlichen Richter zu den „krummen Urteilen“ seit der Mietwagenrechtsprechung vergleicht, dann fällt ein Name besonders auf.
Nämlich der, der das völlig korrekte Urteil VI ZR 225/13 überall verteufelt (an dem er nicht mitgewirkt hatte) und beim VI ZR 357/13 dann (unter seiner Beteiligung) mit den typischen subtilen Bemerkungen den Versicherern Raum für weitere Fehlinterpretationen eingeräumt wurde.
@ Willi Wacker und Rüdiger:
Wie wahr, wie wahr.
Vor 4 Wochen habe ich über das Internet ein Mietfahrzeug am Flughafen München für den nächsten Tag gebucht. Klasse: BMW 1 oder ähnlich. Abholung: 11:00 Uhr, Rückgabe 16:30 desselben Tages. Kosten: 156,00 €!!!!
So sieht die Lebenswirklichkeit aus. Kann man in Neumünster überhaupt Fahrzeuge mieten?