Hallo verehrte Captain-Huk-Leserinnen und -Leser,
nachstehend veröffentlichen wir hier ein Urteil aus Dortmund zu den Sachverständigenkosten aus abgetretenem Recht (Factoring) gegen die VHV Versicherung. Die Begründung des erkennenden Amtsrichters der 424. Zivilabteilung des AG Dortmund überzeugt aber keineswegs. Dabei stützt er sich auf ein Urteil des LG Dortmund, das ebenfalls in seiner Begründung mehr als bedenklich erscheint. Es wird dabei Bezug genommen auf die Schrotturteile des LG Saarbrücken und OLG Dresden, obwohl diese die durch den BGH schon lange Geschichte sind. Die Ausführungen zu den Nebenkosten in der Sachverständigenkostenrechnung kennt man sonst nur aus dem Saarland. Das Urteil des AG Dortmund ist eine BGH-Fehlinterpretation wie es die HUK nicht besser machen kann. Mit diesem Urteil macht das AG Dortmund der Schadensersatzrechtsprechung nach einem unverschuldeten Verkehrsunfall im Ruhrgebiet keine Ehre. Lest aber selbst das Urteil und gebt bitte Eure sachlichen Kommentare ab.
Viele Grüße und eine schöne Woche
Willi Wacker
424 C 194/15
Amtsgericht Dortmund
IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
In dem Rechtsstreit
der Deutsche Anwaltliche Verrechnungsstelle AG, vertr. d. d. Vorstand Sven Ries und Jan Pieper, Schanzenstraße 30, 51063 Köln,
Klägerin,
gegen
die VHV Allgem. Versicherung AG, vertr. d. d. Vorstand, dieser vertr. d.d. Vorstandssprecher Thomas Voigt, Constantinstraße 90, 30177 Hannover,
Beklagte,
hat das Amtsgericht Dortmund
im vereinfachten Verfahren gemäß § 495a ZPO ohne mündliche Verhandlung am
28.04.2015
durch den Richter am Amtsgericht Dr. S.
für Recht erkannt:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 99,24 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 05.02.2015 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 28 % und die Beklagte zu 72 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Streitwert beträgt 136,75 €
-Die Darstellung des Tatbestands entfällt gemäß § 313a ZPO-
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist teilweise begründet.
Der Klägerin steht gegenüber der Beklagten gemäß §§ 7 Abs. 1 StVG, 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VVG, 249 Abs. 2, 398 BGB aufgrund des Verkehrsunfallereignisses vom 29.11.2014 ein Anspruch auf Erstattung der restlichen unfallbedingten Sachverständigenkosten zu.
Die grundsätzliche Haftung der Beklagten aufgrund des Verkehrsunfallereignisses steht außer Streit.
Die Klägerin ist entgegen der Ansicht der Beklagten aktivlegitimiert. Die Abtretung des Geschädigten an den Sachverständigen ist aus AGB-rechtlichen Gründen nicht zu beanstanden. Das Fehlen einer ausdrücklichen Verpflichtung zur Rückabtretung im Fall der Befriedigung des Geschädigten durch den Unfallgegner bewirkt keine unangemessene Benachteiligung gemäß § 307 Abs. 1 und 2 BGB. Die grundsätzliche schuldrechtliche Pflicht des Sicherungsnehmers zur Rückübertragung an den Sicherungsgeber besteht aufgrund des Charakters der Abtretung als Sicherungsabtretung. So wird in einer Aufforderung des Sicherungsnehmers gegenüber dem Sicherungsgeber auf Leistung und in der daraufhin folgenden Leistung eine stillschweigende Rückabtretung gesehen (vgl. allgemein hierzu
Palandt/Grüneberg, BGB, 73. Aufl. § 398 Rn. 25). Ein Benachteiligung des
Geschädigten als Zedenten kann daher nicht eintreten.
Hinsichtlich der Schadenshöhe schließt sich das erkennende Gericht der Rechtsprechung des Landgerichts Dortmund als Berufungskammer an.
Das Landgericht Dortmund hat im Rahmen seiner berufungsgerichtlichen Rechtsprechung (Urteil vom 20.1.2015 Az. 21 S 27/14) zu der Erstattungsfähigkeit von Sachverständigenkosten, die im Wege des abgetretenen Rechts geltend gemacht werden, folgendes vertreten:
„Zur Ermittlung des erforderlichen Grundhonorars im Rahmen der Sachverständigenkosten kann auf die BVSK-Honorartabelle 2013 als taugliche Schätzgrundlage im Sinne von § 287 ZPO rekurriert werden (ebenso: LG Saarbrücken, NJW 2012, 3658, 3660; LG Baden-Baden, Urteil vom 06.07.2012, BeckRS 2012, 20215; AG Münster, Urteil vom 25.09.2012, Az. 28 C 1999/12, abrufbar unter juris).“
Die Angemessenheit des Grundhonorars ist von der Beklagten bestritten worden.
Hinsichtlich des Anfalls und der angemessenen Höhe der Nebenkosten hat das Landgericht Dortmund als Spezialkammer für Verkehrssachen im Rahmen ihrer erstinstanzlichen und zweitinstanzlichen Tätigkeit feststellen, dass üblicherweise keine Pauschalhonorare berechnen werden, sondern gesonderte Nebenkosten ausgewiesen werden (ebenso LG Dortmund, NJW-RR 2011, 321, 322; OLG Dresden, Urteil vom 19.02.2014, Az. 7 U 111/12, BeckRS 2014, 06732). Zudem stehen die Anzahl der Fotos, der Umfang des Gutachtens und die Höhe der Nebenkosten nicht zwingend im Zusammenhang mit der Schadenshöhe.
Weiter hat es ausgeführt:
„Zur Bemessung der erforderlichen Nebenkosten kann indes nicht auf die BVSK-Honorarbefragung abgestellt werden (ebenso LG Saarbrücken, Urteil vom 22.06.2012, Az. 13 S 37/12, abrufbar unter juris; OLG Dresden, Urteil vom 19.02.2014, Az. 7 U 111/12, BeckRS 2014, 06732; a.A. LG Dortmund, NJW-RR 2011, 321). Dies bereits deshalb nicht, weil fraglich ist, was sich hinter den einzelnen als Nebenkosten in der BVSK-Tabelle aufgeführten Begriffen verbirgt (dazu ausführlich LG Saarbrücken, Urteil vom 22.06.2012, Az. 13 S 37/12, abrufbar unter juris). Eine Definition des Begriffes der Nebenkosten erfolgt nicht. Die Aussagekraft dürfte daher bereits deshalb infrage zu stellen sein, da die befragten BVSK-Mitglied er unter den genannten Begrifflichkeiten nicht das Gleiche verstanden haben dürften. Auch die Wechselwirkung zwischen den aufgeführten Nebenkosten bleibt offen (so auch OLG Dresden, Urteil vom 19.02.2014, Az. 7 U 111/12, BeckRS 2014, 06732).
Eine Orientierung an den Grundsätzen des Justizvergütungs- und Entschädigungsgesetzes für die Vergütung gerichtlicher Sachverständiger ist aufgrund der unterschiedlichen Haftung gerichtlicher und privater Sachverständiger ebenfalls nicht angebracht (für Mietwagenkosten BGH, NJW 2007, 1451, 1452).
Demnach gilt es, die erforderlichen Sachverständigenkosten im Wege tatrichterlicher Schätzung gemäß § 287 ZPO unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalles festzustellen.
Bei dieser Beurteilung war auch Rücksicht auf die spezielle Situation des Geschädigten, insbesondere auf seine Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie auf die möglicherweise gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten zu nehmen (sogenannte subjektbezogene Schadensbetrachtung, BGH, NJW 1992, 302, 303; BGH, NJW 2014, 1947; BGH, NJW 2014, 3151, 3152). Wissensstand und Erkenntnismöglichkeiten des Geschädigten spielen folglich bereits bei der Prüfung der Erforderlichkeit des Schadensaufwands eine maßgebende Rolle (BGH, NJW 2014, 1947). Nur wenn der Geschädigte von vornherein erkennen konnte, dass der von ihm ausgewählte Sachverständige teilweise Honorarsätze für seine Tätigkeit verlangt, die die in der Branche üblichen Preise deutlich übersteigen, gebietet es das Wirtschaftlichkeitsgebot, einen zur Verfügung stehenden günstigeren Sachverständigen zu beauftragen. Es müssen besondere Umstände vorliegen, aus denen sich ergibt, dass der Geschädigte von vornherein den Schluss hätte ziehen können, dass der Sachverständige im Verhältnis zum konkret entstandenen Unfallschaden ein Honorar verlangt, das die in der Branche üblichen Sätze deutlich übersteigt (BGH, NJW 2014, 1947, 1948; OLG Saarbrücken, Urteil vom 08.05.2014, 4 U 61/13, BeckRS 2014, 10591; LG Stuttgart, Urteil vom 16.07.2014, Az. 13 S 54/14, BeckRS 2014, 14267). Der Geschädigte ist dabei grundsätzlich nicht zur Ausforschung des zugänglichen Marktes verpflichtet, um einen für den Schädiger und dessen Haftpflichtversicherer möglichst preisgünstigen Sachverständigen ausfindig zu machen. Es verbleibt für ihn allerdings das Risiko, dass er ohne nähere Erkundigungen einen Sachverständigen beauftragt, der sich später im Prozess als zu teuer erweist (BGH, NJW 2007, 1450 ff.).
Dabei ist nach Auffassung der Kammer auf den Geschädigten und nicht etwa auf die Klägerin als Zessionarin abzustellen. Die Frage der Erforderlichkeit stellt sich schließlich im Zeitpunkt der Entstehung des Schadens beim Geschädigten. Daher ist auch allein dessen Sicht bei der Beurteilung maßgeblich (ebenso LG Stuttgart, Urteil vom 16.07.2014, Az. 13 S 54/14, BeckRS 2014, 14267). Die Abtretung vermag den Inhalt des abgetretenen Rechts nicht zu tangieren. Daran ändert vorliegend auch der Umstand, dass eine Abtretung an den Sachverständigen und sodann an die Klägerin vorliegt, nichts. Teilweise wird in der Rechtsprechung angenommen, in dieser Konstellation könne dahinstehen, ob der Geschädigte selbst hätte erkennen können und müssen, dass das Honorar des Sachverständigen überhöht ist (OLG Dresden, Urteil vom 19.02.2014, 7 U 111/12, BeckRS 2014, 06732). Jedenfalls stünde der beklagten Versicherung gegenüber dem Zessionar die Möglichkeit zu, dem Schadensersatzanspruch das erhöhte Honorar gemäß § 242 BGB entgegenzuhalten (,,dolo-agit“-Einrede). Dieser Gegenanspruch folge daraus, dass der Sachverständige bei Abrechnung eines überhöhten Sachverständigenhonorars gegen eine Nebenpflicht gemäß § 241 Abs. 2 BGB gegenüber dem Geschädigten verstoßen habe, indem er diesen nicht darüber aufklärte, dass sein Honorar gegebenenfalls über den üblichen Abrechnungssatz liege und daher nicht in vollem Umfang erstattet werde (OLG Dresden, aaO). Nach Ansicht der Kammer ist aber für die Frage der Üblichkeit des Abrechnungsatzes wiederum auch ein subjektives Element einzubeziehen, so dass auch hier die Perspektive des ursprünglich Geschädigten virulent wird.
Die Kammer ist zu der Auffassung gelangt, dass vorliegend die vom Sachverständigen berechneten Preise im folgenden Umfang erforderlich waren:
– Für die Lichtbilder hält die Kammer für den ersten Fotosatz pro Lichtbild Kosten von 1,50 EUR netto für erforderlich. Für den zweiten Satz hält die Kammer Kosten von 1,- EUR netto für erforderlich. Dabei war insbesondere zu berücksichtigen, dass in aller Regel keine ausgedruckten Lichtbilder, sondern Digitalbilder angefertigt werden, die vom Sachverständigen in das Gutachten eingefügt werden. Demnach war der vorliegend erforderliche Aufwand für Fotokosten vorliegend von den angesetzten 23,04 EUR netto auf 20,– EUR netto zu reduzieren.
– Die angesetzten Schreibkosten für den ersten Satz hält die Kammer für angemessen. Dabei kann zumindest indiziell auf die Honorarbefragung 2013 der BVSK abgestellt werden. Demnach liegen die vorliegend angesetzten Kosten von 2,14 EUR netto unterhalb des HB-V-Korridors. Bei der Bemessung galt zu berücksichtigen, dass in diesen Kosten auch die Kosten für die Anschaffung der entsprechenden technischen Geräte und Software enthalten ist. Anders verhält es sich jedoch hinsichtlich der Kosten für die Kopien. Diese sind vorliegend mit 2,12 EUR netto pro Seite abgerechnet. Die Kammer schätzt die erforderlichen Kosten für die Kopien hingegen gemäß § 287 ZPO lediglich auf 1,– EUR netto. Hier galt es zu berücksichtigen, dass in aller Regel lediglich ein weiterer Ausdruck des Dokuments anzuordnen ist. Anstelle der angesetzten 23,32 EUR, hält die Kammer somit Kosten i.H.v. 11,– Euro für erforderlich.
– Die angesetzten Nebenkosten von 9,73 EUR netto hält die Kammer für erforderlich. Hierbei sind die Kosten für Rücksprachen mit Werkstätten und Restwertanfragen und auch die Kosten für die Gutachtenversendung zu berücksichtigen.
Diese festgestellten Überschreitungen des objektiv Erforderlichen, waren nach Ansicht der Kammer auch für den Geschädigten erkennbar. Ein Indiz im Rahmen der Schadensschätzung nach § 287 ZPO zur Bestimmung des erforderlichen Betrages bildet zwar regelmäßig die tatsächliche Rechnungshöhe, d.h. die Übereinstimmung des vom Geschädigten erbrachten Kostenaufwands mit der Rechnung und der ihr zu Grunde liegenden Preisvereinbarung (BGH, NJW 1996, 1958, 1959 f.; BGH, NJW 2007, 1450, 1451; BGH, NJW 2014, 1947, 1948; OLG Saarbrücken, Urteil vom 08.05.2014, Az. 4 U 61/13, BeckRS 2014, 10591). In dieser schlagen sich schließlich die besonderen Umstände des jeweiligen Einzelfalls nieder (BGH, NJW 2014, 1947, 1948 m. weit. Nachw.). Die Preisvereinbarung ist hier die Honorartabelle 2011. Deren Korridore sind allesamt eingehalten. Allerdings ist vorliegend eine doppelte Abtretung gegeben. Anders als im Fall BGH NJW 2014, 1947 klagt nicht der Geschädigte selbst, sondern der Zessionar. Eine maßgebliche indizielle Bedeutung der vom Geschädigten zu keinem Zeitpunkt beglichenen Rechnung ist hingegen nicht anzunehmen (BGH, NJW 2014, 3151, 3153).
Wie hoch die Kosten für Lichtbilder sind, ist nach Ansicht der Kammer auch für einen Laien einschätzbar. Es handelt sich dabei um Kosten, die jedem aus dem täglichen Leben bekannt sind. Dabei stellt die Kammer bewusst nicht auf die Kosten für den einfachen Ausdruck eines Farbbildes ab, sondern wie ausgeführt, auf die Kosten für digitale Fotos, die in ein Dokument eingeflochten werden und sodann in Farbe ausgedruckt werden. Für einen wirtschaftlich denkenden Menschen erkennbar, dass die angesetzten Kosten von 1,80 EUR und 1,08 EUR nicht die Lebenswirklichkeit wiedergeben und übersetzt sind.
Gleiches gilt für die Schreibkosten. Auch wenn es sich um einen Farbausdruck handelt, liegen diese Kosten erkennbar nicht bei 2,12 EUR. Die angesetzten Kosten sind insofern mit der Lebenswirklichkeit nicht vereinbar. Insbesondere dürfte auch für einen verständigen, wirtschaftlich denkenden Menschen erkennbar sein, dass nicht nachvollziehbar ist, dass die Schreibkosten für das Duplikat nur unwesentlich unter den Schreibkosten für das Original liegen. Dies obwohl es genügt, einen zweiten Ausdruck vorzunehmen.
…Im Zeitpunkt der Beauftragung als maßgeblichen Zeitpunkt für die Frage der Erkennbarkeit musste der Geschädigte vorliegend somit sogar noch von höheren Kosten ausgehen als tatsächlich berechnet wurden.
Eine ex ante-Einschätzung der Erforderlichkeit war dem Geschädigten vorliegend auch möglich, insbesondere da ihm die Honorartabelle, nach der abgerechnet wurde, offen gelegt war. Zur Einschätzung, ob die angesetzten Kosten erforderlich sind, konnte er auf allgemein zugängliche Quellen zurückgreifen (LG Saarbrücken, Urteil vom 22.06.2012, 13 S 37/12, abrufbar unter juris). Im Unterschied zu den Mietwagenkosten und Reparaturkosten vermag zwar kein vergleichbar breit gefächerter Markt mit allgemein zugänglichen Preislisten für Kfz-Sachverständige bestehen, im Rahmen der subjektbezogenen Schadensbetrachtung obliegt dem Geschädigten allerdings auch nicht etwa eine Marktforschung oder eine Recherche nach einem Sachverständigen mit einem günstigeren Honorarangebot (BGH, NJW 2007, 1450, 1452; BGH, NJW 2014, 1947, 1948; BGH, NJW 2014, 3151, 3152). Es genügt, wenn der Geschädigte ex ante ein Preisgefühl an den Tag legt, wie dies ein wirtschaftlich denkender, vernünftiger Mensch anzuwenden pflegt. Das Fehlen verlässlicher Zahlenwerke über die zu erwartenden Nebenkosten vermag den Laien schließlich nicht von jeglicher Plausibilitätskontrolle zu entheben (LG Saarbrücken, Urteil vom 22.06.2012, Az. 13 S 37/12, abrufbar unter juris Tz. 38). Dass für den Einzelnen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten bestehen, ergibt sich für die Kammer auch daraus, dass ihr aus ihrer Tätigkeit als Spezialkammer für Verkehrssachen bekannt ist, dass oftmals auch derselbe Sachverständige bei unterschiedlichen Gutachten unterschiedliche Nebenkostensätze verwendet.
Der Auffassung der Kammer steht auch nicht das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 11.02.2014 entgegen (BGH, NJW 2014, 1947). Zwar ging es auch indem zu entscheidenden Fall ausschließlich um die Nebenkosten. Nach dem Bundesgerichtshof ist indes lediglich zu beanstanden, wenn das Tatgericht eine Kürzung der geltend gemachten Sachverständigenkosten allein aufgrund der Überschreitung der Korridore aus der BVSK-Honorarbefragung vornimmt. Zu der Frage, ob der geschädigte Kläger von vornherein hätte erkennen können, dass überhöhte Nebenkosten angesetzt würden, hat der BGH jedoch ausdrücklich keine Stellung genommen (BGH, NJW 2014, 1947, 1948). Eine Wertung der Sachverständigenkosten als erkennbar überhöht, ist in dem dieser Entscheidung nachfolgenden Urteil vom 22.07.2014 auch ausdrücklich nicht beanstandet worden (BGH, NJW 2014, 3151, 3153).“
Angewandt auf den vorliegenden Fall sind daher die Sachverständigenkosten wie folgt abzurechen:
Grundhonorar: 364,00 € netto
Nebenkosten
1. Fotosatz 16 x 1,50 € 24,00 € netto
2. Fotosatz 16 x 1,00 € 16,00 € netto Fahrtkosten 26,12 € netto Porto/Telefon 17,79 € netto
Schreibkosten 14 x 2,81 € 39,94 € netto
Schreibkosten Kopie 14 x 1,00 € 14,00 € netto
Summe netto 501,25 €
Zzgl. Ust 95,24 €
Summe brutto 596,49 €
Abzgl. Zahlung Beklagte 497,25 €
Offen 99,24 €
Das pauschale Bestreiten des Anfalls von Fahrkosten durch die Beklagte greift nicht durch, da ausweislich des Gutachtens die Besichtigung am Wohnort des Geschädigten stattgefunden hat.
Die Zinsforderung ergibt sich aus §§ 280 Abs. 1 und 2, 286 Abs. 1 S. 2, 288 Abs. 1 BGB.
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 1, 511 Abs. 2 und 4, 708 Nr. 11, 713 ZPO, 63 Abs. 2 S. 1 GKG.
Im Hinblick auf die detaillierte und umfassende Berücksichtigung der von diesem Rechtsstreit berührten Problematik durch die berufungsgerichtliche Rechtsprechung des Landgericht Dortmund ist die Zulassung der Berufung nicht geboten gewesen.
Kein Wunder,denn die Saarlandstrasse 27 ist umme Ecke und das Richterlein kann in der dortigen Kantine tagtäglich lecker Kaloriechen in sich hineinschaufeln und sich dabei die neuesten Textbausteine reinziehen.
Guten Tag, Willi Wacker,
wieder ein interessantes Urteil, was die Abweichung von den schadenersatzrechtlich beurteilungsrelevanten Grundpfeilern angeht.
Richtig:
„Hinsichtlich des Anfalls und der angemessenen Höhe der Nebenkosten hat das Landgericht Dortmund als Spezialkammer für Verkehrssachen im Rahmen ihrer erstinstanzlichen und zweitinstanzlichen Tätigkeit feststellen, dass üblicherweise keine Pauschalhonorare berechnen werden, sondern gesonderte Nebenkosten ausgewiesen werden (ebenso LG Dortmund, NJW-RR 2011, 321, 322; OLG Dresden, Urteil vom 19.02.2014, Az. 7 U 111/12, BeckRS 2014, 06732).
Zudem stehen die Anzahl der Fotos, der Umfang des Gutachtens und die Höhe der Nebenkosten nicht zwingend im Zusammenhang mit der Schadenshöhe.“
„Zur Bemessung der erforderlichen Nebenkosten kann indes nicht auf die BVSK-Honorarbefragung abgestellt werden (ebenso LG Saarbrücken, Urteil vom 22.06.2012, Az. 13 S 37/12, abrufbar unter juris; OLG Dresden, Urteil vom 19.02.2014, Az. 7 U 111/12, BeckRS 2014, 06732; a.A. LG Dortmund, NJW-RR 2011, 321). Dies bereits deshalb nicht, weil fraglich ist, was sich hinter den einzelnen als Nebenkosten in der BVSK-Tabelle aufgeführten Begriffen verbirgt (dazu ausführlich LG Saarbrücken, Urteil vom 22.06.2012, Az. 13 S 37/12, abrufbar unter juris). Eine Definition des Begriffes der Nebenkosten erfolgt nicht. Die Aussagekraft dürfte daher bereits deshalb infrage zu stellen sein, da die befragten BVSK-Mitglied er unter den genannten Begrifflichkeiten nicht das Gleiche verstanden haben dürften. Auch die Wechselwirkung zwischen den aufgeführten Nebenkosten bleibt offen (so auch OLG Dresden, Urteil vom 19.02.2014, Az. 7 U 111/12, BeckRS 2014, 06732).“
„Eine Orientierung an den Grundsätzen des Justizvergütungs- und Entschädigungsgesetzes für die Vergütung gerichtlicher Sachverständiger ist aufgrund der unterschiedlichen Haftung gerichtlicher und privater Sachverständiger ebenfalls nicht angebracht (für Mietwagenkosten BGH, NJW 2007, 1451, 1452).“
„Bei dieser Beurteilung war auch Rücksicht auf die spezielle Situation des Geschädigten, insbesondere auf seine Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie auf die möglicherweise gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten zu nehmen (sogenannte subjektbezogene Schadensbetrachtung, BGH, NJW 1992, 302, 303; BGH, NJW 2014, 1947; BGH, NJW 2014, 3151, 3152). Wissensstand und Erkenntnismöglichkeiten des Geschädigten spielen folglich bereits bei der Prüfung der Erforderlichkeit des Schadensaufwands eine maßgebende Rolle (BGH, NJW 2014, 1947). Nur wenn der Geschädigte von vornherein erkennen konnte, dass der von ihm ausgewählte Sachverständige teilweise Honorarsätze für seine Tätigkeit verlangt, die die in der Branche üblichen Preise deutlich übersteigen, gebietet es das Wirtschaftlichkeitsgebot, einen zur Verfügung stehenden günstigeren Sachverständigen zu beauftragen. Es müssen besondere Umstände vorliegen, aus denen sich ergibt, dass der Geschädigte von vornherein den Schluss hätte ziehen können, dass der Sachverständige im Verhältnis zum konkret entstandenen Unfallschaden ein Honorar verlangt, das die in der Branche üblichen Sätze deutlich übersteigt (BGH, NJW 2014, 1947, 1948; OLG Saarbrücken, Urteil vom 08.05.2014, 4 U 61/13, BeckRS 2014, 10591; LG Stuttgart, Urteil vom 16.07.2014, Az. 13 S 54/14, BeckRS 2014, 14267). Der Geschädigte ist dabei grundsätzlich nicht zur Ausforschung des zugänglichen Marktes verpflichtet, um einen für den Schädiger und dessen Haftpflichtversicherer möglichst preisgünstigen Sachverständigen ausfindig zu machen. Es verbleibt für ihn allerdings das Risiko, dass er ohne nähere Erkundigungen einen Sachverständigen beauftragt, der sich später im Prozess als zu teuer erweist (BGH, NJW 2007, 1450 ff.).“
„Nach Ansicht der Kammer ist aber für die Frage der Üblichkeit des Abrechnungsatzes wiederum auch ein subjektives Element einzubeziehen, so dass auch hier die Perspektive des ursprünglich Geschädigten virulent wird.“
Ja, und danach kommt dann in Rückwärtsfahrt der schadenersatzrechtlichen Randbedingungen der große Crash mit Ausblendung der schadenersatzrechtlichen Relevanz und Einblendung einer werkvertraglichen Beurteilung durch das Gericht, obwohl es hier überhaupt nicht um eine solche Art der Auseinandersetzung geht.
Das Gericht hält sich für kompetent und für befugt, dem Geschädigten aufzuerlegen, bei welchen Preisen er – nach Vorstellung des Gerichts – die Nichterforderlichkeit bzw. Unwirtschaftlichkeit hätte bemerken müssen. Da verschlägt es einem dann doch die Sprache, wenn in gleichem Atemzug die Lebenswirklichkeit angesprochen wird. Ich habe für einige kompetente und lebenserfahrenen Richterinnen und Richter in NRW Gutachten erstattet und zwar auch für solche, die mit Rechtsstreitigkeiten aus Verkehrsunfällen befasst waren. Keiner aus diesem ehrenwerten Personenkreis ist je auf die Idee gekommen, irgendwelche Postitionen der Rechnung für ein Gutachten als nicht erforderlich oder überhöht zu erkennen und zu reklamieren. Man verstehe mich bitte nicht falsch, wenn ich jetzt frage, ob die alle doof waren?
Was die strapazierte „Lebenswirklichkeit“ angeht, so bekommt der staunende Leser die Maulsperre, wenn er liest: “ Es genügt, wenn der Geschädigte ex ante ein „Preisgefühl “ an den Tag legt, wie dies ein wirtschaftlich denkender, vernünftiger Mensch anzuwenden pflegt. Das Fehlen verlässlicher Zahlenwerke über die zu erwartenden Nebenkosten vermag den Laien schließlich nicht von jeglicher Plausibilitätskontrolle zu entheben (LG Saarbrücken, Urteil vom 22.06.2012, Az. 13 S 37/12, abrufbar unter juris Tz. 38).“ Die gerichtsseitig angesprochenen Plausibilitätskontrolle wird sich nur auf Rechenfehler in der Summation beschränken müssen, denn jedwede andere Auslegung ist schadenersatzrechlich verfehlt.
Und dann geht es in den Überlegungen spannend weiter:
„Dass für den Einzelnen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten bestehen, ergibt sich für die Kammer auch daraus, dass ihr aus ihrer Tätigkeit als Spezialkammer für Verkehrssachen bekannt ist, dass oftmals auch derselbe Sachverständige bei unterschiedlichen Gutachten unterschiedliche Nebenkostensätze verwendet.“
Ja, hat sich da die „Spezialkammer“ für Verkehrssachen nie gefragt oder nachgefragt, wie so etwas sein kann bzw. zustande kommen könnte? Daraus ohne weitere Verifizierung Erkenntnis-und Einflussmöglichkeiten abzuleiten und einen Verstoß gegen die Schadenminderungspflicht unterstellen zu wollen, ist schon ein dicker Hund.
Und gänzlich verfehlt ist die Bezugnahme auf das nachfolgende Urteil des BGH:
„Eine Wertung der Sachverständigenkosten als erkennbar überhöht, ist in dem dieser Entscheidung nachfolgenden Urteil vom 22.07.2014 auch ausdrücklich nicht beanstandet worden (BGH, NJW 2014, 3151, 3153).“ Diesem Urteil lag eine Abtretung an Erfüllung statt zu Grund, so das die diesem Urteil zugedachte Interpretation nicht plausibel erscheint.
Die teilweise fragwürdigen Entscheidungsgründe des AG Dortmund lesen sich insoweit wie das Plagiat eines Kürzungsschreibens und in der Tat ist gerade die Rechtsprechung zu rechtswidrig gekürzten Gutachterkosten gerade im Gerichtsbezirk Dortmund bis heute noch krass widersprüchlich, so dass die Zulassung einer Berufung nur zu verständlich gewesen wäre.
VHV Austernfischer
Hallo, VHV Austernfischer,
Willi Wacker hat schon an anderer Stelle zum Kürzungsverhalten der VHV zutreffend angemerkt:
„Gemäß § 249 Abs. 1 BGB kann der Geschädigte vom Schädiger nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB als erforderlichen Herstellungsaufwand den Ersatz der objektiv erforderlichen Sachverständigenkosten verlangen. Als erforderlich sind dabei diejenigen Kosten anzusehen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten darf, wobei er unter Berücksichtigung der sich aus § 254 Abs. 2 S. 1 BGB ergebenden Schadensminderungspflicht gehalten ist, im Rahmen des Zumutbaren den wirtschaftlicheren Weg zur Schadensbehebung zu wählen (BGH v. 11.02.2014, VI ZR 225/13, Rz. 7).
Dieser Pflicht genügt der Geschädigte jedoch, wenn er gemessen an seinen subjektiven Erkenntnismöglichkeiten den Aufwand zur Schadensbeseitigung in vernünftigen Grenzen gehalten hat. Bei der Beauftragung eines Sachverständigen darf er sich damit begnügen, einen in seiner Lage erreichbaren Sachverständigen zu beauftragen. Zur Marktforschung nach dem honorargünstigsten Sachverständigen ist er nicht verpflichtet.“
Das hat dieser Richter Dr.S. des AG Dortmund wohl noch nicht so ganz verstanden, denn er ersetzt die Sichtweite/Sichtweise des Geschädigten durch seine eigene Vorstellung und beruft sich insoweit auf Entscheidungsgründe der „Spezialkammer“ des LG Dortmund. Speziell sind die Überlegungen bezüglich des dem Geschädigten angetragenen Verhaltensmusters allemal. Was das jedoch mit Schadenersatz zu tun haben könnte, ist noch nicht einmal ansatzweise nachvollziehbar und ergibt sich auch nicht aus §§ 249 BGB ff. Angesichts des bekannten Inhalts der VHV-Kürzungsschreiben eine bemerkenswerte Zuordnung der Überlegungen. Geht es nicht um die Beurteilung eines Sachverständigenhonorars der Höhe nach unter dem Strich? Interessant finde ich in diesem Zusammenhang den BGH-Beschluß vom 24.07.2003, in dem nachzulesen steht:
„Honorarvereinbarungen dürfen im Hinblick auf die Verfassungsgarantie der Berufsausübung (Artikel 12 Abs. 1 Grundgesetz) in ihrer Rechtswirksamkeit nicht ohne ausreichenden Sachgrund beschnitten werden.
Eine Honorarvereinbarung kann grundsätzlich das Sittengesetz nicht verletzen, wenn sie zu einem aufwandsangemessenen Honorar führt (BGH Urteil vom 03.04.2003 aaO).
Die äußerste Grenze eines angemessenen Honorars ist überschritten, wenn der Auftragnehmer seinen Aufwand in grober Weise eigensüchtig aufbläht und das Wirtschaftlichkeitsgebot wissentlich außer Acht lässt.
Das ist der Fall, wenn die äußerste Grenze eines aufwandsangemessenen Honorars um etwa das Doppelt überschritten wird.“
Emma unterm Hexenbaum
Hallo VHV Austernfischer,
das von der VHV angeführte – und auch vom Gericht erwähnte – Urteil des OLG Dresden ist durch das Urteil des BGH VI ZR 225/13 – überhohlt – und trotzdem, oder gerade deswegen, wird es immer wieder von den Versicherungen ins Feld geführt. Zwar datiert das BGH-Urteil vom 11.2.2014 und das OLG-Urteil vom 19.2.2014. Beim Erlass des OLG-Urteils war aber das BGH-Urteil noch nicht veröffentlicht. Also konnte das OLG Dresden auch nicht gegen BGH entscheiden. Wenn die Versicheungen etwas anderes behaupten, so ist das schlichtweg falsch und dient wiederum nur der Irreführung der Geschädigten, wobei wiederum der Verdacht des Betruges aufkommt.
Hallo, Emma,
bemerkenswert, bemerkenswert. Willi Wacker hat aber schon 2010 ausgeführt:
„Da die Sachverständigenkosten nach ständ. Rechtsprechung des BGH erforderlicher Herstellungsaufwand sein können, wenn die vorherige Begutachtung zur tatsächlichen Durchführung der Wiederherstellung erforderlich und zweckmäßig ist ( vgl. BGH NJW 1974, 34; BGHZ 61, 346; BGH NJW 1985, 1845 L; BGH DS 2005, 108; Wortmann VersR 1998, 1204, 1210f), wird bei diesen auch zu berücksichtigen sein, welche Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten der Geschädigte hatte. Nämlich keine.
Der Sachverständige ist ein Fachmann, den der Geschädigte zur Wiederherstellung heranzieht, wobei er nicht Erfüllungsgehilfe des Geschädigten ist (vgl. OLG Köln VersR 1975, 546; OLG Naumburg DS 2006, 283, 285).“
Auch das passt offensichtlich nicht zum Schadenersatzverständnis des Dortmunder Amtsrichters Dr. S., entspricht aber der Lebenswirklichkeit.
Freundlichst und
mit Hochachtung
Gutmann
Hallo Emma unterm Hexenbaum und Gutmann,
Ihr beide habt mich richtig zitiert. Das Urteil des Amtsrichters in Dortmund hat wahrlich nichts mit Schadensersatzrech im Sinne des § 249 BGB zu tun. Mit dem Schadensersatz soll der vollständige Schadensausgleich bei unverschuldeter Schadenssituation herbeigeführt werden. Bei voller Haftung ist vollständiger Schadensersatz zu leisten. Mit diesem Grundsatz hat weder das angeführte Urteil des LG Dortmund noch das veröffentlichte Urteil des AG Dortmund zu tun.
Meine Kritik an dem Urteil hatte ich bereits in dem Vorwort angeführt.
Mit freundlichen Grüßen
Willi Wacker
Hallo zusammen,
mit diesen Fehlurteilen hier in DO kann ich euch aktuell zuschmeißen. Wirklich ekelhaft. Ich habe aber noch eine aktuell gute Entscheidung eines anderen Richters hier am AG Dortmund, der dem so nicht folgt. Dieses habe ich bereits an die Redaktion weitergeleitet…
Beste Grüße
der Bösewicht
@Bösewicht
Tu mal!-
Krickente